© 2018 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 094/18 Rechtsgrundlagen der Kirchensteuer und Anwendbarkeit auf islamische Religionsgemeinschaften Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Verfassung 12 5.2.2.2. Zahl der Mitglieder 13 5.2.3. Rechtstreue 14 6. Fazit 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 4 1. Einleitung Seit in Kraft treten des Grundgesetzes1 (GG) im Jahr 1949 wird über die Rechtmäßigkeit und die politische Sinnhaftigkeit der verfassungsrechtlich verankerten Kirchensteuer diskutiert. Dabei traten immer wieder Stimmen hervor, die diese als nicht mehr zeitgemäß erachteten und im Übrigen in ihr auch einen Verstoß gegen den Säkularisationsgedanken des Art. 137 I Weimarer Reichsverfassung2 (WRV) sahen. In neuerer Zeit wurde diese Kontroverse um die Frage erweitert, ob auch islamische Glaubensgemeinschaften kirchensteuerberechtigt sind und der christlichen Kirche in Deutschland insoweit gleichgestellt werden sollen. Wenngleich eine Zuerkennung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als Voraussetzung für eine Kirchsteuerberechtigung bereits vereinzelt vorgenommen wurde3, existiert eine klare verfassungsgerichtliche Vorgabe nicht. Neben der christlichen Kirche sind inzwischen zahlreiche kleinere Religionsgesellschaften 4, darunter auch die Zeugen Jehovas, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und damit rechtlich privilegiert.5 Dieser Sachstand informiert über den Ursprung und die Rechtmäßigkeit des Kirchensteuerrechts, der damit verbundenen Privilegien und die aktuelle Finanzierungspraxis islamischer Gemeinschaften in Deutschland. Ferner wird diskutiert, ob letztere ebenfalls steuererhebungsberechtigt sind. Dafür wird geprüft, ob die verfassungsrechtlich und gerichtlich vorgegebenen Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus vorliegen. In diesem Zusammenhang wird dargestellt, wie islamische Glaubensangehörige in Deutschland organisiert und strukturiert sind. 2. Ursprung der Kirchensteuer Ursprünglich finanzierte sich die Kirche unmittelbar durch Ihre Anhänger in Form von Spenden, Opfergaben und Naturalien. Dabei kam dem Zehnt6 als Haupteinnahmequelle bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts eine besondere Bedeutung zu.7 Dieses Finanzierungsmodell endete im Jahre 1 Grundgesetz vom 23. Mai 1949, zuletzt geändert am 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347). 2 Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383). 3 Der Ahmadiyya-Gemeinde wurde im Jahr 2013 im Bundesland Hessen, im Jahr 2014 im Land Hamburg der Körperschaftsstatus zugesprochen. 4 Dieser Begriff ist dem der Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 III GG gleichzusetzen. 5 Körperschaftsstatus, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/staat-und-religion /koerperschaftsstatus/koerperschaftsstatus-node.html. 6 Der Begriff Zehnt bezeichnet eine etwa zehnprozentige Steuer in Form von Geld oder Naturalien an eine geistliche oder weltliche Institution, welche die Steuerverpflichteten eigenhändig in ihrer Gemeinde abgaben, (https://de.wikipedia.org/wiki/Zehnt). 7 Entstehung und Entwicklung der Kirchensteuer, abrufbar unter: https://www.bistum-eichstaett.de/entstehungund -entwicklung-der-kirchensteuer/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 5 18038, als eine beispiellose Säkularisationswelle begann, in dessen Zuge sämtliche Territorien und materielle Güter der Kirchengemeinden an die Fürsten übergingen. Die Kirche verlor dadurch ihre organisatorische und wirtschaftliche Existenzgrundlage und war seit dem auf finanzielle staatliche Unterstützung angewiesen, welche Ihr als „Gegenleistung“ für die Massenenteignung zugesichert wurde. Neben der Säkularisation war Mitteleuropa zur gleichen Zeit mit den neuartigen Herausforderungen der beginnenden Industrialisierung konfrontiert. Die Bevölkerung wuchs und kirchliche Dienste waren zunehmend gefragt. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der staatlichen Vertreter war der Ursprung der Idee einer Kirchensteuer. Unter Protest wurde erstmals im Jahr 1821 in Preußen die sogenannte Kathedralsteuer für die Katholiken eingeführt. Kirchenvertreter sahen in dieser zunächst als vorübergehend bezeichnete Steueranordnung einen Bruch des im Jahr 1803 erteilten Versprechens der Fürsten, für die wirtschaftlichen Belange der Kirchen ohne Belastung der Gemeindemitglieder aufzukommen. Die Widerstände blieben erfolglos, sodass sich das Verhältnis von Staat und Kirche neu ordnen musste. Die Kirche war gezwungen, sich an die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit zu gewöhnen und ihre nunmehr eigenständige und unabhängige Stellung in der Gesellschaft finden. Die Höhe der Kirchensteuer variierte regional und war an die Bedürfnisse der Gemeinden geknüpft . Besonders wohlhabende Gemeinden verzichteten sogar auf die Erhebung von