WD 2 - 3000 - 001/19 (9. Januar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. An Bord eines Schiffes der Bundesmarine kommt das Recht des Flaggenstaates – also deutsches Recht – zur Anwendung (sog. „Flaggenstaatsprinzip“). Durch die Flaggenhoheit wird nicht nur das Handeln jedes Schiffes einem Staat zugeordnet, sondern auch bestimmt, wer die Rechtsverhältnisse an Bord eines Schiffes regeln und durchsetzen darf; rechtsfreie Räume auf Hoher See werden damit vermieden. Auf Hoher See gilt das Recht des Flaggenstaates an Bord eines Schiffes unbeschränkt; in fremden Hoheitsgewässern gilt grundsätzlich das Recht des jeweiligen Küstenanrainerstaates, wobei zahlreiche völkergewohnheitsrechtliche Ausnahmen zugunsten des Flaggenstaats zu beachten sind. Dabei sind Flaggenstaatsprinzip und Territorialitätsprinzip des Küstenanrainerstaates gegeneinander abzuwägen. Kriegsschiffe genießen darüber hinaus in fremden Hoheitsgewässern Immunität, sofern sie sich nicht gegen den Willen des Küstenstaates dort aufhalten. Aufgrund der Immunität sind Amtshandlungen des Küstenanrainerstaates an Bord des Kriegsschiffes unzulässig. Die flaggenstaatliche Hoheitsgewalt ist ihrem Wesen nach nicht territorial, sondern eine eigenständige Form der Anknüpfung staatlicher Hoheitsgewalt.1 Ein Kriegsschiff, welches sich in den inneren Gewässern eines anderen Staates befindet, ist daher ebenso wenig ein schwimmendes Stück Territorium des Flaggenstaates wie die diplomatische Mission (Botschaft oder Konsulat) ein exterritoriales Gebiet des Entsendestaates ist. Die noch vom Reichsgericht (RG) vertretene Auffassung, wonach Schiffe „schwimmende Territorien“ des Flaggenstaates darstellen,2 wird heute praktisch nicht mehr vertreten. 1 Wolfrum, in: Vitzthum, Wolfgang Graf (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, München 2006, Kapitel 4, Rdnr. 36. Die Hoheitsgewalt auf einem (Kriegs-)Schiff beschränkt sich damit auf eine „Rechtshoheit“ ohne eigenes Territorium. 2 Vgl. RG, Urteil vom 15. Januar 1917 – III 1/17 – RGSt 50, 218-222. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Rechtslage – insbesondere zur Asylantragstellung – auf Schiffen der Bundesmarine Kurzinformation Zur Rechtslage – insbesondere zur Asylantragstellung – auf Schiffen der Bundesmarine Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die Anerkennung von „schwimmenden Territorien“ würde nämlich die territoriale Hoheitsgewalt des Küstenstaates in seinen Territorialgewässern partiell ausschließen. Nach Auffassung der Völkerrechtslehre ist ein solches Konzept nicht nur mit dem Souveränitätsanspruch des Küstenstaates unvereinbar; es würde auch zu einer unübersichtlichen Rechtslage führen, wenn sich im Küstenmeer eines Staates unterschiedliche und wechselnde Gebiete anderer Staaten befänden.3 Die Ablehnung von „schwimmenden Territorien“ hat zufolge, dass das formgültige Stellen eines Asylantrags an Bord eines deutschen Kriegsschiffes nach deutschem Asylrecht nicht möglich ist. Dies gilt unabhängig davon, ob sich das Schiff auf Hoher See oder in den Hoheitsgewässern eines anderen Staates befindet. Die Geltendmachung des Asylgrundrechts (Art. 16a GG) ist nämlich räumlich auf das deutsche Territorium beschränkt. Diesen Territorialitätsbezug des Asylgrundrechts betont das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Juni 1984 wie folgt: „Der Anspruch auf Asyl (…) entsteht erst, wenn der politisch Verfolgte das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erreicht (…).