© 2017 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 071/17 Verschriftlichung audiovisueller Angebote der Rundfunkanstalten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 071/17 Seite 2 Verschriftlichung audiovisueller Angebote der Rundfunkanstalten Aktenzeichen: WD 10 – 3000 – 071/17 Abschluss der Arbeit: 9. Februar 2018 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 071/17 Seite 3 1. Fragestellung Gemäß § 3 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag (RStV)1 sollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ihrer technischen und finanziellen Möglichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt aufnehmen”. Das geschieht im Bereich des Fernsehens bei der Ausstrahlung audiovisueller Beiträge und deren Bereitstellung zum zeitversetzten Abruf online bislang durch Untertitel und Gebärdensprache für Menschen mit Hörbehinderung und Hörfilme für blinde und sehbehinderte Menschen (Audiodeskription).2 Eine zusätzliche Möglichkeit des Zugangs zu Programminhalten stellt für Menschen mit Hörbehinderung die online abrufbare (vollständige oder teilweise) textliche Wiedergabe ausgesendeter Tondokumente dar.3 Vor diesem Hintergrund gehen die vorliegenden Ausführungen der Frage nach, inwieweit die öffentlich -rechtlichen Rundfunkanstalten der in § 3 Abs. 2 RStV formulierten Zielvorgabe durch die "Verschriftlichung" audiovisueller Programmangebote nachkommen können, ohne ein unzulässiges "presseähnliches" Angebot zu machen. 2. Unzulässigkeit nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote Nach Maßgabe der Regelungen des RStV, mit denen der Telemedienauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten näher bestimmt wird, sind diesen nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote untersagt (§ 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV). „Presseähnliche Angebote“ sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 20 RStV nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen. Für die Beurteilung der Presseähnlichkeit im Sinne des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV hat der Bundesgerichtshof (BGH) folgende Kriterien aufgestellt: Das Telemedienangebot ist mit Zeitungen und Zeitschriften in Gestalt ihrer gedruckten Ausgaben zu vergleichen und hat bei dem Vergleich auf die Gestaltung und den Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften abzustellen. 4 1 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) vom 31. August 1991 in der Fassung des Zwanzigsten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Zwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag ), in Kraft seit 1. September 2017, abrufbar unter: https://www.die-medienanstalten .de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Rundfunkstaatsvertrag_RStV.pdf. 2 Vgl. http://www.ard.de/home/die-ard/fakten/Barrierefreie_Angebote_der_ARD/4036078/index.html; http://www.daserste.de/service/kontakt-und-service/barrierefreiheit-im-ersten/untertitel-in-der-mediathek/index .html ; https://www.zdf.de/barrierefreiheit-im-zdf/barrierefreiheit-im-zdf-102.html. 3 Wie etwa beim Textangebot des Deutschlandradios zum „Nachlesen“. Vgl. Deutschlandradio (Hrsg.), Telemedienkonzept gemäß § 11f Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag, ohne Datum, S. 5, 11f., 33, abrufbar unter: http://www.deutschlandradio.de/telemedienkonzept-erweiterung.media .c5d8b51410b881e50d19feec02c262bf.pdf . 4 BGH, Urteil vom 30.4.2015 – I ZR 13/14 –, BGHZ 205, 195-220, Rn. 64 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 071/17 Seite 4 Nach Auffassung des BGH ist es für Zeitungen und Zeitschriften charakteristisch, dass sie vor allem Texte und daneben (unbewegte) Bilder enthalten. Steht der Text deutlich im Vordergrund, deute dies auf die Presseähnlichkeit des Angebots hin.5 Auf dieser Grundlage stellt der BGH im Hinblick auf das in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV die Anforderung, dass journalistisch-redaktionelle Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in nichtsendungsbezogenen Telemedien nicht durch „stehende“ Texte und Bilder geprägt sein dürfen, sondern ihren Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung oder einer entsprechenden Kombination haben müssen.6 Das in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 3. Halbs. RStV niedergelegte Verbot gilt jedoch lediglich für nichtsendungsbezogene Angebote, nicht dagegen für sendungsbezogene Telemedien. Siehe dazu folgende Ausführungen des Oberlandesgerichts (OLG) Köln: „Den maßgeblichen Ausgleich zwischen der Rundfunkfreiheit (…) einerseits und der Pressefreiheit (…) andererseits hat der Gesetzgeber des Rundfunkstaatsvertrages geschaffen , indem er in § 11d Abs. 2 Nr. 1 bis 2 RStV sendungsbezogene Inhalte auch dann zugelassen hat, wenn sie presseähnlich sind, und das Verbot presseähnlicher Inhalte auf die nicht sendungsbezogenen Inhalte beschränkt hat. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Angebote einer öffentlich -rechtlichen Rundfunkanstalt, die nicht auf deren Gesamtprogramm bezogen sind, sondern eine hiervon losgelöste pressemäßige Berichterstattung oder allgemein unterhaltende Beiträge enthalten, in der Rundfunkfreiheit keine verfassungsrechtliche Grundlage mehr finden (BVerfGE 83, 238 ff. = NJW 1991, 899, 904). Damit stellt das Verbot der presseähnlichen Inhalte in der Auslegung, die es durch das Revisionsurteil gefunden hat, keine unzumutbare Benachteiligung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dar, da sie sendungsbezogene Inhalte nach Maßgabe des § 11d Abs. 2 Nr. 1 und 2 RStV auch presseähnlich ausgestalten dürfen. Insbesondere können sie selber steuern, welche Inhalte sie presseähnlich auch in einem Telemedienangebot präsentieren können , da sie in der Ausgestaltung ihres (Sendungs-) Programms frei sind. Auf diese Weise wird auch die Programm- und Angebotsautonomie des Beklagten zu 2) hinreichend gewahrt (vgl. Hain/Brings, AfP 2016, 11, 15).“7 3. Sendungsbezogene Telemedien Gemäß der in § 2 Abs. 2 Nr. 19 RStV niedergelegten Legaldefinition sind unter „sendungsbezogenen Telemedien“ Angebote zu verstehen, die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird, und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges neues oder verändertes Angebot nach § 11 f Abs. 3 RStV darzustellen. 5 BGH, Urteil vom 30.4.2015 – I ZR 13/14 –, BGHZ 205, 195-220, Rn. 64/65. 6 BGH, Urteil vom 30.4.2015 – I ZR 13/14 –, BGHZ 205, 195-220, Rn. 66. 7 OLG Köln, Urteil vom 30. September 2016 – I-6 U 188/12 –, Rn. 108, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 071/17 Seite 5 Die hier in Rede stehende textliche Wiedergabe audiovisueller Programmbeiträge bezieht sich auf konkrete Hörfunk- oder Fernsehsendungen. Zweifelhaft aber mag erscheinen, ob nicht die reine schriftliche Wiedergabe inhaltlich hinter den gemäß Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 19 RStV erforderlichen Kriterien des „Aufbereitens“ und „unterstützenden Vertiefens und Begleitens“ von Sendungen zurückbleibt und deshalb nicht als von der Definition umfasst anzusehen wäre. Diese Einschätzung würde jedoch nicht dem Verständnis des Gesetzgebers entsprechen, der in der Begründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 19 RStV ausdrücklich festhält, es werde „aus der Definition (…) ersichtlich, dass das sendungsbezogene Telemedienangebot über die rein textliche Wiedergabe des Sendungsinhaltes hinausgehen darf“8. Demgemäß sind verschriftlichte Fernseh- und Hörfunkbeiträge regelmäßig als sendungsbezogene Elemente des Telemedienangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zulässig. Zu beachten ist allerdings, dass gemäß § 11d Abs. 3 S. 2 RStV bei sendungsbezogenen Telemedien der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen werden muss. 4. Ausweisung des Sendungsbezugs Das Erfordernis der Ausweisung des Sendungsbezugs gemäß § 11d Abs. 3 S. 2 RStV kann im Zusammenhang mit der Frage nach der Presseähnlichkeit von Telemedienangeboten vor dem Hintergrund folgender Überlegungen des OLG Köln bedeutsam werden: Fehle die Ausweisung des Sendungsbezugs, sind verschriftlichte Fernseh- und Hörfunkbeiträge nach Auffassung des Gerichts „normale Texte, die zur Presseähnlichkeit eines Telemedienangebotes beitragen können“. Zur Begründung führt es an, aus der Sicht des Nutzers könne es sich, selbst wenn er erkennt, dass es sich um eine "verschriftlichte" Sendung handelt, um Material handeln, das seitens der betreffenden Rundfunkanstalt erstellt, aber nicht gesendet worden ist. Außerdem seien „verschriftlichte " Interviews ein klassisches Element von Zeitschriften und Zeitungen und damit als presseähnliche Beiträge zu qualifizieren.9 5. Fazit Nach allem lässt sich die Antwort auf die Ausgangsfrage unter Verwendung von Formulierungen des OLG Köln folgendermaßen auf den Punkt bringen: Die Verschriftlichung von gesendeten Beiträgen steht den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach § 11d Abs. 2 Nr. 1 und 2 RStV frei. Es ist ihnen auch unbenommen, audiovisuelle Beiträge in einem insgesamt hörfunk- oder fernsehähnlichen gestalteten Angebot um einen Verweis auf die verschriftlichte Form des betreffenden Beitrags zu ergänzen.10 *** 8 Vgl. Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 15/3116 vom 18. Februar 2009, S. 38. 9 OLG Köln, Urteil vom 30. September 2016 – I-6 U 188/12 –, Rn. 44, juris 10 Vgl. OLG Köln, Urteil vom 30. September 2016 – I-6 U 188/12 –, Rn. 110, juris