Deutscher Bundestag Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 10 – 3000/078-10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 2 Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 10 – 3000/078-10-10 Abschluss der Arbeit: 20. Juli 2010 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Beispiel Großbritannien 4 2.1. Zu schützende Gruppen 6 2.2. Regulative Zielsetzungen 6 2.3. Rechtsfragen 7 2.3.1. Communications Act 2003 7 2.3.2. Europäische Menschenrechtskonvention 8 2.3.3. UN-Kinderrechtskonvention 8 2.3.4. Richtline 'Fernsehen ohne Grenzen' 9 2.4. Zentrale Argumente 9 3. Rechtsvorschriften in Deutschland zur Lebensmittelwerbung 10 3.1. Medienrechtliche Rahmenbedingungen 12 3.1.1. Verfassungsrechtliche Verankerung der Kommunikationsgrundrechte und Zuständigkeit 12 3.1.2. Fernsehrichtlinie 13 3.1.3. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 14 3.1.4. Rundfunkstaatsvertrag 14 3.1.5. Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten 15 3.1.6. Jugendmedienschutz-Staatsvertrag 15 3.1.7. Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten 16 3.2. Nicht-medienspezifische Vorschriften zur Lebensmittelwerbung 17 3.2.1. Jugendschutzgesetz 17 3.2.2. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 17 3.2.3. Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch 18 3.2.4. Verordnung (EG) über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel 20 3.2.5. Nährwert-Kennzeichnungsverordnung 21 3.2.6. Diätverordnung 21 3.2.7. Weingesetz 21 3.2.8. Vorläufiges Tabakgesetz 22 3.2.9. Heilmittelwerbegesetz 22 3.3. Freiwillige Verhaltensregeln 23 3.3.1. Deutscher Werberat 23 3.3.2. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft 24 3.3.3. Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen 25 4. Zusammenfassende Bewertung 25 4.1. Gesetzgebungskompetenz 25 4.2. Altersgruppe 26 4.3. Medium 27 5. Literaturverzeichnis 28 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 4 1. Einleitung Angesichts einer wachsenden Zahl von Kindern mit Übergewicht werden Werbeverbote in den Medien für ungesunde Nahrungsmittel zunehmend diskutiert. In europäischen und auch in außereuropäischen Ländern gibt es bereits Initiativen zur Beschränkung von Werbung im Fernsehen für Nahrungsmittel mit hohem Fett-, Salz- oder Zuckergehalt. Im Vereinigten Königreich hat die Regulierungsbehörde für Fernseh-, Rundfunk -, Telekommunikations -und Mobilfunkdienste (Office of Communication – Ofcom) eine diesbezügliche Werbebeschränkung zum Schutz der Kindergesundheit eingeführt 1 . Mit der Verhängung von derartigen Werbebeschränkungen wird offenbar erwartet, dass damit ein Rückgang des Konsums gesundheitsbedenklicher Nahrungsmittel einhergeht und eine gesündere Ernährungsweise für Kinder erreicht werden kann. Dabei wird davon ausgegangen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Werbung für diese Produkte und ihren Konsum gibt und dass übermäßiger Konsum zu Fettleibigkeit führt. Im Folgenden soll erörtert werden, ob in Deutschland ein vergleichbares Werbeverbot bzw. eine Werbebeschränkung in bestimmten Medien zum Gesundheitsschutz im Rahmen eines Bundesgesetzes möglich ist. Dabei sind verschiedene zu schützende Personenkreise zu betrachten wie Erwachsene und Minderjährige verschiedener Altersklassen. Hierbei wird Bezug auf die Vorgehensweise im Vereinigten Königreich genommen. Zumindest können einige Aspekte beim britischen Vorgehen als Mitgliedstaat der Europäischen Union im Hinblick auf die Prüfung grundsätzlicher Fragen und der Prüfung übernationaler Rechtsvorschriften für Überlegungen im deutschen Rechtsraum herangezogen werden. Allerdings sind schon durch die föderale Struktur, damit verbundene Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und bereits bestehende werbebezogene Schutzvorschriften ganz andere Gegebenheiten zu beachten. 2. Beispiel Großbritannien Am Beispiel des Verfahrens zur Einführung einer Werbebeschränkung im Fernsehen für ungesunde Lebensmittel zum Schutz von Kindern in Großbritannien lassen sich wichtige Rahmenbedingungen darstellen, die auch von grundlegender Bedeutung für die Einführung einer ähnlichen Werbebeschränkung bzw. eines -verbots in Deutschland eine Rolle spielen dürften. 1 Vgl. Ofcom, Television Advertising of Food and Drink Products to Children, Final Statement, 22. Februar 2007, abrufbar unter http://stakeholders.ofcom.org.uk/consultations/foodads_new/statement/, Stand: 12.07.2010. Zu weiteren Ländern zählen zum Beispiel die USA, Australien (Josette Dunn, Cross-promotions Replace TV Junk- Food Advertising, Australian Food News, March 3, 2010, abrufbar unter http://www.commercialexploitation .org/news/2010/03/crosspromotionsjunkfood.html) und Südkorea. Ab Anfang Februar 2010 dürfen in südkoreanischen Kinderkanälen keine Werbespots mehr für Hamburger, Pizza, Fertignudelgerichte, Süßigkeiten und Limonaden ausgestrahlt werden. (Focus-Online, Werbeverbot für Dickmacher, 19.01.2010, abrufbar unter http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/news/uebergewicht-werbeverbot-fuer-dickmacher _aid_472003.html.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 5 In Großbritannien hat Ende 2003 die damalige Secretary of State for Culture, Media and Sport, Tessa Towell, die zuständige Regulierungsbehörde Ofcom angeregt, Vorschläge für eine Verschärfung der Regeln für Fernsehwerbung zu erarbeiten, die auf Nahrungsmittel für Kinder abzielt. Als Bewegrund für diese Anregung erläutert Ofcom in seinem Statement vom 22. Februar 2007 (Ofcom 2007)2, dass zahlreiche nahrungswissenschaftliche Untersuchungen Bedenken bei der Regierung und in der Gesellschaft hervorgerufen hätten, dass Übergewicht bei Kindern und schlechte Gesundheit auf eine unausgewogene Nahrung zurückzuführen seien. Das gelte insbesondere für den Konsum von Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt (High Fat, Salt and Sugar – HFSS). Daraufhin habe Ofcom in einer eigenen Studie Anfang 2004 die Rolle von Fernsehwerbung auf den Konsum derartiger Produkte bei Kindern untersucht. Ofcom sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Fernsehwerbung einen moderaten, direkten Effekt auf die Lebensmittelwahl von Kindern habe und einen größeren aber weniger quantifizierbaren Effekt auf die Lebensmittelpräferenzen, Konsum und Verhalten. Ofcom schloss daraus, dass eine angemessene und gezielte Maßnahme im Bereich der Rundfunkwerbung geboten sei, um Kindergesundheit und Kinderfettleibigkeit zu adressieren. Allerdings habe Ofcom anerkennen müssen, dass nach der Studie viele Faktoren eine Rolle für Kinderfettleibigkeit spielten. Dazu zählten soziale, umweltbedingte und kulturelle Faktoren, die noch nicht in ihrem Zusammenwirken voll verstanden würden. Deshalb habe Ofcom von einem generellen Werbeverbot für Lebensmittel abgesehen. Es sei weder verhältnismäßig noch für sich alleine wirksam (Ofcom 2007: 2). Ende 2004 habe sich das britische Gesundheitsministerium (Department of Health) gegen Werbung für ungesunde Lebensmittel für Kinder ausgesprochen und die Food Standards Agency (FSA) habe einen Vorschlag für Kriterien (scheme) zur Festlegung von ungesunden Lebensmitteln und Getränken im Rahmen einer Konsultation veröffentlicht. Im Dezember 2005 habe Ofcom den vollständigen Kriterienkatalog (profiling scheme) für bedenkliche Nahrungsmittel erhalten. Daraufhin habe ein zweiteiliges Konsultationsverfahren stattgefunden3. Ofcom erhielt Stellungnahmen von Verbraucher- und Gesundheitsgruppen, Werbeunternehmen und Nahrungsmittelherstellern , Rundfunkanstalten und Einzelpersonen. Die Schlussfolgerungen aus dem Konsultationsverfahren werden im Folgenden skizziert. 2 Abrufbar unter http://stakeholders.ofcom.org.uk/consultations/foodads_new/statement/, Stand: 12.07.2010. 3 Im Einzelnen hierzu: Ofcom, Impact Assessment, Annex to Consultation on Television Advertising of Food and Drink to Children, 17 November 2006; abrufbar unter http://stakeholders.ofcom.org.uk/binaries/consultations /foodads_new/ia.pdf. (Stand: 19.