“4 Auch die einfachgesetzlichen Vorschriften zum Asylantrag machen den territorialen Bezug zum deutschen Bundesgebiet deutlich: § 13 Abs. 1 AsylG erfordert, dass der Schutz „im Bundesgebiet “ begehrt wird. Die Vorschriften zum Asylgesuch an der Grenze (§ 18 Abs. 1 AsylG) sowie das vorläufige Bleiberecht im Bundesgebiet (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylG) machen deutlich, dass das Asylgesuch mit dem Erreichen des Bundesgebietes verknüpft ist. Auch die förmliche Antragstellung nach § 14 Abs. 1 AsylG basiert mit der persönlichen Erscheinenspflicht beim BAMF auf der Anwesenheit des Asylsuchenden im Inland.5 Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis aus den europarechtlichen Vorgaben: Auch die EU- Asylverfahrensrichtlinie geht von einem territorialen Bezug aus. Sie gilt nach Art. 3 Abs. 1 RL 2013/32/EU nur für Anträge auf internationalen Schutz, die „im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen – der Mitgliedstaaten gestellt werden.“ 3 Dezidiert gegen das Konzept der „floating territories“ Rah, Sicco, Asylsuchende und Migranten auf See. Staatliche Rechte und Pflichten aus völkerrechtlicher Sicht, Heidelberg: Springer 2009, S. 250 f., online unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-540-92931-4.pdf. 4 BVerwGE 69, 323 (https://www.jurion.de/urteile/bverwg/1984-06-26/bverwg-9-c-19683/). Siehe auch BVerwG NVwZ 1992, 682, 685: „Eine Vorwirkung des Asylrechts in dem Sinne, dass jedermann überall in der Welt einen Anspruch auf Asyl oder auf Zulassung zum Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland hat, besteht nicht (…).“ 5 Vgl. näher Sachstand WD 3 - 3000 - 060/16 vom 23. Februar 2016: „Asylantragstellung an Bord eines deutschen Kriegsschiffs“, S. 4, online unter: https://www.bundestag.de/blob/424544/d2d010839e38655c6a312f5c6f12b38f/wd-3-060-16-pdf-data.pdf. Kurzinformation Zur Rechtslage – insbesondere zur Asylantragstellung – auf Schiffen der Bundesmarine Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Ungeachtet der fehlenden rechtlichen Möglichkeit, Asyl an Bord eines deutschen Kriegsschiffes zu beantragen, greift gleichwohl der allgemeine menschenrechtliche Abschiebungsschutz (sog. „non-Refoulement-Grundsatz“), wie ihn der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in seinem Hirsi-Jamaa-Urteil angenommen hat.6 Danach gilt das Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK bei drohender Folter oder unmenschlicher Behandlung im Herkunftsstaat auch dann, wenn die Vertragsstaaten ihre Hoheitsgewalt oder außerhalb ihres eigenen Territoriums (auf Hoher See) ausüben. Weiterführende Literatur: „Zur rechtlichen Stellung deutscher Kriegsschiffe“ Kurzinformation WD 2 – 3000 – 036/16 vom 22. Februar 2016, online unter: https://www.bundestag.de/blob/416630/5ddcacaa80b4b5a7cce39c19edd20434/wd-2-036- 16-pdf-data.pdf „Asylantragstellung an Bord eines deutschen Kriegsschiffs“ Sachstand WD 3 - 3000 - 060/16 vom 23. Februar 2016, online unter: https://www.bundestag.de/blob/424544/d2d010839e38655c6a312f5c6f12b38f/wd-3-060- 16-pdf-data.pdf „Schutzsuchende auf Schiffen der Deutschen Marine“ Sachstand WD 3 - 3000 - 073/16 vom 14. März 2016, online unter: https://www.bundestag.de/blob/418206/79995e64f440c6c51631e175648dcb42/wd-3-073- 16-pdf-data.pdf Rah, Sicco, Asylsuchende und Migranten auf See, Heidelberg: Springer 2009, online unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-540-92931-4.pdf „Welches Recht gilt auf ausländischen Kreuzfahrtschiffen in deutschen Hoheitsgewässern?“ Sachstand WD 2 – 3000 – 013/14 vom 30. Januar 2014 (Anlage) *** 6 EGMR, NVwZ 2012, 809 ff.