© 2013 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 069/13 Lizensierungspflicht des Rundfunks in Zeiten der Digitalisierung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 2 Lizensierungspflicht des Rundfunks in Zeiten der Digitalisierung in Zeiten der Digitalisierung Verfasserin: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 069/13 Abschluss der Arbeit: 11. Oktober 2013 Fachbereich: WD 10: Fachbereich Kultur, Medien und Sport Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Bestehende Lizensierungspflichten 6 2.1. Lizensierungspflicht nach dem Rundfunkstaatsvertrag 6 2.2. Lizensierungspflicht nach dem Telemediengesetz 7 2.3. Die Meldepflicht nach dem Telekommunikationsgesetz 7 3. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff 8 3.1. Die Merkmale des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 9 3.1.1. Bestimmung für die Allgemeinheit 9 3.1.2. Fernmeldetechnische Verbreitung 9 3.1.3. Darbietung 9 4. Der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff 10 4.1. Allgemeinheit 11 4.2. Gleichzeitigkeit des Empfangs 11 4.3. Entlang eines Sendeplans 11 4.4. Die Ausnahmen des § 2 Absatz 3 RStV 12 5. Verhältnis des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs zum einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff 12 6. Die Begründung der Lizensierungspflicht 13 7. Auswirkungen der Konvergenz der Digitalisierung auf die Lizensierungspflicht 15 8. Voraussetzungen für eine Einstellung der Lizensierungspflicht 17 8.1. Formale Voraussetzungen 17 8.2. Materielle Voraussetzungen 18 8.2.1. Wegfall der Lizensierungspflicht 18 8.2.2. Ersatz der Lizensierungspflicht durch eine qualifiziertes Anzeigeverfahren 18 8.3. Weitere Voraussetzung für die Einstellung der Lizensierungspflicht 19 9. Zusammenfassung 20 10. Literaturverzeichnis 21 11. Weiterführende Literaturangaben 23 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 4 12. Anlagenverzeichnis 24 12.1. Hein, Jan-Philipp, Lizenzen für Livestreams, Landesmedienanstalten wollen Netz-Sendungen kontrollieren, SpiegelOnline, 16. Juli 2008. 24 12.2. Ory, Stephan, Herausforderungen der Medienfreiheit – oder: Der Rundfunk als Endpunkt der Konvergenz?, AfP, 01, 2011, S.19- 22Hein, Jan-Philipp, Lizenzen für Livestreams, Landesmedienanstalten wollen Netz-Sendungen kontrollieren, SpiegelOnline, 16. Juli 2008. 24 12.3. Boos, Carina, Divergenter Rechtsrahmen für Inhalte im konvergenten Fernsehgerät. Vorschläge zum gesetzlichen Umgang mit dem Hybrid-TV, MMR 2012, S. 364-372. 24 12.4. Schwenke, Thomas, Googles Hangout on Air – Drohen Abmehnungen bei fehlender Rundfunklizenz? 24 12.5. Bayerische für Neue Medien, Internet TV – Genehmigung von TV- Angeboten über Internet, im Internet abrufbar zusammen mit der Satzung über die Nutzung von Fernsehkanälen in Bayern nach dem Bayerischen Mediengesetz (Fernsehsatzung-FSS) unter: http://www.blm.de/de/pub/radio___tv/programmorganisation/inte rnet_tv.cfm. 24 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 5 1. Einleitung Das Zusammenwachsen einzelner Medien, das durch die Digitalisierung befördert wird, bringt es mit sich, dass eine Abgrenzung von Medien, die dem Rundfunk zuzuordnen sind und Medien, die dem Telekommunikationsrecht unterliegen, immer schwieriger wird. Zunehmend stößt die klassische Rundfunkordnung in der digitalen Welt an ihre Grenzen. Hierzu gehört auch, dass Rundfunkunternehmen, öffentliche wie private auch im Internet Angebote zur Verfügung stellen und hier mit Verlagen, die Online-Presse anbieten konkurrieren. Presseunternehmen sind andererseits verfassungsrechtlich nicht gehindert, auch Rundfunk in Form von Online-Angeboten zu betreiben. Für diese Tätigkeit bedürfen sie keiner Rundfunklizenz.1 Die fortschreitende Digitalisierung führt zu Entwicklungen, die Grenzen des bestehenden Rechtsrahmens für Medieninhalte aufweist. Eine besondere Ausgestaltung der Rundfunkordnung stellen die Rundfunklizenzen dar. Kritische Stimmen bezweifeln mittlerweile jedoch, dass diese angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung noch angemessen sind. Gefragt wird, ob die nationale Aufsicht den Möglichkeiten des Internets und seinen neuen internationalen Kommunikationsformen noch gerecht wird. Rundfunklizenzen sind dabei ein Aspekt, für den es Reformvorschläge gibt. So fordert Thomas Kreuzer (CSU), Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, die Lizensierungspflicht von Rundfunkangeboten abzuschaffen und spricht sich für ein allgemeines Anzeigeverfahren mit inhaltlichen Kontrollmöglichkeiten aus.2 Vorsichtiger dagegen äußerte sich der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien , Siegfried Schneider. Er verwies auf die Tatsache, dass beim Hybridfernsehen Internet und klassisches Fernsehen nebeneinander auf einem Gerät laufen können. Der Gesetzgeber müsse sich deshalb Gedanken darüber machen, wie er in allen wichtigen Regulierungsfeldern vergleichbare Bedingungen für alle Anbieter herstellt. Die Bedeutung der Lizenz werde in Zukunft abnehmen, so Schneider.3 Die folgenden Ausführungen in den Kapiteln 3 – 4 stützen sich dabei maßgeblich auf den Text einer Ausarbeitung von zum Thema „Gesetzlicher Rahmen für ein Parlamentsfernsehen“ (WD 10 – 038/11). 1 Papier /Schröder, Gebiet des Rundfunks, 2010, 23. 2 Lizensierungspflicht von Rundfunkangeboten abschaffen, von Helmut Hartung, medienpolitik.net, 28.09.2012, im Internet abrufbar unter: http://www.medienpolitik.net/2012/09/medienpolitik-lizenzierungspflicht-vonrundfunkangeboten -abschaffen/. 