Deutscher Bundestag Rechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf „Internetpiraterie“ Betrachtung im Hinblick auf „Streaming-Websites“ Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 10 – 3000/103-12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 2 Rechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf „Internetpiraterie“ – Betrachtung im Hinblick auf „Streaming-Websites“ Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 10 – 3000/103-12 Abschluss der Arbeit: 14.11.2012 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Technische Erläuterungen zur Funktionsweise von „Streaming-Websites“ 5 2.1. „Live-Streaming” 5 2.2. „On-Demand-Streaming“ 6 3. Urheberrechtswidriges Verhalten desjenigen Nutzers, der geschütztes Material im „Stream“ bereitstellt 7 3.1. Beim „On-Demand-Streaming“ 7 3.2. Beim „Live-Stream“ 7 3.3. Zwischenergebnis 8 4. Urheberrechtswidriges Verhalten desjenigen, der sich geschütztes Material im „Stream“ ansieht 8 4.1. Zur Frage der „Vervielfältigung“ am Zielrechner 8 4.2. Grenze des Urheberrechts und „Enthaftung“ für den Nutzer eines Streams – § 44a UrhG 9 4.2.1. Nutzung von Streaming-Diensten „rechtmäßig“ i.S.d. § 44a Nr. 2 UrhG 10 4.2.2. Nutzung von Streaming-Diensten nicht „rechtmäßig“ i.S.d. § 44a Nr. 2 UrhG 11 4.2.3. Bewertung 11 4.3. Zwischenergebnis 12 5. Urheberrechtswidriges Verhalten des Betreibers einer Streaming-Site 12 5.1. Verletzte Rechte 12 5.2. Zivilrechtliches Vorgehen gegenüber den Betreibern 13 5.2.1. Portale ohne auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell – Störerhaftung“ und TMG (am Beispiel „YouTube“) 13 5.2.2. Portale mit auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell 14 5.3. Strafrechtliche Reaktion gegenüber den Betreibern 14 5.3.1. Portale ohne auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell 14 5.3.2. Portale mit auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell 14 6. Fazit 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 4 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 5 1. Einleitung In der Ausarbeitung Nr. 094/12 des WD 10 vom 02.11.2012 wurde im Hinblick auf „Filesharing“ aufgezeigt, welche Möglichkeiten den Rechteinhabern zur Verfügung stehen, um sich gegen über derartige Plattformen stattfindende Urheberrechtsverletzungen zur Wehr zu setzen. Es wurden die Instrumente in strafrechtlicher und zivilrechtlicher Sicht aufgezeigt. In diesem Beitrag wird dargestellt, wie es sich mit Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber sogenannten „Streaming-Websites“ verhält. Es ist hier bereits anzumerken, dass es im Grundsatz bei den Möglichkeiten verbleibt, die bereits in der o.g. Ausarbeitung ausführlich dargestellt worden sind – im Kern sind auch Streaming-Anwendungen in jene Systematik einzuordnen. Die folgende Darstellung ist daher, soweit möglich, in kurzer Formulierung gehalten. 2. Technische Erläuterungen zur Funktionsweise von „Streaming-Websites“ Bei Streaming-Websites handelt es sich nach alltäglichem Wortgebrauch nicht um „Filesharing“, weil die in Rede stehenden Mediendateien nicht unter den jeweiligen Nutzern „getauscht“ werden . Grundsätzlich meint der Begriff „Streaming“ ein Verfahren zur kontinuierlichen Übertragung von großen Datenmengen, welches vor allem bei Video- und Musikdateien genutzt wird. Bereits während des Ladens können die Daten betrachtet oder angehört werden. Beim Streaming muss der Nutzer folglich nicht abwarten, bis eine Datei komplett übertragen ist, sondern kann direkt nach dem Anklicken das angeforderte Video- oder Musikstück sehen / hören.1 Ein Datei- Download im Sinne eines dauerhaften Verbleibs der gesamten Datei auf dem Rechner des Streaming-Nutzers findet nicht statt. Video- und/oder Musikdaten werden vielmehr gleichzeitig empfangen und direkt wiedergegeben – ohne dauerhafte Zwischenspeicherung auf der eigenen Festplatte (wohl aber im lokalen Cache-Speicher, dazu unten2). Zwei verschiedene Arten von Streaming-Verfahren sind zu unterscheiden3: 2.1. „Live-Streaming” Beim „Live-Streaming” wird „der Datenstrom zeitgleich an alle mit dem Internet konnektierten Empfangsgeräte direkt (…) übertragen, ohne dass (…) vor Beginn der Wiedergabe ein vollständiges Abspeichern der Werkkopien in den Nutzerrechnern erfolgt. Der Datenstrom wird in Echtzeit komprimiert , encodiert, mit Kopierkontroll- sowie Steuerinformationen und Zeitstempeln (…) versehen und in formatierten, kleinen Dateiteilen sequenziell von einem Serverrechner an alle Empfänger (…) übertragen und decodiert.“4 1 Vgl. Suchbegriff „Streaming“ in der Brockhaus Online-Enzyklopädie (01.11.2012). 