Das israelische Staatsverständnis und die arabische Bevölkerung Israels - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 2 - 003/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Das israelische Staatsverständnis und die arabische Bevölkerung Israels Ausarbeitung WD 2 – 003/07 Abschluss der Arbeit: 24.1.2007 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Die Zukunftsvision der palästinensischen Araber in Israel 3 1.1 Die Haltung der israelischen Araber zum Staat Israel 3 1.2 Schlussfolgerung 5 2. Das Selbstverständnis Israels als jüdischer Staat 5 2.1 Die Anerkennung Israels als jüdischer Staat 6 3. Literatur: 10 4. Anlagen 10 - 3 - 1. Die Zukunftsvision der palästinensischen Araber in Israel Im Dezember 2006 hat eine Gruppe arabischer Intellektueller, die die israelische Staatsbürgerschaft besitzen, ein Grundsatzdokument mit dem Titel „Vision für die Zukunft der palästinensischen Araber in Israel“ veröffentlicht. Darin bezeichnen sie Israel als „Ethnokratie“ (auch: „ethnische Demokratie“), das heißt als ein politisches System, in dem die ethnische – in diesem Fall die jüdische – Mehrheit gegenüber der ethnischen Minderheit privilegiert wird.1 Die Verfasser betonen, dass sie sich und die als israelische Staatsbürger in Israel lebenden Palästinenser als Teil der israelischen Gesellschaft verstehen und fordern eine gleichberechtigte Stellung in dieser Gesellschaft. Dies erfordert ihrer Ansicht nach eine Revision des exklusiv jüdischen Charakters des Landes. Israel solle sich nicht länger als Heimstätte der Juden, sondern als gemeinsame Heimat für Juden und palästinensische Araber definieren. Um dies zu erreichen, sollen die palästinensischen Identitätsrechte nach den heute gültigen Maßstäben des Völkerrechts als Minderheitenrechte gesetzlich verankert werden. Zudem sollen Ungleichheiten, die, nach Meinung der Verfasser, zahlreiche Bereiche des Lebens (Bildungswesen, Wohnungswesen , Dienstleistungssektor, etc.) durchdringen, abgeschafft werden. Auch eine Änderung bzw. Erweiterung der bislang jüdisch geprägten Staatssymbole wird für erforderlich gehalten, um eine Identifikation der palästinensischen Araber Israels mit dem Staat Israel zu ermöglichen. 1.1 Die Haltung der israelischen Araber zum Staat Israel Nach der einschlägigen Literatur spielte die Frage nach der Zukunft der palästinensischen Araber in Israel bis Mitte der siebziger Jahre keine bedeutende Rolle.2 Die palästinensischen Araber Israels gingen zunächst davon aus, dass der eigene Status und die Zukunft der Gruppe von einer Lösung der Palästina-Frage insgesamt abhängen.3 Als sich jedoch abzeichnete, dass eine Lösung des Palästinenserproblems nurmehr im Rahmen des Zwei-Staaten-Modells (Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates neben Israel) denkbar erschien, begannen die palästinensischen Araber zu realisieren, dass ihre Zukunft als Bürger Israels in Israel liegt.4 In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass der Status und die Belange der palästinensischen Araber in Israel (die 1 Da in einer Ethnokratie aber auch der Minderheit viele Bürgerrechte eingeräumt werden, wird die Bezugnahme auf den Demokratie-Begriff für gerechtfertigt gehalten. Für weitere Informationen: S. Smooha, „The Model of Ethnic Democracy“, European Center for Minority Issues 2001, S. 24ff. 2 S. Smooha, Fn. 1 S. 61; N. Rouhana „The Intifada and the Palestinians of Israel: Resurrecting the Green Line“ Journal of Palestine Studies 1990, S. 59. 3 N. Rouhana, Fn. 2 S. 59. 