© 2013 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 081/13 Einzelfragen zum neuen Staatsvertrag über den Südwestrundfunk Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 2 Einzelfragen zum neuen Staatsvertrag über den Südwestrundfunk Verfasserin: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 081/13 Abschluss der Arbeit: 18. Dezember 2013 Fachbereich: WD 10 Kultur, Medien und Sport Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Der neue Staatsvertrag über den Südwestrundfunk 4 2. Das Gebot der Staatsferne 4 3. Die Aufsichtsgremien 5 4. Die Regelung des § 13 Abs. 3 SWR-StV und ihre Bedeutung 6 5. Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV mit Blick auf die Freiheit des Abgeordnetenmandats 8 6. Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR- Staatsvertrag im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG 10 6.1. Ungleichbehandlung 11 6.2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 4 1. Der neue Staatsvertrag über den Südwestrundfunk Am 3. Juli 2013 haben die Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz den neuen Staatsvertrags über den Südwestrundfunk (SWR- Staatsvertrag)1 unterzeichnet. 2 Dieser neue SWR-Staatsvertrag soll den Staatsvertrag aus dem Jahr 1997 fortschreiben. Die Änderungen des SWR-Staatsvertrags sollen den neuen Herausforderungen durch Digitalisierung und Konvergenz der Medien gerecht werden und den gewachsenen, berechtigten Ansprüchen an Beteiligung, Mitwirkung, Transparenz und Staatsferne Rechnung tragen; ferner soll er den gesellschaftlichen Wandel und die Gleichstellung von Männern und Frauen auch in den Gremien abbilden.3 Die Staatsferne des Rundfunks soll garantiert werden und eine angemessen staatsferne Zusammensetzung der Aufsichtsgremien, auch durch erweiterte Inkompatibilitätsregeln , soll der redaktionellen Unabhängigkeit Rechnung tragen.4 Der Baden-Württembergische Landtag stimmte dem SWR- Staatsvertrag am 27. November 2013 zu;5 am 13. Dezember 2013 folgte die Zustimmung des Rheinland-Pfälzischen Landesparlaments .6 Damit kann der SWR- Staatsvertrag zum 1. Januar 2014 in Kraft treten. 2. Das Gebot der Staatsferne Der Grundsatz der Staatsfreiheit oder Staatsferne7 wurzelt in der dienenden Funktion des Grundrechts der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rundfunkfreiheit dient nicht in erster Linie als Abwehrrecht des Grundrechtsträgers, also des Rundfunkveranstalters, sondern soll 1 Staatsvertrag über den Südwestrundfunk vom 3.7.2013, http://www.rlp.de/fileadmin/staatskanzlei /rlp.de/downloads/medien/Novellierter_SWR-Staatsvertrag.pdf (Die Abrufe in dieser Arbeit entsprechen dem Stand des Abgabedatums.). 2 Rheinland-Pfalz, Die Landesregierung, SWR-Staatsvertrag unterzeichnet, http://www.rlp.de/no_cache/einzelansicht /archive/2013/july/article/neuer-swr-staatsvertrag-unterzeichnet/ . 3 Staatsvertrag über den Südwestrundfunk (Fn. 1), Präambel, S. 4. 4 So Staatsvertrag (Fn. 1), Präambel, S. 5. 5 Staatsanzeiger, Medien aus Baden-Württemberg, http://www.staatsanzeiger.de/politik-und-verwaltung/nachricht /artikel/opposition-verweigert-swr-staatsvertrag-die-zustimmung/ . 6 Südwest-Presse, SWR-Staatsvertrag unter Dach und Fach: Mainz stimmt auch zu, 13.12.2013, http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/SWR-Staatsvertrag-unter-Dach-und-Fach-Mainzstimmt -auch-zu;art1157835,2356437 . 7 Diesen Ausdruck hält Dörr für angebrachter, da nicht jeder staatliche Einfluss ausgeschlossen sei, Dörr, Dieter, Der Grundsatz der Staatsferne und die Zusammensetzung der Rundfunkgremien, IPR-Rechtspolitisches Forum, Nr. 54, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 5 primär die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung gewährleisten.8 Daraus leitet das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung den Auftrag an den Gesetzgeber ab, eine positive Ordnung sicherzustellen, die gewährleistet, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Zugleich folgert das Bundesverfassungsgericht hieraus auch die Freiheit des Rundfunks vor staatlicher Beherrschung und Einflussnahme.9 Auch der Gesetzgeber ist Teil der