2 Punkt 4.1. 3 Zu weiteren Spezifizierungen der einzelnen Varianten und technischen Einzelheiten siehe Busch, GRUR 2011, 496 m.w.N. 4 Koch, GRUR 2010, 574 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 6 Auf diese Weise ist es möglich, die ankommenden Datenstücke so zu speichern, dass am Ende der Übertragung die komplette Datei auf dem Zielrechner vorliegt und lückenlos wiedergegeben werden kann. So werden typischerweise TV-Sendungen über das Internet live „gestreamt“, etwa Live-Fußball-Übertragungen. Der Nutzer kann hier den Beginn der Übertragung nicht selbst bestimmen , sondern schaltet sich mit seinem PC – wie in einer Fernseh-/Radio-Übertragung – über den Stream dazu. Das Verfahren wird vielfach auch von TV-Sendern über ihre eigene Website angeboten, sodass viele Live-Streaming-Angebote im Netz urheberrechtlich unbedenklich sind. Auch andere Webportale bieten Live-Streams an. So hält die (an sich auf das Streaming-On-Demand ausgerichtete) Website „YouTube“ mit seinem Live-Stream zum Stratosphärensprung des österreichischen Extremsportlers Felix Baumgartner (Oktober 2012) den Rekord des bisher meistgesehenen Streams.5 2.2. „On-Demand-Streaming“ Beim „On-Demand-Streaming“ erfolgt die Übertragung dagegen zwar wie „beim Live-Streaming, jedoch ausgelöst durch Nutzerabruf (…). Nutzer können Dateiübertragungen individuell an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl und damit zeitversetzt abrufen, sofort am Beginn der Übertragung mit der Wiedergabe beginnen und außerdem in begrenztem Umfang vor- und zurückspulen. Beim On-Demand-Streaming erfolgt eine ‚Zwischenpufferung ‘ von Dateiteilen auf dem Zielrechner, um unterschiedliche Laufzeiten der Datenpakete im Internet auszugleichen (…), aber keine Abspeicherung einer kompletten, eigenständig nutzbaren Werkkopie.“6 Das On-Demand-Streaming-Verfahren wird etwa von Anbietern wie der ARD oder dem ZDF im Rahmen ihrer „Mediatheken“ verwendet. Dort kann man sich zu einem selbst gewählten Zeitpunkt bestimmte Programm-Inhalte am heimischen Computer im Stream ansehen. Auch auf Portalen wie YouTube sind z.B. Musikvideos nationaler und internationaler Künstler zu sehen, welche dort zum Teil mit, zum Teil aber auch ohne deren Zustimmung online zum Ansehen im Stream zur Verfügung gestellt werden. Webportale wie etwa www.kino.to oder ähnliche Websites stellen über „Streaming-On-Demand“ beispielsweise Hollywood-Filme zum Abruf bereit, ohne hierzu vom Urheberrechtsinhaber berechtigt worden zu sein. Technisch geschieht dies in der Weise, dass über die Suchfunktion der Streaming-Site Links zu Filmwerken aus Film und Fernsehen öffentlich für jeden Nutzer des Internets zur kostenlosen Nutzung bereitgestellt werden. Die zu den Links gehörenden (Raub-) Kopien der Filmwerke befinden sich allerdings regelmäßig nicht auf Servern der Betreiber der Streaming-Site selbst, sondern auf Servern von „Filehostern“. Hierbei handelt es sich um Internet-Service-Unternehmen, die gewerblich Internetspeicherplatz und Streaming-Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Die Betreiber der Streaming-Websites nutzen folglich externen Speicherplatz für die „Lagerung“ der durch den Nutzer per Stream abzurufenden Filmwerke, agieren aber als „Suchmaschine“ und überwachen auch administrativ die Funktionsfähigkeit der Streams. 5 Dieser Stream erreichte ca. 8 Millionen Zuschauer – siehe dazu Meldung bei Heise-Online „Überschall-Sprung sorgt für Rekord bei YouTube“, http://www.heise.de/newsticker/meldung/Ueberschall-Sprung-sorgt-fuer-Rekord -bei-YouTube-1729604.html (05.11.2012). 6 Koch, GRUR 2010, 574. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 7 3. Urheberrechtswidriges Verhalten desjenigen Nutzers, der geschütztes Material im „Stream“ bereitstellt Viele Streaming-Portale bieten für Nutzer nicht nur die Möglichkeit, sich dort Videos anzusehen, sondern auch die Option, Material hochzuladen und damit anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen. YouTube etwa basiert gerade auf dieser Idee. Selbstverständlich ist es den Nutzern auf diesem Weg auch möglich, urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich zu machen. Je nach Streaming-Art werden hier unterschiedliche Rechte der Rechteinhaber verletzt: 3.1. Beim „On-Demand-Streaming“ Das Hochladen urheberrechtlich geschützten Materials (z.B. eines Musikvideos) auf die Server des Streaming-Dienstes (bzw. des Filehosters) stellt eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 19a UrhG dar.7 Ein Eingriff in fremde Urheberrechte liegt damit vor. 3.2. Beim „Live-Stream“ Wenn eine Person etwa