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 6 2.1. Zu schützende Gruppen Im Hinblick auf die Antworten im ersten Konsultationsverfahren und der verfügbaren Nachweise habe Ofcom entschieden, die zunächst definierte Zielgruppe von Kindern unter 10 Jahren auf Kinder unter 16 Jahren zu erweitern. Ofcom geht davon aus, dass Erwachsene in der Lage sind, informierte Entscheidungen über Werbebotschaften zu treffen. Dennoch ist wie unten in den regulatorischen Zielsetzungen aufgeführt auch ein Schutz der Eltern beabsichtigt. 2.2. Regulative Zielsetzungen Als regulative Zielsetzungen hatte Ofcom nach Abschluss des ersten Konsultationsverfahrens festgelegt (Ofcom 2007: 3): eine deutliche Verminderung dem Ausgesetztsein (exposure) von Kindern unter 16 Jahren gegenüber Werbung für ungesunde Nahrungsmittel als Mittel zur Verringerung der Möglichkeiten , um Kinder zur Nachfrage und zum Konsum ungesunder Lebensmittel (HFSS) zu beeinflussen; Verstärkung des Schutzes für ältere und jüngere Kinder als auch für Eltern durch eine angemessene Überarbeitung der Werbe-Inhalte Standards (advertising content standards). Damit solle die emotionale Beziehung zu Werbung für ungesunde Lebensmittel (HFSS advertisements ) abgebaut und das Risiko vermindert werden, dass Kinder und Eltern möglicherweise Produktansprüche fehl interpretierten. Außerdem solle damit das Potential für „Pester Power“ verringert werden – dass Kinder ihre Eltern bedrängen, ungesunde Lebensmittel zu kaufen. Vermeidung unangemessener Auswirkungen auf die (Werbe-) Einnahmen der Rundfunkanstalten ; Vermeidung übergreifender Regulierung von Werbung während Erwachsenensendungen, unter der Annahme dass Erwachsene informierte Entscheidungen über Werbebotschaften treffen können, und Gewährleistung, dass alle getroffenen Maßnahmen angemessen und ausreichend zeitnah sind, um die Regierung zu befähigen, Änderungen Art und Ausgewogenheit der Nahrungsmittelwerbung Anfang 2007 zu beobachten. Nach Abschluss des zweiten Konsultationsverfahrens hat Ofcom auf der Grundlage der Auswertung der Stellungnahmen einen zeitlich abgestuften Maßnahmenkatalog zur Verminderung der Programmzeiten für Fernsehwerbung für Nahrungsmittel und Getränke entwickelt, die auf Kinder abzielen. Zum Maßnahmenpaket zählen (Ofcom 2007: 3 ff.): Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 7 Beschränkung der Werbezeiten werden Lebensmitteln und Getränken auferlegt, die als HFSS nach dem Kriterienkatalog (profiling scheme) der Food Standards Agency (FSA) eingestuft wurden; Werbung für HFSS Produkte dürfen nicht in oder in zeitlicher Nähe von Sendungen gezeigt werden, die speziell für Kinder (einschließlich Vorschulkinder) hergestellt wurden. Mit dieser Maßnahme sollte sämtliche „HFSS“- Werbung von Kinderkanälen verschwinden ; Werbung für HFSS Produkte dürfen nicht in oder in zeitlicher Nähe von Sendungen gezeigt werden, die von besonderem Interesse für Kinder unter 16 Jahren sind; und diese Beschränkungen gelten gleichermaßen für Programmsponsoring durch HFSS Lebensmittel und Getränkeprodukte. Außerdem hat Ofcom neben den vorstehenden Werbebeschränkungen entschieden, dass unabhängig von der Sendezeit überarbeitete Regeln für Lebensmittel- und Getränkewerbung angewendet werden, die auf Kinder abzielt4. 2.3. Rechtsfragen 2.3.1. Communications Act 2003 Ofcom ist nach dem Communications Act 2003 direkt verantwortlich für alle Vorschriften im Bereich der Fernsehwerbung. Dabei hat Ofcom Teilaufgaben an die Advertising Standards Authority (ASA) übertragen. Dies beinhaltet auch die Aufgaben der Bearbeitung von Beschwerden und Entwicklung der Regulierungspolitik. Dennoch hat Ofcom die Federführung bei dieser Ko-Regulierung (Ofcom 2007: 1). Ofcom betont (Ofcom 2007: 6), dass es selbst kein Expertenwissen in Bezug auf Gesundheits- und Ernährungsfragen habe und sich daher auf die Expertise derjenigen verlassen muss, die über dieses Wissen verfügen wie z. B. das Gesundheitsministerium und die FSA, wenn Regulierungsmaßnahmen in diesem sozialen Politikfeld betroffen seien. Allerdings ist im Communications Act 2003 insbesondere die Zuständigkeit Ofcoms für die Festlegung der Rundfunkstandards für Werbung und des Programmsponsorings normiert. Die Zielsetzung dieser Standards schließen folgende Punkte ein (Ofcom 2007: 6): 4 Ofcom 2007: 4, und vgl. insbesondere Anhang 4 (Content Rules) dieser Ofcom-Publikation. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 8 Personen unter 18 Jahren werden durch den Communications Act 2003 geschützt; Verhindern von Werbung im Fernsehen, die irreführend, verletzend oder aggressiv ist; Vermeidung von unangemessener Diskriminierung zwischen Werbeunternehmen, die Werbung im Fernseh- und Radiodiensten einbinden möchten; und Verhindern von unpassendem Programmsponsoring bei Fernsehdiensten. Von besonderem Interesse sind die rechtlichen Erwägungen, die Ofcom vornehmen musste und die rechtlichen Vorgaben, die Ofcom als Einrichtung eines EU-Staates bei der Prüfungen der Zulässigkeit von nationalen Werberestriktionen im Hinblick internationaler Rechtsvorschriften beachten musste. 2.3.2. Europäische Menschenrechtskonvention Ofcom führt bei seiner rechtlichen Prüfung der Werbebeschränkung zunächst die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) an, deren Vorgaben mit dem Human Rights Act 1998 im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland übernommen wurde. Das Gesetz wurde 1998 beschlossen und trat am 1. Oktober 2000 in Kraft. Ofcom unterliegt dem Geltungsbereich des Gesetzes und muss demnach auch die Vorgaben der EMRK beachten. Als relevante Bestimmung bezieht sich Ofcom auf Art. 10 EMRK, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung normiert ist, und das auch gewerbliche Meinungsfreiheit einschließe. Jede Beschränkung dieses Rechts setze voraus, dass sie notwendig und verhältnismäßig sei, um das legitime Ziel zu erreichen. In dem gegebenen Zusammenhang sei das relevante Ziel der Schutz der Gesundheit der Kinder (Ofcom 2007: 8). 2.3.3. UN-Kinderrechtskonvention Weiterhin führt Ofcom (2007: 8) die UN-Kinderrechtskommission an, die am 20. November 1989 von der UN-Generalversammlung angenommen wurde und am 2. September 1990 in Kraft getreten ist. Sie wurde vom Vereinigten Königreich ratifiziert. Ofcom bezieht hierbei auf Art. 3 der UN-Kinderkommission, wonach alle Behörden – auch wie Ofcom eine sei - bei allen Maßnahmen , die Kinder betreffen, die besten Interessen des Kindes vorrangig zu beachten hätten. Außerdem sehe die Konvention im Art. 13 das Recht auf Information vor, das Gegenstand von derartigen Beschränkungen ist, sofern es für den Schutz der öffentlichen Gesundheit nötig sei. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 9 2.3.4. Richtlinie 'Fernsehen ohne Grenzen' Ofcom beruft sich des weiteren auf die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" (89/552/EEC), die 1989 verabschiedet und im Jahr 1997 abgeändert und weiter ergänzt wurde5. Im Art. 16 dieser Richtlinie sieht Ofcom ein Handlungserfordernis für Regulierungsstellen, Kinder vor schädlichen Wirkungen (harmful effects) der Fernsehwerbung zu schützen. Die Richtlinie sehe auch vor, dass jeder Mitgliedstaat gewährleisten müsse, dass alle Rundfunkanstalten in seinem Rechtsgebiet (jurisdiction ) die „Regeln des Rechtsystem befolgen, denen sie unterworfen sind“. In diesem Zusammenhang verweist Ofcom auch auf Art. 49 des EG-Vertrags6, der erfordere, dass alle Einschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt und angemessen sein müssen. Ofcom weist bei der Darstellung der rechtlichen Erwägungen abschließend darauf hin, dass es entsprechend dem Prinzip der Förderung der Selbstregulierung regulative Funktionen in Bezug auf Rundfunkwerbung der Advertising Standards Authority7 übertragen hat. Jedoch seien jedwede Empfehlungen von Änderungen der Werberichtlinien, die vom dem Broadcast Committee on Advertising Practice (BCAP) der Advertising Standards Authority vorgeschlagen werden, von Ofcom zu genehmigen. 