Staatsgewalt. Er unterliegt als solcher der öffentlichen Kritik und Kontrolle, die wesentlich von der Freiheit der Medien abhängt. Der Grundsatz der Staatsferne schließt allerdings nicht aus, dass Vertreter des Staates und der politischen Parteien dem Rundfunkrat als Mitglieder angehören.10 Die politischen Parteien können bei der Gremienbesetzung berücksichtigt werden, weil sie zu den gesellschaftlich relevanten Gruppen gehören.11 Als Vertreter des Staates in den Gremien sind neben den Mitgliedern aus den jeweiligen Regierungen auch die Vertreter aus den Parlamenten, Parteien sowie den kommunalen Spitzenverbänden anzusehen.12 Zu der Frage, ab wann die Anzahl der dem Staat zuzurechnenden Stellen in einem Gremium zu einem unerlaubten beherrschenden staatlichen Einfluss führt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher keine zahlenmäßigen Vorgaben gemacht. Insofern bleibt seine Entscheidung über die Klagen der Länder Hamburg und Rheinland-Pfalz gegen den ZDF Staatsvertrag im Jahr 2014 abzuwarten.13 In Bezug auf den alten SWR-Staatsvertrag erkannte Fechner einen nicht unbedenklichen Beteiligungsumfang staatlicher Mitglieder im Verwaltungsrat.14 3. Die Aufsichtsgremien Die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit verlangt vom Gesetzgeber eine pluralistische Zusammensetzung der Rundfunkgremien zur Garantierung der Vielfalt und zur Verhinderung der Auslieferung des Rundfunks an den Staat oder gesellschaftliche Gruppen.15 8 Std. Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 74, 297-357 (5. Rundfunkentscheidung), zitiert nach Juris Rn. 74; BVerfGE 83, 238-341 (6. Rundfunkurteil), zitiert nach Juris Rn. 455. 9 BVerfGE 121, 30-69, zitiert nach Juris Rn. 88, 92 mit zahlreichen Nachweisen aus der eigenen Rechtsprechung. 10 C. Hahn, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2012, Anhang zu §§ 11e, 11f, Rn 8-13. 11 Hesse, Albrecht, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 4. Kapitel Rn. 79; C. Hahn, in: Hahn/Vesting (Fn. 10), Anhang zu §§ 11e, 11f, Rn. 8. 12 So C. Hahn, in: Hahn/Vesting (Fn. 10), Anhang zu §§ 11e, 11f, Rn. 12. 13 Hierzu Bundeszentrale für politische Bildung, Bundesverfassungsgericht verhandelt ZDF-Staatsvertrag, 4.11.2013, http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/171644/zdf-vor-bverfg . 14 Fechner, Frank, Der neue SWR-Staatsvertrag auf dem Prüfstand der Rundfunkfreiheit, NJW 1997, 3211, 3215. 15 So BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.11.1989, AZ: 1 BvR 756/88,1, 1 BvR 902/88, zitiert nach Juris, Orientierungssatz 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 6 Die gesellschaftlich zusammengesetzten Kontrollgremien sind Sachwalter des Interesses der Allgemeinheit . Sie sollen die für die Programmgestaltung maßgeblichen Personen und Gremien darauf kontrollieren, dass alle bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Gesamtprogramm angemessen zu Wort kommen können, das Programm nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient und in der Berichterstattung die Auffassungen der betroffenen Personen , Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden.16 Art 5 Abs. 1 S 2 GG räumt keiner gesellschaftlichen Gruppe ein subjektives Recht auf Vertretung in den Aufsichtsgremien des Rundfunks ein. Die Kontrolle des Rundfunks durch die sog. gesellschaftlich relevanten Gruppen, für die sich der Gesetzgeber entschieden hat, dient der Wahrung des Allgemeininteresses an einem freien Rundfunkwesen. Nicht dagegen soll sie es den Gruppen erlauben, ihre spezifischen Interessen im Rundfunk geltend zu machen. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht einen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Anspruch gesellschaftlicher Gruppen auf Vertretung in den Aufsichtsgremien des Rundfunks stets abgelehnt.17 Die Beseitigung der Entsendungsmöglichkeit durch den Gesetzgeber entzieht der betroffenen Gruppe mithin keine Rechtsposition, weil sich das bisherige Entsendungsrecht lediglich als Reflex der objektivrechtlichen Verpflichtung des Gesetzgebers darstellt, ein pluralistisches Kontrollgremium zu schaffen, das in seiner Gesamtheit Gewähr dafür bietet, dass die Vielfalt der vorhandenen Meinungen und Zielsetzungen in objektiver und ausgewogener Weise durch den Rundfunk vermittelt und das Gesamtprogramm von einseitigen Einflussnahmen freigehalten wird.18 4. Die Regelung des § 13 Abs. 3 SWR-StV und ihre Bedeutung § 13 SWR-StV19 enthält Regelungen über die Organe des Südwestrundfunks und ihre Pflichten. § 13 Abs. 3 SWR-StV stellt Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in diesen Organen auf. Dort heißt es in Satz 4 zur Mitgliedschaft im Rundfunkrat und Verwaltungsrat: „Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der deutschen Länder, des Europäischen Parlaments und der Regierung des Bundes, eines der deutschen Länder sowie der Europäischen Kommission und deren politische Beamtinnen und Beamte können Rundfunkrat und Verwaltungsrat mit Ausnahme der von den Landtagen und den Landesregierungen entsandten Mitglieder nicht angehören .“ 16 So BVerfG, Urteil vom 5.2.1991, BVerfGE 83, 238-341 (6. Rundfunkurteil), zitiert nach Juris Rn. 500. 17 BVerfG, Beschluss v. 25.08.1998, NVwZ 1999, 175-176, zitiert nach Juris Rn. 8. 18 So BVerfG (Fn. 15), zitiert nach Juris Rn. 3; ebenso BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, NVwZ 1996, 781, 782. 19 Staatsvertrag über den Südwestrundfunk vom 3.7.2013 (Fn. 1). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 7 Gegenüber der bisher geltenden Regelung des Staatsvertrags besteht die Änderung darin, dass mit dem neuen Staatsvertrag nunmehr auch der Rundfunkrat in die bisher nur für den Veraltungsrat bestehende Inkompatibilitätsregelung einbezogen wird. Nach der neuen Regelung in § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV können sowohl dem Rundfunkrat als auch dem Verwaltungsrat nur noch von den Landtagen und den Landesregierungen entsandte Mitglieder der genannten Körperschaften angehören. So kann der Landtag von Baden-Württemberg acht (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 SWR-StV), der Landtag von Rheinland-Pfalz vier (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 SWR-StV) Mitglieder in den Rundfunkrat entsenden. In den Verwaltungsrat entsendet der Landtag von Baden-Württemberg drei und der von Rheinland-Pfalz ein Mitglied (§ 20 Abs. 1 Satz 3). Die Landesregierungen haben im Rundfunkrat überhaupt keine Sitze mehr (das ergibt sich aus § 14 Abs. 2 und 3 SWR-StV). In den Verwaltungsrat können sie zwei bzw. ein Mitglied entsenden (§ 20 Abs. 1 Satz 4). Gesellschaftliche Verbände und Organisationen können keine Mitglieder und politische Beamtinnen und Beamte der gesetzgebenden Körperschaften und Regierungen mehr in die Aufsichtsgremien des Südwestrundfunks entsenden (§ 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV).20 Aus § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV lässt sich nicht entnehmen, dass die Landtage und Landesregierungen nur eigene Mitglieder entsenden dürfen. Der Wortlaut der Vorschrift scheint es daher zuzulassen , dass die Landtage und Landesregierungen beliebige Personen entsenden dürfen, die die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 SWR-StV erfüllen. Danach könnten die Landtage beispielsweise auch Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes oder des Europäischen Parlaments entsenden, die Mitgliedschaft eines Bundestagsabgeordneten im Rundfunkrat wäre mithin nicht ausgeschlossen. Dass der Staatsvertrag davon ausgeht, dass die entsendenden Organisationen und Institutionen nur eigene Mitglieder entsenden können sollen, könnte aber aus der Vorschrift des § 14 Abs. 5 SWR-StV abgeleitet werden, wo es in Satz 3 heißt: „Ein nach den Absätzen 2 oder 3 entsandtes Mitglied des Rundfunkrats kann bei Verlust der Mitgliedschaft in der entsendenden Organisation oder Institution oder aus sonstigem wichtigen Grund von der entsendenden Stelle nach dem entsprechenden Verfahren des Absatzes 4 abberufen werden.“ Die Vorschrift sieht eine Abberufung bei Verlust der Mitgliedschaft in der entsendenden Organisation vor, stellt die Abberufung aber ins Ermessen der entsendenden Stelle und lässt sie nicht etwa automatisch entfallen. Danach ist es theoretisch möglich, dass im Rundfunkrat auch von den Landesparlamenten entsandte Personen sitzen, die dem betreffenden Landesparlament nicht (mehr) angehören. 