das TV-Programm eines Senders ohne dessen Zustimmung ins Internet überträgt und so Streaming-Nutzern zur Verfügung stellt, kommt eine Verletzung des von § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Urhg i.V.m. § 20 UrhG geschützten „Senderechts“ in Betracht.8 Verfahren des zeitgleichen Live-Streaming von elektronisch formatierten Werken an alle konnektierten Nutzer sind „dem Senderecht des § 20 UrhG zuzuordnen. Es werden jedenfalls ‚ähnliche technische Mittel‘ i.S. von § 20 UrhG eingesetzt (etwa die Software Quicktime). Entscheidend ist, dass eine Datei zeitgleich an alle angeschlossenen Nutzer übertragen wird. Der Sendende löst hierbei die Übertragung aus und bestimmt den Zeitpunkt der Übermittlung sowie die Reihenfolge der Programmbestandteile. Die Nutzer können sich nur in eine laufende Übertragung einschalten und haben keinen Einfluss auf Auswahl und Abfolge der gesendeten Inhalte , ohne dass aber die Merkmale des Rundfunkbegriffs (i.S. von § 2 Abs. 1 RStV) erfüllt sein müssen. Als ‚Senden‘ sind solche Verfahren auch dann zu werten, wenn sie technisch bedingt zu kurzen Zwischenspeicherungen in weiterübertragenden Serverrechner oder in den Nutzerrechner führen, aber nicht, wenn (…) vollständige Dateikopien heruntergeladen und abgespeichert werden. Die derart erreichten bzw. jedenfalls erreichbaren Nutzer müssen Teil der Öffentlichkeit sein. Zwischen ihnen dürfen keine persönlichen Beziehungen bestehen.“9 7 Vgl. dazu nur AG Leipzig, Urt. v. 21.12.2011 – Az.: 200 Ls 390 Js 184/11 (veröffentlicht unter http://www.rechtambild.de/2012/04/ag-leipzig-der-fall-kino-to/ [07.11.2012]). 8 Siehe hierzu auch das Senderecht des „ausübenden Künstlers“, welches über § 78 Abs. 1 Nr. 2, § 20 UrhG geschützt ist, sowie das „Senderecht“ der TV-Anstalten, § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. 9 Koch, GRUR 2010, 574, 576 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 8 Zugleich ist an eine Verletzung des „Aufführungsrechts“ i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 i.V.m. § 19 UrhG zu denken.10 3.3. Zwischenergebnis Sowohl durch das Hochladen urheberrechtlich geschützten Materials (z.B. eines Musikvideos) auf die Server des Streaming-Dienstes zum Abruf „on-demand“ als auch durch das Einspielen eines nicht autorisierten Live-Streams ins Internet wird eine Urheberrechtsverletzung begangen. Ob darüber hinaus auch die Persönlichkeitsrechte von Urhebern und ausübenden Künstlern betroffen sind, „kann nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden“.11 Strafrechtlich ist in beiden Streaming-Varianten die Rechtsfolge des § 106 Abs. 1 UrhG ausgelöst. Ferner besteht für die Rechteinhaber auch gegenüber den Nutzern eines Streams, die Material hochladen, die Möglichkeit, diese wegen der begangenen Urheberrechtsverletzung abzumahnen, §§ 97 ff. UrhG. Ein Anspruch auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten stehen den Rechteinhabern ebenfalls zu. Strafrechtlich bewirkt die Rechtsverletzung durch unautorisiertes Hochladen eines geschützten Werks die Rechtsfolge des § 106 UrhG: Es drohen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 4. Urheberrechtswidriges Verhalten desjenigen, der sich geschütztes Material im „Stream“ ansieht Fraglich ist weiter, inwieweit derjenige, der sich urheberrechtlich geschütztes Material über einen Streaming-Dienst ansieht, Urheberrechte des Rechtsinhabers verletzt. Dieser Frage vorgelagert ist die Problemstellung, ob über das Nutzen eines Streams auf dem PC des Nutzers ein „Vervielfältigungsstück “ erzeugt wird oder nicht. 4.1. Zur Frage der „Vervielfältigung“ am Zielrechner Oben wurde bereits dargestellt, dass die angeforderten Mediendateien nicht dauerhaft auf der Festplatte des Nutzer-PCs gespeichert werden. Vielmehr findet eine kurzzeitige Zwischenspeicherung im lokalen Cache-Speicher („Puffer-Speicher“) während des Streaming-Vorgangs statt. Folglich wird im Moment des Speicherns wenigstens eine „Teilkopie“ des Werkes auf dem PC des Nutzers hergestellt. Auch derartige Teilkopien seien grundsätzlich wohl als „Vervielfältigungsstück “ i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 16 UrhG zu sehen. Es fielen insoweit zweifellos „Speicherungen im Zielrechner an. Diese reichen von der vollständigen und dauerhaften Speicherung bis zur ephemeren Speicherung eines winzigen Segments im Empfangspuffer .“12 10 Büscher/Müller, GRUR 2009, 558. 11 Büscher/Müller, GRUR 2009, 558, 560. 