Steuern, während anderswo Steuern in Höhe von bis zu 22% entrichtet werden mussten.9 Einen finanziellen Ausgleich zwischen den Gemeinden sah sowohl das kanonische als auch das weltliche Recht nicht vor; finanzielle Engpässe motivierten die Gemeinden jedoch auch damals schon zur Fusionierung und der Bildung von Ortsverbänden.10 1919 wurde die Kirchensteuer erstmals durch Art. 137 VI WRV verfassungsrechtlich verankert. Dort heißt es: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Unmittelbar nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 wurde das Reichskonkordat11 am 20. Juli 1933 verabschiedet. Dieser Staatskirchenvertrag regelte das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche und garantierte den Kirchen in dessen Schlussprotokoll zu Artikel 13 das Recht auf Steuererhebung. Erst am 1. Dezember 1941 beschloss die Reichsregierung per Gesetz, die staatliche Mitwirkung bei der 8 Grundlage hierfür war der Reichshauptschluss vom 25.02.1803 in Folge des Friedensvertrages von Lunéville 1801, nach dem das Deutsche Reich alle linksrheinischen Gebiete in Frankreich abtreten musste. Im Zuge von Ausgleichsmaßnahmen wurden geistliche Reichsfürsten (Bischöfe) enteignet und der Status der Reichskirche abgeschafft, vgl. Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Historische Aspekte der Staatsleistungen an die Kirchen gemäß Art. 140 Grundgesetz, WD 10 – 13/10. 9 Entstehung und Entwicklung der Kirchensteuer, abrufbar unter: https://www.bistum-eichstaett.de/entstehungund -entwicklung-der-kirchensteuer/. 10 Ebd. 11 (RGBl. 1933 II, S. 679); Mit Urteil vom 26.03.1957 bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung dieser Kodifikation als geltendes Recht (BVerfGE 6, 309). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 6 Erhebung der Kirchensteuer zu verweigern.12 Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes übernahm die Bundesrepublik Deutschland durch Art. 140 GG die Art. 137-139 und 141 WRV als geltendes Verfassungsrecht und somit die staatsseitige Verpflichtung zur Kirchensteuererhebung. 3. Rechtsquellen der Kirchensteuer Das deutsche Kirchensteuerrecht besteht aus einem Gefüge verfassungsrechtlicher, staatskirchenrechtlicher sowie bundes-, landes- und kirchenrechtlicher Vorschriften. Die oberste Rechtsquelle des Kirchenverfassungsrechts ist Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 ff. WRV. Das Besteuerungsrecht ergibt sich aus Art. 137 VI WRV, wonach solche Religionsgemeinschaften steuererhebungsberechtigt sind, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Die konkrete Ausgestaltung der Steuerhöhe legt die Religionsgemeinschaft selbst fest, über die Frage des tauglichen Steuerschuldners und -gläubigers entscheidet der Landesgesetzgeber. 3.1. Tauglicher Steuerschuldner Steuerschuldner ist einzig das Mitglied des besteuernden Kirchenverbandes. Juristische Personen können nicht Schuldner einer Kirchensteuer sein. Neben der Mitgliedschaft ist der Wohnsitz innerhalb des Wirkungskreises des steuererhebenden Kirchenverbands Voraussetzung für einen Kirchensteueranspruch. Die Mitgliedschaft zu einem Kirchenverband richtet sich nach innerkirchlichem Recht, wird mit der Taufe begründet und endet mit dem Tot oder dem gewillkürtem Austritt aus der Kirche.13 3.2. Tauglicher Steuergläubiger Die Bestimmung des Steuergläubigers ist Angelegenheit der Religionskörperschaften. Bei der katholischen Kirche sind es die Diözesen, bei der evangelischen Kirche zumeist die Landeskirchen. Über Art, Höhe und Verwendung der Kirchensteuer entscheiden kirchliche Organe eigenständig. In der katholischen Kirche sind die verantwortlichen Organe die Kirchensteuerräte, in der evangelischen Kirche die Synode. In beiden Kirchen bestehen diese Entscheidungsgremien überwiegend aus frei gewählten Kirchensteuerpflichtigen. 12 Geschichte der Kirchensteuer, abrufbar unter: http://www.steuern.ag/geschichte-der-kirchensteuer/. 13 Steuerlexikon - Kirchensteuer - Gläubiger und Schuldner, abrufbar unter: http://www.steuerlinks.de/steuerlexikon /lexikon/kirchensteuer-glubiger-und-schuldner.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 7 3.3. Verfassungsmäßigkeit der Kirchensteuer Nach herrschender Auffassung besteht an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 137 VI WRV kein Zweifel.14 Dem vereinzelt15 vorgetragenen Einwand der illegitimen Verbindung von staatlichen und kirchlichen Sphären im Rahmen der Beitreibung des Steueraufkommens ist mit einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 137 I WRV zu begegnen. Der darin kodifizierte Trennungsgedanke von kirchlichem und staatlichem Handeln ist dahingehend auszulegen, dass dieser auf eine freundliche und kooperative Zusammenarbeit beider Sphären abstellt, ohne diese zu verflechten .16 So gibt die steuererhebende Religionsgesellschaft zwischen 2-4% des Steueraufkommens an den Staat ab, um diesen für den organisatorischen Aufwand der Steuereinziehung zu entschädigen.17 Die Kirchensteuerbeitreibung verstößt also nicht gegen die staatlicherseits gebotene Zurückhaltung in religiösen Angelegenheiten und damit nicht gegen die Verfassung. 