3 Penzel, Katrin, Die Bedeutung der Rundfunklizenz nimmt ab, Siegfried Schneider, Präsident der BLM, im Gespräch mit promedia Dezember 2011, im Internet abrufbar unter: http://www.goldmedia.com/blog/2011/12/diebedeutung -der-rundfunklizenz-nimmt-ab-siegfried-schneider-prasident-der-blm-im-geesprach-mit-promediadezember -2011/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 6 2. Bestehende Lizensierungspflichten >Für die Zulassung und Aufsicht privater Programmveranstalter sind in Deutschland die Landesmedienanstalten zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus der Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Rundfunk. Aus diesem Grund hat auch jedes Bundesland eine eigene Landesmedienanstalt zu Erledigung dieser Aufgabe. Im Rundfunkstaatsvertrag, welcher seit 1987 mehrfach angepasst und ergänzt wurde, ist geregelt, dass die Veranstaltung von privatem Rundfunk neben öffentlichrechtlichem Rundfunk zulässig ist. Die Landesmedienanstalten regeln Organisation und die gesellschaftliche Kontrolle des privaten Rundfunks. 2.1. Lizensierungspflicht nach dem Rundfunkstaatsvertrag Die grundlegenden Regelungen für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk stehen im Rundfunkstaatsvertrag, der von allen Bundesländern beschlossen wurde. Der Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (kurz Rundfunkstaatsvertrag oder RStV)4 ist ein Staatsvertrag zwischen allen sechzehn deutschen Bundesländern, der bundeseinheitliche Regelungen für den Rundfunk schafft. Eine “Lizensierungspflicht“ des Rundfunks ist als „Zulassungspflicht“ im Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Hier heißt es, dass private Veranstalter von Rundfunkprogrammen (Fernsehen oder Hörfunk ) einer medienrechtlichen Zulassung bedürfen (§§20ff. RStV). Diese Zulassungs-oder Lizensierungspflicht betrifft auch Anbieter von elektronischen Informations-und Kommunikationsdiensten , sofern diese dem Rundfunk zuzuordnen sind (§ 20 Abs.2 RStV). Lediglich Hörfunkprogramme , die ausschließlich über das Internet verbreitet werden, können zulassungsfrei veranstaltet werden. Sie unterliegen einer Anzeigepflicht (§ 20b RStV), müssen die rundfunkrechtlichen Anforderungen jedoch einhalten. Die Landesmedienanstalten dienen als Lizensierungs- und Aufsichtsbehörden des privaten Rundfunks. Zulassungen werden von den Landesmedienanstalten erteilt. Der Wohnsitz des Veranstalters ist maßgeblich dafür, welche Landesmedienanstalt örtlich für die Zulassung zuständig ist. Die Zulassung bundesweiter Programme kann von jeder Landesmedienanstalt erteilt werden. Anträge werden von der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK)5 geprüft. Durch die Zulassungspflicht wird der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt ermöglicht, Maßnahmen - etwa im Falle eines Verstoßes gegen § 20 a RStV, gegen den jeweiligen Veranstalter einzuleiten. Für eine Einstellung der Lizensierungspflicht des Rundfunks müsste der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden. Eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrages könnte nur durch die den Rundfunkstaatsvertrag beschließenden Bundesländer erfolgen. 4 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV)-) vom 31. 08.1991, in der Fassung des Fünfzehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15./21. Dezember 2010 (vgl. GVBl. Berlin 2011 S. 211) in Kraft getreten am 01.01.2013. 5 http://www.die-medienanstalten.de/ueber-uns/organisation/kommission-fuer-zulassung-und-aufsicht-zak.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 7 2.2. Lizensierungspflicht nach dem Telemediengesetz Telemedien sind nach § 4 TMG zulassungs-und anmeldefrei. Beim Telemediengesetz handelt es sich um ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz. Telemedien sind alle elektronischen Informations -und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind. Zulassungsund anmeldefreie Telemedien sind audiovisuelle, elektronisch verbreitete Angebote, insbesondere aus dem online-Bereich. Hierzu gehören Video-on- Demand-Angebote, die Bewegtbilder zum Abruf bzw. Herunterladen anbieten. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Telemedien sind zum Beispiel6: Online-Angebote von Waren/Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit (z. B. Angebot von Verkehrs-, Wetter-, Umwelt- oder Börsendaten, Newsgroups, Chatrooms, elektronische Presse, Fernseh-/ Radiotext, Teleshopping), Video auf Abruf, soweit es sich nicht nach Form und Inhalt um einen Fernsehdienst im Sinne der Richtlinie 89/552/EWG (Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen) handelt, der also zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt ist und nicht auf individuellen Abruf eines Dienstleistungsempfängers erbracht wird. Solche Dienste unterliegen der Rundfunkregulierung durch die Länder. Hierbei orientiert sich die Einordnung an den europarechtlichen Vorgaben, die inzwischen durch die Rechtsprechung des EuGH (Mediakabel-Entscheidung, Rechtssache C 89/04 vom 2. Juni 2005, Abl. C 182/16 vom 23. Juli 2005) konkretisiert wurden, Online-Dienste, die Instrumente zur Datensuche, zum Zugang zu Daten oder zur Datenabfrage bereitstellen (z. B. Internet-Suchmaschinen) sowie alle Online-Angebote, die über das Internet abrufbar sind (insbesondere Online-Angebote von Waren/Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit, Teleshopping, Angebote von Verkehrs-, Wetter-, Umwelt- oder Börsendaten , Newsgroups, Chatrooms, elektronische Presse, Foren, Video auf Abruf und alle sonstigen WWW-Angebote), die kommerzielle Verbreitung von Informationen über Waren-/Dienstleistungsangebote mit elektronischer Post (z. B. Werbe-Mails). weitere Individualkommunikation wie Telebanking und Datendienste. 2.3. Die Meldepflicht nach dem Telekommunikationsgesetz Während sich das Recht der Tele-und Mediendienste, auf Inhalte und Nutzungsformen bezieht, erfasst den technischen Vorgang der Datenübermittlung das Telekommunikationsgesetz (TKG)7, ein Gesetz, das vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen wurde. (siehe Ein- 6 http://www.lfd.