12 So Busch, GRUR 2011, 496, 497 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 9 Allen Streaming-Varianten sei gemeinsam, dass am Ende des Streaming-Vorgangs die ganze Mediendatei einmal in den Zielrechner „kopiert wurde“ – je nach Verfahren „werden wiedergegebene Teilstücke lediglich früher oder später wieder gelöscht.“13 Bei wertender Betrachtung finde „selbst bei den speicherärmsten Streamingarten eine Vervielfältigung nach § 16 UrhG statt“.14 Damit findet beim Streaming grundsätzlich eine rechtlich relevante Zwischenspeicherung auf dem Zielrechner statt. 4.2. Grenze des Urheberrechts und „Enthaftung“ für den Nutzer eines Streams – § 44a UrhG Problematisch ist aber, ob und inwieweit diese „Zwischenspeicherung“ tatsächlich zu einer strafbaren und zivilrechtlich anspruchsauslösenden Urheberrechtsverletzung führt. Das Urheberrecht gilt nicht grenzenlos: Nach § 44a UrhG gilt, dass Vervielfältigungshandlungen unter den dort genannten Voraussetzungen „zustimmungsunabhängig zulässig“15 sein können. Soweit Streaming also unter den Tatbestand des § 44a UrhG gefasst werden könnte, wäre dieses „vorübergehende Vervielfältigen“ gerechtfertigt und bliebe straf- und zivilrechtlich folgenlos.16 Entscheidend kommt es deshalb darauf an, welche Voraussetzungen § 44a UrhG enthält und welche Streaming- Form darunter subsumierbar ist. Der Tatbestand des § 44a UrhG stellt „vorübergehende Vervielfältigungshandlungen “ dann zulässig, wenn sie „flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen“. Daneben muss ihr „alleiniger Zweck“ darin zu sehen sein, entweder (1.) „eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler“ oder (2.) eine „rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands“ zu ermöglichen. Schließlich dürfen die Vervielfältigungshandlungen „keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben“. Die Anwendung dieser vorstehend genannten einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 44a UrhG auf das Verhalten einer Person, die über einen Streaming-Dienst eine urheberrechtlich geschützte Mediendatei ansieht /-hört, ist umstritten und rechtlich noch nicht abschließend bewertet worden. Insbesondere fand bislang keine höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Fragestellung statt. Einigkeit im Hinblick auf den Tatbestand besteht grundsätzlich dahin, dass bei Nutzung von Streaming-Diensten Vervielfältigungen im Rahmen des Caching und Browsing erstellt werden, 13 So Busch, GRUR 2011, 496, 497 m.w.N. Siehe dazu auch Koch. GRUR 2010, 574, 575, der wohl ebenfalls meint, dass jedenfalls beim Streaming-On-Demand Dateiteile temporär in Pufferspeichern auf dem Rechner von Übertragungsempfängern zwischengespeichert würden. Dies stelle ein „vorübergehendes Vervielfältigen“ dar. 14 Vgl. nur Busch, GRUR 2011, 496, 503 sowie derselbe in GRUR 2011, 496, 500. Der vorgenannte Autor setzt sich ferner mit der Frage auseinander, ob das Streaming auch das Vervielfältigungsrecht der Urheber aus „verwandten Schutzrechten“ verletzt, und prüft dazu die entsprechenden Vorschriften der §§ 85 Abs. 1 S. 1, 95, 94 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 Nr. 2, 72 Abs. 1, 77 Abs. 2, 81 UrhG durch. 15 Koch, GRUR 2010, 574, 575 m.w.N. 16 Vgl. zu alldem nochmals ähnlich formuliert Koch, GRUR 2010, 574, 575 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 10 die einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und der erfolgenden temporären Speicherung der Videos auch keine eigene wirtschaftliche Bedeutung zukommt , weil durch die vorübergehende Vervielfältigung keine eigenständige, neue Nutzungsmöglichkeit eröffnet wird. Die Zwischenspeicherungen beim Streaming diene nur dem einmaligen rezeptiven Werkgenuss und ermögliche keine weitere Verwertung der empfangenen Daten, insbesondere auch keine spätere dauerhafte Speicherung.17 Einigkeit besteht weiter dahin, dass die Variante des § 44a Nr. 1 UrhG für den Nutzer eines Streams keinesfalls einschlägig ist, weil sie lediglich „Vermittler“ privilegieren soll.18 Umstritten ist aber, wie es sich mit § 44a Nr. 2 UrhG verhält. Eine erlaubnisfreie Vervielfältigung (i.S.d. kurzfristigen Zwischenspeichers im Cache) wird von der Norm nur dann ermöglicht, wenn der alleinige Zweck der Vervielfältigung eine „rechtmäßige Nutzung“ ist. 4.2.1. Nutzung von Streaming-Diensten „rechtmäßig“ i.S.d. § 44a Nr. 2 UrhG Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung kann insbesondere das Ansehen aktueller Kinofilme auf Streaming-Websites wie www.kino.to durch die Schranke des § 44a UrhG gerechtfertigt werden, da alle beim Ansehen von Filmen im Internet erfolgenden „Vervielfältigungen“ eindeutig in den Anwendungsbereich der Norm fielen.19 Zwar liege regelmäßig gerade keine Zustimmung des Rechteinhabers