© 2018 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 087/18 Anwendbarkeit des Mäßigungsgebots auf Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Selbstbindung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an vergangenen Darstellungen 9 6. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 4 1. Vorbemerkung Dieser Sachstand informiert über die Reichweite der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit. Konkret steht in Frage, inwieweit mediale Produkte aus öffentlich-rechtlicher Produktion einem Mäßigungsgebot bei der Darstellung bestimmter politischer Charaktere unterliegen. Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage wird nach einer knappen Darstellung der verfassungsrechtlichen Grundlagen das Mäßigungsgebot hergeleitet und erläutert. Im Anschluss wird untersucht, ob dieses auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk positivrechtlich verankert ist. In diesem Zusammenhang werden der Rundfunkrat und dessen Einfluss auf die Programmgestaltung dargestellt. Schließlich wird erörtert, inwiefern der Rundfunk einer Selbstbindung an vergangene Darstellungen unterliegt. Dabei wird hinterfragt, ob sich öffentlich-rechtliche Sendeanstalten an vorherige Sendemuster halten müssen oder sie in ihrer Programmgestaltung größere Spielräume haben. 2. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Rundfunks Die Rundfunkfreiheit findet ihre verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 5 I 2, 2. Alt. Grundgesetz 1 (GG). Sie hat - wie die Meinungs- und die Pressefreiheit - den Status eines die demokratische Grundordnung konstituierenden Grundrechts.2 Die bereits 1961 im ersten Rundfunkurteil entwickelte Medium- und Faktorformel besagt, dass der Rundfunk im gesellschaftlichen Kommunikationsprozess die Aufgabe eines Mediums übernimmt, zugleich aber auch ein Faktor der Meinungsbildung ist.3 Als Kommunikationsfreiheit dient die Rundfunkfreiheit im Ausgangspunkt dem gleichen Ziel wie die übrigen Garantien des Art. 5 I GG, nämlich „der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, dies in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinung beschränkten, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung umfassenden Sinne“.4 Weil die hierfür erforderlichen materiellen , organisatorischen und verfahrensbezogenen Regelungen durch den Gesetzgeber geschaffen werden müssen, bedarf es diesbezüglich einer positiven Rundfunkordnung. Wegen seiner Breitenwirkung , Aktualität und Suggestivkraft kommt dem Rundfunk eine besonders kommunikative Bedeutung zu, weshalb sich das Normziel von Art. 5 I GG nur dann erreichen lässt, wenn der Rundfunk frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiert. Daraus resultiert für den Rundfunk eine besondere Verantwortungsbeziehung gegenüber der Allgemeinheit.5 Da er zugleich aber auch eine Angelegenheit der Allgemeinheit ist, muss er „in voller Unabhängigkeit überparteilich 1 Grundgesetz vom 23.05.1949, zuletzt geändert am 13.07.2017 (BGBl. I S. 2347). 2 Vgl. BVerfG vom 27.02.2007, BVerfGE 117, 244 (258). 3 BVerfG vom 28.02.1961, BVerfGE 12, 205 (260) – Deutschland-Fernsehen (1. Rundfunkentscheidung). 4 BVerfG vom 16.06.1981, BVerfGE 57, 295 (319) – FRAG (3. Rundfunkentscheidung). 5 BVerfG vom 05.02.1991, BVerfGE 83, 238 (300) – WDR (6. Rundfunkentscheidung). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 5 betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden“6. Insoweit nehmen die Rundfunkanstalten eine öffentliche Aufgabe war und üben für das Staatsganze eine integrierende Funktion aus. 3. Mäßigungsgebot – Begriffsbestimmung Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Rundfunkfreiheit ist fraglich, ob es ein Mäßigungsgebot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt und wenn ja, ob es unter den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 5 II GG fällt. Der Ursprung des Mäßigungsgebots liegt im Beamtenrecht. § 60 II Bundesbeamtengesetz7 (BBG) und § 33 II Beamtenstatusgesetz8 (BStG) legen für Bundes- und Landesbeamte fest, dass diese bei politischer Betätigung innerhalb und außerhalb des Dienstes „diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren [haben], die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben“. Das Gebot zur Mäßigung gebietet dem Beamten , eindeutig zwischen Amtsausführung und der Teilnahme am politischen Meinungskampf zu unterscheiden; der Beamte verletzt diese Vorschrift, wenn er seine Amtsstellung wissentlich benutzt , um politischen Aussagen größeres Gewicht zu verleihen.9 Das Bundesverfassungsgericht10 führt dazu aus: "Der freiwillige Eintritt in das Beamtenverhältnis ist eine vom Bewerber in Freiheit getroffene Entscheidung für die Bindung an das Gemeinwohl und die Treue zu einem Dienstherren, der in der Demokratie für das Volk und kontrolliert durch das Volk handelt. Wer Beamter werden will, darf deshalb das Gebot der Mäßigung und der beruflichen Neutralität nicht ablehnen, weder generell noch in Bezug auf bestimmte, vorweg erkennbare dienstliche oder außerdienstliche Konstellationen.“ Der Begriff „Mäßigung“ umfasst die Pflicht des Beamten, nur insoweit zu politischen Fragen öffentlich Stellung zu nehmen, wie das öffentliche Vertrauen in seine unparteiische Amtsführung unbeschadet bleibt.11 Sobald der politische Gehalt einer Meinungsäußerung eines Beamten den Eindruck erweckt, dass der Beamte seine Amtsführung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn 6 BVerfG vom 27.07.1971, BVerfGE 31, 314 (327) – Mehrwertsteuer (2. Rundfunkentscheidung). 7 Bundesbeamtengesetz vom 05.02.2009, zuletzt geändert am 08.11.2018 (BGBl. I S. 160). 8 Beamtenstatusgesetz vom 17.06.2008, zuletzt geändert am 08.06.2017 (BGBl. I S. 1570). 9 BVerwG NJW 1988, 1747. 10 BVerfGE 108, 282, (316). 11 Metzler-Müller, PdK Bu C-17, S. 323. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 6 und neutral gegenüber jedermann erfüllt, wird dem Gebot der Mäßigung nicht mehr entsprochen .12 Entsprechend der beamtenrechtlichen Regelungen, gilt das Mäßigungsgebot unter anderem auch für Richter, § 39 Deutsches Richtergesetz13 (DRiG) und Soldaten, § 15 I Soldatengesetz14 (SG). Allen Regelungen zum Mäßigungsgebot ist gemein, dass sie eine klare Trennung zwischen genuin staatlichem Handeln und politischer Meinungsäußerung vorschreiben. Insoweit fordert der Gesetzgeber Mäßigung und Unparteilichkeit. 4. Anwendbarkeit des Mäßigungsgebots auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Zunächst kann festgestellt werden, dass es im Rundfunkrecht an einer vergleichbar ausdrücklichen Regelung wie im Beamtenrecht fehlt. Dennoch unterliegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk einem vielschichtigen Regelwerk, das den oben erläuterten verfassungsrechtlichen Gehalt der Rundfunkfreiheit konkretisiert und im Folgenden hinsichtlich der Ableitbarkeit eines Mäßigungsgebots untersucht wird. 4.1. § 11 II Rundfunkstaatsvertrag15 (RStV) § 11 II RStV regelt, dass „die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten […] bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen [haben]“. Die geforderte Objektivität in der Berichterstattung knüpft an die Vorgaben des BVerfG16 über die Ausgewogenheit und Sachlichkeit des Rundfunks an.17 Danach kann Objektivität auf unterschiedliche Weise gewährleistet werden, auch durch das Nebeneinander einzelner subjektiv geprägter Kommentare . Die Gesamtschau der dargestellten Inhalte muss lediglich ein ausgeglichenes Bild der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit wiedergeben.18 Dem Erfordernis der Unparteilichkeit wird entsprochen, wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei seinen Darstellungen insgesamt weder an den Interessen einer gesellschaftlichen, noch an denen einer politischen Gruppierung orientiert.19 Objektivität und Unparteilichkeit bezeichnen also eine hinreichende Distanz zum Gegenstand und dessen angemessene Reflexion, nicht aber eine maßstabsgerechte Verkürzung aller Dimensionen der Realität.20 Darin liegt der wesentliche begriffliche Unterschied 12 E Metzler-Müller, PdK Bu C-17, S. 323. 