Zu den außen- und sicherheitspolitischen Positionen des neuen Präsidenten der USA - Sachstand - © 2009 Deutscher Bundestag WD 2 - 3010 - 007/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Zu den außen- und sicherheitspolitischen Positionen des neuen Präsidenten der USA Sachstand WD 2 - 3010 - 007/09 Abschluss der Arbeit: 26. Januar 2009 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - Präsident Barack Obama Außen- und sicherheitspolitische Konzeption In den Vereinigten Staaten von Amerika zeichnet sich mit dem Amtsantritt des 44. Präsidenten der USA, dem Demokraten Barack H. Obama in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine deutliche Kurskorrektur ab. Barack Obama rief in seiner Inaugurationsrede vor dem Kapitol am 20. Januar 2008 eine neue Ära der Verantwortung aus: „Was wir jetzt brauchen, ist eine neue Ära der Verantwortung – die Erkenntnis jedes Amerikaners, dass wir Pflichten vor uns selbst, unserer Nation und der Welt haben, Pflichten, die wir nicht zähneknirschend annehmen, sondern vielmehr mit Freude ergreifen...“ Das liberale US-Forschungsinstitut Brookings Institution stellt den Begriff der Verantwortung in Obamas Inaugurationsrede als ein künftiges Leitmotiv seines Handelns heraus . Dem Forschungsinstitut zufolge spricht der Begriff mehrere Ebene des Handels an: Zum einen stelle Verantwortung ein Gegengewicht zu den Rechten eines jeden Bürgers dar und beinhalte im Rahmen seiner Pflichten eine Bringschuld; Zum anderen, so die Brookings Institution, verweist Obama mit seiner Forderung nach der Übernahme von Verantwortung auf einen Zustand der Verantwortungslosigkeit, der nach seiner Auffassung in den zurückliegenden Jahren das Verhalten einiger Führungspersönlichkeiten des öffentlichen und privaten Sektors gekennzeichnet habe. „Die Zeit, in der wir uns Änderungen verweigerten, in der wir kleinliche Interessen verteidigten und unangenehme Entscheidungen aufschoben, diese Zeit ist mit Sicherheit vorbei.“. Um verloren gegangenes Vertrauen in der Innen- und Außenpolitik zurückzugewinnen, so Brookings Institution, ergebe sich für Obama mit dem Übernehmen von Verantwortung die Pflicht, Rechenschaft vor dem amerikanischen Volk abzulegen und Integrität bewahren. „Diejenigen unter uns, die öffentliche Mittel verwalten, müssen Rechenschaft ablegen – ob sie Ausgaben klug tätigen, schlechte Angewohnheiten ablegen und unsere Geschäfte im Lichte der Öffentlichkeit tätigen – denn nur dann können wir das grundlegende Vertrauen zwischen den Bürgern und ihrer Regierung wiederherstellen.“ - 4 - In seiner Amtsantrittsrede vor der Nation lehnte der 44. US-Präsident ein Handeln ab, das vom Völkerrecht oder von der Verfassung abrückt, wenn es um die Sicherheit geht. Er stellt für seine Administration damit klar, dass verantwortungsbewusstes Handeln ein von menschen- und völkerrechtlichen Normen geleitetes rechtsstaatliches Handeln bedeutet . „Was unsere gemeinsame Verteidigung angeht, so lehnen wir die falsche Entscheidung zwischen unserer Sicherheit und unseren Idealen ab. Unsere Gründerväter (…) verfassten eine Charta zur Gewährung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte (…). Diese Ideale erhellen die Welt noch immer und wir werden sie nicht aufgeben, weil es zweckdienlich erscheint.