vor; dies stehe einer „rechtmäßigen Nutzung“ i.S.d. § 44a Nr. 2 UrhG aber nicht entgegen. Für die Anwendung von § 44a UrhG auch bei rechtswidrigen Quellen als Vorlagen lasse sich „anführen, dass die bloße Rezeption schon im analogen Verwertungsumfeld urheberrechtsfrei war, auch wenn sie auf einer rechtswidrigen Vervielfältigung oder Verbreitungshandlung beruhte. Weder wurde hier diskutiert, ob das Anhören einer unerlaubt vervielfältigten Audio-CD noch ob das Lesen eines unrechtmäßig kopierten Buches eine Verletzungshandlung darstelle. Zudem spricht die praktische Undurchsetzbarkeit eines Vervielfältigungsrechts , das auf diesen dezentralen Massennutzungsvorgang abzielt, gegen die Anwendung des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts in solchen Fällen. (…) Im Ergebnis ist der Anwendung des § 44a UrhG auch bei Nutzung rechtswidriger Vorlagen zuzustimmen, so dass der allein rezeptive Werkgenuss (…) eine Form der rechtmäßigen Nutzung darstellt .“20 17 Siehe auch zum vorstehenden Satz Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 680 f. 18 § 44a Nr. 1 UrhG privilegiert nur die Verfahrensdurchführung durch einen Dritten, also etwa durch Provider, die Streaming-Dienste anbieten, nicht hingegen einen nicht vertraglich berechtigten Werkverwerter und auch nicht den Nutzer – Koch, GRUR 2010, 574, 575. Die „Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler” privilegiere eben „nur den Vermittler, nicht aber Absender oder Empfänger“ – Busch, GRUR 2011, 496, 501. 19 Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 680 f. 20 Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681. Siehe dazu auch Mitsdörffer/Gutfleisch, MMR 2009, 731, 733. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 11 Es mag „paradox erscheinen, aber das bloße Anschauen eines – wenn auch raubkopierten – Filmes “ könne isoliert betrachtet nicht „per se unrechtmäßig sein, ebenso wenig wie es unrechtmäßig sei, eine illegal erlangte Tonaufnahme anzuhören.“21 Hiernach begehen Nutzer eines Streams grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung, wenn sie sich einen Stream ansehen, der etwa einen Hollywood-Film zeigt, welcher ohne Zustimmung der Rechteinhaber eingestellt wurde. 4.2.2. Nutzung von Streaming-Diensten nicht „rechtmäßig“ i.S.d. § 44a Nr. 2 UrhG Die Gegenauffassung vertritt den Standpunkt, dass eine Nutzung nur dann „rechtmäßig“ sein könne, wenn sie – bzw. in dem Umfang, in dem sie – vom jeweiligen Rechteinhaber erlaubt sei oder wenn sie im Rahmen gesetzlicher Schrankenbestimmungen zulässig und auch sonst nicht durch Gesetze beschränkt sei.22 Insbesondere in Streaming-Formaten wie „kino.to“ dürfte unschwer zu erkennen sein, dass die Bereitstellung der dort gezeigten Inhalte (etwa Hollywood- Filme) offensichtlich ohne die Zustimmung der Rechteinhaber erfolgte. Insofern sei es richtig, zu behaupten, dass die Norm des § 44a Nr. 2 UrhG jedenfalls beim Streaming von einem unautorisierten Filmportal nicht greife – dort bestehe schlicht kein Einverständnis, welches man per gesetzlicher Privilegierung auf die Zwischenspeicherung ausdehnen könne.23 Hiernach begehen Nutzer eines Streams immer dann eine Urheberrechtsverletzung, wenn sie sich einen Stream mit unautorisiertem Inhalt ansehen. Die Privilegierung des § 44a UrhG greift nach dieser Auffassung nicht.24 4.2.3. Bewertung Die vorstehende Rechtsfrage der Anwendbarkeit der Privilegierung des § 44a Nr. 2 UrhG auf denjenigen , der sich einen unautorisierten Stream ansieht, ist noch nicht abschließend geklärt. Es findet sich in der aufzufindenden Rechtsprechung und Literatur gleichwohl ein Argumentations- Übergewicht in Richtung einer Nicht-Anwendbarkeit der Vorschrift auf Nutzer eines Streams. Danach stellt nach derzeitiger Rechtslage wohl auch das Ansehen jedenfalls eines offensichtlich unautorisierten Streams eine ungerechtfertigte Vervielfältigung im Zielrechner und damit eine Urheberrechtsverletzung dar. Absolute Klarheit in dieser Frage würde allerdings erst eine höchstrichterliche Äußerung herbeiführen. 21 Editorial Fachdienst Strafrecht (FD-StrafR) 2011, 319570 („Editorial: Cyberkriminalität – ein Kampf gegen Windmühlen?“). 22 Radmann, ZUM 2010, 387, 391. Ferner auch v. Weiser in Wandtke/Bullinger (Urheberrecht, 3. Auflage 2009), § 44a UrhG, Rn. 16. 23 So äußert sich Ferner in seinem Beitrag „Streaming am Beispiel kino.to: Legal oder Illegal?“, online abrufbar unter http://www.ferner-alsdorf.de/2012/03/streaming-am-beispiel-kino-to-legal-oder-illegal/ (06.11.2012). Dort nimmt er Bezug auf Schwartmann, welcher sich in der Beilage zur Kommunikation & Recht (K & R) 11/2011 ebenso äußerte. Vgl. in ähnliche Richtung Dreier in Dreier/Schulze (Urheberrecht, 3. Auflage 2008), § 44a UrhG, Rn. 8. 