4. Finanzierung islamischer Vereinigungen in Deutschland Angehörige islamischen Glaubens sind in Deutschland in der Regel in privatrechtlichen Strukturen organisiert. Aufgrund ihrer privatrechtlichen Verfasstheit existieren keine öffentlich verfügbaren Zahlen, welche verlässliche Auskunft über ihre Einnahmen und Ausgaben geben. Die Finanzzuflüsse der Vereine und Verbände können jedoch hinsichtlich interner Einnahmen und externer Spenden unterschieden werden. Ein Teil der internen Einnahmen stammt aus Mitgliedsbeiträgen, die dem Erhalt und der Organisation des Vereins zu Gute kommen soll.18 Dies dürfte jedoch nicht den wesentlichen Anteil der Einnahmen darstellen. Darüber hinaus dienen der Verkauf von Publikationen und anderen Kulturgütern und die Ausrichtung von Konzerten als verlässliche Finanzquelle. Gleiches gilt für den 14 Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr. 96. 15 Kleine, Verfassungswidrigkeiten, 1993, S. 214 und 216. 16 Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr. 96. 17 Kirchensteuer, Was versteht man unter Kirchensteuer?, abrufbar unter: https://www.dbk.de/themen/kirche-undgeld /kirchensteuer/. 18 Vgl. etwa § 5 Nr. 17 Satzung des Vereins für Dialog und Völkerverständigung in Karlsruhe e.V., Annur Moschee vom 18.01.2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 8 sogenannten „Zakat“19, der insbesondere anlässlich des Freitagsgebetes einen Großteil des Gemeindelebens finanzieren dürfte.20 Das Ausmaß der Auslandsfinanzierung liegt mangels Offenlegungspflichten im Verborgenen. Auch eine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an die Bundesregierung erhellte dieses Thema nicht. Die Beantwortung der Frage nach der Beteiligung zahlreicher Nahost-Staaten an der Islamfinanzierung in Deutschland verweigerte die Bundesregierung mit dem Hinweis auf das Staatswohlinteresse.21 Sie machte jedoch deutlich, dass Finanzströme aus der Islamischen Republik Iran wahrscheinlich seien.22 Eine zumindest mittelbare finanzielle Unterstützung erfahren Mitglieder der „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religionen e.V.“ - DITIP. Dieser übernimmt die Honorare der Imame und beteiligt sich an den Baukosten von Moscheen. Insgesamt wird deutlich, dass keine Aussage über die genauen Anteile der Finanzierungsbeiträge getroffen werden kann, die Finanzierung aber jedenfalls von unterschiedlicher Seite aus getragen wird.23 5. Körperschaftsstatus Im Folgenden wird am Beispiel des Berliner Kirchensteuergesetzes24 (KiStG) aufgezeigt, wie die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Land Berlin konkretisiert werden. Gemäß § 1 I KiStG können „Kirchen und andere Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, […] nach Maßgabe dieses Gesetzes Steuern auf Grund eigener Steuerordnungen erheben (steuerberechtigte Religionsgesellschaften).“ Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bewirkt die Zuerkennung der Fähigkeit, Träger öffentlicher Kompetenzen und Rechte zu sein, ohne sich jedoch in die staatliche Verwaltung eingliedern zu müssen, Art. 137 I WRV.25 Das Bundesverfassungsgericht betont in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsstellung der Kirchen als Körperschaft sui generis zu bezeichnen sei und eine Gleichstellung mit anderen Körperschaf- 19 „Die islamische Pflichtabgabe; eine der fünf Grundpflichten der Muslime. Die Almosengabe zur Finanzierung sozialer (Unterstützung Bedürftiger), karitativer und missionarischer Aufgaben bildet einen grundlegenden Bestandteil der islamischen Ethik und ist neben der verpflichtenden Form der regelmäßig abzuführenden Zakat, eingeführt bereits zu Lebzeiten Mohammeds, den Muslimen auch als freiwillige Gabe zu bestimmten Anlässen geboten.“, Brockhaus, Zakat (http://brockhaus.de/ecs/enzy/article/zakat. 20 „Wie finanzieren sich Moscheen?“, Deutschlandfunk Kultur, abrufbar unter: http://www.deutschlandfunkkultur .de/religion-wie-finanzieren-sich-moscheen.1008.de.html?dram:article_id=343845Wie. 21 BT-Drs. 18/13658, S. 8 ff. 22 BT-Drs. 18/13362, S. 4. 23 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Finanzierung von Moscheen bzw. „Moscheevereinen“, WD 10 - 3000 - 028/18. 24 Kirchensteuergesetzes vom 04. Februar 2009, zuletzt geändert am 17. Dezember 2014 (GVBl. S. 519). 25 Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 77. Lieferung 10.2018, Art. 140 GG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 9 ten des öffentlichen Rechts nicht in Betracht komme, sondern nur gegenüber sonstigen Religionsgemeinschaften des privaten Rechts privilegiert.26 Der in Art. 137 V WRV niedergelegte Körperschaftsstatus bedarf also einer eigenen und von der verwaltungsrechtlichen Dogmatik losgelösten Definition. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dient der Körperschaftsstatus der Religionsgesellschaften der Emanzipation der Kirche vom Staat.27 Diese Definition greift jedoch zu kurz, da sie inhaltlich nicht über die Eigenständigkeit eines rechtsfähigen Vereins hinausgeht. Der Körperschaftsstatus verleiht den Religionsgesellschaften darüber hinaus die Grundlage für eine besondere Zuordnung der Religionsgesellschaften zum Staat.28 Der religionsspezifische Körperschaftsbegriff trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich von allen gesellschaftlichen Gruppen nur die Religionsgesellschaften, ähnlich wie der Staat, an die gesamte Gesellschaft wenden und damit die Pflege von Gemeinschaftsinteressen im Bereich des Öffentlichen das Kennzeichen des Körperschaftsstatus ist.29 Die Anerkennung einer Religion als Körperschaft im Sinne des Art. 137 V WRV und die daraus folgenden Vorteile, wie das Recht der Steuererhebung, das Recht Beamte beschäftigen zu dürfen und Begünstigungen im Bauplanungs- und Raumordnungsrechts, ist also auf die in der Verfassung zum Ausdruck kommenden Wertschätzung für die sozialen Kräfte der Religion zurückzuführen.30 5.1. Begründungsvoraussetzungen Den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen jene Religionsgesellschaften, die bei Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung als solche anerkannt waren ("geborene" Körperschaften ) oder denen dieser nach Antragstellung gewährt wurde ("gekorene" Körperschaften).31 Entsprechend der Wertung des Art. 137 V 2 WRV sind Voraussetzung für die Verleihung des öffentlich -rechtlichen Status der Religionsgesellschaft, dass (1) eine solche vorliegt, (2) ein Antrag gestellt wird und (3) die Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauer bieten, und zwar durch ihre innere Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder.32 26 BVerfGE 18, 385, 386 f. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Muckel, Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, DÖV 1995, 311 (313). 30 Ebd. 31 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, abrufbar unter: https://www.personenstandsrecht .de/Webs/PERS/DE/informationen/religionsgemeinschaften/religionsgemeinschaften-node.html. 32 Quaas: Begründung und Beendigung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften , NVwZ 2009, 1400, 1402. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 10 Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, erlangt die Gemeinschaft nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die erforderliche besondere Bedeutung für die staatliche Rechtsordnung .33 Bei der Prüfung sei ein besonderes Augenmerk auf das Kriterium „Gewähr der Dauer“ zu legen, um „Eintagsfliegen oder neue Religionsgemeinschaften im Gährungsstadium” nicht vorzeitig den Körperschaftsstatus zu verleihen.34 Bei dem Merkmal der inneren Verfassung einer Religionsgesellschaft sind dessen rechtliche Organisationsstruktur, die Finanzausstattung und der allgemeine Zusammenhalt der Gläubigen zu betrachten, welcher den Schluss auf eine auch künftig stabile und eindeutig identifizierbare Organisation zulassen muss.35 Negative Voraussetzung für die Anerkennung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, dass die Voraussetzungen zum Verbot einer privaten Vereinigung gemäß Art. 9 II GG nicht vorliegen.36 Daraus folgt, dass die Religionsgemeinschaft für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts rechtstreu sein muss. Sie muss gewährleisten, dass die in Art. 79 III GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien nicht durch eigenes Verhalten gefährdet werden,37 wobei sich die Rechtstreue der beantragenden Religionsgemeinschaft dabei nicht nach den Glaubensinhalten der Gemeinschaft richtet, sondern nach Ihrem Verhalten gegenüber der Außenwelt .38 5.2. Moschee-Steuer Nach all dem bleibt fraglich, ob in Ergänzung39 zum oder anstelle des Zakats die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland ebenfalls berechtigt sind, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen, um unter anderem Steuern erheben zu dürfen. Dies wäre der Fall, wenn die antragende Religionsgesellschaft oben genannten Kriterien erfüllt. Insoweit kann festgestellt werden, dass es (im Gegensatz zur christlichen Kirche) keine einheitliche Vertretung der in Deutschland lebenden Muslime gibt. Als Anknüpfungspunkt für einen Körperschaftsstatus werden daher im Folgenden die Moscheevereine vorgestellt. Moscheevereine bilden die kleinste Organisationseinheit muslimischer Vereinigungen in Deutschland und unterliegen in der Regel 33 BVerfGE 19, 129, 134. 34 v. Campenhausen/de Wall, StaatskirchenR, 4. Aufl. (2006), S.135. 35 Quaas: Begründung und Beendigung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften , NVwZ 2009, 1400, 1402. 36 BVerfGE 102, 370, 389. 