2.4. Zentrale Argumente Ofcom stellt bei seiner rechtlichen Begründung für das Werbeverbot von „HFSS“ Nahrungsmitteln und Getränken im Fernsehen zentral auf den Schutz der Kindergesundheit ab. Hierzu werden entsprechende Vorgaben aus dem nationalen Recht (Jugendschutz – Communications Act 2003, Human Rights Act 1998) und Vorgaben aus internationalem Recht (Europäische Menschenrechtskonvention , UN-Kinderrechtskommission und die Richtlinie 'Fernsehen ohne Grenzen') herangezogen. 5 Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit. Im Juni 1997 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat eine neue Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen", um die Rechtssicherheit zu verbessern und die Bestimmungen der Richtlinie 89/552/EWG zu modernisieren. Die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen" wurde seit 2001 überarbeitet. Sie wurde durch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2007/65/EG) zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit vom 11. Dezember 2007,die am 19. Dezember 2007in Kraft getreten ist, grundlegend novelliert und in ihrem Geltungsrahmen deutlich erweitert. Sie war von den Mitgliedstaaten bis zum 19. Dezember 2009 in nationales Recht umzusetzen . Zum derzeitigen Stand unter Einbezug der neuen Richtlinie 2010/13/EU vgl. Ausführungen in Gliederungspunkte 3.1.2 und 3.1.3. 6 Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag; kurz: EGV oder EG) ist durch Artikel 2 des Vertrags von Lissabon mit Wirkung zum 1. Dezember 2009 in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union umbenannt worden. 7 Advertising Standards Authority (ASA) ist eine von der Regierung und der Werbewirtschaft unabhängige Einrichtung . Vgl. auch ASA – Who we are unter http://www.asa.org.uk/About-ASA/Who-we-are.aspx. (Stand: 13.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 10 Zielgruppen sind Kinder unter 16 Jahren und Eltern, die von ihren Kindern bedrängt werden könnten, ungesunde Nahrungsmittel zu kaufen. Ansonsten sind Erwachsenen grundsätzlich ausgenommen , da hier angenommen wird, dass sie selbst informierte Entscheidungen über Werbebotschaften treffen können. Ofcom geht nach eigenen Untersuchungen davon aus, dass ein vollständiges Werbeverbot im Fernsehen nicht verhältnismäßig und für sich alleine auch nicht wirksam sei. Dagegen hält es eine Werbebeschränkung für adäquat, verhältnismäßig und geboten, um die Frage der Kindergesundheit und Fettleibigkeit anzugehen. Zur Umsetzung der Beschränkung stützt es sich auf den Kriterienkatalog der Food Standards Agency zur Einstufung von „HFSS“ Lebensmitteln und Getränke . Von Bedeutung ist bei der Entscheidung Ofcoms zur Einführung einer Werbebeschränkung die Auswertung der Stellungnahmen der maßgeblich Betroffenen (Stakeholder) aus einem umfassenden Konsultationsverfahren und eine damit verbundene Wirkungsanalyse (Impact Assessment8) der angestrebten Werbebeschränkung. 3. Rechtsvorschriften in Deutschland zur Lebensmittelwerbung Schon am Beispiel der Einführung der britischen Werbebeschränkung für ungesunde Lebensmittel , wird deutlich, wie schwierig es ist, die Faktoren, deren Gewicht und Zusammenwirken zu erfassen, die das Konsumentenverhalten beeinflussen und welche Rolle Werbung dabei spielt. Bei seinen Erwägungen und Prüfungen konnte sich Ofcom nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit nicht für ein vollkommenes Werbeverbot im Fernsehen für bedenkliche Lebensmittel entscheiden, sondern lediglich für eine Werbebeschränkung für eine nach verschiedenen nationalen und internationalen Rechtsvorschriften besonders schutzbedürftigen Altersgruppe : Kinder und Jugendliche. Ofcom hat dabei eine Altersgrenze von Kindern unter 16 Jahren gewählt. Für die Einführung eines vergleichbaren Werbeverbots für ungesunde Lebensmittel in Deutschland könnten im ersten Schritt ähnliche Erwägungen angestellt werden wie in Großbritannien. Bei den folgenden Überlegungen soll angenommen werden, dass ein verbindlicher Kriterienkatalog erstellt werden kann, der zur Klassifizierung von „HFSS“ Produkte heranzuziehen ist. Im Gegensatz zum britischen Vorgehen, bei dem eine überschaubare Zahl von Rechtsvorschriften nach der Darstellung von Ofcom zu prüfen war, ist die Rechtslage in Deutschland wesentlich komplexer. Zum einen ist die Zahl von Rechtsvorschriften für Werbung, die Lebensmittel betreffen , größer. Zum anderen sind Bundes- und Länderzuständigkeiten zu beachten. 8 Im Detail Ofcom, Annex 7 – Impact Assessment - Annex to Consultation on Television Advertising of Food and Drink to Children, 17 November 2006, abrufbar unter http://stakeholders.ofcom.org.uk/binaries/consultations /foodads_new/ia.pdf. (Stand: 16.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 11 So haben die Fernsehveranstalter sowie die werbende Wirtschaft insbesondere folgende Bestimmungen bei ihren unterschiedlichen Aufgaben zu berücksichtigen9: o EU-Fernsehrichtlinie bzw. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste o Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer o Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Bundesländer o Werberichtlinien der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstalter o Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten o Jugendschutzgesetz o EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel o Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch o Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb o freiwillige Verhaltensregeln des Deutschen Werberats; zum Beispiel über die Werbung mit und vor Kindern und Jugendlichen in Hörfunk und Fernsehen. Darüber hinaus werden in der vorliegenden Arbeit noch weitere Vorschriften unter dem gegeben Bezug vorgestellt. Im Folgenden soll zunächst auf die speziell medienrechtlichen und im zweiten Schritt auf die nicht speziell medienrechtlichen Vorschriften zur Lebensmittelwerbung eingegangen werden. 9 Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Organisationen der Lebensmittelindustrie des Handels und der Medienwirtschaft, Kinder, Werbung und Ernährung - Fakten zum gesellschaftlichen Diskurs -, Mai 2008, abrufbar unter http://www.zaw.de/doc/Positionspapier_Lebensmittel_200805.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 12 3.1. Medienrechtliche Rahmenbedingungen 3.1.1. Verfassungsrechtliche Verankerung der Kommunikationsgrundrechte und Zuständigkeit In Deutschland sind die Kommunikationsrechte und damit die Grundlage des gesamten nationalen Medienrechts im Art. 5 GG verankert. Explizit wird durch Art 5 Abs. 1 GG auch die Rundfunkfreiheit geschützt.10 Aber auch der Jugendschutz ist in Art. 5 GG verankert. Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG ihre Grenzen u. a. in gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz (Scheunert 2009: 176). Nach Art. 73 Nr. 73 hat der Bund zwar die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation, von dem auch übertragungstechnische Fragen des Rundfunks erfasst sind. Allerdings gilt dies nicht für Rundfunkinhalte. Hier liegt die Zuständigkeit gemäß Art 30, 70 GG bei den Bundesländern. Auf dieser Grundlage haben die Länder Landesrundfunkgesetze erlassen. Für die kompetenzrechtliche Verankerung des Jugendschutzes in Rundfunksendungen bestehen daher zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte sie kraft Sachzusammenhangs den Kompetenzen der Länder zugeordnet werden. Zum anderen könnte der Bund nach Art 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung befugt sein, soweit Jugendschutz als „öffentliche Fürsorge“ zu betrachten ist (Scheunert 2009: 176). Hierüber gibt es eine umstrittene Diskussion11. Jedoch kommen Bundesverfassungsgericht12, Bundesverwaltungsgericht13 und Literatur14 zu einem einheitlichen Ergebnis bei teilweise verschiedener Argumentation: Dem Bund kann aus Art. 74 Abs. 1 Nr.7 GG keine Kompetenz für den Jugendschutz im Bereich der elektronischen Medien zugesprochen werden. Dagegen ist davon auszugehen, dass von der Länderkompetenz für den Rundfunk kraft Sachzusammenhang auch Regelungen zum Jugendschutz im Rundfunk erfasst sind.15 10 Scheunert, Christine, Europäischer Jugendschutz für das Fernsehen, Studien zum deutschen und europäischen Medienrecht, Band 38, Frankfurt am Main 2009: 173. 