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=27628&article_id=94379&_psmand=48#top. 7 Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das durch Artikel 4 Absatz 108 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 8 gangsformel TKG). Für Anbieter von gewerblich öffentlichen Telekommunikationsnetzen oder gewerblich öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten gibt es eine Meldepflicht. Das TKG ist Ausfluss des Verfassungsauftrags des Art. 87f. GG zur Grundversorgung im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation. Durch die Änderung des TGK ist die Lizensierungspflicht weggefallen; im aktuellen TKG gibt es nur eine „Meldepflicht“ nach § 6 Abs. 1 TKG und damit keine behördliche Kontrollmöglichkeit vor Markteintritt sondern nur eine ex-post staatliche Missbrauchsaufsicht (§ 126 Abs. 3 TKG). „Während das TKG 1996 in § 6 Lizenzen für das Betreiben von Übertragungswegen und dem Anbieten von Sprachtelefondiensten sowie in § 4 allgemein die Anzeige des Betreibens von Telekommunikationsdienstleistungen gefordert wurden, sieht das TKG 2004 in § 6 nur eine Meldepflicht vor. Von einer Genehmigung im Einzelfall hat sich das TKGs nun zu einer „Allgemeingenehmigung“, vergleichbar mit dem Gewerberecht, gewandelt.8“ 3. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film wird durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt. Die Verfassung enthält jedoch keine Definition des Rundfunkbegriffs.9 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinen zahlreichen Entscheidungen zum Rundfunk bisher keine abschließende Begriffsbestimmung formuliert.10 Sein Inhalt sei vielmehr aus einer am Normzweck orientierten Betrachtungsweise zu erschließen.11 Dabei geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass der Begriff „Rundfunk“ dynamisch zu interpretieren und damit für neue technische Entwicklungen flexibel und offen sei. Auf die physikalische Art der Übertragung soll es danach nicht ankommen.12 Entscheidend ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht die publizistische Wirkung für die öffentliche Meinungsbildung. Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft sind danach die Charakteristika des Rundfunks.13 8 Tränkle, Johannes 2006, Das TKG und die Medien(dienste), S. 2, im Internet abrufbar unter: http://www.traenkle.org/texte/tkg_mediendienste.pdf. 9 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 90. 10 Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV§ 2 Rn. 13. 11 BVerfG 73, 118 (154). 12 BVerfG 73, 118 (154). Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 13. 13 So wörtlich Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 9 3.1. Die Merkmale des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff wird durch die Merkmale der Bestimmung für die Allgemeinheit, der fernmeldetechnischen Verbreitung und der Darbietung geprägt,14 wobei die verfassungsrechtliche Rechtsprechung den Schutzbereich und die Ausgestaltung der in Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG normierten Kommunikationsgrundrechte prägt. Diese bestimmt die Rundfunkfreiheit als eine „dienende Freiheit“. Dies bedeutet, dass sie den Träger des Grundrechts nicht zum beliebigen Gebrauch ermächtigt.15 Als Massenmedium ist immer auch die Suggestivkraft und Breitenwirkung des Rundfunks zu berücksichtigen. 3.1.1. Bestimmung für die Allgemeinheit Das Merkmal der Bestimmung für die Allgemeinheit ergibt sich aus der systematischen Stellung der Rundfunkfreiheit innerhalb des Art. 5 GG. Während von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG die Individualkommunikation erfasst wird, schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Massenkommunikation.16 Die Inhalte müssen an eine beliebige Öffentlichkeit gerichtet sein. Zur Unterscheidung ist zu klären , ob jedermann Zugang zu dem Angebot hat, oder ob der Empfängerkreis von vornherein genau bestimmt ist.17 Auch für die sogenannten Zugriffs- und Abrufdienste hat das Bundesverfassungsgericht einen Allgemeinbezug ausdrücklich bejaht und klargestellt, dass eine größere Dispositionsfreiheit auf Seiten der Nutzer für die Einstufung eines Dienstes als Rundfunk nicht entscheidend sein könne.18 3.1.2. Fernmeldetechnische Verbreitung Durch das Merkmal der fernmeldetechnischen Verbreitung wird der Rundfunk von den gegenständlichen Medien Presse und Film abgegrenzt. Dabei kommt es auf die verwendete Übertragungstechnik (analog oder digital) und die Übertragungsmedien (Satellit, Kabel, Terrestrik) nicht an.19 3.1.3. Darbietung Das Tatbestandsmerkmal der Darbietung ist das Kernstück des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs , weil der Rundfunk durch die von ihm verbreiteten Kommunikationsinhalte als Fak- 14 Allg. Auffassung, vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 12. Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 17. Grundlegend zur Entwicklung der Interpretation des Rundfunkbegriffs Brand. 15 BVerGE 83,238,315. 16 So wörtlich Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV§ 2 Rn. 18. Ausführlich Brand S. 124 ff. 17 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 13. 18 BVerfG 74, 297 (350 ff); 83, 238 (302 f). 19 BVerfG 74, 297(350 ff); Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 19; Schemmer, in: Epping /Hillgruber (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 67. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 10 tor und Medium an dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt.20 Unter den Begriff der Darbietung fallen Inhalte jeglicher Art und Form, also die Präsentation von Fakten wie von Meinungen in allen Themenfeldern.21 Darüber hinaus aber gehen die Meinungen, welche Anforderungen an die Erfüllung des Begriffs der Darbietung zu stellen sind, auseinander.22 Während zahlreiche Autoren nur solche Angebote vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasst sehen, denen jegliche meinungsbildende Wirkung fehlt23, verlangen andere eine besondere publizistische Relevanz24 oder redaktionelle Bearbeitung.25 Nach eingehender Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meinungen gelangt Brand zu folgender Definition der Darbietung: „Als Darbietung kommen Inhalte jeder Art in Betracht. Ausreichend ist, dass der Kommunikator aus dem unendlichen Fundus möglicher Informationseinheiten eine Auswahl getroffen hat. Auf eine publizistische Relevanz, das Fehlen besonderer zeitlicher oder inhaltlicher Rezeptionsoptionen, die Abwesenheit von Interaktivität, die Periodizität, die dezidiert redaktionelle Aufbereitung oder die Universalität des Angebots kommt es für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht an.