© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 006/16 Fortbestehende rechtliche Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den vier Siegermächten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 2 Fortbestehende rechtliche Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den vier Siegermächten Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 006/16 Abschluss der Arbeit: Datum: 29. Januar 2016 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verpflichtungen aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag 6 3. Verpflichtungen auf Grundlage des Zwei-plus-Vier- Vertrags 7 4. Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Zwei-plus- Vier-Vertrag 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 4 1. Einleitung Der am 15. März 1991 in Kraft getretene Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 19901 markiert den Schlusspunkt der schrittweisen Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg. Am 21. September 1949 trat zunächst das Besatzungsstatut in Kraft, das die Zuständigkeitsverteilung zwischen der frisch gegründeten Bundesrepublik Deutschland und den westlichen Siegermächten (Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich und Frankreich) regelte.2 Letztere hatten danach – neben etlichen speziellen Befugnissen – das allgemeine Recht, die Ausübung der vollen Gewalt ganz oder teilweise wieder zu übernehmen, wenn sie dies für unerlässlich erachteten für die Sicherheit oder zur Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung in Deutschland, oder um den internationalen Verpflichtungen ihrer Regierungen nachzukommen (alliierte Vorbehaltsrechte). Nach zweimaliger Modifizierung (am 22. November 1949 und am 6. März 1951) wurde das Besatzungsstatut durch Art. 1 Abs. 1 des Deutschlandvertrags3, der am 5. Mai 1955 zusammen mit den übrigen Pariser Verträgen in Kraft trat, aufgehoben. Fortan musste die Bundesrepublik Deutschland zwar keine Besatzungskosten mehr tragen, jedoch behielten die westlichen Siegermächte gemäß Art. 2 S. 1 des Deutschlandvertrags die „bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung“. Gleiches galt gemäß Art. 2 S. 2 i.V.m. Artt. 4 und 5 des Deutschlandvertrags – bis zur Erfüllung näher bezeichneter Bedingungen – für die von den westlichen Siegermächten „beibehaltenen Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Deutschland und den Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte“. Durch die Verabschiedung der Notstandsgesetze im Jahr 1968 wurden die Bedingungen für den Wegfall der in Art. 2 S. 2 des Deutschlandvertrags genannten alliierten Vorbehaltsrechte (betreffend Stationierung und Sicherheit der Streitkräfte) erfüllt . Das alliierte Vorbehaltsrecht i.S.d. Art. 2 S. 1 des Deutschlandvertrags (betreffend Berlin und Deutschland als Ganzes) entfiel erst mit Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags, nach dessen Art. 7 Abs. 1 die drei westlichen Siegermächte und die Sowjetunion „ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes (beenden).“ Nach Ansicht des Historikers Josef Foschepoth überdauerten die alliierten Vorbehaltsrechte im Bereich der Überwachung des in- und ausländischen Post- und Fernmeldeverkehrs dagegen nicht 1 Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, BGBl. 1990 II S. 1317, abrufbar unter: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/deutsche-teilung-deutsche-einheit /43784/2-plus-4-vertrag (letzter Abruf: 29. Januar 2016). Unterzeichnerstaaten waren die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik sowie die vier Siegermächte (Frankreich, die Sowjetunion , das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika). 2 Die Verwaltung der sowjetischen Besatzungszone erfolgte gesondert. 3 Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der gemäß Liste I zu dem am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland geänderten Fassung) vom 26. Mai 1952, BGBl. 1955 II S. 305. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 5 nur die Notstandsgesetze, sondern auch das Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags.4 Zur Begründung beruft sich Foschepoth auf – weder befristete noch mit einer Kündigungsklausel versehene – geheime Verwaltungsvereinbarungen5, die Deutschland im Jahr 1968 mit den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich bzw. im Jahr 1969 mit Frankreich getroffen hatte. Diese Vereinbarungen enthielten die Erklärung, dass die alliierten Vorbehaltsrechte mit Inkrafttreten des Artikel 10 – Gesetzes abgelöst werden, die deutschen Behörden und die Behörden der Stationierungsstreitkräfte aber gemäß dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut6 weiter verpflichtet sind, in enger Zusammenarbeit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland , der Entsendestaaten und der Streitkräfte zu fördern und zu wahren. Dies erfolgt unter anderem , indem sie Nachrichten, die für diese Zwecke von Bedeutung sind, sammeln, austauschen und schützen. Allerdings spricht schon der Wortlaut7 des Zwei-plus-Vier-Vertrags dagegen, dass die geheimen Verwaltungsvereinbarungen von 1968/1969 den Vertragsschluss überdauert haben. Sowohl der Titel als auch die Präambel des Zwei-plus-Vier-Vertrags sprechen ausdrücklich von einer „abschließenden Regelung“ in Bezug auf Deutschland. Diese Formulierung lässt kaum Raum für die Fortgeltung vorangehender Vereinbarungen. Zugleich lässt diese Wortwahl erkennen, dass es Ziel und Zweck8 des Zwei-plus-Vier-Vertrags war, die künftigen Beziehungen allein den im Zwei-plus-Vier-Vertrag selbst vorgesehenen oder angelegten Verpflichtungen zu unterstellen. Auch die tatsächliche Handhabung der geheimen Verwaltungsvereinbarungen von 1968/19699 spricht gegen deren Fortgeltung. Die westlichen Siegermächte haben sich seit der Wiedervereinigung nicht mehr auf diese Vereinbarungen berufen. Sie scheinen also selbst von deren Außerkrafttreten ausgegangen zu sein. 4 Foschepoth, Überwachtes Deutschland, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1. Auflage 2012, S. 193 – 196. 5 Näher zu diesen: WD 2 – 3000 – 094/13, Rechtliche Grundlagen für die Telekommunikationsüberwachung durch ausländische Nachrichtendienste, S. 8. 6 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959, BGBl. 1961 II S. 1183, 1218. 7 Gemäß Art. 31 Nr. 2 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) bildet der Wortlaut eines völkerrechtlichen Vertrags den Ausgangspunkt für seine Auslegung. 8 Gemäß Art. 31 Nr. 1 WVK ist ein völkerrechtlicher Vertrag im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. 9 Gemäß Art. 31 Nr. 3 lit. b) WVK ist „jede spätere Übung bei der Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht“ zu berücksichtigen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 6 Im Übrigen ist Foschepoths Ansatz mittlerweile überholt, denn am 2. bzw. 6. August 2013 sind die geheimen Verwaltungsvereinbarungen aus den Jahren 1968/1969 durch Notenaustausch einvernehmlich aufgehoben worden.10 Der vorliegende Sachstand geht der Frage nach, in welchem Umfang Deutschland noch heute Verpflichtungen gegenüber den vier Siegermächten, d.h. den westlichen Siegermächten und der Russischen Föderation (als Fortsetzerstaat11 der Sowjetunion), treffen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verpflichtungen, die sich unmittelbar aus dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag ergeben (2.), Verpflichtungen, die im Zwei-Plus-Vier-Vertrag nur dem Grunde nach angelegt sind (3.) und Verpflichtungen , die im Zusammenhang mit dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag eingegangen wurden (4.). Die aus der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands resultierenden Verpflichtungen bleiben dabei außer Betracht.12 2. Verpflichtungen aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag Nach Abs. 6 und 7 der Präambel des Zwei-plus-Vier-Vertrags erkennen die Vertragsparteien die Leitprinzipien der im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa13 unterzeichneten Schlussakte von Helsinki als feste Grundlagen des Aufbaus der europäischen Friedensordnung an. Zu diesen Prinzipien zählen u.a. die Nichtandrohung und -anwendung von Gewalt, die Unverletzlichkeit der Grenzen, die territoriale Integrität der Staaten, die friedliche Regelung von Streitfällen sowie die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Sofern der betreffende Passus der Präambel überhaupt dahingehend verstanden werden kann, dass er konkrete rechtliche Verpflichtungen zwischen den Vertragspartnern begründen soll, dürften diese jedenfalls nicht über diejenigen Verpflichtungen hinausgehen, die zwischen den Vertragspartnern auf Grund ihrer