11 Für eine Bundeskompetenz für den Jugendmedienschutz argumentiert z. B. Liesching, Marc, Zur Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für den Bereich des „Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“, ZUM 202: 868 ff. 12 BVerGE 57, 295 (326). 13 Nach der Form der Verbreitung differenzierend BVwGE 85, 169 ff, DVBl. 1990, 933 (935 f.). 14 Ausführlich zu dieser Frage Reinwald, Gerhard, Jugendmedienschutz im Telekommunikationsbereich in Bundeskompetenz ? Verfassungsrechtliche Überlegungen im Umfeld des Art 74 Abs. 1Nr 7 GG, ZUM 2002: 119 ff. 15 Vgl. Ukrow, Jörg Jugendschutzrecht, München 2004: 50 RN75; zur Indizierung von Fernsehsendungen VG Köln, NJW 1987: 274 f.,; Dörr, Dieter und Cole, Mark, Jugendschutz in den elektronischen Medien - Bestandsaufnahme und Reformabsichten, Eine Untersuchung der verfassungsrechtlichen Vorgaben unter besonderer Berücksichtigung der Situation im Rundfunk, München 2001: 22 und Weides, Peter, Der Jugendschutz im Filmbereich , NJW 1987: 224, 231 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 13 Allerdings kommen aber auch für die Fernsehwerbung Bundesgesetze zur Anwendung16. Dies liegt darin begründet, dass der Gesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 (Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln) und Nr. 20 (Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln und Bedarfsgegenständen) GG Gebrauch gemacht hat (Scheunert 2009: 177). Die Voraussetzungen hierfür nach Art. 72 Abs. 2 GG mussten dabei vorgelegen haben. 3.1.2. Fernsehrichtlinie Zunächst soll hier noch die inzwischen aufgehobene17 „Fernsehrichtlinie“ (Fernsehen ohne Grenzen - Richtlinie 89/552/EWG)18 angeführt werden, die zum großen Teil im weiter unten dargestellten Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt wurde. Sie wurde mehrmals überarbeitet und zuletzt durch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2007/65/EG)19 novelliert. Sie enthält maßgebliche Vorgaben zum Jugendmedienschutz. Wichtige Vorgaben in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste wurden im 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag der Länder vom 30. Oktober 2009 umgesetzt, der am 1. April 2010 nach Ratifizierung der Landesparlamente in Kraft getreten ist. Hierbei ist hervorzuheben, dass Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 der Fernsehrichtlinie die Möglichkeit haben, nationalen Fernsehveranstalter strengeren Regelungen zu unterwerfen. Den Staaten bleibt es somit auch überlassen an den nationalen Besonderheiten des Jugendschutzes ausgerichtete Anforderungen an Sende- und Werbeinhalte zu stellen (Scheunert 2009: 37 und 38). Art 11 Abs. 2, Art 15 a) und Art 3e Abs. 1 (g) beziehen sich ausdrücklich auf den Schutz Minderjähriger . In Art 15 und Art 3e Abs. 1 (g) finden sich insbesondere Vorgaben zum Inhalt von Werbesendungen . Nach Art 15 a) der Richtlinie darf „Fernsehwerbung und Teleshopping für alkoholische Getränke nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und insbesondere diese nicht beim Alkoholkonsum darstellen. Weiterhin sind die Regelungen des Art 3e Abs. 1 c iii der Richtlinie hervorzuheben , die sich nicht ausdrücklich an Minderjährige richten, aber eine jugendschützende Wirkung entfalten. Danach ist Werbung und Teleshopping untersagt, die Verhaltensweisen fördern, 16 Siehe insbesondere die Darstellungen zum Gliederungspunkt 3.2. über „Nicht-medienspezifische Vorschriften zur Lebensmittelwerbung. 17 Vgl. Ausführungen zum Gliederungspunkt 3.1.3. 18 Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit; (ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23). Im Juni 1997 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 97/36/EG (ABl. L 202 vom 30.7.1997, S. 60). um die Rechtssicherheit zu verbessern und die Bestimmungen der Richtlinie 89/552/EWG zu modernisieren; (ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23). 19 Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2007/65/EG) zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit vom 11. Dezember 2007 ist am 19. Dezember 2007in Kraft getreten und musste von den Mitgliedstaaten bis zum 19. Dezember 2009 in nationales Recht umgesetzt werden. (ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 27). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 14 die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden. Ebenso ist auf das in Art 3 e Abs. 1 (d) enthaltene Zigaretten- und Tabakwerbeverbot hinzuweisen. 3.1.3. Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (kodifizierte Fassung)20 soll hier im Zusammenhang mit der Lebensmittelthematik nur in den besonders relevanten Punkten herausgestellt werden. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 34 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste die Richtlinie 89/552/EWG in der Fassung der Richtlinien 97/36/EG und 2007/65/EG – nur Art. 1 aufgehoben wurde. Ansonsten gilt eine Entsprechungstabelle nach Anhang II der Richtlinie 2010/13/EU. Konkret sind hier insbesondere die Vorgaben im Art. 9 relevant, die auch auf „HFSS“- Lebensmittel und Getränke im Zusammenhang mit Kindersendungen Bezug nehmen. Nach Art. 9 Abs. 1 bestärken die Mitgliedstaaten und die Kommission die Anbieter von Mediendiensten darin, Verhaltenskodizes für unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation zu entwickeln , die Kindersendungen begleitet oder darin enthalten ist und Lebensmittel und Getränke betrifft , die Nährstoffe oder Substanzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung enthalten, insbesondere solche wie Fett, Transfettsäuren, Salz/Natrium und Zucker, deren übermäßige Aufnahme im Rahmen der Gesamternährung nicht empfohlen wird. 3.1.4. Rundfunkstaatsvertrag Der Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV21 sieht in § 7 Abs. 1 S. 1 vor, dass Werbung und Teleshopping nicht irreführen dürfen, den Interessen der Verbraucher nicht schaden und nicht Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher sowie den Schutz der Umwelt gefährden. Nach § 25 Abs. 1 RStV bzw. § 44 Abs. 1 RStV dürfen Kindersendungen in Radio und Fernsehen nicht durch Werbung oder Teleshopping unterbrochen werden. Ebenfalls unzulässig ist es, in Kindersendungen Split-Screen-Werbung einzufügen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 RStV). 20 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1). 21 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV – vom 31.08.1991, in der Fassung des Dreizehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 10. März 2010 (vgl. GBl. S. 307), in Kraft getreten am 01.04.2010; abrufbar unter http://www.alm.de/fileadmin/Download/Gesetze /RStV_aktuell.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 15 Zur Durchführung des Rundfunkstaatsvertrages haben die ARD, das ZDF und die Landesmedienanstalten so genannte "Werberichtlinien" erlassen. Siehe nachfolgend. 3.1.5. Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten Die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring im Fernsehen greifen insbesondere die vorstehenden Regelungen im RStV auf.22 3.1.6. Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV)23 ist der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie der Schutz vor solchen Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. § 6 JMStV regelt den Jugendschutz in der Werbung und im Teleshopping in elektronischen Medien . § 6 Abs. 1 JMStV bestimmt, dass Werbung für indizierte Angebote nur unter den Bedingungen zulässig ist, die für die Verbreitung des Angebots selbst gelten (Satz 1). Ferner ist es untersagt , die Liste der jugendgefährdenden Medien zum Zweck der Werbung zu verbreiten oder zugänglich zu machen oder mit dem Hinweis auf ein Indizierungsverfahren für ein Angebot zu werben (Satz 2). Nach § 6 Abs. 2 JMStV darf Werbung Kindern und Jugendlichen weder körperlichen noch seelischen Schaden zufügen. Dieses Verbot wird in den Ziffern 1 – 4 präzisiert: Werbung darf danach zum Beispiel keine direkten Kaufappelle an Minderjährige enthalten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen, Minderjährige nicht unmittelbar auffordern, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Waren/Dienstleistungen zu bewegen, nicht das besondere Vertrauen ausnutzen, das Minderjährige zu Eltern, Lehrern oder anderen Vertrauenspersonen haben, Minderjährige nicht ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen zeigen. 22 Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring im Fernsehen in der Neufassung vom 10.02.2000; abrufbar unter http://www.kjm-online.de/files/pdf1/Werberichtlinien_Fernsehen.pdf (Stand: 15.07.2010). 23 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) vom 10. bis 27.9.2002 (GBl. S. 93), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Elften Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 12. Juni 2008 (GBI. 2008, S. 337), in Kraft getreten am 01.01.2009. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 16 § 6 Abs. 3 JMStV bestimmt, dass Werbung, deren Inhalt geeignet ist, die Entwicklung von Minderjährigen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen , getrennt von Angeboten zu erfolgen hat, die sich an Minderjährige richten. § 6 Abs. 4 JMStV regelt, dass Werbung, die sich auch an Minderjährige richtet oder bei der Minderjährige als Darsteller eingesetzt werden, nicht den Interessen von Minderjährigen schaden oder deren Unerfahrenheit ausnutzen darf. § 6 Abs. 5 JMStV bestimmt, dass sich Werbung für alkoholhaltige Getränke in elektronischen Medien und Werbung für Tabak in Telemedien nicht an Minderjährige richten noch durch die Art der Darstellung Minderjährige besonders ansprechen oder diese beim Genuss von Alkohol oder Tabak darstellen darf. Die Absätze 1 - 5 gelten gemäß § 6 Abs. 6 JMStV entsprechend auch für das Teleshopping. Teleshopping darf darüber hinaus Minderjährige nicht dazu anhalten, Kauf- oder Miet- bzw. Pachtverträge für Waren und Dienstleistungen zu schließen. Die gesetzlichen Anforderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages werden durch die Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten konkretisiert. Nachrichtlich ist auch auf die ARD-Richtlinien für Werbung, Sponsoring, Gewinnspiele und Produktionshilfe24 und die ARD- Richtlinien zur Sicherung des Jugendschutzes25 hinzuweisen. 3.1.7. Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten Die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und des Jugendschutzes (Jugendschutzrichtlinien- JuSchRiL)26 sind am 2. Juni 2005 in Kraft getreten. Darin ist festgehalten, dass für Werbung in Rundfunk und in Telemedien die sonstigen Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (insbesondere §§ 4 und 5 JMStV), die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages (insb. § 44 Abs. 1 RStV) und des Mediendienste- Staatsvertrages (§ 13 MDStV) gelten. Jugendschutzsatzung (JSS) 24 ARD-Richtlinien für Werbung, Sponsoring, Gewinnspiele und Produktionshilfe in der Fassung vom 12.03.2010; abrufbar unter http://www.br-online.de/content/cms/Universalseite/2008/03/06/cumulus/BR-online-Publikation -ab-01-2010--85807-20100401171432.pdf. 25 ARD-Richtlinien zur Sicherung des Jugendschutzes vom 22. Juni 1988 in der Fassung vom 16. Juni 2003; abrufbar unter http://www.br-online.de/content/cms/Universalseite/2008/03/06/cumulus/BR-online-Publikation-- 95598.pdf. 26 LFK – Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und des Jugendschutzes (Jugendschutzrichtlinien - JuSchRiL) vom 8./9. März 2005 erlassen auf der Grundlage des § 15 Abs. 2, des § 8 Abs. 1 und des § 9 Abs. 1 des Staatsvertrags über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV) vom 10./27. September 2002; abrufbar unter http://www.lfk.de/fileadmin/media/recht/Jugendschutzrichtlinien.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 17 3.2. Nicht-medienspezifische Vorschriften zur Lebensmittelwerbung 3.2.1. Jugendschutzgesetz Gemäß § 11 Abs. 5 des Jugendschutzgesetz (JuSchG) 27 darf Tabak- und Alkoholwerbung im Kino erst nach 18.00 Uhr vorgeführt werden. 3.2.2. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)28 sind im § 3 mehrere Verbotstatbestände von besonderer Bedeutung: Erfüllt eine geschäftliche Handlung eines Unternehmens gegenüber einem Verbraucher einen der dreißig Tatbestände der so genannten „Schwarzen Liste“ des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, ist dieses Verhalten stets und ohne Bewertung der Umstände des Einzelfalls unlauter. Nr. 28 der “Schwarzen Liste” verbietet dabei die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen. Nach Auffassung des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft bleibt abzuwarten, wie die Gerichte und in letzter Konsequenz der EuGH diese strenge Vorgabe auslegen werden. So ist noch nicht unmittelbar eindeutig, wie der Begriff “Kind” richtlinienkonform auszulegen ist. Noch nicht vollständig geklärt ist demnach auch, was unter einer “unmittelbaren Aufforderung” zu verstehen ist. Viel spreche dafür, unter Kindern nur Minderjährige bis zum 14. Lebensjahr zu verstehen und zudem eine direkte Kaufaufforderung dann anzunehmen, wenn sich der Werbende aus der Sicht der angesprochenen Kinder gezielt und persönlich an diese wendet, um sie zum Kauf zu veranlassen. Gleichwohl bestehe für die Unternehmen zunächst eine gewisse Rechtsunsicherheit. 29 Auch wenn ein Verhalten nicht unter die explizit aufgeführten Verbote der „Schwarzen Liste“ fällt, seien bestimmte geschäftliche Handlungen nach § 3 Abs. 1 UWG unlauter und damit verboten . Dies ist etwa der Fall, wenn eine Werbemaßnahme geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen . 27 Jugendschutzgesetz vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730), zuletzt geändert durch Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149). 28 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254). 29 Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Organisationen der Lebensmittelindustrie des Handels und der Medienwirtschaft, Kinder, Werbung und Ernährung - Fakten zum gesellschaftlichen Diskurs -, Mai 2008: 25, abrufbar unter http://www.zaw.de/doc/Positionspapier_Lebensmittel_200805.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 18 Eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielstatbeständen unlauteren Handelns enthalten dabei die §§ 4 – 6 UWG. Unlauter sind hiernach u. a. Werbemaßnahmen, mit denen die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck oder sonstigem unangemessenen unsachlichen Einfluss beeinträchtigt wird (§ 4 Nr. 1 UWG). Untersagt ist auch eine geschäftliche Handlung, mit der das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit oder die Leichtgläubigkeit - insbesondere von Kindern und Jugendlichen - oder die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern ausgenutzt wird (§ 4 Nr. 2 UWG). Irreführende Werbung ist unlauter nach §§ 3 Abs. 1, 5 UWG. Verboten sind damit etwa Angaben in der Werbung, die geeignet sind, einen nicht unerheblichen Teil der betroffenen Verkehrskreise irrezuführen. Hierunter fallen auch unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die Einhaltung eines Verhaltenskodex, § 5 Abs. 1 S.2 Nr. 6 UWG. Irreführend kann eine Werbeaussage selbst dann sein, wenn sie objektiv richtig ist, die Umworbenen jedoch unrichtige Vorstellungen mit ihr verbinden. Irreführend kann zudem auch das Vorenthalten von Informationen sein, wenn dies kraft Gesetz (§ 5 a Abs. 3, 4 UWG) oder nach Maßgabe des Einzelfalls als wesentlich einzustufen ist (§ 5 a Abs. 2 UWG). Schließlich sind geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern auch dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung spürbar zu beeinträchtigen , § 3 Abs. 2 S.1 UWG. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen die vorgenannten Bestimmungen des § 3 Abs. 3, Abs. 1 UWG vorliegt. Im Hinblick auf die Anwendung dieses Auffangtatbestands werden Selbstregulierungskodizes zur Konkretisierung des Merkmals der fachlichen Sorgfalt zukünftig besondere Bedeutung erlangen. Beurteilungsmaßstab für sämtliche vorgenannten Verbote ist grundsätzlich der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (§ 3 Abs. 2 S. 2 UWG). Sofern sich eine Werbemaßnahme an eine bestimmte, abgrenzbare Gruppe wendet (z.B. Kinder, Sportler, Fachkreise), kommt es auf das Durchschnittsverständnis innerhalb dieser Gruppe an. Konkretisierend hierzu bestimmt § 3 Abs. 2 S. 3 UWG, dass es auf den Verständnishorizont eines Durchschnittsmitglieds einer aufgrund des Alters oder der Leichtgläubigkeit besonders schutzbedürftigen Gruppe ankommt, wenn für den Werbenden vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Kommunikation nur diese Gruppe betrifft. 3.2.3. Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)30 regelt das spezialgesetzliche Verbot irreführender Werbung für Lebensmittel. Hierbei werden in § 11 LFG, Nummern 1 - 4 beispielhaft einige Irreführungsfälle aufgelistet: 30 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 2009 (BGBl. I S. 2205), geändert durch die Verordnung vom 3. August 2009 (BGBl. I S. 2630). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 19 Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB liegt eine Irreführung der Umworbenen vor, wenn zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen und sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB verbietet die Irreführung durch Hinweise bestimmter Wirkungen. Eine Irreführung liegt dann vor, wenn Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Eine Irreführung ist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 LFGB ferner anzunehmen, wenn zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften hat, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften aufweisen. § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB bestimmt schließlich, dass einem Lebensmittel nicht der Anschein eines Arzneimittels gegeben werden darf. Zur Irreführung i. S. d. § 11 LFGB genügt ebenfalls die bloße Eignung zur Täuschung; auf eine tatsächliche Täuschung oder gar eine Schädigung der Verbraucher kommt es nicht an. § 12 LFGB ergänzt die Bestimmungen des § 11 LFGB. Die Vorschrift dient dem Gesundheitsschutz und soll verhindern, dass der medizinische Laie, statt im Krankheitsfall den Arzt aufzusuchen , durch den Verzehr von Lebensmitteln versucht, seine Leiden zu heilen. § 12 Abs.1 LFGB enthält einen abschließenden Verbotskatalog von sieben Tatbeständen, deren wichtigster in Nr. 1 bestimmt, dass Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen, generell verboten sind. Unzulässig sind beispielsweise auch Hinweise auf Krankengeschichten (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 LFGB) oder die Verwendung von Aussagen, die geeignet sind, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen (§ 12 Abs.1 Nr. 6 LFGB). Die in § 12 LFGB erfassten Aussagen sind unabhängig davon, ob sie sachlich zutreffend sind oder nicht, verboten (abstraktes Gefährdungsdelikt). Insofern geht die Vorschrift über den eigentlichen Täuschungsschutz nach § 11 LFGB, § 3 i. V. m. § 5 UWG hinaus. § 12 LFGB wendet sich nicht gegen jede Form gesundheitsbezogener Aussagen, sondern erfasst nur krankheitsbezogene Werbung. Krankheit ist dabei jede, auch geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit/ Tätigkeit des Körpers. Allein gesundheitsbezogen und somit nach deutschem Recht (bislang noch) zulässig ist eine Werbung, die lediglich den in der Erhaltung oder Kräftigung der Gesundheit liegenden Wert eines Lebensmittels herausstellt. Lebensmittel dürfen aber nicht werbemäßig zu Zwecken eingesetzt werden, denen sie ihrer Bestimmung nach regelmäßig nicht dienen können, nämlich als Quasi-Arzneimittel. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 20 3.2.4. Verordnung (EG) über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (VNGA)31 dient im Wesentlichen dazu, nährwert- und vor allem gesundheitsbezogene Lebensmittelwerbung zu regulieren – insbesondere durch Zulassungsverfahren und die Festlegung von „wissenschaftlichen“ Anforderungen. Die Verwendung einzelner Angaben wird von unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen abhängig gemacht. Gleichzeitig treten Werbeverbote und zusätzliche Kennzeichnungspflichten in Kraft. Damit soll eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung als wesentliche Voraussetzung für eine gute Gesundheit gefördert werden .32 Durch verschiedene Übergangsfristen wird die Verordnung voraussichtlich ab 2010/2011 vollständig anwendbar sein. Gesundheits- und nährwertbezogene Angaben in der Werbung sind danach nur noch zulässig, wenn sie ausdrücklich erlaubt wurden. Die Zulässigkeit von nährwertund gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung hängt nach Art. 4 VNGA davon ab, ob das betreffende Lebensmittel einem bestimmten Nährwertprofil entspricht. Diese „Steckbriefe für Lebensmittel “ orientieren sich an dem Gehalt von Zucker, Fett und Salz des Lebensmittels. Für Nahrungsmittel, die dem Profil nicht entsprechen, sind nährwertbezogene Angaben nur dann zulässig, wenn lediglich ein einziger Nährstoff das Profil überschreitet und auf derselben Seite und genauso deutlich sichtbar wie die nährwertbezogene Angabe auf den nicht profilkonformen Nährstoff hingewiesen wird (Art 4 Abs. 2 b VNGA). Nährwertbezogene Angaben müssen im Anhang der Verordnung aufgeführt sein (Positivliste, Art. 8 VNGA). Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur noch verwendet werden, wenn (u. a.) das betreffende Lebensmittel das Nährwertprofil nicht übersteigt, die konkrete Angabe wissenschaftlich belegt ist, nach einem eigens festgelegten Verfahren genehmigt und in eine Gemeinschaftsliste zugelassener Angaben aufgenommen worden ist (Art. 13 VNGA). Allgemeine, nicht spezifische gesundheitsbezogene Aussagen zu einem Nährstoff oder Lebensmittel sind nur dann zulässig, wenn ihnen eine nach der Verordnung zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 VNGA). Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos sowie Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern sind zulässig nach Durchlaufen eines speziellen Zulassungsverfahrens und Aufnahme in die sog. Gemeinschaftsliste (Art. 14 Abs. 1 VNGA). Die Verordnung sieht ferner ein generelles Verbot gesundheitsbezogener Angaben bei alkoholhaltigen Getränken von mehr als 1,2 Volumenprozent vor; nährwertbezogene Angaben sind nur zulässig, wenn sie sich auf eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder des Brennwerts beziehen (Art. 4 Abs. 3 VNGA) (ZAW 2008:24 f.) 31 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (VNGA). 32 Hagenmeyer , Moritz, Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Abschnittes aus dem Beitrag „Erziehung durch Kennzeichnung und Werbung“ aus Ernährungs Umschau 2/2008, 96, 97-99; abrufbar unter http://dge-sachsen.de/site-assistent/cms-admin/user/file_transfer /30._EFT_-_Skript_Hagenmeyert.pdf. (Stand: 15.