13 Deutsches Richtergesetz vom 08.09.1961, zuletzt geändert am 08.06.2017 (BGBl. I S. 1570). 14 Soldatengesetz vom 19.03.1956, zuletzt geändert am 08.06.2017 (BGBl. I S. 1570). 15 Rundfunkstaatsvertrag vom 31.08.1991, zuletzt geändert am 16.12.2016. 16 BVerfGE 57, 295 (325). 17 BeckOK InfoMedienR/Gersdorf RStV § 11 Rn. 26. 18 Ebd. 19 BeckOK InfoMedienR/Gersdorf RStV § 11 Rn. 28. 20 Beck RundfunkR/Eifert RStV § 11 Rn. 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 7 zur Mäßigung. Während das Mäßigungsgebot zur generellen Zurückhaltung bei (auch gemäßigten ) politischen Aussagen anhält21, trifft das Merkmal „Objektivität“ keine Aussage über den Umfang der Äußerung und erlaubt sogar die Darstellung von wertenden politischen Inhalten. Auch bei dem Tatbestandsmerkmal „Meinungsvielfalt“ gilt, dass nicht jeder Beitrag wertungsfrei sein muss, solange sich aus einer Gesamtschau mehrerer Sendungen die erforderliche Vielfalt ergibt.22 Fraglich ist nun, ob § 11 II RStV ein Mäßigungsgebot im Hinblick auf politische Überzeugungen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entnehmen ist. Zunächst fällt auf, dass der § 11 II RStV im Gegensatz zum § 33 II BeamtStG nicht ausdrücklich zur Mäßigung in politischer Betätigung anhält. Der unterschiedliche Wortlaut und der Umstand, dass der Rundfunkstaatsvertrag regelmäßig geändert wird, legt die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber gerade in dieser Frage unterschiedliche Regelungen treffen wollte. Dies spricht gegen eine extensive Auslegung des § 11 II RStV. Auch bei teleologischer Betrachtung des § 11 II RStV fällt auf, dass die Norm einen anderen Zweck verfolgt, als § 33 I BeamtStG. Während von Beamten aufgrund Ihres Treueverhältnisses gegen über dem Staat eine besondere Loyalität erwartet wird, fordert das Bundesverfassungsgericht von dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade Staatsferne.23 Zuvörderste Aufgabe des öffentlich -rechtlichen Rundfunks ist die Abbildung des gesamten gesellschaftlichen Meinungsbilds , um jedem Rezipienten die Möglichkeit zu geben, sich eine eigenständige Meinung zu bilden .24 Dieser Auftrag kann nur erfüllt werden, wenn verschiedene politische Positionen (wertend und auf verschiedene Weise) dargestellt werden. Die Journalistik in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft genießt die grundrechtliche Freiheit, ihre Inhalte und Darstellungsweisen nach publizistischen Kriterien selbst zu wählen.25 Dazu zählt auch die Darstellung fiktiver Charaktere in Spielfilm und Serie. Aus alledem folgt, dass ein Mäßigungsgebot dem in § 11 II RStV konkretisierten verfassungsrechtlichen Auftrag entgegenstehen würde. Folglich kann ein Gebot, das den öffentlich -rechtlichen Rundfunk zur Mäßigung bei politischen Darstellungen anhält, § 11 II RStV auch durch Auslegung nicht entnommen werden. 4.2. Analoge Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften Da es an einer eigenen Regelung fehlt, könnten die beamtenrechtlichen Regelungen zum Mäßigungsgebot analog auf den Rundfunk angewandt werden. Voraussetzung dafür ist eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke. Wie oben dargestellt, fehlt es bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber trotz mehrfacher 21 Teilweise wird vertreten, dem Beamten im Dienst jegliche politischen Äußerungen zu untersagen, BeckOK BeamtenR Bund/Werres BBG § 60 Rn. 17. 22 HK-RStV Rn. 23. 23 BVerfGE 12, 205, 262 f. – 1. Rundfunkentscheidung. 24 Paulus, Andreas/Nölscher, Patrick: Rundfunkbegriff und Staatsferne im Konvergenzzeitalter, ZUM 2017, 177, 179. 25 Binder/Vesting/Cornils , Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, Rn. 45. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 8 Änderungen des Rundfunkstaatsvertrags gegen die Aufnahme eines Mäßigungsgebots entschieden , sodass es auch an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen würde. Eine analoge Anwendung des Mäßigungsgebots aus dem Beamtenrecht kommt somit nicht in Betracht. 