Eigenschaft als Mitglieder der OSZE ohnehin bestehen. Nach diversen Bestimmungen des Zwei-plus-Vier-Vertrags hat sich das vereinte Deutschland ausdrücklich verpflichtet, - über seine zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Grenzen keine Gebietsansprüche zu erheben (Art. 1 Abs. 3) – etwa auf die seit dem Zweiten Weltkrieg zur Sowjetunion gehörenden Gebiete des Deutschen Reiches östlich der Oder-Neiße-Linie –, 10 Mitteilungen des Auswärtigen Amtes vom 2. und 6. August 2013, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice /Presse/Meldungen/2013/130802-G10Gesetz.html bzw. https://www.bundesregierung.de/ContentArchiv /DE/Archiv17/Pressemitteilungen/AA/2013/8/2013-08-06-verwaltungsvereinbarung-zum-g10gesetz-mitfrankreich -ausser-kraft.html (letzter Abruf jeweils am 29. Januar 2016). 11 Siehe dazu Ipsen, Völkerrecht, München: Beck, 6. Auflage 2014 S. 153 f. 12 Zu den mit der NATO-Mitgliedschaft zusammenhängenden Verpflichtungen im Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit: WD 2 – 3000 – 094/13, Rechtliche Grundlagen für die Telekommunikationsüberwachung durch ausländische Nachrichtendienste, S. 4-7; zu der im Rahmen der NATO nicht bestehenden Verpflichtung, Stationierungskosten der verbündeten Streitkräfte in Deutschland zu tragen: WD 2 – 3000 – 212/15, Verteidigungslasten des Bundes im Zusammenhang mit der Stationierung ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin ab 1955, S. 4. 13 Abrufbar unter: http://www.osce.org/de/mc/39503?download=true (letzter Abruf: 29. Januar 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 7 - auf atomare, biologische und chemische Waffen zu verzichten und sich insbesondere an die Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 zu halten (Art. 3 Abs. 1 S. 2), - seine Streitkräfte innerhalb von drei bis vier Jahren auf 370.000 Mann (Land-, Luft- und Seestreitkräfte, davon nicht mehr als 345.000 Mann bei den Land- und Luftstreitkräften) zu reduzieren (Art. 3 Abs. 2 und 3), - auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und Berlins keine (näher definierten) deutschen Kernwaffenträger zu stationieren und dafür zu sorgen, dass keine ausländischen Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger auf diesem Gebiet stationiert oder dorthin verlegt werden (Art. 5 Abs. 3),14 - sicherzustellen, dass die Verfassung des vereinten Deutschlands keinerlei Bestimmungen enthalten wird, die mit diesen Prinzipien unvereinbar sind (Art. 1 Absatz 4 S. 1), - keine seiner Waffen jemals einzusetzen, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen (Art. 2 S. 3). Da die Geltung des Zwei-plus-Vier-Vertrags zeitlich nicht beschränkt ist, gelten diese Verpflichtungen fort, soweit sie nicht bereits vollständig erfüllt worden sind. 3. Verpflichtungen auf Grundlage des Zwei-plus-Vier-Vertrags Art. 4 Abs. 1 des Zwei-plus-Vier-Vertrags sieht vor, dass das vereinte Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in vertraglicher Form die Bedingungen und die Dauer des weiteren Aufenthalts sowie die Abwicklung des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte auf deutschem Gebiet regeln. In Ausführung dieses Auftrages wurde am 12. Oktober 1990 der Aufenthalts - und Abzugsvertrag15 (AAV) geschlossen. Ferner wurde am 9. Oktober 1990 – unter Bezugnahme auf den AAV – das Abkommen über einige überleitende Maßnahmen16 geschlossen. Die aus beiden Verträgen resultierenden Verpflichtungen Deutschlands betrafen den Zeitraum bis zum mittlerweile abgeschlossenen Abzug der sowjetischen Truppen und dürften vollständig erfüllt worden sein. 14 Zu den gesamten Folgen des Zwei-plus-Vier-Vertrags für die Aktivitäten der NATO in der Ukraine: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Sachstand „Zur Frage der Vereinbarkeit von Aktivitäten der NATO in der Ukraine mit den im Zwei-Plus-Vier-Vertrag gegenüber der Sowjetunion eingegangenen Verpflichtungen “ vom 2. September 2015, WD 2 – 3000 – 139/15. 15 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Oktober 1990, BGBl. 1991 II S. 256. 