4 N. Rouhana, „Israel and its Arab citizens: predicaments in the relationship between ethnic states and ethnonational minorities“ Third World Quarterly 1998, S. 285ff. - 4 - an der Gründung der PLO in den sechziger Jahren im Exil nicht beteiligt waren) nicht auf der Agenda der PLO erscheinen. Diese versteht sich vielmehr als Vertretung der Palästinenser in den besetzten Gebieten.5 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, weshalb die Frage nach der Stellung der palästinensischen Araber in Israel für diese Minderheit lange Zeit ohne Belang war. Erst als sich die PLO gegen Ende der achtziger Jahre ausdrücklich für eine Zwei-Staaten- Lösung aussprach, gewann auch die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung für die palästinensischen Araber Israels zunehmend an Bedeutung.6 Dieser Einstellungswandel lässt sich auch am Verhalten der palästinensischen Araber Israels während der 1. Intifada ablesen. In der Anfangsphase der 1. Intifada (die im Dezember 1987 begann und im August 1993 mit der Unterzeichnung des Vertrags von Oslo und der Schaffung der palästinensischen Autonomiebehörde endete) organisierten die palästinensischen Araber Israels Demonstrationen, bei denen sie ihre Unterstützung für die Palästinenser in den besetzten Gebieten zum Ausdruck brachten.7 Im Verlauf der 1. Intifada änderte sich jedoch die Zielrichtung dieser Demonstrationen hin zu Themen, die nur die palästinensischen Araber Israels betrafen, insbesondere die Frage ihrer Gleichberechtigung in Israel.8 Im Jahre 1992 sprach sich eine von palästinensischen Staatsbürgern Israels dominierte politische Bewegung, „The Equality Covenant“, erstmals für eine Umgestaltung Israels vom ethnisch definierten hin zu einem demokratischen Staat für alle seine Bürger aus.9 Nach dem Ende der 1. Intifada kam es dann tatsächlich auch zu Verbesserungen in der Lage der palästinensischen Araber in Israel. Die insgesamt um einen Ausgleich mit den Palästinensern bemühte Regierung Rabin/Peres verfolgte eine Politik der rechtlichen Angleichung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen.10 Im Hinblick auf die 1996 stattfindenden Wahlen formierte sich „The Equality Covenant“ als Partei. Unter der Bezeichnung „The National Democratic Alignment“ trat sie zusammen mit der „Democratic Front for Peace and Equality“ bei Wahlen zur israelischen Knesset an. Die von den palästinensischen Arabern Israels geltend gemachte 5 N. Rouhana & A. Ghanem, „Crisis of Minorities in Ethnic States“ International Journal of Middle East Studies 1998, S. 332ff. 6 N. Rouhana, Fn. 2 S. 59ff. 7 N. Rouhana, Fn. 2 S. 61ff. 8 N. Rouhana, Fn. 2 S. 64ff. 9 N. Rouhana, Fn. 4 S. 287ff. 10 I. Saban, „Minority Rights in Deeply Divided Societies: A Framework for Analysis and the Case of the Arab-Palestinian Minority in Israel“ International Law and Politics 2004, S. 894. - 5 - Forderung nach Gleichberechtigung rückte nunmehr auch ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit.11 Die politische Entwicklung in Israel nach der Ermordung Rabins (Abkehr vom Osloer Friedensprozess und der gegenüber den palästinensischen Arabern Israels wohlwollenden Politik Rabins) verstärkte den Widerstand der palästinensischen Araber in Israel gegen nach wie vor bestehende Diskriminierungen.12 In dem jüngst veröffentlichten Dokument arabischer Intellektueller haben diese Bestrebungen ihren aktuellen Höhepunkt und ein nicht unbeachtliches Medienecho in Israel erfahren.13 1.2 Schlussfolgerung Die arabischen Israelis haben die Forderungen nach Gleichberechtigung und Anerkennung grundsätzlich schon vor Beginn der 1. Intifada erhoben. Mit Nachdruck treten sie dafür aber erst ein, seitdem die so genannte Zwei-Staaten-Lösung zum zentralen Konzept in der Diskussion über eine Lösung des Nahost-Konflikts geworden ist. Der Einsatz für eine Klärung und Verbesserung ihres Status’ innerhalb Israels wird dabei von verschiedenen Faktoren begünstigt: 1. der demographischen Entwicklung in Israel, d. h. dem stetig wachsenden Bevölkerungsanteil der israelischen Araber, 2. dem steigenden Bildungsniveau dieser Bevölkerungsgruppe und 3. den bereits realisierten Minderheitenrechten . 2. Das Selbstverständnis Israels als jüdischer Staat Die Gründung Israels als jüdischer Staat hat ihre Wurzeln im Zionismus, der in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts entstandenen jüdischen National- Bewegung, die die Entstehung eines eigenständigen jüdischen Staates in Palästina zum Ziel hatte. Die Zionisten argumentierten, dass nur die Errichtung eines unabhängigen jüdischen Staates, in dem Juden die Bevölkerungsmehrheit stellten, die kulturelle und physische Erhaltung des Judentums garantieren könne.14 11 N. Rouhana, Fn. 4 S. 287ff. 12 S. Smooha, Fn. 1 S. 63. 