24 Diese Auffassung vertrat auch das AG Leipzig, Urt. v. 21.12.2011 – Az. 200 Ls 390 Js 184/11. Dort heißt es, die Norm (dort ist fälschlicherweise die Rede von „§ 44 UrhG“, gemeint sein dürfte aber „§ 44a UrhG“, Anm.) sei „nicht einschlägig, da keine Vermittlung stattfindet und eine rechtmäßige Nutzung der Raubkopien ohne Genehmigung des Urhebers nicht möglich ist.“. Die Entscheidung ist im Volltext veröffentlicht unter http://www.rechtambild.de/2012/04/ag-leipzig-der-fall-kino-to/ (07.11.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 12 4.3. Zwischenergebnis Hinsichtlich desjenigen, der sich einen offensichtlich unautorisierten Stream ansieht, ist eine Urheberrechtsverletzung wohl zu bejahen. Damit besteht für die Rechteinhaber gegenüber den Nutzern eines Streams grundsätzlich die Möglichkeit, dieselben abzumahnen, §§ 97 ff. UrhG. Ein Anspruch auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten steht ihnen ebenfalls zu. Strafrechtlich bewirkt die Rechtsverletzung jeweils durch unautorisiertes Hochladen eines geschützten Werks oder durch Ansehen des Streams eines solchen die Rechtsfolge des § 106 UrhG: Es drohen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Rechtstatsächlich dürfte aber wohl zu konstatieren sein, dass Streaming-Nutzer bislang eher selten bis garnicht in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gekommen sind. In der „Gemeinde“ der Internet-Nutzer scheint daher die Tatsache, dass schon das bloße Ansehen eines Streams, über den urheberrechtlich geschütztes Material ohne Berechtigung zum Abruf bereitgestellt wird, unter Strafe steht, weitgehend unbekannt zu sein. Das Unrechtsbewusstsein der Nutzer derartiger Streams scheint – so ist zu beobachten – recht gering zu sein, was wohl insbesondere mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Nutzer zusammenhängt. Gerade unter diesem Gesichtspunkt sollte auf die Nutzer abzielende Aufklärungsarbeit geleistet werden: Bereits durch das Ansehen derartiger, offensichtlich rechtswidriger Streams (bzw. Streams aus offensichtlich rechtswidriger Quelle) begibt man sich jedenfalls in die potenzielle Gefahr strafrechtlicher und schadensersatzrechtlicher Folgen. Eine daran anknüpfende Frage ist, ob es gesetzgeberisch tatsächlich gewollt sein kann, die Nutzer eines Streams in die Gefahr der Verfolgung für ein Verhalten zu bringen, dessen insbesondere strafrechtliche Bewertung von derart vielen Unwägbarkeiten abhängt: Wer soll im Falle eines abgerufenen Streams zur Verantwortung gezogen werden – derjenige, der Anschluss-/PC-Inhaber ist, oder derjenige (etwa ein Gast des PC-Inhabers) , der den Stream tatsächlich gestartet hat und ansieht? Es wird oftmals unmöglich sein, eine Zuordnung für die Verantwortlichkeit der rechtlich relevante „Zwischenspeicherung“ zu treffen, wenn mehrere Personen beteiligt sind. 5. Urheberrechtswidriges Verhalten des Betreibers einer Streaming-Site 5.1. Verletzte Rechte Durch den Betrieb einer Streaming-Plattform, welche ihren Nutzern urheberrechtlich geschütztes Material „On-Demand“ zugänglich macht, indem sie Gelegenheiten zum Abruf eines Streams bereitstellt, werden die geschützten Werke öffentlich zugänglich gemacht, wodurch der Regelungsbereich des § 19a UrhG berührt ist.25 Ferner verletzt auch der Betreiber einer Live- Streaming-Website das Senderecht, § 20 UrhG und / oder das Aufführungsrecht i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 i.V.m. § 19 UrhG.26 Ob darüber hinaus auch die Persönlichkeitsrechte von Urhebern 25 Siehe so bereits oben Punkt 3.1. im Hinblick auf den Nutzer, der urheberrechtlich geschütztes Material auf einen Server lädt, von welchem es anschließend durch andere Nutzer „gestreamt“ werden kann. 26 Büscher/Müller, GRUR 2009, 558. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 13 und ausübenden Künstlern betroffen sind, ist auch hier nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden.27 5.2. Zivilrechtliches Vorgehen gegenüber den Betreibern Soweit über eine Streaming-Website urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet wird, stehen den Rechteinhabern die bekannten Instrumente auch gegenüber den Betreibern des jeweiligen Portals zur Verfügung. 