“26 Voraussetzung für Anwendung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs ist, dass es sich tatsächlich bei der Verbreitungstechnik um Rundfunk handelt. Man wird deshalb nicht umhin kommen, die technischen Voraussetzungen, beispielsweise für IPTV- und Mobile TV-Angebote, im Einzelfall zu berücksichtigen. 4. Der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff Vom verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zu unterscheiden, ist der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff . Dieser ist in Umsetzung der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 27 in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages wie folgt definiert: 20 So Gersdorf, Gutachten S. 41 unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit BVerfGE 12, 205 (260). 21 Jarass, AfP 1998, 133 (134). 22 Kurz zum Meinungsstand Schulz, in: Hahn/Vesting, RStV § 2 Rn. 21.Vgl. ausführlich hierzu Brand, S. 63 ff. sowie Zusammenfassung hierzu S. 118 – 120. 23 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 90a. Schulz, in: Hahn/Vesting, RStV § 2 Rn. 21 f. Hartstein /Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 15. 24 Vgl. hierzu Brand, S. 64 ff mit zahlreichen Nachweisen, ablehnend S. 118 f; Holznagel/Kibele, in: Spindler /Schuster, RStV § 2 Rn. 20; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (480 f). 25 Jarass, AfP 1998, 133 (135); zustimmend Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 69. 26 Brand, S. 153. 27 Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007, Amtsblatt der EU v. 18.12.2007 L 332/27. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:332:0027:0045:DE:PDF (Stand: 22.6.2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 11 „Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbildern oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen.“ Die Kriterien des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs sind somit die Verbreitung an die Allgemeinheit , die zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist und entlang eines Sendeplans zu erfolgen hat. Mit der Umsetzung der Richtlinie in dem zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde eine Neubestimmung des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs vorgenommen. Er orientiert sich seither an den Kategorien der EU-Richtlinie, die zwischen linearen audiovisuellen Mediendiensten (Fernsehprogrammen) und nicht linearen audiovisuellen Mediendiensten (Abrufdiensten) unterscheidet. Rundfunk sind danach nur lineare Angebote, während Abrufdienste aus dem Rundfunkbegriff ausgeklammert werden.28 4.1. Allgemeinheit Mit dem Begriff der Allgemeinheit wird bewirkt, dass nur Massenkommunikation als Rundfunk gewertet werden kann. Dabei ist es gleichgültig, wie viele Rezipienten die Ausstrahlung tatsächlich empfangen; entscheidend ist, dass er an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet ist. Das ist auch dann der Fall, wenn der Sender nur einen eingeschränkten Rezipientenkreis im Auge hat. Neben dem herkömmlichen Rundfunk fallen auch Live-Streaming (zusätzliche parallele /zeitgleiche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) und Web- Casting (ausschließliche Übertragung von Rundfunkprogrammen über das Internet) unter den Rundfunkbegriff.29 4.2. Gleichzeitigkeit des Empfangs Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags liegt nur vor, wenn Inhalte zum zeitgleichen Empfang (also im Wege einer Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung) an die Allgemeinheit verbreitet werden.30 Nicht unter den Rundfunkbegriff fallen damit nicht-lineare Angebote wie beispielsweise Video-on-Demand. Mediatheken sind daher vom (einfachgesetzlichen) Rundfunkbegriff ausgenommen . 4.3. Entlang eines Sendeplans Rundfunk kann nur vorliegen, wenn Bewegtbilder oder Töne entlang eines Sendeplans verbreitet werden. Die Inhalte müssen in zeitlich geordneter Folge nach einem Plan gesendet werden. Das ist dann der Fall, wenn der Rundfunkanbieter die einzelnen inhaltlichen Elemente seines Pro- 28 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 § 2 Rn. 18 f. 29 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 § 2 Rn. 13. 30 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 12 gramms in einer gewissen Reihenfolge zusammenstellt und sie für die Nutzer nur so verfügbar sind, wie sie der Anbieter vorgegeben hat.31 4.4. Die Ausnahmen des § 2 Absatz 3 RStV § 2 Absatz 3 RStV nimmt bestimmte Angebote, die nach den vorgenannten Kriterien Rundfunk im Sinne des Staatsvertrages darstellen, wieder aus dem Rundfunkbegriff heraus. Es handelt sich dabei um solche Angebote, denen aus Sicht des Gesetzgebers Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft fehlen. Das vollständige Fehlen aber des Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung muss dazu führen, solche Angebote aus der strengen Rundfunkregulierung herauszunehmen .32 In der Begriffsbestimmung des § 2 RStV finden sich auch die Abgrenzungskriterien, die bestimmen , wann es sich nicht um Rundfunk handelt. Hierzu zählen Angebote, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden. (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 RStV); Angebote , die zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 RStV); Angebote, die ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen ( § 2 Abs. 3 Nr. 3 RStV); Angebote, die nicht journalistisch gestaltet sind ( § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV); oder Angebote, die aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 RStV). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für private Veranstalter, etwa von Livestreaming- Angeboten, die mehr als 500 Nutzer gleichzeitig erreichen können, eine formelle Zulassung erforderlich ist. 5. Verhältnis des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs zum einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff als die zentrale Voraussetzung für die Anwendung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht einfach nach Maßgabe des einfachen Gesetzesrechts auszulegen. Der Gesetzgeber kann vielmehr bestimmte Erscheinungsformen aus dem weiten verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff ausnehmen und wegen geringerer publizistischer Relevanz einer weniger strengen Regelung unterwerfen.33 31 Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 43 f. 32 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 26. 33 Jarass, AfP 1998, 133 (133f); Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 8. Schulz, in: Hahn/Vesting, RStV § 2 Rn. 10; vgl. auch Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 21. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 9oa. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 13 Vor dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag34 orientierte sich die einfachgesetzliche Definition des Rundfunks an dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff. Mit dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurden die Kategorien der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 35 übernommen, die zwischen linearen audiovisuellen Mediendiensten und nicht linearen audiovisuellen Mediendiensten unterscheiden. Nur lineare Angebote sind danach Rundfunk, während Abrufdienste aus dem Rundfunkbegriff herausgenommen sind.36 Damit ist der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff weiter als der des Rundfunkstaatsvertrags und kann Programmangebote erfassen, die den einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff nicht erfüllen. 6. Die Begründung der Lizensierungspflicht Der Bundesgesetzgeber hat auch hinsichtlich des privaten Rundfunksektors dafür zu sorgen, dass größtmögliche Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit gewährleistet ist. So hat das Bundesverfassungsgericht in der 3. Rundfunkentscheidung37 festgestellt, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für die Veranstaltung privater Rundfunkveranstaltungen eine gesetzliche Regelung erfordert, in der Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu treffen sind. Der Gesetzgeber ist aufgefordert eine Präventivkontrolle für die Veranstaltung von privatem Rundfunk vorzusehen. Er ist gehalten, Regelungen zu schaffen, die eine effektive Durchsetzung verfassungsrechtlicher Zielvorgaben durch den Rundfunk ermöglichen. Daraus hat das Bundesverfassungsgericht für traditionellen Rundfunk die Notwendigkeit einer präventiven Kontrolle durch einen Zulassungsvorbehalt angesehen.38 Die für den Rundfunk zuständigen Bundesländer haben im Rundfunkstaatsvertrag eine Zulassungspflicht verankert. Für sämtliche Formen der Veranstaltung privaten Rundfunks gibt es diese Zulassungspflicht nach § 20 Abs. 1 S.1; Erleichterungen und Ausnahmen sind in § 20 Abs.3 RStV geregelt. Diese Zulassungspflicht des Rundfunkstaatsvertrages dient der Sicherung der Meinungsvielfalt. „Die §§ 20  ff. enthalten die Vorgaben für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter. Während sich bis zum Inkrafttreten des 10. RÄStV die Zulassung stets nach Landesrecht gerichtet hatte, wurde 2007 mit dem 10. RÄStV für bundesweit verbreiteten privaten Rundfunk ein zentrales Zulassungsverfahren eingeführt: Die Erteilung einer Zulassung für bundesweite Anbieter richtet sich nicht mehr nach den Landesmediengesetzen, sondern 34 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) vom 31.08.1991 in der Fassung des Dreizehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 10.03.2010 (vgl. GBl. S. 307), in Kraft getreten am 01.04.2010, http://www.telemedicus.info/article/1690-Aktueller-Rundfunkstaatsvertrag-in-der-Fassung-des-13.- RAEStV.html (Stand: 09.10.2013). 35 Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007, Amtsblatt der EU v. 18.12.2007 L 332/27. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:332:0027:0045:DE:PDF (Stand: 09.10.2013). 36 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 18. 37 FRAG-BVerfGE 57, 295 , 326f. 38 HAHN/VESTING, RUNDFUNKRECHT, § 20 RN.22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 14 nach § 20 a. Ein Rundfunkprogramm ist bundesweit verbreitet, wenn es aufgrund seiner Verbreitungstechnik zum Empfang in allen Bundesländern geeignet ist.] Als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt soll das rundfunkrechtliche Zulassungsverfahren sicherstellen, dass die Voraussetzungen des RStV (und der landesrechtlichen Bestimmungen) eingehalten werden . Das Zulassungsverfahren ist zugleich ein Instrument der präventiven Konzentrationskontrolle , indem schon bei der Zulassung neuer Rundfunkveranstalter geprüft wird, ob die gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt (§§ 25 bis 34) beachtet werden.“39 Die Zulassung von bundesweit verbreiteten Programmen richtet sich nach den §§ 20a, 21bis 39a und im Übrigen nach Landesrecht (Abs.1 Satz 2, 2. Hs.).40 Ein Antragsteller, der alle persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt, erhält eine Zulassung. Der Sicherung der Rundfunkfreiheit dient auch, dass der Rundfunkgesetzgeber nicht ermächtigt ist, bestimmte Programme oder Veranstalter zu fördern. Er darf allerdings Zulassungsverfahren vorschreiben, die ein Optimum an Angebotsvielfalt sicherstellen. So wurde das Ziel höchstmöglichen Programmvielfalt im Falle der Vergabe von drahtlosen terrestrischen Frequenzen für Hörfunk oder Fernsehen durch eine öffentliche Ausschreibung und Auswahlentscheidung gewährleistet. Bei dieser war dann das entscheidende Auswahlkriterium der Beitrag des beantragten Programms zur Vielfalt des gesamten Angebots.41 Auswahl und Zulassung dienen der Konzentrations-und Vielfaltskontrolle. Damit soll beispielsweise verhindert werden, dass eine Mediengattung die andere in ihrer Existenz bedroht. Deshalb gibt es Regelungen für die Beteiligung von Zeitungshäusern am Rundfunk. Durch die Vielfaltskontrolle soll eine vorherrschende Meinungsmacht verhindert werden. Nicht ein Unternehmen allein soll die Programminhalte bestimmen. Der Rundfunkstaatsvertrag enthält deshalb eine Zulässigkeits-und Geeignetheitsprüfung für Anbieter von privatem Rundfunk. Weitere Zulassungsvoraussetzungen oder Befristungen sind nicht vorgesehen.42 Für den privatrechtlich organisierten Rundfunk gilt damit der Grundsatz der präventiven Zulassungskontrolle. 