13 Bspw.: A. Tal, „This means war“ http://www.haaretz.com/hasen/spages/798478.html & E. Rekhess, „The First Word: How Palestinian-Arabs in Israel See their Future“ http://www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1164881999699&pagename=JPost%2FJPArticle%2FSh owFull Stand: 22. Januar 2007. 14 A. Shlaim, „The Iron Wall – Israel and the Arab World” 2000 S. 1ff. - 6 - Diese Bestrebungen fanden die Unterstützung der britischen Regierung, deren Außenminister am 2. November 1917 erklärte, dass Großbritannien mit der Errichtung einer nationalen jüdischen Heimstätte in Palästina einverstanden sei (Balfour Declaration).15 Am 24. Juli 1924 wurde die Balfour Declaration in das britische Völkerbundsmandat für Palästina aufgenommen. Danach sollte der Mandatar für die Verwirklichung der 1917 verfassten Deklaration zugunsten der Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina verantwortlich sein. Der Völkerbundsrat erkannte zudem die historische Verknüpfung des jüdischen Volkes mit Palästina an.16 Die am 29. November 1947 von der VN-Generalversammlung angenommene Resolution 181 (VN-Teilungsplan für Palästina) sah die Gründung zweier unabhängiger Staaten, eines jüdischen und eines arabischen, auf dem Gebiet Palästinas vor. Die Resolution wurde mit 33 zu 13 (Afghanistan, Iran, Irak, Libanon, Pakistan, Saudi Arabien, Syrien, Türkei, Jemen, Ägypten, Griechenland, Indien, Kuba) Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen angenommen. Damit lehnten alle in der Generalversammlung vertretenen arabischen Staaten den Plan ab.17 Am 14. Mai 1948, dem Tag, an dem das britische Mandat für Palästina endete, verlas David Ben Gurion die Unabhängigkeitserklärung. Darin heißt es: „Die Katastrophe, die in unseren Tagen dem jüdischen Volk widerfuhr - das Massaker an Millionen von Juden - war eine neue, klare Demonstration für die Dringlichkeit, mit der das Problem der Heimatlosigkeit durch die Wiedererrichtung des jüdischen Staates in Eretz Israel zu lösen ist. Einem jüdischen Staat, der die Tore des Heimatlandes für jeden Juden weit öffnen wird und der dem jüdischen Volk den Status eines voll privilegierten Mitgliedes der Gemeinschaft der Nationen zukommen lassen wird … … Demgemäß sind wir, die Mitglieder des Nationalrates, die Repräsentanten der jüdischen Gemeinde in Eretz Israel und der zionistischen Bewegung, hier am Tag des Endes des britischen Mandates über Eretz Israel versammelt. Kraft unseres natürlichen und historischen Rechtes und Kraft der Resolution der Vollversammlung der Vereinten Nationen erklären wir hiermit die Gründung einer jüdischen Staates in Eretz Israel, des Staates Israel.“ 2.1 Die Anerkennung Israels als jüdischer Staat Nach dem Wortlaut der Unabhängigkeitserklärung muss man davon ausgehen, dass die Anerkennung Israels gleichzeitig die Anerkennung des jüdischen Staates bedeutet. Eine 15 http://www.yale.edu/lawweb/avalon/mideast/balfour.htm 16 http://www.yale.edu/lawweb/avalon/mideast/palmanda.htm 17 http://www.yale.edu/lawweb/avalon/un/res181.htm - 7 - Unterscheidung zwischen einer Anerkennung Israels als Staat und einer Anerkennung als jüdischer Staat erscheint aufgrund der Fassung der Unabhängigkeitserklärung nicht möglich. Der Begriff Israel und der Begriff jüdischer Staat können gewissermaßen synonym verwandt werden. Israel, das 1949 als 59. Mitgliedstaat in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde, ist bis heute von der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft als eigenständiger Staat anerkannt worden. Zu dieser Mehrheit zählen auch etliche Staaten, die 1947 die in der VN-Resolution 181 vorgesehene Gründung des jüdischen Staates abgelehnt hatten. So hat zum Beispiel Ägypten im Jahre 1979 Israel per Friedensvertrag anerkannt. Eine explizite Anerkennung Israels als jüdischer Staat ist in dem Vertrag nicht enthalten (das gleiche gilt für den 1994 