© 2016 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 067/16 Der Umgang mit Fake-News Rechtslage und Reformansätze Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 2 Der Umgang mit Fake-News Rechtslage und Reformansätze Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 067/16 Abschluss der Arbeit: 20. Dezember 2016 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Problemaufriss Fake News 4 2. Derzeitige Rechtslage 5 2.1. Strafbarkeit von Falschmeldungen 5 2.2. Zivilrechtliche Ansprüche auf Löschung, Berichtigung und Unterlassung 6 2.3. Presse- und Medienrecht 7 2.3.1. Presserechtliche Haftung einer Redaktion 7 2.3.2. Presserechtliche Verbreiter-Haftung 8 2.3.3. Haftung von Diensteanbietern wie Facebook nach Telemediengesetz 8 2.3.4. Recht auf Gegendarstellung 8 3. Aktuelle Vorschläge für eine Anpassung des Rechts 9 3.1. Verschärfung des Strafrechts 9 3.2. Einrichtung einer Rechtsschutzstelle 9 3.3. Gleichstellung von Facebook mit Presseverlagen 10 3.4. Freiwillige Verpflichtung zu Ehren-Kodex 10 3.5. Pläne von Facebook zum besseren Umgang mit Fake News 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 4 1. Problemaufriss Fake News In letzter Zeit haben Falschmeldungen im Internet – z. . ein erfundener Kommentar von Renate Künast zu einem Gewaltverbrechen auf Facebook1 – für Diskussionen gesorgt, wie Politik, Medien und soziale Netzwerke mit sogenannten „Fake News“ umgehen sollten. Fake News im Internet werden als große Gefahr für eine ausgewogene und sachliche öffentliche Meinungsbildung empfunden. Falsche Nachrichten verbreiten sich im Internet mit rasender Geschwindigkeit und erreichen binnen kürzester Zeit viele tausende Leser. Dabei kann es sehr schwierig sein, die jeweiligen Verantwortlichen zu identifizieren. Der angerichtete Schaden in Form von Desinformation und Rufschädigung ist - auch im Falle einer baldigen Löschung oder Berichtigung der Nachricht – häufig irreversibel. An dieser Stelle wird eine große Diskrepanz zwischen dem derzeit geltenden presse- und medienrechtlichen Haftungssystem und der heutigen Praxis der Informationsgewinnung aus dem Internet offensichtlich. Immer mehr Menschen informieren sich weitgehend oder sogar ausschließlich über soziale Netzwerke und Internetportale. In den USA gaben bei einer Umfrage 44% der Erwachsenen an, ihre Informationen und Nachrichten ausschließlich über Facebook zu erlangen.2 Auch wenn eine Falschmeldung wenige Stunden später am Ort ihres ersten Auftauchens gelöscht oder korrigiert wird, erreicht diese Korrektur die Leser häufig nicht mehr. Diesen Effekt nutzen Einzelpersonen oder Gruppen aus, um die (politische) Meinungsbildung mit Falschmeldungen zu beeinflussen oder gezielt einzelne Personen zu diskreditieren. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang das soziale Netzwerk Facebook: Facebook ist mit weltweit mehr als einer Milliarde Nutzern das größte Netzwerk dieser Art. Das Unternehmen ist in den letzten Monaten immer wieder dafür kritisiert worden, nicht in ausreichendem Maße gegen verleumderische, rassistische und falsche Nachrichten vorzugehen.3 Unter anderem auf Facebook eingestellte Fake News sollen auch im US-Wahlkampf eine wichtige Rolle gespielt haben. So generierten zwanzig erfundene Nachrichten bei Facebook insgesamt 8,7 Millionen Reaktionen (Shares, Links, Kommentare).4 Ein geringer Wahrheitsgehalt hat nach 1 http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kampf-gegen-fake-news-kuenast-stellt-strafanzeige-wegen-falschnachricht -auf-facebook-14568472.html (alle Internetseiten wurden zuletzt abgerufen am 20.12.2016). 