16 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über einige überleitende Maßnahmen, BGBl. 1990 II S. 1655 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 8 Art. 5 Abs. 2 S. 1 des Zwei-plus-Vier-Vertrags bestimmt, dass für die Fortdauer des Aufenthalts sowjetischer Streitkräfte auf deutschen Wunsch Streitkräfte der westlichen Siegermächte in Berlin stationiert bleiben. Art. 5 Abs. 2 S. 4 des Zwei-plus-Vier-Vertrags ergänzt dies dahingehend, dass die Regierung des vereinten Deutschland mit den Regierungen der Staaten, die Streitkräfte in Berlin stationiert haben, Verträge zu gerechten Bedingungen abschließt. Am 19. Juni 1993 empfahl der Auswärtige Ausschuss des Bundestages17 die Annahme eines Gesetzesentwurfs der Bundesregierung18, der unter anderem vorsah, zwei Notenwechseln zur Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte zuzustimmen. Eine Übersicht über sämtliche gemäß Art. 5 Abs. 2 des Zwei-plus-Vier-Vertrags abgeschlossenen Verträge ist nicht vorhanden.19 4. Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag Im Hinblick darauf, dass mit Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags die volle deutsche Souveränität wieder hergestellt werden sollte, schlossen die westlichen Siegermächte mit der Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 25. September 1990.20 Nach dessen Art. 5 Abs. 3 S. 1 trifft die Bundesrepublik Deutschland die Verantwortlichkeit für die Entscheidung über Entschädigungsansprüche für bestimmte Besatzungsschäden und für die Befriedigung dieser Ansprüche, soweit sie nicht bereits geregelt sind. Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag steht das am 16. Dezember 1992 geschlossene Kriegsgräberfürsorgeabkommen21 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass das künftige Schicksal der sowjetischen Kriegsgräberstätten für die Sowjetunion ein wichtiger Punkt bei den Zwei-plus- Vier-Verhandlungen war. Nach seiner Präambel verfolgt dieses Abkommens den Zweck, eine endgültige Regelung für die Gräber der Toten der jeweils anderen Seite aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu schaffen und die Erhaltung und Pflege dieser Gräber sicherzustellen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Abkommens gewährleisten beide Vertragsparteien den Schutz der Kriegsgräber der jeweils anderen Seite und bemühen sich, die Umgebung der Kriegsgräberstätten von allen Anlagen freizuhalten, die mit der Würde dieser Orte nicht vereinbar sind. Gemäß Art. 3 Abs. 2 des Abkommens ist die deutsche Regierung berechtigt, auf eigene Kosten die deutschen Kriegsgräber und Kriegsgräberstätten in der Russischen Föderation herzurichten und zu pflegen. Zugleich ist sie gemäß Art. 3 Abs. 2 des Abkommens verpflichtet, auf ihre eigenen Kosten die Erhaltung und Pflege russischer Kriegsgräber in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten. Art. 4 des Abkommens bestimmt, dass sich die Vertragsparteien gegenseitig für Vergangenheit 17 Bundestagsdrucksache 12/5307. 18 Bundestagsdrucksache 12/4021. 19 Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Januar 2016 liegt dort keine solche Übersicht vor. 20 BGBl. 1994 II S. 26/40. 21 Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Kriegsgräberfürsorge, BGBl. 1994 II S. 599. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 006/16 Seite 9 und Zukunft kostenlos und auf unbegrenzte Dauer die als Kriegsgräberstätten dienenden Geländeflächen als dauernde Ruhestätte für ihre Kriegstoten überlassen. Eine Änderung der Grenzen dieser Geländeflächen bzw. die andere Verwendung derselben ist nur nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 2 bzw. 3 des Abkommens zulässig. Diese vertraglichen Verpflichtungen gelten fort. Zu den unter das Abkommen fallenden Orten gehören neben den drei großen sowjetischen Ehrenmalen in Berlin (Treptower Park, Tiergarten und Schönholz) und der größeren Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain in Sachsen auch viele kleinere Stätten. Nach russischen Angaben existieren insgesamt 4.085 russische bzw. sowjetische Kriegsgrabstätten, davon 645 Grabstätten aus dem Ersten Weltkrieg und 3.440 Grabstätten aus dem Zweiten Weltkrieg.22 Ende der Bearbeitung 22 Siehe den Internetauftritt der russischen Botschaft in Deutschland, abrufbar unter https://russische-botschaft .ru/de/embassy/buro-fur-kriegsgraberfursorge-und-gedenkarbeit/ (letzter Abruf: 29. Januar 2016). Dort finden sich auch nähere Angaben zu den seit 2010 durchgeführten Renovierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sowie zu den mit der Kriegsgräberfürsorge verbundenen Kosten für die deutsche Seite.