mit Jordanien geschlossenen Friedensvertrag, der ebenfalls die Anerkennung Israels enthält).18 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum Israel bemüht ist, von den Palästinensern ausdrücklich auch als jüdischer Staat anerkannt zu werden. Die Antwort ergibt sich aus dem historisch überkommenen Problem der palästinensischen Flüchtlinge. Das Gebiet des heutigen Israel bildete ursprünglich auch die Heimstatt vieler Palästinenser. Nach der Annahme des Teilungsplans in der VN- Generalversammlung kam es vermehrt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und der Haganah, dem bewaffneten Flügel der zionistischen National -Bewegung.19 Am 15. Mai 1948, einem Tag nach der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung , erklärten die umliegenden arabischen Staaten Israel den Krieg. Die Kriegshandlungen veranlassten viele Palästinenser zur Flucht. Nach dem Ende des Krieges belief sich 1949 die Zahl der Flüchtlinge auf rund 700.000. Israel hielt nunmehr fast 80 % der im Teilungsplan vorgesehenen 55 % der Fläche, die ursprünglich Palästina ausmachte. Auf dieser Fläche befanden sich etwa 716.000 Juden und 92.000 (andere Schätzungen gehen von der doppelten Zahl aus) Araber; in jedem Fall aber überwog die jüdische Bevölkerung deutlich.20 Mit dem Ende der Kampfhandlungen rückte die Flüchtlingskrise in den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit. Israel argumentierte, dass die Araber den Krieg und damit auch die Flüchtlingskrise verursacht hätten, weshalb sie nunmehr für die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich seien. VN-Resolutionen, die vorsahen , den Flüchtlingen ein Recht auf Rückkehr bzw. einen Anspruch auf Kompensation 18 http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace%20Process/Guide%20to%20the%20Peace%20Process/Israel- Egypt%20Peace%20Treaty; http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace%20Process/Guide%20to%20the%20Peace%20Process/Israel- Jordan%20Peace%20Treaty. 19 A. Shlaim, Fn. 14 S. 30ff. 20 A. Shlaim, Fn. 14 S. 54, I. Saban, Fn. 10 S. 891, S. Smooha Fn. 1S. 49. - 8 - zuzugestehen, lehnte Israel ab. Es hieß, man sei bereit, an einer Lösung des Problems mitzuarbeiten, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Masse der Flüchtlinge außerhalb des Gebietes, das Israel nach Kriegsende innehatte, angesiedelt würden21. An diesem grundlegenden Ziel hält Israel auch beinahe 60 Jahre nach der Staatsgründung weiterhin fest. In den Richtlinien der amtierenden israelischen Regierung vom Mai 2006 heißt es dazu unter Punkt 2: „Die Regierung strebt danach, die dauerhaften Grenzen Israels als jüdischer Staat mit einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit … festzulegen.“22 Aus dieser Perspektive stellt eine mögliche Verschiebung der Bevölkerungsanteile in Israel zugunsten der Palästinenser eine reale Bedrohung des jüdischen Staates dar. Eine der Kernforderungen der Palästinenser – nämlich die Anerkennung des Rechts auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen an die Orte, die sie im Zuge der Auseinandersetzungen um die Staatsgründung Israels verlassen haben – wird daher aus israelischer Sicht als nicht akzeptabel betrachtet. In diesem Zusammenhang wird auch klar, warum das Flüchtlingsproblem ein bis heute ungelöstes und die Friedensgespräche belastendes Problem ist. Einem Artikel der Jerusalem Post vom 5. Dezember 2006 zufolge bemüht sich die israelische Außenministerin Livni seit einigen Monaten darum, führende europäische Politiker zu Erklärungen zu bewegen, die die Anerkennung Israels als jüdischen Staat beinhalten .23 Mit diesem Anliegen stößt Israel offenbar auf Verständnis. Am 13. Dezember 2006 äußerte sich der italienische Premierminister Romano Prodi bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Olmert wie folgt: „Der Friedensprozess (im Nahen Osten) muss durch Gewaltverzicht, die Anerkennung Israels und der in der Vergangenheit getroffenen Vereinbarungen und zudem durch die Anerkennung Israels als jüdischer Staat gekennzeichnet sein.