43 39 HOLZNAGEL/KIBELE , SPINDLER/SCHUSTER, Recht der elektronischen Medien, RStV § 20, Rn. 1-2. 40 §§ 12ff. LMedienG BW; Art. 24 ff. BayMG; §§ 24ff. MStV; §§ 3 ff. BrmLMG; §§ 17ff. Medienstaatsvertrag NSH; §§ 4ff. HPRGf; §§ 4ff. NMedienG; §§ 4ff. LMG NRW; §§ 43ff. SMG; §§ 5ff. SächsPRG; §§ 12ff. MedeinG LSA; §§ 12ff. MedienG LSA; §§ 4 ff. ThürLMG; §§ 8 ff. RundfG MV; §§ 24 ff. LMB RP. 41 Thaenert, Wolfgang, Rechtliche Grundlagen für privaten Rundfunk: Zulassung und Aufsicht. Vortrag im Rahmen der Internationalen Fachkonferenz „Entwicklungstrends elektronischer Medien im Zeitalter der Globalisierung “ am 20. März in Guangzhou, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., März 2008. 42 BORNEMANN 2010, 146. 43 BUMKE,HAHN/VESTIN, RUNDFUNKRECHT, RSTV, 3. AUFLG.2012, § 20, RN 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 15 7. Auswirkungen der Konvergenz der Digitalisierung auf die Lizensierungspflicht Die Konvergenz der Medien bedeutet das Zusammenwachsen bisher getrennter Einzelmedien sowie das Zusammenwachsen von Informations- und Kommunikationstechnologien im Zuge der Digitalisierung . Zunehmend entstehen im Zuge dieser Entwicklung integrierte Unternehmen, die nicht nur Netze betreiben und Endgeräte vermarkten, sondern auch eigene Inhalte anbieten. Damit ist die klassische Trennung von Netz und Inhalt zunehmend nicht mehr anwendbar. Für Konzentrationskontrolle und Vielfaltssicherung bedeutet dies, dass sie sich den neuen Bedingungen anpassen muss. So muss es für integrierte Medienhäuser die Möglichkeit einer medienübergreifenden Vielfaltssicherung geben. Die Konvergenz wird in den kommenden Jahren zu einer ungeahnten Diversifizierung der Medienangebote führen, wie zum Beispiel bei IPTV, bei dem Fernseh- und Internettechnologien zusammenwachsen .44 Dies wird auch Auswirkungen für die bestehenden gesetzlichen Normierungen haben. So wird das bestehende Lizensierungsverfahren für die Fälle problematisch, bei denen die Zuordnung der technischen Geräte und deren technischer Möglichkeiten nicht mehr eindeutig ist. Deshalb gibt es auch bereits Vorschläge, bestehende Verfahren zu modifizieren. Solange Rundfunkprogramme nur über Frequenzen der Kabelnetze ausgestrahlt werde konnten, stellten diese Frequenzen ein knappes Gut dar, dessen gerechte Verteilung als ordnungspolitische Aufgabe des Staates gerechtfertigt werden konnte. Das Internet als Verbreitungsmedium bietet jedoch genug Möglichkeiten für alle. So betont auch der Leiter des Instituts für Publizistik der Universität Mainz, Professor Hans Mathias Kepplinger, dass eine Lizenzpflicht dort bestehen kann und muss, wo die Aufnahme einer Tätigkeit wegen der damit verbundenen Gefährdungen einer besonderen Kontrolle bedarf, wie sicherlich im Gesundheits- und Finanzsektor.45 Eine Abschaffung der Lizensierungspflicht wäre zu rechtfertigen, wenn ihre ordnungspolitische Kontrollfunktion nicht mehr bestehen sollte. Die Enquete-Kommission Neue Medien, die der Deutsche Bundestag in der 12. Wahlperiode eingesetzt hatte, stellt Überlegungen an, welche anderen Instrumente zur Steuerung dienen können, wenn die Lizenz ihre ordnungspolitische Funktion weitgehend verloren hat. Als Möglichkeit wird hier das System der Anreizregulierung vorgeschlagen, eine Regulierungsform, die auf Freiwilligkeit setzt (vgl. Punkt 8.2.2 dieser Arbeit). Die Digitalisierung führt aber auch zu einer Konvergenz bislang getrennter Positionen und Funktionen . Rundfunkveranstalter, Betreiber von Programmplattformen, Netzbetreiber, Navigatoren und Vermarkter werden zunehmend miteinander verflochten. Das bringt auch für die Medienregulierung ganz neue Problemlagen mit sich, die gelöst werden müssen.46 Die Medienregulierung ist aber auch eine Frage der staatlichen Aufsicht. Nun ist für den Rundfunk zu berücksichtigen, dass die Aufsicht 44 Vgl.: http://www.ma-hsh.de/cms/front_content.php?idart=51. 45 http://schleeh.de/rundfunk-telemedium-wir-wollen-endlich-legal-senden/. Siehe in diesem Zusammenhang auch den Bericht auf Spiegel-Online, im Internet abrufbar unter: http://schleeh.de/rundfunk-telemedium-wirwollen -endlich-legal-senden/. 46 http://www.ma-hsh.de/cms/front_content.php?idart=51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 16 über den verfassungsrechtlichen Rundfunk staatsfern zu gestalten ist.47 Auch die Lizenzvergabe ist eine Form der Aufsicht, wobei hierfür die Landesmedienanstalten und die KEK ihre eigenen Organe einsetzen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen allerdings hinsichtlich Überlegungen, durch eine Bund-Länder-Anstalt eine einheitliche Aufsicht einführen zu können. Da für Rundfunk und Telemedien eine staatsferne Aufsicht und für Telemedien eine staatliche Aufsicht vorgesehen ist, wäre für die Einführung einer derartigen Mischverwaltung eine Grundgesetzänderung mit 2/3-Mehrheit erforderlich . Es wird deshalb eine Vereinheitlichung der Telemedien-und Rundfunkaufsicht in einer länderübergreifenden Länderanstalt vorgeschlagen.48 Als Konsequenz aus einer Entwicklung, in der Inhalte und Übertragungstechnik nicht mehr scharf getrennt werden können, empfiehlt die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft “ einen kohärenten Regulierungsrahmen für die Medien-und Kommunikationsordnung zur Vielfaltsicherung zu schaffen. Sie führt in diesem Zusammenhang aus, dass die aktuelle Kompetenzverteilung und –überschneidung zwischen Bund und Ländern dem europarechtlichen Rahmen sowie der Internationalität des Internets als zukünftigem Meta-Medium, in dem sowohl lineare als auch nicht–lineare Inhalte zur Verfügung gestellt werden, nicht mehr gerecht werde. Auch die Lizensierungspflicht für Medieninhalte gerate, wie beispielsweise die aktuellen Definitionen , ab wann Podcast- und Streaminganbieter als Rundfunkanbieter zu verstehen seien, an ihre systematischen Grenzen. Eine einfache Übertragung der bisherigen, auf lineare Informationsvermittlung ausgerichteten Rundfunkregulierung auf das Internet werde diesen Potenzialen vor allem bezüglich aktiver Teilhabe am Mediengeschehen nicht gerecht.49 Die Projektgruppe Kultur, Medien und Öffentlichkeit der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft empfahl in ihrem Bericht mit Blick auf die zunehmende Medienkonvergenz „einen auf mittlere Sicht umzusetzenden Regulierungsrahmen für die Medien –und Kommunikationsordnung zu schaffen.