4.3. Satzungsrecht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Die beiden größten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben sich durch § 2 ARD-Grundsätze 26 und § 3 der ZDF-Satzung27 selbst dazu verpflichtet, die Persönlichkeitsrechte anderer zu achten und die Würde des Menschen zu schützen. Insoweit besteht also eine Einschränkbarkeit der Rundfunkfreiheit. Diese zielt jedoch nicht auf eine Beschränkung politischer Darstellungen ab, sondern schützt individuelle Persönlichkeitsrechte Einzelner. Im Zentrum der Diskussion steht dabei die Abgrenzung von noch gestatteter Satire und unzulässiger Schmähkritik.28 Für das vorliegende Thema sind vertiefende Ausführungen jedoch entbehrlich, da die Frage nach der politischen Meinungsfreiheit davon nicht tangiert wird. Somit geben auch die Satzungen der Rundfunkanstalten keinen Ansatzpunkt für ein Mäßigungsgebot . 4.4. Rundfunkrat29 als Kontrollinstanz Der Rundfunkrat ist die Interessensvertretung der Bevölkerung gegenüber den Rundfunkanstalten . Er überwacht den Intendanten bei der Programmgestaltung und berät zu inhaltlichen Fragen. Das Besetzungsverfahren dieses Rats ist landesrechtlich definiert und durch das 6. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts30 konkretisiert. Darin forderte das Gericht eine Zusammensetzung des Gremiums nach dem Gebot der Vielfaltsicherung, also der Einbeziehung möglichst unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungshorizonte aus allen Bereichen des Gemeinwesens. Wegen des Gebots der Staatsferne darf der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder insgesamt nicht mehr als ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des Gremiums übersteigen.31 Dieses Gremium soll gewährleisten, den verfassungsrechtlichen Auftrag des Art. 5 I 2 GG zu erfüllen, indem es die Programminhalte mitgestaltet und somit der Gefahr eines Missbrauchs dieses Mediums verringert. 26 Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm "Erstes Deutsches Fernsehen" und anderen Gemeinschaftsprogrammen und –angeboten (Richtlinien gemäß § 11e RStV in der Fassung vom 17. September 2013). 27 Satzung der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN“ vom 02. April 1962 in der Fassung des Änderungsbeschlusses des Fernsehrates vom 11. Dezember 2015. 28 weiterführende Informationen: LG Hamburg, ZUM 2016, 774. 29 Das ZDF verwendet den Begriff „Fernsehrat“ als Synonym für den Begriff „Rundfunkrat“. 30 BVerfGE 136, 9 – 68. 31 BVerfGE 136, 9 2. Leitsatz a). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 9 Die Gefahr einer dauerhaft subjektiven Darstellung politscher Inhalte durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll durch die Arbeit des Rundfunkrates minimiert werden. Neben den zahlreichen gesetzlichen Vorgaben betrefflich der Pflicht zur Objektivität und Unparteilichkeit in der Berichterstattung hat der Gesetzgeber den Rundfunkrat mit zahlreichen wirkungsvollen Befugnissen zur Durchsetzung dieses Auftrags ausgestattet. 4.5. Qualifizierter Gesetzesvorbehalt Art. 5 II GG erlaubt eine Einschränkung der Rundfunkfreiheit durch die „allgemeinen Gesetze“. Das Bundesverfassungsgericht definiert „allgemeine Gesetze“ als solche, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit oder die Freiheit von Presse und Rundfunk an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten. Sie müssen vielmehr dem Schutz eines (schlechthin), ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen.32 Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann.33 Vorliegend geht es um die Frage nach der Beschränkbarkeit politischer Darstellungen im Rundfunk. Eine solche allgemeine Beschränkung würde sich gegen die Meinungsfreiheit als solche richten, und somit schon gar nicht unter den Begriff der allgemeinen Gesetze fallen. Im Gegensatz zu dem beamtenrechtlichen Mäßigungsgebot fehlt es hier an der rechtfertigenden besonderen Loyalitätspflicht des Beamten gegenüber dem Staat. Selbst wenn eine gesetzliche Regelung geschaffen würde, wäre diese nicht geeignet als Schranke im Sinne des Art. 5 II GG zu dienen. Auch kommt eine Einschränkbarkeit aufgrund kollidierenden Verfassungsrecht nicht in Betracht. 