5.2.1. Portale ohne auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell – Störerhaftung “ und TMG (am Beispiel „YouTube“) Dass das Geschäftsmodell der Webseite „YouTube“ nicht auf Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist, dürfte allseits übereinstimmend bejaht werden. Gleichwohl wird den hochladenden Nutzern durch die Plattform aber erlaubt, anonym (unter selbst gewähltem Nutzernamen) Videos hochzuladen. Dies eröffnet selbstverständlich auch die Möglichkeit, urheberrechtlich geschütztes Material einzustellen. Im vor dem LG Hamburg im Jahre 2012 verhandelten Rechtsstreit zwischen einem Urheberrechtsinhaber und „YouTube“ wurde klargestellt, dass der Streaming-Dienst zwar nicht als „Täter“ der Urheberrechtsverletzung anzusehen sei; insbesondere mache sich die Website die von Dritten hochgeladenen Videos mit urheberrechtsverletzendem Inhalt nicht „zu eigen“. Allerdings fielen dem Betreiber der Website gleichwohl im Rahmen der Störerhaftung Prüfpflichten zu:28 Als Störer könne nach der Rechtsprechung des BGH bei der Verletzung absoluter Rechte grundsätzlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beitrage . Die Haftung des Störers setzt nach Auffassung des BGH die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten , insbesondere von Prüfpflichten, voraus.29 Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richte sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Unter Berücksichtigung aller Umstände habe YouTube hier seine Pflicht verletzt, konkret mitgeteilte Rechtsverletzungen auf der Internetseite unverzüglich zu sperren. Auch der Pflicht zur Vorsorge, dass es möglichst nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt, war der Betreiber der Website nicht ausreichend nachgekommen.30 Daher stehe dem Rechteinhaber ein Beseitigungs - und ein Unterlassungsanspruch gegenüber YouTube zu.31 Aus der Tatsache, dass sich die von Dritten eingestellten Inhalte von den Webseiten-Betreiben nicht „zu eigen“ gemacht werden, kann abgeleitet werden, dass sich die Betreiber von Streaming- 27 Büscher/Müller, GRUR 2009, 558, 560. 28 LG Hamburg, Urt. v. 20.05.2012, ZUM 2012, 596 ff. 29 Siehe zur Störerhaftung genauer Ausarbeitung Nr. 094/12 des WD 10 vom 02.11.2012, Punkt 6.2. 30 Diese Pflichtverletzungen habe sich im konkreten Fall jedoch nicht in „haftungsbegründender Weise ausgewirkt “ – LG Hamburg, Urt. v. 20.05.2012, veröffentlicht in ZUM 2012, 596, 603. 31 LG Hamburg, Urt. v. 20.05.2012, ZUM 2012, 596, 602 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 14 Websites wie „YouTube“ auf die Haftungsprivilegierung des § 10 Telemediengesetz (TMG32) zurückziehen können, da sie als „Host-Provider“ zu begreifen sind. Der Host-Provider soll danach für von ihm fremden Personen hochgeladene Inhalte auf seiner Seite nur verantwortlich gemacht werden können, wenn er positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Inhalte hat. Solange dies nicht der Fall ist, sind Plattform-Betreiber wie etwa „YouTube“ erheblich privilegiert, weil sie weder schadensersatzrechtlich noch strafrechtlich als „Täter“ zu belangen sind. 5.2.2. Portale mit auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell Einer Plattform, die offenkundig und zielgerichtet auf dem Geschäftsmodell von über sie ermöglichten Urheberrechtsverletzungen basiert, ist anders zu begegnen. Die Betreiber eines derartigen Portals sind – immer unterstellt, es ist unstreitig, dass das Geschäftsmodell einzig auf Urheberrechtsverletzungen gründet – nunmehr vollständig auf Schadensersatz haftbar. Die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG greift dann gerade nicht, weil hier bereits positive Kenntnis der Urheberrechtsverletzungen vorliegt. In derartigen Fällen erlaubt die Rechtsordnung, den Betreiber des Online-Portals gemäß § 97 UrhG i.V.m. mit dem als verletzt gerügten Schutzrecht (vorbeugend) auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen und den Betrieb der gesamten Plattform einzustellen.33 5.3. Strafrechtliche Reaktion gegenüber den Betreibern 5.3.1. Portale ohne auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell Bei Portalen ohne auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell verbleibt es bei der Privilegierung des § 10 TMG. 5.3.2. Portale mit auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell Anders stellt sich die Sachlage in denjenigen Fällen dar, in welchen Portale mit auf Urheberrechtsverletzungen basierendem Geschäftsmodell strafrechtlich zu bewerten sind. Hier besteht – eine entsprechende Beweislage unterstellt – positive Kenntnis von Urheberrechtsverletzungen, sodass § 10 TMG gerade nicht eingreifen kann. Strafrechtlich ist in derartigen Fällen wenigstens eine Beihilfe-Haftung nach § 106 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 27 StGB gegeben, weil über die Bereitstellung des Webportals