37 BVerfGE 102, 370, 392. 38 BVerfGE 139, 321, 351 f. 39 Spenden an Religionsgesellschaften stellen eine Zuwendung dar, die als Sonderabgabe von der Steuer abziehbar ist, vgl.: Zuwendungen für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke, abrufbar unter: https://www.steuernetz .de/lexikon/spenden-und-mitgliedsbeitraege. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 11 dem Vereinsrecht. Schätzungen zu folge existieren in Deutschland 2350 – 2750 Moscheevereine .40 5.2.1. Religionsgesellschaft In Anlehnung an die Literatur und Rechtsprechung handelt es sich bei einer Religionsgesellschaft um einen (a) Verband von Gläubigen, (b) eines gleichen (oder verwandten) Glaubensbekenntnisses, dem (c) die allseitige Erfüllung sämtlicher gemeinschaftlich wahrzunehmenden religiösen Aufgaben obliege.41 Fraglich ist zunächst, ob es sich bei einem Moscheeverein um einen Verband im Sinne dieser Definition handelt. Der Verbandsbegriff fordert keine bestimmte Rechtsform, verlangt jedoch nach einer „gewissen“42 Organisationsstruktur. Dem Bundesverwaltungsgericht genügt „[…] jedes Minimum an Organisation, welches immer dann entsteht, wenn sich Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Glaubens zur Erfüllung sich daraus ergebender Aufgaben vereinigen “.43 Unproblematisch wird man den Moscheevereinen ein solches Maß an Organisation zusprechen können, doch könnten Zweifel am Verbandscharakter aufgrund nur geringer Mitgliederzahlen bestehen. Die Mitgliedschaft in Moscheevereinen ist freiwillig und losgelöst von der Partizipation an religiösen Handlungen oder sonstigen Moscheebesuchen. Nur etwa 20 % der in Deutschland lebenden Muslime sind in Vereinen organisiert, sodass die Vereinsmitgliedschaft eher die Ausnahme als die Regel darstellt.44 Dieser Umstand lässt den Moscheeverein als neben der religiösen Gemeinschaft stehend erscheinen, nicht aber als „die“ Gemeinschaft.45 Folglich könnte es 40 BT-Drs. 16/5033, S. 7; Ceylan, Rauf, „Wer predigt den Islam in Deutschland“, Deutsche Islam Konferenz, 2009 (http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/4ReligioesesPersonal/ImameTheologie/ZahlenDaten- Fakten/zahlen-daten-fakten-node.html [letzter Zugriff: 16.04.2018]). 41 Smets, Islamische Religionsgesellschaften und öffentlicher Körperschaftsstatus - Rechtslage, Probleme, Perspektive , BRJ 2/2011, S.139, 140. Abrufbar unter: https://bonner-rechtsjournal.de/fileadmin/pdf/Artikel /2011_02/BRJ_139_2011_Smets.pdf. 42 Classen, Religionsrecht, 2006, S. 101, Rdnr. 240. 43 BVerwGE 123, 49, 55. 44 Wiese: Islam und Grundgesetz – Plädoyer für die Abschaffung des Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften , abrufbar unter: https://offene-religionspolitik.de/islam-und-grundgesetz-plaedoyer-fuer-die-abschaffung -des-koerperschaftsstatus-fuer-religionsgemeinschaften/. 45 Smets, Islamische Religionsgesellschaften und öffentlicher Körperschaftsstatus - Rechtslage, Probleme, Perspektive , BRJ 2/2011, S.139, 141. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 12 bereits an dem notwendigen Verbandscharakter fehlen. Diese Sichtweise entspricht jedoch nicht der vorzugswürdigen soziologischen Begriffsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts.46 Wenn die Religionsgesellschaft schon keiner bestimmten Rechtsform bedarf, kann auch nicht entscheidend sein, dass die Besucher einer Moschee nicht auch zugleich deren rechtliche Mitglieder sind. Somit weist ein Moscheeverein nach herrschender Auffassung Verbandscharakter auf. Da Moscheen regelmäßig von nur einer Konfession besucht werden, stellt die Anforderung eines gemeinsamen Glaubensbekenntnisses innerhalb eines Moscheevereins ebenfalls keine Hürde da. Problematisch bleibt schließlich das Kriterium der umfassenden Aufgabenerfüllung. Dieses Merkmal dient der Abgrenzung von religiösen Vereinen, die nur partikulare religiöse Interessen vertreten und nicht mit Religionsgesellschaften mit dem Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts gleichgestellt werden sollen.47 Gefordert wird eine umfassende religiöse Praxis, die allen religiösen Anforderungen an ein Gotteshaus gerecht wird. Ein Moscheeverein vertritt die Moschee als zentralen Ort religiöser Praxis, sie bestellt den Imam und bietet ein kulturelles Umfeld für Gläubige. Darüber hinaus werden dort regelmäßig Sprachkurse zum Erlernen des Korans angeboten .48 Dieses meistens sehr umfassende Angebot genügt den gestellten Anforderungen an den Umfang der Aufgabenerfüllung. Folglich handelt es sich bei einem Moscheeverein typischerweise um eine Religionsgesellschaft im Sinne des Art. 137 V 2 WRV. 5.2.2. Gewähr der Dauer Neben der Existenz einer Religionsgesellschaft muss diese gemäß Art. 137 V 2 WRV die „Gewähr der Dauer“ durch ihre „Verfassung“ und die „Zahl ihrer Mitglieder“ gewährleisten. 