© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 073/20 Religiöse und weltanschauliche Hochschulgruppen an Hochschulund Universitätsstandorten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Unterfall der Anstaltsseelsorge 9 6. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 4 1. Einleitung Hochschulen und Universitäten bieten ihren Studierenden regelmäßig die Möglichkeit, sich als eine Hochschulgruppe zusammenzuschließen und so von der hochschulischen bzw. universitären Infrastruktur zu profitieren. Solche Hochschulgruppen stehen grundsätzlich auch für religiöse Interessenvereinigungen zur Verfügung: so gibt es zum Beispiel an der Universität Hamburg sieben religiöse Hochschulgemeinden.1 Laut Angaben der Studentenmission Deutschland e. V. hätten religiöse Hochschulgruppen zunehmend Schwierigkeiten, an Universitäten aktiv zu sein. U. a. würden Standeinsätze, Hörsalvorträge, die Nutzung von Räumlichkeiten nicht mehr genehmigt und sogar die Akkreditierung versagt. Es seien inzwischen 38 Konfliktfälle an 28 Universitäten bekannt.2 Vor diesem Hintergrund sind die Fragen zu beantworten, ob religiöse und weltanschauliche Hochschulgemeinden ein Bestandsrecht sowie ein Recht auf Nutzung der universitären Infrastruktur haben. 2. Der Schutzbereich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit Zunächst ist zu klären, ob religiöse und weltanschauliche Hochschulgemeinden dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit im Sinne von Art. 4 Abs. 1, 2 Grundgesetz3 (GG) unterfallen. 2.1. Die (kollektive) Glaubensfreiheit Artikel 4 Abs. 1, 2 GG schützt die Religions-, Weltanschauungs- und Gewissensfreiheit. Das bezieht die jeweilige Ausübung mit ein. Religion wird definiert als „ein existentielles Verständnis der Welt und des Sinns menschlichen Lebens, das sich nicht oder nicht vollständig mit einer Erfahrung und einer damit korrespondierenden rationalen Begründung des Daseins deckt, sondern seine Evidenzüberzeugung und Identitätsvorstellung aus anderen Quellen als der allgemeinen 1 Universität Hamburg, „Hochschulgemeinden.“ Hier werden aufgeführt die Katholische Hochschulgemeinde Hamburg, die Evangelische Studierendengemeinde, die Buddhisten der Sôka Gakkai, die Islamische Hochschulgemeinde E.V., die Hindu-Gemeinde Verehrer Vishnus, die Baha'i- Hochschulgruppe sowie die Studentenmission in Deutschland e.V., SMD-Gruppe Hamburg, abrufbar unter https://www.uni-hamburg.de/campuscenter /campus-leben/freizeit.html. Die sowie alle anderen in die Ausarbeitung aufgeführten URL wurden zuletzt aufgerufen am 04.02.2021. 2 Enders, Christian, Religion in der Öffentlichkeit - Vom notwendigen Streit um die Anerkennung christlicher Hochschulgruppen, smd transparent, Nr. 03, September 2018, S. 2, https://www.smd.org/fileadmin/2_GE- SAMT-SMD/transparent/2018/TP_3_18_Web.pdf. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist (GG). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 5 intersubjektiven Argumentation oder gar aus dem speziellen wissenschaftlichen Methodenverständnis schöpft.“4 Die Religionsfreiheit beinhaltet ebenso die Bekenntnisfreiheit, die jede religiöse Betätigung nach außen, auch gegenüber Nicht- oder Andersgläubigen bis hin zu dem Versuch ihrer Missionierung schützt.5 Sie umfasst ebenfalls die religiösen Gemeinschaften bei entsprechenden Betätigungen im Rahmen des Art. 4 Abs. 1, 2 GG.6 Die Weltanschauungsfreiheit schützt ein ebenfalls umfassendes Gesamtbild der Menschheit und der Welt, welches aber eines übernatürlichen, etwa göttlichen Bezugs missen lässt.7 Der Umfang der Weltanschauungsfreiheit geht ebenso weit wie die der Religionsfreiheit.8 Die Betätigung religiöser oder weltanschaulicher Vereinigungen wie etwa Hochschulgemeinden spielt sich insbesondere in diesen beiden Bereichen ab. Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit werden unter dem Begriff Glaubensfreiheit zusammengefasst . 