“50 Dies ist unter anderem auch in Hinblick auf die Lizensierungspflicht für Medieninhalte erforderlich, da diese, so wurde festgestellt, an ihre systematischen Grenzen gerät. Auch in der aktuellen Diskussion wird bezweifelt, ob die bestehende Rechtslage noch zeitgemäß ist. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion um Googles Hangout on Air.51 Hierbei handelt es sich um Angebote für Videochats, die als Google-Hangouts linear verbreitet werden. Nach Ansicht der Medienanstalten können diese grundsätzlich "Rundfunk darstellen. Hierfür wäre dann auch eine Zulassung nötig", erklärte die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), die für die Zulassung und Kontrolle bundesweiter Rundfunkveranstalter zuständig 47 BVerGE 57,295,326; 73, 118, 159. 48 Boos 2012, 364, 369. 49 Dreizehnter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ vom 19.03.2013, BT- Drs. 17/12542, S. 81. 50 Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, Ausschussdrucksache 17(24)073 Top 2 vom 28. Januar 2013, Stand: 24. Januar 2013, S.145. 51 Vgl.: Googles Hangout on Air – Drohen Abmahnungen bei fehlender Rundfunklizenz?, Rechtsanwalt Schwenke , http://rechtsanwalt-schwenke.de/google-hang-out-on-air-recht/ sowie: http://t3n.de/magazin/kolumnegoogle -hangouts-air-nur-rundfunklizenz-232081/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 17 ist. 52 Andererseits erklärte ZAK-Chef Jürgen Brautmeier, dass Hangout-Angebote, die nicht regelmäßig verbreitet würden, nach den Kriterien der Medienaufsicht als Telemedium einzustufen seien." Es geht bei den Rundfunkkriterien nicht nur um Breitenwirkung oder um inhaltliche Nachhaltigkeit, sondern auch um die Frage, ob ein Angebot regelmäßig nach einem Sendeplan verbreitet wird." Die Medienanstalten hatten „bereits kurz nach dem Start von Hangout on air in Deutschland unter der Federführung von Cornelia Holsten, der Beauftragten für Recht der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt (Brema), Kriterien für die Einordnung entwickelt. Danach ist entscheidend, ob der jeweilige Hangout journalistisch-redaktionell gestaltet ist und ob die Verbreitung des Angebots entlang eines Sendeplans erfolgt. Cornelia Holsten fordert eine grundsätzliche Neuordnung: "Wir sehen erneut, dass wir mit den herkömmlichen Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages, der ja eher analog ausgerichtet ist, nicht richtig weiterkommen. Was wir brauchen, ist eine neue digitale Medienordnung."53 8. Voraussetzungen für eine Einstellung der Lizensierungspflicht Die Lizensierungspflicht für private Rundfunkveranstalter könnte eingestellt werden, wenn der der die Lizensierungspflicht regelnde Gesetzgeber eine Medienordnung vorsieht, in der die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit garantiert ist. 8.1. Formale Voraussetzungen Für eine Änderung der im Rundfunkstaatsvertrag der Länder geregelten Lizensierungspflicht müssten sich die den Staatsvertrag beschließenden Länder auf einen neuen Rundfunkstaatsvertrag einigen, in dem die §§ 20ff.RStV sowie die mit diesen verbundenen Bestimmungen geändert oder aufgehoben sind. In Folge dieser Änderung müssten auch die einzelnen Bundesländer, entsprechende Zulassungsbestimmungen in ihren Mediengesetzen aufheben oder ändern. Auch die Kompetenzen der Landesmedienanstalten, bei denen die Zulassung beantragt wird, müsste den neuen Regelungen angepasst werden (§ 36 Abs. 1 S. 1 RStV). Sollte eine Zulassung nicht mehr erforderlich sein, würde sich zudem die Organkompetenz der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), die in § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 35 Abs. 2 1 Nr. 1, S. 2 RStV geregelt ist, ändern . Auch Rolle und Kompetenzen der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), die hinsichtlich der Zulassung privater Rundfunkveranstalter in den § 36 Abs.4, § 35 Abs.2 Nr.3 RStV geregelt sind, müssten angepasst werden. 52 http://www.die-medienanstalten.de/presse/pressemitteilungen/kommission-fuer-zulassung-undaufsicht /detailansicht/article/zak-pressemitteilung-032013-medienanstalten-zu-hangouts-bei-google-geplanterlive -chat-mit.html. 53 http://www.golem.de/news/zak-google-hangouts-koennen-rundfunkzulassung-benoetigen-1304-98559.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 18 8.2. Materielle Voraussetzungen Eine Einstellung der Lizensierungspflicht setzt voraus, dass damit der bestehende verfassungsrechtliche Rahmen nicht verletzt wird und die Freiheit des Rundfunks gewährleistet ist. 8.2.1. Wegfall der Lizensierungspflicht Bei einem ersatzlosen Streichen der Lizensierungspflicht könnte der Gesetzgeber das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Gebot der Präventivkontrolle verletzen. Der Gesetzgeber ist gehalten, Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu treffen (siehe oben Punkt 5 dieser Arbeit). Dies heißt auch, für größtmögliche Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit zu sorgen. Im privaten Rundfunk ist inhaltlich die Vielfalt der Meinungen im Wesentlichen zum Ausdruck zu bringen. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die bedeutsamen , politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen in den Vollprogrammen angemessen zu Wort kommen und Minderheiten berücksichtigt werden (§ 25 RStV). Die Meinungsvielfalt im Fernsehen wird dadurch gesichert, dass ein Unternehmen eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten darf. Diese Freiheit wird nur eingeschränkt im Falle der Vermutung einer vorherrschenden Meinungsmacht (§ 26, Abs.2, §§ 27,28 RStV), die bei einem Zuschaueranteil von 30 oder 25 % und einer marktbeherrschenden Stellung auf medienrelevanten Märkten angenommen wird. Ein völliger Wegfall der Lizensierungspflicht könnte auch zu einer Zersplitterung der Informationslandschaft führen. Wenn es keine Kriterien für Rundfunkangebote gibt, ist es fraglich, inwieweit sichergestellt werden soll, dass nach wie vor Vollprogramme mit einem ausreichenden Nachrichten- und Informationsanteil angeboten werden. Keine Gewährleistung wäre außerdem für Formen der Konzentration bestimmter Sparten gegeben , durch die die Meinungsvielfalt erheblich eingeschränkt werden könnte. 8.2.2. Ersatz der Lizensierungspflicht durch eine qualifiziertes Anzeigeverfahren Eine Möglichkeit, bisherige Lizensierungsverfahren zu ändern, könnte darin bestehen, das derzeitige Verfahren durch ein qualifiziertes Anzeigeverfahren abzulösen. Diesen Vorschlag unterbreitete der Vorsitzende der Landesmedienanstalten (DLM) der Projektgruppe Kultur, Medien und Öffentlichkeit am 22. November 2012. Vorgeschlagen wird ein zweistufiger Prozess: „In einem ersten Schritt sollte dies für alle IP-basierten Angebotsformen gelten, wie es aktuell schon bei Web-Radio-Angeboten praktiziert wird. In einem zweiten Schritt wäre dann über eine Ausweitung dieser Anzeigepflicht auf alle Rundfunkangebote nachzudenken . Wenn die Lizenz ihre ordnungspolitische Funktion weitgehend verloren hat, bleibt zu fragen , ob andere Instrumente zur Steuerung dienen können. Ein Ansatz, der seit einiger Zeit diskutiert wird, ist das System der Anreizregulierung. Anstatt des nicht mehr gestal- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 19 tungskräftigen Korsetts der Lizenzvergabe kann eine Regulierungsform etabliert werden, die auf Freiwilligkeit setz. Im Rahmen einer Anreizregulierung können sich Sender selbst gewisse – rechtlich definierte – Pflichten auferlegen und dafür im Gegenzug Gewährungen erhalten. Diese Pflichten zielen allesamt darauf ab, die Qualität der Berichterstattung zu fördern. Auf Seiten der Gewährungen sind Werbeerleichterungen denkbar sowie Vorteile im Bereich von „Must-Cary“-Regelungen. Der aber wohl interessanteste Anreiz ist, sicherzustellen, dass Inhalte gefunden werden: ein „Must Be Found“ für Programme, die im Hinblick auf Meinungsvielfalt und Qualität mehr als die gesetzlichen Anforderungen erfüllen und in diesem Sinne eine herausragende Rolle einnehmen (…).“54 Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) geht in seinen Forderungen weiter und fordert die Schaffung einer neuen Medienordnung: „Es ist eine neue Medienordnung erforderlich, die ein Level Playing Field schafft oder zumindest die Rechte und Pflichten der Rundfunkveranstalter mit denen aller anderen Marktteilnehmer zum Ausgleich bringt.“55 In dieser Medienordnung könnte es ein „Level Playing Field“ geben, in dem der private Rundfunk in die Lage versetzt wird, sich mit andern Anbietern im Markt unter gleichen regulatorischen Bedingungen zu behaupten. 8.3. Weitere Voraussetzung für die Einstellung der Lizensierungspflicht Weitere Voraussetzung für die Einstellung der Lizensierungspflicht wäre die Prüfung, inwieweit eine Neuregelung etwa in Form der oben beschriebenen Anreizregulierung mit dem geltenden kartellrechtlichen Anti-Konzentrationsrecht (§§35-43 GWB (Siebter Anschnitt – Zusammenschlusskontrolle ) kompatibel wäre. §§ 35-43 GWB sehen außerdem eine Fusionskontrolle und eine Missbrauchskontrolle (§§32ff.GWB) beim Zusammenschluss bestehender Rundfunkunternehmen vor. Geprüft werden müsste, inwieweit es sich bei neuen Rundfunkveranstaltern um Unternehmen im Sinne des GWB handelt und ob die Wettbewerbsbedingungen für den Bereich dieser Anbieter vergleichbar sind. Sollte sich unter den neuen Bedingungen ein marktbestimmender Rundfunkanbieter etablieren können, wäre auch die Rundfunkfreiheit gefährdet. In diesem Zusammenhang wäre auch die ordnungspolitische Funktion des Staates zu überprüfen. 54 Drs 17/12542, S. 141. 55 Vgl.: Stellungnahme des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT), die der Projetgruppe Kultur , Medien und Öffentlichkeit am 16. November 2012 übermittelt wurde; BT-Drs. 17/12542, S.142ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 20 Weitere Voraussetzung für die Einstellung der Lizensierungspflicht muss auch die Berücksichtigung möglicher europarechtlicher Bestimmungen sein, die der Neuregelung entgegenstehen könnten. 9. Zusammenfassung Mit der Vergabe von Lizenzen im Rundfunk sollte den Rundfunkanbietern ermöglicht werden, die Rundfunkfreiheit wahrzunehmen. Diese Funktion erfüllt die Rundfunklizenz in Zeiten der Digitalisierung jedoch immer weniger. Der Gesetzgeber hat aber gleichwohl die verfassungsrechtliche Aufgabe, eine Medienordnung zu schaffen, in der Voraussetzungen bestehen, um das Grundrecht der Rundfunkfreiheit zu realisieren. Eine Einstellung der Lizensierungspflicht ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn der Rundfunkgesetzgeber einen den veränderten technischen Möglichkeiten angepassten gesetzlichen Rahmen schafft, der anderweitig die Rundfunkfreiheit sichert. Dabei ist die Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Rundfunk zu berücksichtigen . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 069/13 Seite 21 10. Literaturverzeichnis Boos, Carina, Divergenter Rechtsrahmen für Inhalte im konvergenten Fernsehgerät. Vorschläge zum gesetzlichen Umgang mit Hybrid-TV, MMR 2012, 364-373. Bornemann, Roland, Rundfunkzulassung auf Zeit oder „bis dass der Tod euch scheidet“? ZUM 2010, 146-151. Brand, Torsten, Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, 2002. 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