5. Selbstbindung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an vergangenen Darstellungen Fraglich bleibt, ob Rundfunkanstalten an vergangenes Sendeverhalten gebunden sind. Wäre dies der Fall, so könnte die neuartige Darstellung fiktiver politischer Charaktere in einem bestimmten zeitlichen Kontext rechtswidrig sein. Gemäß der aufgezeigten Rundfunkautonomie obliegt es grundsätzlich mit Blick auf den öffentlich -rechtlichen Rundfunk den Rundfunkanstalten, die Sendungsinhalte festzulegen.34 Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass „sein Programmangebot für neue Publikumsinteressen oder neue Inhalte und Formen offenbleiben darf und muss.“ Ferner könne er aufgrund seiner finanziellen Unabhängigkeit „eigene Impulse und Perspektiven zur Angebotsvielfalt beitragen und unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anbieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht“. Davon umfasst ist auch das Recht, fiktive und politisch aufgeladene Charaktere in ausgewählten Kontexten einzusetzen. Eine gesetzliche Vorgabe, die die Zulässigkeit neuer Sendungsinhalte 32 BVerfGE 7, 198 (209). 33 BeckOK Grundgesetz/Schemmer GG Art. 5 Rn. 99. 34 Binder/Vesting/Cornils, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, Rn. 44. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 087/18 Seite 10 verbieten würde, würde gegen das Gebot der Staatsferne verstoßen und verfassungswidrig sein. Nur ein dynamisch agierender Rundfunk kann seinen grundrechtlichen Auftrag erfüllen und als Katalysator für einen gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess dienen. Somit unterliegen öffentlich -rechtliche Rundfunkanstalten keiner inhaltlichen Selbstbindung an vorangegangene Darstellungen . Die Programmauswahl bestimmt sich im Rahmen der gesetzlichen Regulierungen nach dem Ermessen des Rundfunkrats und der Rundfunkanstalten. 6. Fazit Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterliegt keinem Mäßigungsgebot. Ein solches lässt sich insbesondere nicht den in § 11 II RStV genannten Tatbestandsmerkmalen „Objektivität“ und „Unparteilichkeit “ entnehmen. Die Einschränkbarkeit der Rundfunkfreiheit reduziert sich auf den in Art. 5 II GG angelegten Gesetzesvorbehalt, insbesondere also auf die Wahrung von Persönlichkeitsrechten Dritter. Die Förderung des politischen Diskurses ist Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wozu auch die Übertragung teilweise einseitiger, provokativer und plakativer Darstellungen einzelner Politiker und deren Überzeugungen gehören. Die Zulässigkeit solcher Darstellungen endet erst dann, wenn die politische Meinungspluralität im Bundesgebiet verzerrt oder dauerhaft einseitig dargestellt wird und somit das Tatbestandsmerkmal der Objektivität und Unparteilichkeit des § 11 II RStV missachtet würde. Darüber wacht der Rundfunkrat in seiner Funktion als Kontrollgremium in staatlicher Unabhängigkeit. Auch unterliegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk keiner Bindung an vorangegangene Darstellungen . Dies würde den Rundfunkanstalten ihre Reagibilität auf Entwicklungen nehmen und eine Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Auftrags aus Art. 5 I 2 GG verhindern. Schlägt die politische Darstellung jedoch in eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten um, so stehen dem Betroffenen alle einschlägigen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche zu. Wegen der herausragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit ist die Schwelle für die Annahme einer Rechtsverletzung , insbesondere von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, jedoch hoch anzusetzen. ****