“ Damit erteilte Barack Obama zugleich Verhörmethoden der Folter sowie der Gefangennahme und dem Festhalten von Terror-Verdächtigen ohne rechtstaatlichen Prozess eine Absage. Dies drückte sich bereits am Tag nach seiner Vereidigung in politischem Handeln aus: Er ordnete die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo Bay auf Kuba an. Zuvor hatte Obama die Aussetzung von fünf anhängigen Verfahren vor Militärtribunalen im Gefangenenlager beantragt. Die Verfahren vor den Militärkommissionen sind zunächst für 120 Tage ausgesetzt. Für diesen Zeitraum plant der Präsident und Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte eine Überprüfung des Systems der Sondergerichte und ob die Häftlinge ein rechtsstaatliches Verfahren erhalten oder freigelassen werden. Ungeklärt ist noch der Verbleib von 50 Gefangenen, denen nach ihrer Freilassung und Rückkehr in ihre Heimat Folter drohen würde. Darüber hinaus zielt die Verordnung des Präsidenten auch darauf ab, umstrittene CIA-Verhörmethoden wie das Waterboarding (das simulierte Ertränken von Inhaftierten) sowie die CIA-Praktik der geheimen Inhaftierung von Terror-Verdächtigen zu unterbinden. Des Weiteren hat Präsident Obama in seiner Inaugurationsrede den Führungsanspruch der USA erneut reklamiert: „Wir sind wieder bereit, die Führungsrolle zu übernehmen.“ Während des Wahlkampfes hatte er sich für den Ausbau des Führungsanspruchs innerhalb der VN, der NATO und der Welthandelsorganisation ausgesprochen. Obama gilt als Verfechter einer liberal-multilateralen Außenpolitik. In welcher Weise sich der 44. US-Präsident von den Prinzipien der „Zusammenarbeit“ und „Verständigung zwischen Nationen“ leiten lassen wird und wie seine Vorstellungen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Macht umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Obama sagte in seiner Antrittsrede dazu: - 5 - „Rufen Sie sich in Erinnerung, dass frühere Generationen dem Faschismus und dem Kommunismus trotzten, nicht nur mit Raketen und Panzern, sondern mit starken Bündnissen und fortdauernden Überzeugungen. Sie wussten, dass unsere Macht alleine uns nicht schützen kann, und sie berechtigt uns auch nicht zu tun, was wir wollen. Sie wussten vielmehr, dass unsere Macht durch ihren umsichtigen Einsatz wächst, und unsere Sicherheit aus der Gerechtigkeit der Sache und kraft unseres Vorbilds entsteht, den mäßigenden Eigenschaften der Demut und der Zurückhaltung.“ Weitere Wahlkampfversprechen, die Obama in seiner Amtsantrittsrede aufgreift, betreffen die Führungsrolle der USA beim weltweiten Abbau von Atomwaffen sowie seine Präferenz für diplomatische Vermittlungen bei Konflikten auf internationaler Ebene. An die muslimische Welt gerichtet forderte er, gemeinsam mit ihr nach einem Weg in die Zukunft zu suchen, der auf gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Respekt aufbaue. Auch für die von Armut und Hungersnot betroffenen Menschen weltweit hatte er eine Nachricht: er erneuerte sein Wahlkampfversprechen, die Entwicklungszusammenarbeit zu verstärken, damit ihre Felder erblühten und sauberes Wasser zu ihnen gelange. Länder, in denen der Wohlstand überwiege, könnten es sich nicht mehr leisten, „dem Leid jenseits unserer Grenzen gleichgültig gegenüberzustehen“, so Obama. Gleichgültig wolle er auch Politikern nicht gegenüberstehen, die sich „durch Korruption und Betrug und die Unterdrückung von Andersdenkenden an die Macht“ klammerten. Er versprach ihnen, die Hand zu reichen, wenn sie bereit seien, die Faust zu öffnen. Damit bekräftigte er auch sein Wahlkampfversprechen, vor dem Scheitern stehende Staaten in Afrika oder Asien stabilisieren und unterstützen zu wollen. Ob und in welchem Umfang bei bestehenden und künftigen Konflikten politischer Dialog und Diplomatie zum Einsatz kommen und Erfolg haben, hängt entscheidend von Obamas außen- und sicherheitspolitischem Beraterstab ab. Die am 22. Januar vereidigte neue US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton äußerte bei ihrem Amtsantritt im State Department den Willen, sich gegenüber den Militärstrategen des Pentagons zu behaupten. Sie wolle klar machen, dass Diplomatie und Entwicklungspolitik wichtige Werkzeuge seien, um Amerikas langfristige Ziele zu erreichen, so Clinton. Dass Diplomatie mehr Raum in außen- und verteidigungspolitischen Strategien