2.2. Die religiöse Vereinigungsfreiheit Artikel 140 GG i. V. m. 137 Abs. 2, 7 Weimarer Reichsverfassung (WRV) schützt die Vereinigung von Religionsgesellschaften (Art 137 Abs. 2 WRV) beziehungsweise von Weltanschauungsgemeinschaften (Art 137 Abs. 7 WRV). Als Religionsgesellschaft oder Religionsgemeinschaft wird ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss mindestens zweier Personen bezeichnet, der zu dem Zweck gegründet wurde, gemeinsam religiöse Überzeugungen zu betätigen und auf einem gewissen religiösen Konsens beruht. Der Zusammenschluss soll auf einem Bekenntnis von religiösen Überzeugungen nach außen abzielen und die Erfüllung von als verpflichtend empfundenen religiösen Aufgaben anstreben.9 Artikel 140 GG i. V. m. 137 Abs. 2, 7 WRV schützt nur die Gründung und den Bestand der Religionsgemeinschaft und nicht ihre Betätigung.10 Hochschulgemeinden sind keine Zusammenschlüsse, die die Betätigung ihres eigenen Glaubens nach außen (neu) definieren . Vielmehr handelt es sich um eine Interessengemeinschaft innerhalb einer Gruppe von Studierenden, die die Belange von Studierenden mit dem gemeinsamen religiösen Interesse verbinden soll. Damit leitet sich der Schutz der religiösen und weltanschaulichen Hochschulgemeinden aus der Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1, 2 GG gegebenenfalls i. V. m. Art. 9 Abs. 1, 2 GG ab. Diese be- 4 Di Fabio in Maunz/Dürig GG Kommentar, 92. EL August 2020, GG Art. 4, Rn. 62. 5 Ebd., Rn. 69. 6 Mager in v. Münch/Kunig GG Kommentar, 7. Aufl. 2021, GG Art. 4, Rn. 61. 7 Ebd., Rn. 25. 8 Ebd., Rn. 77. 9 Korioth in Maunz/Dürig GG Kommentar, 92. EL 2020, WRV Art. 137, Rn. 14. 10 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 6 schäftigen sich als Vereine nämlich mit einzelnen Aspekten ihres Glaubens im Kontext des Studiums und nicht mit einer gesamtheitlichen Erklärung des menschlichen Daseins.11 Das religiöse und weltanschauliche Vereinigungsrecht ist auch Bestandteil der individuellen Glaubensfreiheit und damit von Art. 4 Abs. 1, 2 GG umfasst.12 3. Einschränkbarkeit Die Glaubensfreiheit wird vorbehaltlos gewährleistet. Das bedeutet, dass Einschränkungen nur zum Schutze der Grundrechte von Dritten oder von Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang zulässig sein können (sog. verfassungsimmanente Schranken).13 Bei der vorliegenden Fragestellung könnten kollidierende Verfassungsgüter einerseits die religiös -weltanschauliche Neutralitätspflicht des Staates sein, die sich aus Art. 137 Abs. 1 und Art. 136 Abs. 1, 4 WRV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 3 Abs. 3 GG ableitet.14 Andererseits könnte die negative Glaubensfreiheit der Mitstudierenden, welche sich ebenfalls aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG ableitet, betroffen sein. Hochschulen und Universitäten haben als staatlich getragene Einrichtungen ebenfalls die den Staat bindenden Grundrechte zu beachten.15 3.1. Neutralitätsgebot Das Gebot zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates „untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger.“16 Durch diese Neutralität und Offenheit gegenüber religiös-weltanschaulichen Überzeugungen ermöglicht der Staat die freie Entfaltung der (religiös-weltanschaulichen) Persönlichkeit der Menschen. Dies beinhaltet nicht nur ein Abstandnehmen von einer eigenen religiösen oder weltanschaulichen Positionierung des Staates, sondern insbesondere auch die Förderung der Glaubensbetätigungen.17 Das gerade dem Schutz der Glaubensfreiheit dienende Neutralitätsgebot geht von einem „freiheitliche [n], loyale[n] und vernünftige[n] Zusammenwirken“18 von Staat und Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften aus. 11 Korioth in Maunz/Dürig GG Kommentar, 92. EL 2020, WRV Art. 137, Rn. 16. 12 Ebd., Rn. 11. 13 BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 BvR 471/10 - , - 1 BvR 1181/10 – „Kopftuch II“, Rn. 98. 14 Ebd., Rn. 109. 15 Vgl. Art. 1 Abs. 3 GG. 16 BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 BvR 471/10 - , - 1 BvR 1181/10 – „Kopftuch II“, Rn. 109. 17 Vgl. Ebd., Rn. 110. 18 Unruh in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Kommentar, 7. Aufl. 2018, GG Art. 140, Rn. 39. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 7 Bei den Hochschulgemeinden handelt es sich regelmäßig um Zusammenschlüsse in der Form von eingetragenen Vereinen, welche grundsätzlich auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Hochschule oder Universität gegründet werden können. Die Zuordnung zur Hochschule oder Universität gibt den Vereinen aber die Möglichkeit, von der universitären Infrastruktur zu profitieren. Dazu gehören etwa Räumlichkeiten, finanzielle Mittel, die speziell für die Hochschulgruppen zur Verfügung stehen, Veranstaltungs- und IT-Möglichkeiten und sonstige Gerätschaften . Grundsätzlich ist die Nutzungsgewährung Sache des Hausrechts der Hochschulen und Universitäten. Wird der Zusammenschluss von Studierenden nicht gefördert oder sogar untersagt, wird ihnen z. B. die Möglichkeit genommen, ihre Interessen in einem eigentlich gemeinsam zur Verfügung stehenden Raum und Kontext der Hochschule oder Universität auszuleben. Den Gruppen bliebe nur die Möglichkeit, auf Räumlichkeiten und Infrastruktur anderer, regelmäßig kommerzieller Anbieter zurückzugreifen, was dem universitären und unabhängigen Charakter der Gruppierung abträglich wäre. Es spricht also viel dafür, dass es für die Interessenausübung der Studierenden von besonderer Bedeutung ist, von der Hochschule oder Universität eine angemessene Unterstützung zu erhalten . Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um grundrechtlich geschützte Interessenausübung wie die der Religions- und Weltanschauungsfreiheit geht. Neutralität bedeutet in diesem Kontext also gewähren lassen. Toleranz gegenüber Hochschulgruppen mit verschiedenen Konfessionen (auch der christlichen) ist vom Gebot der staatlichen Neutralitätspflicht umfasst. Eine Einschränkung vor diesem Hintergrund ist vorliegend daher nicht denkbar. 3.2. Negative Glaubensfreiheit der Mitstudierenden Artikel 4 Abs. 1 GG schützt aber auch das Recht, keiner Religion anzugehören und „nicht zu glauben.“19 Das Recht der negativen Religionsfreiheit wird mitunter gleichgesetzt mit dem Recht der positiven Weltanschauungsfreiheit,20 was den Gehalt des Grundrechts aber inhaltlich nicht berührt. Unter die negative Glaubensfreiheit könnte auch fallen, dass Menschen und in diesem Fall Studierende das Recht haben, im Hochschul- bzw. Universitätsalltag nicht mit Hochschulgemeinden und deren religiösen und weltanschaulichen Sichtweisen konfrontiert zu werden. Allerdings geht diese Interpretation der negativen Glaubensfreiheit nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu weit. Die negative Glaubensfreiheit schützt zwar das Nichtglauben; sie schließt aber nicht aus, dass man in einem universitären Kontext, genauso wie in jedem anderen Kontext, die Glaubensausübung anderer tolerieren muss.21 Solange die Lehre oder die Hochschule bzw. Universität sich nicht selbst mit einer Religion oder Weltanschauung identifiziert, sind die Mitstudierenden von der Existenz und der Glaubensbetätigung der Hochschulgemeinden nicht in ihrer negativen Glaubensfreiheit betroffen. Zusätzlich ist zu beachten, dass die 19 Kokott in Sachs GG Kommentar, 8. Aufl. 2018, GG Art. 4, Rn. 29. 20 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Kommentar, 7. Aufl. 2018, GG Art. 4, Rn. 23. 21 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 BvR 471/10 - , - 1 BvR 1181/10 – „Kopftuch II“, Rn. 116. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 8 Hochschulgemeinden als Private agieren; gebunden an die negative Religionsfreiheit ist aber nur der Staat oder in diesem Fall die Hochschule bzw. Universität. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Hochschulgemeinden aktive Missionierungsversuche bei Mitstudierenden unternehmen. Als religiös-weltanschaulich neutraler Raum, müssen Hochschulen und Universitäten dafür Sorge tragen, dass ihre Studierenden nicht ein Bekenntnis aufgezwungen bekommen und stets die Möglichkeit haben, sich räumlich oder gedanklich dem ausgeübten Glauben anderer zu entziehen.22 Das ist sowohl vor dem Hintergrund der staatlichen Neutralität als auch der negativen Religionsfreiheit der Studierenden zu beachten. Es ist jedoch der aktive Missionierungsversuch vom bloßen Werben für die Hochschulgemeinde zu unterscheiden . Zusätzlich muss der Missionierungsversuch unbedingt im Kontext der Hochschule stattfinden , damit von einem Grundrechtseingriff gesprochen werden kann. Wäre es anders, handelte es sich bloß um private Missionierungsversuche von nicht grundrechtsverpflichteten Dritten. 