20 Hierzu auch Landtag Rheinland-Pfalz, 16. Wahlperiode, Gesetzentwurf der Landesregierung, Landesgesetz zu dem Staatsvertrag über den Südwestrundfunk, Drucksache 16/2907 unter A. Problem und Regelungsbedürfnis. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 8 Eindeutig ist insofern die Regelung im rbb-Staatsvertrag.21 Dort heißt es in § 12 Abs. 4 Nr. 1 Mitglieder des Rundfunkrates oder Verwaltungsrates dürfen nicht Mitglieder des Europäischen Parlamentes , des Deutschen Bundestages oder einer gesetzgebenden Körperschaft eines Landes sein, mit Ausnahme der vom Landtag Brandenburg und dem Abgeordnetenhaus Berlin gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 24 in den Rundfunkrat zu entsendenden Mitglieder; diese Mitglieder brauchen nicht dem jeweiligen Parlament anzugehören, stellt § 14 Abs. 1 Nr. 24 Satz 2 rbb-Staatsvertrag ausdrücklich klar. Ohne eine solche ausdrückliche Klarstellung aber kann man aus der Regelung in § 14 Abs. 5 Satz 3 SWR-StV folgern, dass das Gesetz zumindest bei der Entsendung eine Mitgliedschaft in das entsendende Gremium voraussetzt. Damit wäre die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV wie folgt zu lesen: „Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der deutschen Länder, des Europäischen Parlaments und der Regierung des Bundes, eines der deutschen Länder sowie der Europäischen Kommission und deren politische Beamtinnen und Beamte können Rundfunkrat und Verwaltungsrat nicht angehören; eine Ausnahme besteht für die von den Landtagen und den Landesregierungen entsandten, ihnen angehörenden Mitglieder.“ Abgeordnete des Deutschen Bundestages können nach dieser engen Auslegung nicht mehr in den Rundfunkrat des Südwestrundfunks entsandt werden. Legt man die Vorschrift weiter aus, können sie von den Landtagen und Landesregierungen aus dem diesen zur Entsendung zustehenden Kontingent entsandt werden. 5. Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV mit Blick auf die Freiheit des Abgeordnetenmandats § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV verbietet es Organisationen und Institutionen, solche ihrer Mitglieder als Vertreter in den Rundfunkrat zu entsenden, die zugleich Abgeordnete des Bundestags, des Landesparlaments oder des Europäischen Parlaments sind. Die Vorschrift könnte damit gegen die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Abgeordnetenmandats verstoßen. Der verfassungsrechtliche Status der Abgeordneten des Bundestages ist in den Art. 38 Abs. 1 Satz 2, 46 bis 48 GG geregelt.22 Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages als Vertreter des ganzen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unter- 21 Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg vom 25.06.2002, http://www.rbb-online.de/content/rbb/rbb/unternehmen/der_rbb/struktur/grundlagen/rbb_staatsvertrag .file.html/rbb_staatsvertrag.pdf . 22 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: 2013, Art. 38 Rn. 193. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 9 worfen. Dieser Gewährleistungsanspruch umfasst die gesamte parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten , im Plenum, in den Ausschüssen und in sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen.23 Kraft ihres verfassungsrechtlichen Status stehen den Mitgliedern des Bundestages eine Reihe von Rechten zu, wozu insbesondere das Recht gehört, an der Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken.24 Ferner haben Abgeordnete das Recht auf Mitgliedschaft in einem ständigen Ausschuss.25 Diese funktional begründeten Rechte sind dem Abgeordneten eingeräumt, um eine wirksame Erfüllung der Aufgaben des Bundestages überhaupt möglich zu machen.26 Ein Anspruch auf Mitgliedschaft in anderen Gremien, als denen des Bundestages, kann daraus nicht abgeleitet werden. Auch Art. 48 Abs. 2 GG ist nicht verletzt, wenn Abgeordnete des Bundestages nicht zugleich Mitglied in einem Rundfunkgremium sein