des Weißen Hauses einnehmen könnte, dafür spricht auch, dass der Botschafterposten an die Vereinten Nationen in den Kabinettsrang gehoben wurde und Obama den Posten einer seiner engsten Beraterinnen anvertraute: Susan Rice, Obamas außenpolitische Beraterin in Wahlkampfzeiten und längjähriges Mitglied des nationalen Sicherheitsteams der Clinton Administration, ist am 23. Januar 2009 auf dieser Position vereidigt worden. - 6 - Im Weiteren gehören der nationale Sicherheitsberater General James L. Jones, ehemals NATO-Kommandeur, sowie der von der Regierung von George W. Bush übernommene Verteidigungsminister, der Republikaner Robert M. Gates, dem nationalen Sicherheitsberaterteam des 44. US-Präsident an. Sowohl Verteidigungsminister Gates als auch General Jones hatten bereits gegenüber Obamas Vorgänger auf die Grenzen militärischer Macht in Kriegen hingewiesen, die ihrer Ansicht nach nicht zu gewinnen seien. Folgende weitere Entwicklungen zeichnen sich seit Obamas Amtsübernahme vom 20. Januar 2009 ab: Irak und Afghanistan: „Wir werden damit beginnen, den Irak verantwortungsvoll seinen Bürgern zu überlassen und einen schwer erarbeiteten Frieden in Afghanistan schmieden“, kündigte der 44. US-Präsident am 20. Januar 2009 an. Dabei wies er bereits zwei Tage später die Militärführung seines Landes an, einen Abzug des Großteils der amerikanischen Streitmächte aus dem Irak vorzubereiten. Aus Obamas Umfeld war indes bestätigt worden, dass der Präsident an seinem Wahlkampfversprechen festhalte, innerhalb von 16 Monaten einen Großteil der US-amerikanischen Streitkräfte aus dem Irak abzuziehen. In seinem Wahlkampf hatte er davon gesprochen, dass die nicht näher bezifferte Reststreitmacht Ausbildungsaufgaben und die Sicherung der amerikanischen Botschaft wahrzunehmen habe . Mit einem verantwortungsvollen Abzug des Großteils der Streitkräfte aus dem Irak sollen Ressourcen frei werden, die gegenwärtig nicht verfügbar sind Indes rückt Afghanistan in den Fokus beim Kampf gegen den Terrorismus. Am 23. Januar 2009 ernannte Präsident Obama den früheren VN-Botschafter Richard Holbrooke zum Sondergesandten für Afghanistan und Pakistan. Holbrooke hat langjährige Erfahrungen mit Krisendiplomatie vorzuweisen. Er war als US-Balkanbeauftragter einer der Architekten des Dayton-Abkommens, das 1995 den Bürgerkrieg in Bosnien beendete. Es wird außerdem damit gerechnet, dass die neue Regierung 2009 zwischen 20.000 und 30.000 weitere Soldaten nach Afghanistan schicken und damit die Truppenstärke auf 60.000 Soldaten verdoppeln wird. Neben dem stärkeren militärischen Engagement hält der Präsident an einem stärkeren finanziellen Beitrag für den Aufbau zivilstaatlicher Strukturen in Afghanistan fest. Obama hatte in seinem Wahlkampf das Fehlen einer langfristigen Strategie seines Vorgängers für die amerikanische Präsenz in Afghanistan moniert. - 7 - Als demokratischer Präsidentschaftskandidat hatte Obama gefordert, US-Spezialkräfte entlang und jenseits der afghanisch-pakistanischen Grenze einzusetzen, falls die pakistanische Regierung die Rückzugsgebiete der Taliban nicht unter Kontrolle bekomme. Iran: Der Kandidat Obama hatte angekündigt, mit dem Iran wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen. Anders als sein Vorgänger, Präsident Georg W. Bush, strebt er direkte Gespräche mit hochrangigen politischen Vertretern des Irans ohne Vorbedingungen an. Inzwischen hat er als Präsident konkretisiert, dass einem direkten Kontakt mit der Führung des Landes vorbereitende Gespräche auf Arbeitsebene vorausgehen müssten. Mit dieser Position ist er näher an die der Außenministerin herangerückt. In seinen Wahlkampfreden hatte Obama bestimmte Sicherheitsgarantien und wirtschaftliche Vorteile, wie etwa eine iranische Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation, für