sowohl die von den „hochladenden Nutzern“ als auch die von den Stream- Betrachtern erfolgende Urheberrechtsverletzung unterstützt wird. Soweit die Betreiber des Webportals nicht nur die zentrale Such-Seite zum Auffinden der urheberrechtlich geschützten Filmwerke betreiben, sondern zugleich auch selbst Filme auf Speicher- 32 Das TMG (v. 26.02.2007 [BGBl. 2007 I, S. 179]), stellt die deutsche Umsetzung der Vorgaben der RL 2000/31/EG v. 08.06.2000 (Abl. Nr. L 178 v. 17.07.2000, S. 1 ff.) dar. 33 Vgl. dazu – im Hinblick auf eine Software, die den kostenlosen Empfang eines Pay-TV-Senders über das Internet ermöglichte – BGH, MMR 2009, 625. Dort wurde ein vollständiges Vertriebsverbot für die streitgegenständliche Software ausgesprochen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 15 Server (Filehoster) aufspielen oder derartige Filehoster selbst betreiben, kommt selbstverständlich eine volle (Mit)-Täter-Haftung nach § 106 Abs. 1 UrhG in Betracht.34 Wird die Urheberrechtsverletzung gewerbsmäßig betrieben, erhöht sich der damit verbundene Strafrahmen auf bis zu 5 Jahre (oder Geldstrafe) deutlich, § 108a UrhG. Gewerbsmäßigkeit im strafrechtlichen Sinn liegt dann vor, wenn der Täter die Tat in der Absicht begeht, sich durch wiederholte, gegebenenfalls auch nur fortgesetzte Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.35 Im Falle des populären Webportals „kino.to“ wurde der damalige Hauptangeklagte wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken (§§ 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 19a, 106 Abs. 1, 108a Abs. 1 UrhG) in drei Fällen36 jeweils der gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.37 Die Gewerbsmäßigkeit wurde insbesondere dadurch unterstrichen, dass die Betreiber der Webseite in den Jahren von 2009 bis 2011 Einkünfte durch Werbeeinnahmen in Höhe von insgesamt 3.715.000 EUR erlangt hatten. Das Strafrecht reagiert folglich auf gewerbliche Urheberrechtsverletzungen und insbesondere auf entsprechend angelegte Geschäftsmodelle. 6. Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine Einordnung von Streaming-Angeboten in die bestehende Systematik aus zivilrechtlichen und strafrechtlichen Instrumenten möglich ist. Große Genauigkeit muss dabei für die Beantwortung der Frage aufgebracht werden, welche Streaming-Variante jeweils zu beurteilen ist: Je nach Variante liegen unterschiedliche Urheberrechtsverletzungen vor. Ein gewerbliches Streaming-Portal, welches sein gesamtes Geschäftsmodell auf die Verletzung von Urheberrechten ausgerichtet hat, ist nach derzeitigen Maßstäben als „illegal“ zu bezeichnen. Sein Verbot kann vor Gericht erstritten werden, die Initiatoren können strafrechtlich und schadensersatzrechtlich belangt werden. Die Frage der Durchsetzbarkeit derartiger Vorhaben bleibt aber auch im Zusammenhang mit Streaming-Portalen virulent. Die Tatsache, dass viele Angebote dieser Art nicht zentral von Deutschland aus, sondern vielmehr international vernetzt agieren , macht eine schnelle Reaktion der Rechteinhaber auch in diesem Zusammenhang erforderlich , einen (schnellen) Erfolg der Einleitung rechtlicher Schritte aber gleichwohl schwierig realisierbar . 34 Vgl. dazu den Fall „kino.to.“ – LG Leipzig, Urt. v. 14.06.2012 – 11 KLs 390 Js 191/11 = BeckRS 2012, 17144. Dort wurden die zur Speicherung der Filme genutzten Filehoster von Mitarbeitern des Webportals selbst betrieben („interne Filehoster“). 35 BGHSt 1, 383. 36 In einem Fall in 189.200 tateinheitlichen Fällen, in einem Fall in 105.976 tateinheitlichen Fällen und in einem weiteren Fall in 815.367 tateinheitlichen Fällen. 37 LG Leipzig, Urt. v. 14.06.2012 – 11 KLs 390 Js 191/11 = BeckRS 2012, 17144. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/103-12 Seite 16 Schließlich dürfte die Erkenntnis, dass nach derzeitiger Rechtslage auch derjenige, der sich einen offensichtlich unautorisierten Stream ansieht, eine Urheberrechtsverletzung begeht und ebenfalls schadensersatz- und strafrechtlich belangt werden könnte, überraschend daherkommen, da gemeinhin die Auffassung vorherrschend scheint, das bloße Ansehen von urheberrechtswidrigen Angeboten im Netz sei folgenlos. Dies ist jedoch wohl nicht der Fall – eine endgültige Klärung diesbezüglich kann hier jedoch nur ein höchstrichterlicher Ausspruch herbeiführen. Eine kritische gesetzgeberische Überprüfung der Rechtslage vor dem Hintergrund der Frage, ob der Betrachter eines Streams tatsächlich – gewollt – insbesondere strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll, böte ebenfalls die Möglichkeit, Klarheit in diesem Zusammenhang zu schaffen .