“24 Olmert unterstrich später gegenüber israelischen Journalisten seine Auffassung, dass die Anerkennung Israels als jüdischer Staat gleichbedeutend mit einer Zurückweisung des Rückkehrrechts der Palästinenser sei.25 Dies macht deutlich, dass sich Israel durch eine 21 A. Shlaim, Fn. 14 S. 58ff. 22 http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Current+Government+of+Israel/Basic+Guidelines +of+the+31st+Government+of+Israel.htm 23 http://www.jpost.com/servlet/Satellite?pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull&cid= 1164881826861 24 http://news.independent.co.uk/world/politics/article2073996.ece 25 http://www.jpost.com/servlet/Satellite?pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull&cid= 1164881885129 - 9 - Anerkennung als jüdischer Staat auch in seinem Bestreben legitimiert sieht, auf seinem Territorium eine jüdische Bevölkerungsmehrheit zu sichern. 2.2 Die Anerkennung als jüdischer Staat in der Völkerrechtspraxis Nach den Regeln des Völkerrechts zeichnet sich ein Staat durch a) ein Staatsvolk b) ein Staatsgebiet und c) eine Staatsgewalt aus. In Bezug auf Israel könnte man allenfalls das zweite Kriterium als nicht erfüllt ansehen, weil seine internationalen Grenzen und damit sein Staatsgebiet nie abschließend festgelegt wurden. Jedoch gibt es im Völkerrecht genug Beispiele, die belegen, dass die Grenzen des Staatsgebietes weder exakt definiert noch unbestritten sein müssen (Harris 100). Demzufolge bestehen an der Staatsqualität Israels nach geltendem Völkerrecht keine Zweifel. Man muss davon ausgehen, dass die Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft dem Staat Israel, so wie ihn die Resolution 181 vorsah und wie er sich im Folgenden auch konstituiert hat – nämlich als jüdischer Staat, gilt. Jedenfalls gibt es im Schrifttum keine Anhaltspunkte, die einen gegenteiligen Schluss zuließen. Die rechtliche Bedeutung einer Anerkennung durch andere Staaten ist allerdings, nach der ganz überwiegend vertretenen Auffassung, rein deklaratorischer Natur. Das bedeutet, dass eine Anerkennung die Existenz eines Staates nicht zu begründen vermag und dass ein Staat existieren kann, ohne anerkannt zu werden. So hat die Nichtanerkennung Israels durch Iran und Syrien auf die Staatsqualität Israels keinen Einfluss. Die Frage, durch welche Kriterien ein Staat definiert ist, wird durch das internationale Recht nicht geklärt. Die palästinensischen Araber in Israel haben die Selbstdefinition Israels als jüdischer Staat und die damit verbundene Privilegierung der jüdischen Mehrheit zum Anlass genommen, Israel als „Ethnokratie“ zu bezeichnen. Da aber das Völkerrecht keine bestimmte Staatsform als Voraussetzung für eine Anerkennung als Staat festlegt, kommt man im Hinblick auf die Anerkennung als jüdischer Staat auch mit diesem Ansatz zu keiner völkerrechtlich relevanten Einschätzung. Insofern fehlt es an einer ausgewiesenen Völkerrechtspraxis, die die Anerkennung Israels als jüdischen Staat zum Gegenstand hat. - 10 - 3. Literatur: Harris, D.J. (2004): International Law, 6. Auflage, London Shlaim, Avi (2000): The Iron Wall, London Rouhana, Nadim (1990): „The Intifada and the Palestinians of Israel: Resurrecting the Green Line“ In: Journal of Palestine Studies, 58 - 75 Rouhana, Nadim (1998): „Israel and its Arab citizens: predicaments in the relationship between ethnic states and ethnonational minorities“ In: Third World Quarterly, S. 277 -296 Rouhana, Nadim & Ghanem, Asad (1998): „Crisis of Minorities in Ethnic States“ In: International Journal of Middle East Studies, S. 321 - 346 Saban, Ilan (2004): „Minority Rights in Deeply Divided Societies: A Framework for Analysis and the Case of the Arab-Palestinian Minority in Israel“ In: International Law and Politics, S. 885 - 1003 Smooha, Sammy (2001): „The Model of Ethnic Democracy“ European Center for Minority Issues, http://www.ecmi.de/download/working_paper_13.pdf 4. Anlagen The National Committee for the Heads of the Arab Local Authorities in Israel: The Future Vision of the Palestinian Arabs in Israel, 2006