den Iran erwogen, wenn sich die politischen Führer des Landes bereit zeigten, ihre Unterstützung militanter schiitischer Gruppen, wie etwa der Hamas im Gazastreifen, aufzugeben. Naher Osten: Die Verschärfung des Konfliktes im Nahen Osten hat das Thema an die Spitze von Präsident Obamas außenpolitischer Agenda katapultiert. Inzwischen hat der Präsident den ehemaligen US-Senator George Mitchell zum Sondergesandten im israelischpalästinensischen Konflikt ernannt. Mitchells Berufung wurde mit der „Dringlichkeit und der Schwierigkeit“ der besonderen Situation begründet. Seine Aufgabe ist, umgehend in den Nahen Osten zu reisen und zusammen mit den Parteien vor Ort eine anhaltende Feuerpause im Gazastreifen zu erreichen, erklärte Obama am 23. Januar 2009 zu der diplomatischen Mission. Als demokratischer Präsidentschaftskandidat hatte Obama im israelischpalästinensischen Konflikt eine Zwei-Staaten-Lösung, ausgehend von den Prinzipien des Nahost-Quartetts, wie sie in dem Friedensplan „Road Map“ von 2003 dargelegt sind, befürwortet. - 8 - Russland: Die Ereignisse in Zusammenhang mit der Georgien-Krise sowie die von Obamas Vorgänger geplante amerikanische Stationierung eines Raketenschutzschildes in Polen und der tschechischen Republik und die russische Reaktion, eine geplante Stationierung von Raketen auf dem Gebiet von Kaliningrad, haben die Spannungen im russischamerikanischen Verhältnis jüngst verschärft. Amerikas neuer Präsident hat die Stationierung eines Raketenschutzschildes vorbehaltlich einer finanziellen Prüfung unter Effizienzkriterien befürwortet. Direkte Gespräche mit der russischen Regierung zu Themen wie Proliferation von Atomwaffen stehen ebenso auf der politischen Agenda Obamas wie die Reduzierung des nuklearen Waffenarsenals und ein gemeinsames Vorgehen gegen die Taliban und Al Qaida. Als demokratischer Kandidat hatte er das Ziel definiert, das Verbot von Mittelstreckenraketen mit Russlands Unterstützung auszuweiten. Europa: Der 44. US-Präsident appellierte unmittelbar nach der Übernahme seiner Amtsgeschäfte an die NATO-Partner, sich in Afghanistan stärker einzubringen. Das atlantische Bündnis müsse dem afghanischen Volk im Kampf um eine bessere Zukunft beistehen. Die europäischen Partner hatte Obama in seinen Wahlkampfreden als die zentralen Partner hervorgehoben („America has no better partner than Europe“). Eine Verbesserung der Beziehungen stellt er ebenso in Aussicht wie Europas stärkere Einbindung bei sicherheitspolitischen Fragen. Auch zu diesem Zweck soll die NATO als Bindeglied zwischen den Kontinenten gestärkt werden. - 9 - Quellen: Amtsantrittsrede von US-Präsident Barack Obama vom 20. Januar 2009, "Wir versammeln uns heute hier, weil wir uns für Hoffnung anstelle von Angst entschieden haben ". http://german.germany.usembassy.gov/ Baker, Peter (01.12.2008) "Obama's choice for UN is advocate of strong action against mass killings, http://www.iht.com/articles/2008/12/01/america/01rice.php Galston, William A. (22.01.2009) "The 44th President of the United States", Brookings Institution, http://www.brookings.edu/opinions/2009/0120_inauguration_galston.aspx?p=1 Koschut, Simon (2008) "Gedämpfte Erwartungen an Obamas Nahost-Politik", in DGAP aktuelle, Nr.8 "Machtwechsel in Amerika", in: Berliner Zeitung vom 19. 01.2009, Seite 10 "Obama ruft eine Ära des Dienens aus", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.01. 2009, Seite 1. "Obama berät mit Militärs über Irak-Abzug und Lage in Afghanistan", Reuters vom 22.01.2009. "Obama ernennt zwei Sondergesandte für Krisenherde - US-Präsident fordert stärkeres NATO-Engagement in Afghanistan, AFP vom 23.01.2009 "1600 Pennsylvania Ave. NW, Washington DC 20500", in Tagesspiegel vom 01.01. 2009, Seite 2 "Wir müssen Amerika erneuern", Süddeutsche Zeitung vom 21.01.2009