können. Gemäß Art. 48 Abs. 2 GG Satz 1 darf niemand gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. Nach Satz 2 ist eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde unzulässig. Dieses Verbot der Behinderung der Mandatsausübung steht in systematischem und inhaltlichen Zusammenhang mit der Freiheit des Mandats gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und bezweckt den Schutz der Unabhängigkeit des Abgeordneten, damit dieser von seiner ihm durch den repräsentativen Status eingeräumten Freiheit Gebrauch machen kann.27 Entscheidend für den ‚Anwendungsbereich dieser Norm ist die Frage, wann eine Hinderung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Pflicht zur Offenlegung von Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten ausgeführt: „Nicht alles, was der Übernahme und der Ausübung des Abgeordnetenmandats hinderlich ist, ist durch Art. 48 Abs. 2 GG verboten. Schon die sprachliche Fassung des Normtextes ("niemand darf gehindert werden") legt nahe, dass in erster Linie nur das transitive Hindern , Verhindern oder Erschweren der Übernahme und Ausübung des Mandats gemeint ist. Der Anwendungsbereich von Art. 48 Abs. 2 GG ist daher jedenfalls dann eröffnet, wenn eine Maßnahme vorliegt, die die Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenmandats erschweren oder unmöglich machen soll. Die mit dieser Intention gesetzte Erschwerung oder Verhinderung wird von verfassungswegen verboten, nicht aber eine in eine ganz andere Richtung zielende Handlung, die nur unvermeidlicherweise die tatsächliche Folge oder Wirkung einer Beeinträchtigung der Freiheit ist, das Mandat zu übernehmen und auszuüben .“28 23 Klein, in: Maunz/Dürig, (Fn. 22), Art. 38 Rn. 196. 24 Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 22), Art. 38 Rn. 230. 25 Butzer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck´scher Online-Kommentar GG, Stand: 1.11.2013, Art. 38 Rn. 110. 26 Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 22), Art. 38 Rn. 235. 27 So Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Auflage 2010, Band 2: Artikel 20 bis 82, Art. 48 Rn. 26. 28 BVerfG, Urteil. vom 4. 7. 2007, BVerfGE 118, 277-401, zitiert nach Juris, Rn. 256 mit weiteren Nachweisen; ebenso bereits BVerfG, Beschluss vom 21.9.1976, NJW 1976, 2123, 2125. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 10 In der Literatur wird diese auf die Zielrichtung der getroffenen Regelung oder Maßnahme abhebende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts teilweise als zu eng angesehen. Eine Hinderung soll danach auch dann vorliegen, wenn vernünftige, d. h. nicht diskriminierende Gründe für die Regelung fehlen.29 Diese Streitfrage kann hier aber dahingestellt bleiben, denn die fragliche Bestimmung des Rundfunkstaatsvertrags wirkt in keinerlei Hinsicht auf die Möglichkeit der Übernahme oder Ausübung von Bundestagsmandaten ein. Vielmehr verbietet § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV lediglich, dass ein Bundestagsabgeordneter auch Mitglied im Rundfunkrat oder Verwaltungsrat des Südwestrundfunks werden kann. Die Versagung der Möglichkeit, als Bundestagsabgeordneter bestimmte Posten einzunehmen, kann aber nicht als Hinderung an der Übernahme und Ausübung eines Bundestagsmandats im Sinne des Art. 48 Abs. 2 GG angesehen werden. Dies wird mit Blick auf die in Art. 48 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Beispiele für eine Hinderung deutlich , die Kündigung und Entlassung. Das Behinderungsverbot soll Mandatsbewerber und Mandatsinhaber vor Beeinträchtigungen schützen, die aus ihrer beruflichen Sphäre kommen. Nur darum geht es, dass Angehörige aller Berufe gleiche Chancen bei der Wahrnehmung ihres passiven Wahlrechts haben. Art. 48 Abs. 2 GG will also mandatsbedingte Nachteile im Verhältnis innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen, die ins Parlament streben, ebenso untersagen wie im Verhältnis zum außerparlamentarischen Berufsleben.30 Unvereinbarkeitsregelungen wie beispielsweise die, dass Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder diejenigen der Monopolkommission nicht