4. Der Gleichbehandlungsgrundsatz Sollten explizit andere Hochschulgemeinden und deren Aktivitäten zugelassen werden, während christlichen Hochschulgruppen die Akkreditierung versagt wird, würde diese eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art 3 Abs. 1, 3 S. 1 GG darstellen. In Verbindung mit dem Neutralitätsgebot sind Hochschulen und Universitäten demnach verpflichtet, Hochschulgemeinden , egal welchen Glaubens, gleich weitreichende Möglichkeiten einzuräumen.23 5. Anspruch auf Zulassung einer Hochschulgemeinde Aus dem bereits Gesagten lässt sich schließen, dass eine Untersagung der Betätigung von Hochschulgemeinden im hochschulischen und universitären Kontext einen Eingriff in die Glaubensfreiheit der gründungswilligen Studierenden darstellt, der weder mit der negativen Glaubensfreiheit der Mitstudierenden, noch mit der Neutralitätspflicht des Staates zu rechtfertigen ist. 22 Vgl. Friedrich, Lutz „Über Kreuz mit der Verfassung? Das Gebot religiöser Neutralität des Staates am Beispiel der neuen ‚Kreuzpflicht‘ für Dienstgebäude des Freistaats Bayern“ NVwZ 2018, 1007, 1008 f. 23 Lorentz, Stefan „Zwischen Religionsfreiheit und Neutralität: Die Hochschulseelsorge aus der Sicht des Religionsverfassungsrechts “ in Wort und Antwort, Dominikanische Zeitschrift für Glauben und Gesellschaft, 56. Jahrgang , Heft 1, 2015, S. 10 ff., hier: S. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 9 5.1. Staatskirchenrechtliche Verträge Es gibt staatskirchenrechtliche Verträge, die den Staat an die getroffenen Regelungen mit den Kirchen binden. Hier gibt es aber keine expliziten Vereinbarungen, die die Hochschulgemeinden betreffen , weshalb hieraus keine Anspruchsgrundlage für ihre Gründung abgeleitet werden kann.24 5.2. Unterfall der Anstaltsseelsorge Artikel 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV regelt das Recht auf Anstaltsseelsorge. Danach sind im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen berechtigt. Um hieraus einen Anspruch der Hochschulgemeinden auf Zulassung und freie Betätigung abzuleiten, müssten Hochschulen und Universitäten unter die „sonstige[n] öffentlichen Anstalten“ zu zählen sein. Dagegen könnte einerseits sprechen, dass in Hochschulen und Universitäten weniger strenge Strukturen herrschen als in den explizit aufgezählten Bereichen und die Studierenden grundsätzlich die Möglichkeit haben , sich außerhalb der Hochschulen und Universitäten religiös oder weltanschaulich zu betätigen .25 Andererseits könnte man anhand eines Erst-Recht-Schlusses annehmen, dass die Möglichkeit der Glaubensbetätigung gerade dann auch in Hochschulen und Universitäten ermöglicht werden sollte, wenn sie bereits an unfreieren Orten erlaubt wird. So oder so könnte auch aus dieser Vorschrift lediglich ein Anspruch auf Zulassung der Hochschulgemeinde und ungestörte Ausübung ihres Glaubens abgeleitet werden und nicht ein Anspruch auf Nutzung von Räumlichkeiten oder ähnliches. Diesen Schutz gewährleistet bereits Art. 4 Abs. 1. 2 GG, weshalb ein Rückgriff auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV nicht notwendig ist. 6. Fazit Hochschulen und Universitäten sind aufgrund von Art. 4 Abs. 1, 2 GG grundsätzlich dazu verpflichtet , den gläubigen Studierenden den jeweils erforderlichen Freiraum für ihre Glaubensbetätigung zu überlassen. Dazu zählt insbesondere die Zulassung einer entsprechenden Hochschulgemeinde . Das gilt erst Recht dann, wenn bereits andere Glaubensgemeinschaften an der jeweiligen Hochschule oder Universität eine Hochschulgruppe gründen durften. Es gibt aber keine konkrete Anspruchsgrundlage, aufgrund derer Studierende dieses Recht auf Zulassung als Hochschulgemeinde bei ihrer Hochschule oder Universität geltend machen können . Ebenso wenig kann eine weitergehende Verpflichtung der Hochschule oder Universität in Form einer Zurverfügungstellung von Veranstaltungsräumen oder Ähnlichem hergeleitet werden. 24 Lorentz, Stefan „Zwischen Religionsfreiheit und Neutralität: Die Hochschulseelsorge aus der Sicht des Religionsverfassungsrechts “ in Wort und Antwort, Dominikanische Zeitschrift für Glauben und Gesellschaft, 56. Jahrgang , Heft 1, 2015, S. 10 ff., hier: S. 14. 25 Ebd., S. 14 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 073/20 Seite 10 ****