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 21 3.2.5. Nährwert-Kennzeichnungsverordnung Die Nährwert-Kennzeichnungsverordnung - NKV33 regelt nach § 1 Abs. 1 die nährwertbezogenen Angaben im Verkehr mit Lebensmitteln und in der Werbung für Lebensmittel sowie die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, soweit sie zur Abgabe an Verbraucher bestimmt sind. Dem Verbraucher stehen Gaststätten, Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung sowie Gewerbetreibende , soweit sie Lebensmittel zum Verbrauch innerhalb ihrer Betriebsstätte beziehen, gleich. § 4 Abs. 1 NKV schreibt vor, dass derjenige, der nährwertbezogene Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendet, den Brennwert und den Gehalt an Eiweiß, Kohlenhydraten und Fett des beworbenen Lebensmittels in der Nährwertkennzeichnung anzugeben hat. § 6 Abs. 1 NKV enthält als spezialgesetzliche Regelung einen abstrakten Irreführungstatbestand und verbietet die sog. Schlankheitswerbung. Danach ist es verboten, in der Werbung für Lebensmittel Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen zu verwenden, die darauf hindeuten, dass ein Lebensmittel schlankmachende, schlankheitsfördernde oder gewichtsverringernde Eigenschaften besitzt (ausgenommen hiervon ist die Werbung für diätetische Lebensmittel) (ZAW 2008: 25). 3.2.6. Diätverordnung Auch in der Diätverordnung (DiätV)34 gibt es Vorgaben zur Werbung. Nach § 2 Abs. 1 DiätV dürfen in der Werbung für andere als diätetische Lebensmittel Bezeichnungen wie „diätetisch“ oder sonstige Angaben, die den Eindruck erwecken könnten, dass es sich um ein diätetisches Lebensmittel handelt, nicht verwendet werden. Die zulässigen Ausnahmen von dieser Bestimmung sind in § 2 Abs. 2 DiätV geregelt. 3.2.7. Weingesetz Das Weingesetz (WeinG)35 sieht in § 25 ein umfassendes Verbot irreführender Werbung für Weinerzeugnisse vor. Danach dürfen Weinerzeugnisse nicht mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, Aufmachungen oder sonstigen Angaben zum Gegenstand der Werbung gemacht werden . § 25 Abs. 2 und Abs. 3 WeinG listen einen beispielhaften, nicht abschließenden Katalog irreführender Werbung auf. 33 Nährwert-Kennzeichnungsverordnung - NKVvom 25. November 1994 (BGBl. I S. 3526), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 1. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3221). 34 Diätverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 2005 (BGBl. I S. 1161), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 19. März 2010 (BGBl. I S. 286). 35 Weingesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 985), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2416). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 22 3.2.8. Vorläufiges Tabakgesetz Im Vorläufigen Tabakgesetz36 sind Regelungen zur Tabakwerbung enthalten, die sich generell auf inhaltliche Darstellungen und auf bestimmte Medien beziehen. So können nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 d) Vorgaben gemacht werden, dass in der Werbung für bestimmte Tabakerzeugnisse Angaben über den Gehalt an bestimmten Rauchinhaltsstoffen zu verwenden sind. § 21a Vorläufiges Tabakgesetz enthält Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2003/33/EG37. Nach § 21a Abs. 2 ist es verboten, für Tabakerzeugnisse im Hörfunk zu werben und nach Abs. 3 ist es verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben. Hierbei gibt es jedoch Ausnahmen. Nach § 21b Abs. 4 ist im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Kommunikation ist jede sonstige Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation für Tabakerzeugnisse verboten. 3.2.9. Heilmittelwerbegesetz Das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz - HWG)38 enthält auch eine Schutzvorschrift, die auf Kinder unter 14 Jahren abzielt. So darf nach § 11 Abs. 1 Nr. 12 HWG "außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht mit Werbemaßnahmen geworben werden, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richten". 36 Vorläufiges Tabakgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1997 (BGBl. I S. 2296), geändert durch das Gesetz vom 6. Juli 2010 (BGBl. I S. 848). 37 Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 152 vom 20.6.2003, S. 16). 38 Heilmittelwerbegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3068), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. April 2006 (BGBl. I S. 984). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 23 3.3. Freiwillige Verhaltensregeln 3.3.1. Deutscher Werberat Der Deutsche Werberat39 hat eine Reihe von Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel aufgestellt.40 Hierbei sind allgemeine Grundsätze und spezielle Regeln in Bezug auf Kinder festgelegt worden. 1. Allgemeine Grundsätze 1. 1. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll so gestaltet sein, dass das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität der beworbenen Produkte nicht missbraucht wird. 1.2. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll einem gesunden, aktiven Lebensstil nicht entgegenwirken. 1.3. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll einer ausgewogenen, gesunden Ernährung nicht entgegenwirken. 1.4. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll nicht zu einem übermäßigen oder einseitigen Konsum der beworbenen Produkte auffordern. 1.5. Kommerzielle Kommunikation für ein Lebensmittel, das Nährstoffe oder Substanzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung enthält, deren übermäßige Aufnahme im Rahmen der Gesamternährung nicht empfohlen wird, soll den Verzicht auf den Konsum dieser Lebensmittel nicht abwertend darstellen. 2. Kinder Bei der an Kinder gerichteten kommerziellen Kommunikation sind zusätzlich zu den Grundsätzen nach Ziffer 1 die nachfolgenden Regeln zu beachten. Hierbei muss die geschäftliche Unerfahrenheit und Schutzbedürftigkeit dieser Personengruppe berücksichtigt werden. 2.1. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll keine direkten Aufforderungen zum Kauf oder Konsum an Kinder enthalten. 2.2. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll keine direkte Aufforderung an Kinder enthalten, ihre Eltern, sonstige Erwachsene oder andere Kinder zum Kauf des beworbenen Produkts zu bewegen. 39 Der Deutsche Werberat ist eine Institution der 40 vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) vertretenen Organisationen der werbenden Firmen, Medien, Agenturen, Werbeberufe und Forschung. Er wird von allen relevanten Marktbeteiligten der Werbewirtschaft getragen. Weitere Informationen können abgerufen werden unter http://www.werberat.de/content/Konstruktion.php. (Stand: 15.07.2010). 40 Deutscher Werberat, Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel, Fassung vom Juli 2009, abrufbar unter http://www.zaw.eu/doc/DW_Flyer_Lebensmittel.pdf. (Stand: 15.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 24 2.3. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll nicht das besondere Vertrauen ausnutzen , das Kinder Vertrauenspersonen wie z.B. Eltern und Lehrern entgegenbringen. 2.4. Die an Kinder gerichtete kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll Verkaufsförderungsmaßnahmen (z.B. Zugaben) und aleatorische Werbemittel (z.B. Gewinnspiele und Preisausschreiben) nicht in einer Weise einsetzen, die die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern ausnutzt. Insbesondere soll die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel Kinder nicht durch übermäßige Vorteile in unangemessen unsachlicher Weise anlocken. 2.5. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll Kindern nicht suggerieren, für eine vollständige und ausgewogene Mahlzeit sei der Verzehr eines bestimmten Lebensmittels unersetzlich . 2.6. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll dem Erlernen eines gesunden, aktiven Lebensstils durch Kinder nicht entgegenwirken. 2.7. Kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel soll dem Erlernen einer ausgewogenen, gesunden Ernährung durch Kinder nicht entgegenwirken. Europarechtliche Fragen sind wie folgt zu stellen Empfehlung 98/560/EG des Rates vom 24. September 1998 zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Industriezweigs der audiovisuellen Dienste und Informationsdienste durch die Förderung nationaler Rahmenbedingungen für die Verwirklichung eines vergleichbaren Niveaus in Bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde [Amtsblatt L 270 vom 7. Oktober 1998] Diese Empfehlung aus dem Jahr 1998 ist der erste gemeinschaftliche Rechtsakt, der die Inhalte von audiovisuellen Diensten und Informationsdiensten und den Schutz von Minderjährigen sowie den Schutz der Menschenwürde zum Gegenstand hat. 3.3.2. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)41 führt freiwillige Prüfungen für Filme, Videokassetten und sonstige Bildträger (z. B. DVDs) durch, die in Deutschland für die öffentliche Vorführung bzw. Zugänglichmachung vorgesehen sind. Für die Jugendfreigabe ist eine gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung erforderlich, die von der FSK im Auftrag der Obersten Landesju- 41 Die FSK befindet sich in der Rechts- und Verwaltungsträgerschaft der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. Weitere Informationen können abgerufen werden unter http://www.spio.de/index.asp?SeitID=2. (Stand: 16.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 25 gendbehörden vorgenommen wird. Werbefilme, wie Spielfilme, die im Kino gezeigt werden, unterliegen ebenfalls einer Prüfung zur Klassifizierung nach Altersgruppen. Die Freigabe erfolgt durch die FSK nach § 11 JuSchG.42 3.3.3. Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ist ein gemeinnütziger Verein privater Fernsehanbieter in Deutschland. Ziel der FSF ist es, einerseits durch eine Programmbegutachtung den Jugendschutzbelangen im Fernsehen gerecht zu werden und andererseits durch medienpädagogische Aktivitäten, Publikationen und Unterstützung von Forschungsarbeiten den bewussteren Umgang mit dem Medium Fernsehen zu fördern. 43 Für das private Fernsehen verfolgt das Jugendmedienschutzmodell des JMStV einen Ko-Regulierungsansatz , bei dem im System hoheitlicher Kontrolle eine Selbstkontrolle eingebettet ist. Wichtige Norm hierfür ist § 19 JMStV (Scheunert 2009: 191). Die FSF kann für ihre Mitglieder Sendezeitbeschränkungen für jugendbeeinträchtigende Rundfunksendungen festlegen (§8 JMStV) und Ausnahmen von den gesetzlichen Sendezeitbeschränkungen des § 5 Abs. 2 i. V. mit Abs. 4 JMStV gestatten. 4. Zusammenfassende Bewertung Wie oben aufgelistet – wobei die Aufstellung im Rahmen dieser Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann – finden sich in einer Vielzahl von medienspezifischen und nicht medienspezifischen Vorschriften Regelungen zur Lebensmittelwerbung, die zum Teil speziell dem Schutz der Gesundheit Minderjähriger dienen. Sie profitieren zudem von dem Schutz, der generell allen Konsumenten auf der Grundlage der Vorschriften zu Gute kommen soll. 4.1. Gesetzgebungskompetenz Wie im Gliederungspunkt 3.1.1. 44 dargestellt kann dem Bund aus Art. 74 Abs. 1 Nr.7 GG keine Kompetenz für den Jugendschutz im Bereich der elektronischen Medien zugesprochen werden. Dagegen ist davon auszugehen, dass von der Länderkompetenz für den Rundfunk kraft Sachzusammenhang auch Regelungen zum Jugendschutz im Rundfunk erfasst sind. Das bedeutet, dass 42 Zu rechtlichen Fragen von Werbeformen im Kino vgl. Schweiker, Julia, Werberecht in Film und Fernsehen, Rechtliche Aspekte, Werbeformen, Haftungen und Richtlinien zur Herstellung einer Werbefilmproduktion anhand des Produktionsablaufes, Diplomarbeit, Hochschule für Film- und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam- Babelsberg Berlin, Juli 2004: 12, abrufbar unter http://opus.kobv.de/hff/volltexte/2006/29/pdf/Diplom_Julia _Schweiker.pdf. (Stand: 16.07.2010). 43 Weitere Informationen zur FSF können abgerufen werden unter http://www.fsf.de/fsf2/ueber_uns/fsf.htm. 44 S. 12 der vorliegenden Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 26 eine Werbebeschränkung in der Art des britischen Beispiels in die Zuständigkeit der Länder fallen würde. Die Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht liegt inzwischen bei den Bundesländern allein. Der Bund hatte bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform am 1. September 2006 nach dem Grundgesetz die Kompetenz, ein Presserechtsrahmengesetz zu erlassen. Von dieser Möglichkeit hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht45. Wie im Gliederungspunkt 3.1.1. dargestellt kommen aber auch für die Fernsehwerbung Bundesgesetze zur Anwendung. Dies ist darin begründet, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 (Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln ) und Nr. 20 (Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln und Bedarfsgegenständen) GG von seinem Gesetzgebungsrecht nach Art. 72 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht hat. Im Jugendschutzgesetz , das ebenfalls ein Bundesgesetz ist, gibt es Vorgaben zur Kinowerbung (vgl. Gliederungspunkt 3.21. der vorliegenden Arbeit.) Als vorläufiges Ergebnis der kompetenzrechtlichen Erwägungen und insbesondere auf der Grundlage der bisher erlassenen werbebezogenen Rechtsvorschriften auf Bundes- und auf Länderebene könnten Gesetzgebungsinitiativen für neue Werbebeschränkungen in der in Rede stehenden Art auf beiden Zuständigkeitsebenen gerechtfertigt werden. 4.2. Altersgruppe Folgte man der britischen Argumentation für die Werbebeschränkung im Fernsehen, dass zum einen Erwachsene informierte Entscheidungen über Werbebotschaften treffen können und zum anderen ein generelles Verbot unverhältnismäßig und für sich allein unwirksam ist, müsste der Personenkreis der „Minderjährigen“ als Zielgruppe in Erwägung gezogen werden. Dann spricht vieles für den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag als Regelungsstandort einer Werbebeschränkung , die für elektronische Informations- und Kommunikationsmedien (Rundfunk und Telemedien) gilt. In Großbritannien wurde der Personenkreis auf „Kinder“ unter 16 Jahren festgelegt. In Deutschland wären in diese Altersgruppe schon Personenkreise erfasst, die zu den Jugendlichen zählen. So sind nach den Begriffsbestimmungen im Jugendschutzgesetz und im Jugendmedienschutz- Staatsvertrag Kinder Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind, und Jugendliche Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. In der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste wird die Zielgruppe Minderjährige genannt. Wer minderjährig ist, bestimmt sie jedoch nicht. In Deutschland wären damit Personen unter 18 Jahren erfasst, die noch nicht volljährig sind. Die Festlegung einer Altersgrenze für eine Werbebeschränkung in diesem Fall müsste einer politischen Entscheidung unterliegen. 45 Wikipedia, Artikel Presserecht, abrufbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Presserecht; (Stand: 19.07.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 27 4.3. Medium Ein Bundesgesetz z. B. im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 (Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln und Bedarfsgegenständen) GG hätte den Vorteil, dass es sich auf Werbung insgesamt und nicht auf ein Medium speziell richten muss. Sollte jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen nur ein bestimmtes Medium allein angesprochen werden, wie z. B. Fernsehen, das auf Kinder sicherlich einen großen Einfluss hat, so würde wie oben empfohlen, eine entsprechende Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags nahe liegen . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/078-10 Seite 28 5. Literaturverzeichnis Advertising Standards Authority (ASA) – Who we are unter http://www.asa.org.uk/About- ASA/Who-we-are.aspx. (Stand: 13.07.2010). ARD-Richtlinien für Werbung, Sponsoring, Gewinnspiele und Produktionshilfe in der Fassung vom 12.03.2010; abrufbar unter http://www.br-online.de/content/cms/Universalseite /2008/03/06/cumulus/BR-online-Publikation-ab-01-2010--85807-20100401171432.pdf. ARD-Richtlinien zur Sicherung des Jugendschutzes vom 22. Juni 1988 in der Fassung vom 16. Juni 2003; abrufbar unter http://www.br-online.de/content/cms/Universalseite /2008/03/06/cumulus/BR-online-Publikation--95598.pdf. BVerGE 57, 295 (326). BVwGE 85, 169 ff, DVBl. 1990, 933. Deutscher Werberat, http://www.werberat.de/content/Konstruktion.php. 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