5.2.2.1. Verfassung Der Verleihungsgesichtspunkt der Verfassung umfasst neben selbstgesetzten Satzungsnormen insbesondere den Gesamtzustand der Gemeinschaft.49 Betrachtet werden also der institutionelle Aufbau der Vereinigung, ihre Vertretungsorgane, die Finanzausstattung und die Intensität der religiösen Praxis.50 Diese organisatorischen Anforderungen an die Verfasstheit der Gemeinschaft stehen jedoch in einem Spannungsverhältnis zu dem Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 III 1 WRV, wonach Religionsgesellschaften ihre Angelegenheiten selbstständig ordnen und verwalten. Dieser im Normtext angelegte Konflikt zwischen der Gewährleistung der Selbstbestimmung einerseits und den gemäß Art. 137 V 2 WRV zu erfüllenden Kriterien andererseits ist im Wege der praktischen Konkordanz zu lösen. Demnach sind die für die Erlangung des Körperschaftsstatus an die innere Verfassung der Religionsgemeinschaft gestellten Anforderungen im 46 BVerwGE 123, 49, 55. 47 Ebd. 48 Smets, Islamische Religionsgesellschaften und öffentlicher Körperschaftsstatus - Rechtslage, Probleme, Perspektive , BRJ 2/2011, S.139, 142. 49 Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr. 75. 50 Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr. 75. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 13 Lichte des Selbstbestimmungsrechtes zu interpretieren.51 Als unverhältnismäßig sind daher Anforderungen an die Verfassung der Religionsgesellschaft einzustufen, die von „außen“ kommen, da diese das Selbstbestimmungsrecht unverhältnismäßig aushöhlen würden. Umgekehrt ist eine Religionsgesellschaft, die den Körperschaftsstatus anstrebt, gehalten, das von Art. 137 V 2 WRV für verbindlich erklärte Minimum eines „Eignungsnachweises“ zu erbringen, welche notwendigerweise von staatlicher Seite bewertet wird.52 Ein Moscheeverein weist regelmäßig eine Organisationsstruktur und einen Verwaltungsapparat auf. Ferner bietet er den Rahmen für praktizierten Glauben, indem er die Moschee finanziert und personell ausstattet. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Mehrzahl der Moscheevereine eine hinreichende innere Verfassung im Sinne des Art. 137 V 2 WRV aufweist. 5.2.2.2. Zahl der Mitglieder Das Grundgesetz gibt keine Untergrenze für die Mitgliederzahlen vor. Eine „Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über die Verleihung der öffentlichen Körperschaftsrechte an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ aus dem Jahr 1954 stellt auf die Bedeutung der Gemeinschaft für das öffentliche Leben ab, ohne selbst eine Quote vorzuschlagen.53 Die Länder verlangen bei Antragsbearbeitung in der Regel, dass zumindest jeder tausendste Landeseinwohner Mitglied der antragstellenden Religionsgesellschaft ist.54 Da Moscheebesucher meist nicht auch Vereinsmitglieder sind, könnte die Mehrzahl der Moscheevereine an diesem Maßstab scheitern. Auch hierbei ist jedoch ein starres Festhalten an Quoten nicht geboten. Abzustellen ist vielmehr auf die Bedeutung für die Öffentlichkeit und den tatsächlichen Zulauf. Wenngleich diese Parameter nur schwerlich überprüft werden können, sind sie einer starren Quotenregelung im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 137 V 2 WRV vorzuziehen. Eine Antwort auf die Frage, ob Moscheevereine die Gewähr der Dauer bieten, kann aufgrund der Vielfältigkeit der Moscheevereine nicht pauschal gegeben werden. Während die innere Verfassung regelmäßig angenommen werden dürfte, kann das Kriterium der Zahl der Mitglieder nur einzelfallabhängig beurteilt werden. Gerade in Ballungsgebieten wird die öffentliche Bedeutung des Moscheevereins jedoch aufgrund eines höheren Anteils gläubiger Muslime im Vergleich zu ländlicheren Gebieten groß genug sein, um auch diese Voraussetzung zu erfüllen. 51 Ebd. 52 Ebd. 53 Nachweis und Abdruck bei Weber, ZevKR 34 , S. 337. 54 Smets, Islamische Religionsgesellschaften und öffentlicher Körperschaftsstatus - Rechtslage, Probleme, Perspektive , BRJ 2/2011, 139, 144. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 14 5.2.3. Rechtstreue Erörterungsbedürftig ist schließlich die Frage, ob Moscheevereine auch das ungeschriebene, aber als selbstverständlich55 vorausgesetzte Merkmal der Rechtstreue erfüllen. Das Bundesverfassungsgericht fordert von Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts werden wollen, dass sie die „ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben“.56 Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Grenze der durch Art. 4 I GG geschützten Religionsfreiheit und des Selbstbestimmungsrechts des Art. 137 III WRV seien durch die Gerichte zu klären.57 Die Mehrheit der Literaturstimmen58 und das Bundesverwaltungsgericht59 fordern über die formale Rechtstreue hinaus, eine besondere Loyalität der Gemeinschaft gegenüber dem Staat. Andere fordern gar, dass das Verhältnis gegenüber dem Staat anerkennungswürdig sein müsse.60 Hinter dieser Verschärfung der Anforderungen steht der rechtspolitische Gedanke, dass die