zugleich einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören dürfen, liegen also außerhalb des Schutzbereichs des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG, weil sie nicht aus der beruflichen Sphäre der Mandatsinhaber kommen: es ist kein Beruf, Mitglied eines solchen Sachverständigenrates zu sein.31 Das Gleiche gilt für die Mitgliedschaft in einem Rundfunkgremium. Daher verstößt die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV nicht gegen die Freiheit des Abgeordnetenmandats aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und 48 Abs. 2 GG. 6. Die Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-Staatsvertrag im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen 29 So Trute, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 6. Auflage 2012, Art. 48 Rn. 12; auch Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 22), Art. 48 Rn. 85 ff. 30 Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 22) Art.48 Rn. 87. 31 So Klein, in: Maunz/Dürig (Fn. 22) Art.48 Rn. 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 11 wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss , bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird.32 6.1. Ungleichbehandlung Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV ermöglicht in der hier aufgezeigten engen Auslegung im Geltungsbereich des SWR- Staatsvertrag überhaupt keine Entsendung von Bundestagsabgeordneten in die Rundfunkgremien des Südwestrundfunks mehr. Insofern besteht danach auch keine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Abgeordneten des Bundestages im Hinblick auf ihre Entsendbarkeit in die Gremien. Eine Ungleichbehandlung ergibt sich aber zu den Abgeordneten der Landesparlamente, die sowohl in den Rundfunkrat (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 SWR-StV) als auch in den Verwaltungsrat entsendet werden können (§ 20 Abs. 1 Satz 3 SWR-StV). Hierauf wird nachfolgend unter 6.2. eingegangen. Legt man die fragliche Vorschrift weit mit dem Inhalt aus, dass die Landesparlamente auch Mitglieder in die Gremien entsenden können, die nicht Abgeordnete der Landesparlamente sind, so besteht die Möglichkeit, dass Bundestagsabgeordnete von den Länderparlamenten in die Rundfunkgremien entsandt werden. Diese Chance haben dann aber alle Bundestagsabgeordneten. Die nach dem alten Rundfunkstaatsvertrag bestehende Möglichkeit, von gesellschaftlichen Verbänden und Organisationen in den Rundfunkrat entsandt zu werden, entfällt nach der Neuregelung für alle Mitglieder gesetzgebender Körperschaften (§ 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV). Soweit danach eine Ungleichbehandlung der Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg und Rheinland -Pfalz gegenüber Bundestagsabgeordneten aus anderen Bundesländern entsteht, deren Rundfunkstaatsverträge (noch) eine Entsendung von Bundestagsabgeordneten durch gesellschaftliche Verbände und Organisationen vorsehen, so ist diese Ungleichbehandlung unbeachtlich. Zur Gleichbehandlung ist stets nur der jeweilige Gesetzgeber in seinem Herrschaftsbereich verpflichtet , hier also die Landesparlamente in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Eine Ungleichbehandlung gegenüber den Bundestagsabgeordneten anderer Bundesländer durch deren Landesgesetzgeber kann also nicht gerügt werden.33 32 So das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, z. B. BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, BVerfGE 116, 164-202, zitiert nach Juris Rn. 69, mit Nachweisen aus der eigenen Rechtsprechung. 33 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts z.B. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979, BVerfGE 52, 42-63, zitiert nach Juris Rn. 20; BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.8.1998, AZ: 1 BvR 2487/94, zitiert nach Juris Rn. 12; vgl. auch Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig (Fn. 22), Art. 3 Abs. 1 Rn. 233 ff, 236. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 12 6.2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Nach der engen Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV könnten die Landesparlamente nur noch eigene Mitglieder in die Rundfunkgremien entsenden; Bundestagsabgeordnete hätten danach keine Möglichkeit mehr, Mitglied der Gremien zu werden. Hier ließe sich argumentieren, Bundestagsabgeordnete und Landtagsabgeordnete seien bereits in ihrer Funktion unterschiedlich, da die einen an der Bundesgesetzgebung, die anderen aber an der Landesgesetzgebung mitzuwirken haben. Danach wäre keine Ungleichbehandlung von Gleichen gegeben. Sieht man aber Bundestagsabgeordnete und Landtagsabgeordnete als Mitwirkende an der Gesetzgebung allgemein, so lassen sie sich einer Gruppe der Abgeordneten zuordnen. Die sich dann ergebende Ungleichbehandlung von Abgeordneten des Bundestages und der Landtage müsste mithin durch ein gesetzgeberisches Ziel gerechtfertigt sein. In der Präambel des neu gefassten Rundfunkstaatsvertrags erklärtes Ziel ist die Garantie der Staatsferne; die staatsferne Zusammensetzung der Aufsichtsgremien, auch durch erweiterte Inkompatibilitätsregeln, soll der redaktionellen Unabhängigkeit Rechnung tragen.34 Dem Ziel mehr Staatsferne kann mit dem Ausschluss von Bundestagsabgeordneten aus den Rundfunkgremien Rechnung getragen werden. Allerdings sind auch die Abgeordneten der Landtage dem staatlichen Bereich zuzuordnen.35 Ihnen den Zugang zu den Rundfunkgremien zu ermöglichen, während es den Bundestagsabgeordneten verwehrt wäre, könnte nach der sog. „Neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts36 nur dann gerechtfertigt sein, wenn „zwischen beiden Gruppen (….) Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“.37 Zu suchen ist nach einem im angemessenen Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehenden Rechtfertigungsgrund .38 Dieser Rechtfertigungsgrund wäre hier die unterschiedliche Aufgabe von Abgeordneten des Bundestags und solchen der Landtage. Die Abgeordneten der Landtage gehören dem jeweiligen Bundesland an und sind für die Entscheidung über die der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder unterliegenden Gesetzgebungsmaterien zuständig, wozu auch der Rundfunk gehört.39 Es ist die erklärte Absicht der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, mit dem neuen Staatsvertrag über den Südwestrundfunk die regionale Identität zu stärken. In der Präambel des Staatsvertrages heißt es hierzu: „Das Herzstück des SWR ist seine regionale Verwurzelung – in den beiden 34 So Staatsvertrag (Fn. 1), Präambel, S. 5. 35 Siehe hierzu oben unter 2. 36 Ausführlich hierzu Kischel, in: Beck´scher Online-Kommentar GG (Fn. 25), Art. 3 Rn. 24, 28 ff. 37 BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980, BVerfGE 55, 72-95, zitiert nach Juris Rn. 47. 38 BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, BVerfGE 99, 165-185, zitiert nach Juris Rn. 63; Kischel, in: Beck´scher Online -Kommentar GG (Fn. 25), Art. 3 Rn. 14. 39 Art. 30 GG; Hesse (Fn. 11), 2. Kapitel Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 081/13 Seite 13 Ländern, ihren Regionen und Städten. Sie sollen in den Programmen des SWR eine herausragende Rolle einnehmen.“40 Die Entsendung von Abgeordneten der Landtage in die dem Landesrundfunk dienenden Rundfunkgremien, ist besser dazu geeignet, die angestrebte regionale Verankerung zu verkörpern, als dies bei Abgeordneten des Bundestages der Fall sein könnte. Dieser sachliche Grund würde daher die Entscheidung des Gesetzgebers, ausschließlich Abgeordnete der Landtage in die Gremien entsenden zu lassen, rechtfertigen. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass es überhaupt nur bei der aufgezeigten engen Auslegung des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV zu einer Ungleichbehandlung von Abgeordneten kommt, weil danach nur noch Abgeordnete der Landtage, nicht aber Bundestagsabgeordnete in die Rundfunkgremien entsandt werden könnten. Ob der Gesetzgeber dieses enge Verständnis des § 13 Abs. 3 Satz 4 SWR-StV beabsichtigt hat, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn auch mit diesem Inhalt würde die Vorschrift nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. gez. 40 Staatsvertrag (Fn. 1), Präambel, S. 4.