Verleihung hoheitlicher Befugnisse nur solchen Gemeinschaften zugutekommen soll, die sich in besonderem Maße mit den Verfassungsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland identifizieren. Wenngleich die Forderungen nach einer besonders loyalen Beziehung gerade im Hinblick auf die Antragstellung obskurer Sekten nachvollziehbar erscheinen, ist diese verfassungsdogmatisch bedenklich .61 Der Wortlaut des Art. 137 V 2 WRV ist eindeutig, sodass anspruchsverschärfende Tatbestandsmerkmale gegen die Wortlautgrenze verstoßen würden und damit verfassungswidrig wären . Ferner wird angeführt, dass das Kriterium der besonderen Staatsloyalität zu konturenlos wäre, um eine tragfähige und praktisch handhabbare Grundrechtsschranke zu bilden.62 Daher ist die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts63 vorzugswürdig. Die vom Gericht geforderte Rechtstreue bezieht sich lediglich auf die Beachtung des geltenden Rechts und die Wahrung der in Art. 79 III GG genannten Prinzipien und ist daher dogmatisch unbedenklich.64 Fraglich ist also, ob Moscheevereine die gebotene verfassungsfreundliche Gesinnung aufweisen und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. Die Vielfalt islamischer Glaubensrichtungen und religiöser Praxen ist groß, sodass auch hier keine generelle Aussage über 55 BVerfGE 102, 370, 390. 56 Ebd. 57 BVerfGE 102, 370, 391. 58 Kirchhof, in: HdbStKirchR I, 2. Aufl. § 22 S. 651 (682 ff.). 59 BVerwGE 105, 117, 124 ff.. 60 MwN: Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr. 78. 61 Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr.. 79. 62 Ebd. 63 BVerfGE 102, 370 ff.. 64 Maunz/Dürig/Korioth WRV Art. 137 Rdnr. 80. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 15 die Rechtstreue in Deutschland ansässiger Moscheevereine getroffen werden kann. Einen Hinweis gibt jedoch die politische und kulturelle Ausrichtung der Dachverbände, denen die einzelnen Moscheevereine zuzuordnen sind. Der größte Moscheeverband in Deutschland ist die DITIP. Er repräsentiert über 900 Moscheevereine und untersteht der dauerhaften Leitung und Aufsicht des staatlichen türkischen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten. Aus der politischen Führungsebene der Türkei werden Imame nach Deutschland entsandt und Moscheevereine finanziert.65 Der politische Einfluss aus Ankara zeigt sich regelmäßig; neuerdings im Aufruf des türkischen Religionspräsidiums an die Gläubigen , für den Sieg des türkischen Militärs in Syrien zu beten.66 Diese von Khorchide67 bezeichnete „Indienstnahme der Religion für politische Zwecke“ widerstrebe dem Grundgesetz in vielerlei Hinsicht. Zum einen verstoße die türkische Regierung regelmäßig gegen Menschenrechte, insbesondere im Hinblick auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Zum anderen würde der türkische Staat durch die Verleihung des Körperschaftsstatus direkten hoheitlichen Einfluss in Deutschland ausüben können, weswegen eine Erhebung der Religionsgesellschaft in den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus nach Auffassung Muckels nur „schwer vorstellbar“ wäre.68 Der Islamrat als zweitgrößter Dachverband besteht im Wesentlichen aus der türkischen-Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und zahlreichen Moscheevereinen und zählt insgesamt etwa 26.500 Mitglieder.69 Der IGMG wird vom Verfassungsschutz beobachtet, da er politisch und ideologisch von der türkisch-islamistischen Partei beeinflusst wird.70 Für Anhänger dieser Partei ist die Scharia71 oberste Rechtsgrundlage.72 Von ihren Vereinsmitgliedern aus Deutschland for- 65 Hür, Ankaras Einfluss auf deutschen Moscheeverband, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/ditibankaras -einfluss-auf-deutschen-moscheeverband.724.de.html?dram:article_id=409350. 66 Ebd. 67 Zitat abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/ditib-ankaras-einfluss-auf-deutschen-moscheeverband .724.de.html?dram:article_id=409350. 68 Hür, Ankaras Einfluss auf deutschen Moscheeverband, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/ditibankaras -einfluss-auf-deutschen-moscheeverband.724.de.html?dram:article_id=409350. 69 Bundeszentrale für politische Bildung, Polizei und Moscheevereine, abrufbar unter: www.bpb.de/system/files /pdf/0MQCWZ.pdf. 70 Zur erstmaligen Erwähnung im Verfassungsschutzbericht, vgl. Verfassungsschutzbericht der Bundesrepublik Deutschland 2004, S. 187; auch Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2107, S. 172, 195 und 216, https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2017.pdf. 71 Der Begriff „Scharia“ beschreibt die Gesamtheit aller religiösen und rechtlichen Normen des Islams. (https://de.wikipedia.org/wiki/Scharia). 72 Bundeszentrale für politische Bildung, Polizei und Moscheevereine, abrufbar unter: www.bpb.de/system/files /pdf/0MQCWZ.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 16 dert der IGMG ein „schariakonformes“ Leben, was sowohl in systematischer als auch in inhaltlicher Hinsicht nach überwiegender Auffassung verfassungswidrig wäre.73 Somit stellt diese Praxis ebenfalls kein rechtstreues Verhalten dar. Aus den vielfältigen Erscheinungsformen gelebten muslimischen Glaubens treten jedoch auch grundgesetzbefürwortende Beispiele hervor. So haben im Jahr 2018 anlässlich des Fastenbrechens sieben Moscheevereine eine gemeinsame Deklaration unterzeichnet, in der sie sich zum Grundgesetz und den Menschenrechten bekennen.74 Allerdings gehört zu den Unterzeichnern auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Islamische Gemeinschaft IGMG Milli Görüs.75 Ein weiteres Beispiel für einen liberalen Moscheeverein ist die Ibn Rushd - Goethe Moschee aus Berlin-Tiergarten unter der Geschäftsführung von Seyran Ates. Diese Moschee bekennt sich in ihrer Präambel zum Grundgesetz und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Insgesamt wird deutlich, dass die in Deutschland ansässigen Moscheevereine vielfach ausländischen Einflüssen unterliegen und eine Bekennung zum Grundgesetz oft nicht angenommen werden dürfte. Bei der Beurteilung der Rechtstreue eines Moscheevereins sollte im Einzelfall insbesondere die Finanzquelle und die damit verbundene Einflussnahme auswärtiger Politik überprüft werden. 6. Fazit An der Verfassungsmäßigkeit der Kirchensteuer bestehen keine Zweifel. Inwiefern auch Moscheevereinen der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Erlangung der Kirchensteuerberechtigung verliehen werden kann, ist einzelfallabhängig. Bei der landesbehördlichen Überprüfung eines Antrags ist das Kriterium der Rechtstreue von besonderer Bedeutung. Diese Verleihungsvoraussetzung sichert den Bestand der verfassungsmäßigen Ordnung und die Integrität öffentlich-rechtlicher Handlungen in besonderem Maße. Um den Anforderungen dieser Voraussetzung zu genügen, könnte die Verleihung des Körperschaftsstatus mit dem Verbot einer Auslandsfinanzierung verbunden werden.76 Ob ein solches Verbot allerdings vor dem Hintergrund der Selbstbestimmtheit der Religionsgemeinschaften gemäß Art. 137 III WRV verfassungsmäßig wäre, ist unklar.77 Darüber hinaus ist fraglich, ob ein Verbot der Auslandsfinanzierung die 73 Vgl. hierzu etwa: Ernst, Die Bewältigung konfligierender normativer Ordnungen, DÖV 2015, S. 809, 813, m.w.N. 74 Richter, Sieben Moscheevereine bekennen sich zum Deutschen Grundgesetz, abrufbar unter: https://www.rga.de/lokales/remscheid/sieben-moscheevereine-bekennen-sich-deutschen-grundgesetz- 9890074.html. 75 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2107, a.a.O. 76 Vergleichbar § 4 I 1 österreichisches Islamgesetz. 77 Prima facie würde ein Verbot der Auslandsfinanzierung auch gegen das Gleichbehandlungsgebots von Religionsgesellschaften verstoßen, da beispielsweise die katholische Kirche vom Vatikan unterstützt wird. Weiterführende Hinweise: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Das Grundrecht der Religionsfreiheit bei Finanzierung und Lenkung der Religionsgemeinschaft aus dem Ausland, WD 10 - 3000 - 006/17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 094/18 Seite 17 unerwünschte ausländische Einflussnahme zu verhindern vermag. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit von Auslandsfinanzierungen, dürften die teilweise über Jahrzehnte gewachsenen bzw. gepflegten sozialen und familiären grenzüberschreitenden Beziehungen, die oft mit Finanztransaktionen im Zusammenhang stehen, nicht durch ein Finanzierungsverbot berührt sein. Zudem wäre eine Unterscheidung zwischen zulässiger und unerwünschter Finanztransaktion kaum umsetzbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des hohen Grads der Verflechtung globaler Finanzströme und der Kapitalverkehrsfreiheit. Ferner könnte eine Moscheesteuer gravierende Auswirkungen auf die soziale Stellung des einzelnen Gläubigen haben. Während eine etwaige Konfessionslosigkeit oder ein Kirchenaustritt in einem laizistisch geprägten Umfeld kaum noch zu gesellschaftlicher Ausgrenzung führt, ist der islamische Glaube zentraler Anknüpfungspunkt für die gesellschaftliche Stellung des Einzelnen. Würde eine Körperschaftssteuer für Moscheevereine eingeführt, könnte der soziale Druck dazu führen, Mitglied eines Moscheevereins zu werden, um die Gemeinschaft finanziell zu unterstützen . Anderenfalls wären eine Ächtung des Einzelnen und eine Brandmarkung als Ungläubiger durch die übrige Gemeinschaft zu befürchten. Dieser Umstand könnte eine Beeinträchtigung der in Art. 4 I GG geschützten negativen Religionsfreiheit bedeuten, da sich der Betroffene gezwungen sehen könnte, Mitglied des Moscheevereins zu werden. Im Ergebnis ist eine Kirchensteuer für Moscheevereine zwar rechtlich denkbar; die Verleihung des hierfür erforderlichen Körperschaftsstatus steht jedoch unter dem Vorbehalt der erläuterten Voraussetzungen. ****