2 http://nymag.com/selectall/2016/11/donald-trump-won-because-of-facebook.html. 3 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/hetze-auf-facebook-warum-der-hass-nicht-geloescht-wird-a-1051805.html. 4 http://meedia.de/2016/11/18/fake-news-warum-facebook-verdammt-nochmal-seiner-verantwortung-gerechtwerden -muss/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 5 Analysen dabei eher einen positiven Effekt auf die Verbreitung als einen negativen.5 Falschmeldungen wie die angebliche Empfehlung des Papstes Trump zu wählen, können einen erheblichen Einfluss auf Wähler gehabt haben.6 Bei Falschmeldungen muss unterschieden werden zwischen falschen Tatsachenbehauptungen und Meinungen. Tatsachenbehauptungen beziehen sich auf Umstände in der Wirklichkeit, die bewiesen oder widerlegt werden können. Sie können also richtig oder falsch sein. Für die Strafbarkeit einer falschen Tatsachenbehauptung kommt es darauf an, ob eine Person Gegenstand der Behauptung ist. Meinungen sind dagegen Ausdruck einer persönlichen Stellungnahme und damit keinem Beweis zugänglich.7 Wenn Meinungsäußerungen die Ehre einer Person verletzen, kann sich der Autor z.B. wegen Beleidigung strafbar machen. Meinungsäußerungen können aber nicht falsch sein und fallen daher nicht unter den Begriff der „Fake News“. Nur wenn eine Meinungsäußerung auf falsche Tatsachen gestützt wird, kann die Gesamtnachricht als „Fake News“ gelten. 2. Derzeitige Rechtslage 2.1. Strafbarkeit von Falschmeldungen Für die Strafbarkeit muss unterschieden werden zwischen Behauptungen über Menschen und allgemeinen Falschnachrichten. Die Veröffentlichung von allgemeinen Falschnachrichten ohne Bezug zu einer bestimmten Person oder Personengruppe („Der Eurokurs ist heute nacht abgestürzt “) ist grundsätzlich nicht strafbar.8 (Eine eng gefasste Ausnahme stellt die Leugnung des Holocausts nach § 130 Abs. 3 und 4 StGB unter Strafe – auch hier geht es jedoch um den Ehrenschutz der Opfer.) Die Straftatbestände der Beleidigung, Verleumdung und üblen Nachrede (§§ 185ff. StGB) können nur dann erfüllt sein, wenn Menschen verunglimpft oder verleumdet werden. Die Äußerung muss dann geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Das muss im Einzelfall geprüft werden. Voraussetzung ist außerdem, dass jemand bewusst die Unwahrheit sagt oder dies im Fall der üblen Nachrede bewusst riskiert. Wegen Beleidigung nach § 185 StGB macht sich strafbar, wer einen anderen durch eine Äußerung oder Handlung herabwürdigt. In der beleidigenden Äußerung oder Handlung 5 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata/zeits/mmraktuell/2016/384364.htm&pos=0&hlwords=on. 6 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata/zeits/mmraktuell/2016/384364.htm&pos=0&hlwords=on. 7 BVerfG v. 13.4.1994, 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241, 247. 8 Wenn Journalisten bewusst falsche Nachrichten in einem Presseorgan veröffentlichen, verstoßen sie gegen journalistische Sorgfaltspflichten und den presserechtlichen Ehrenkodex. Sie machen sich jedoch nicht strafbar. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 6 liegt eine Meinungskundgabe, es geht nicht um die Behauptung von Tatsachen. Das Strafmaß sieht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. Wer über einen anderen Menschen Tatsachen behauptet, die ihn in der öffentlichen Meinung herabwürdigen können, kann sich wegen übler Nachrede nach § 186 StGB strafbar machen, wenn er die Tatsachen nicht beweisen kann. Hier ist ein Strafmaß von maximal einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen. Wer über einen anderen Menschen bewusst unwahre Tatsachen behauptet, die ihn in der öffentlichen Wahrnehmung verächtlich machen können, macht sich wegen Verleumdung nach § 187 StGB strafbar. Das Strafmaß beträgt Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe . § 188 StGB stellt die üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens unter eine besondere Strafe – hier ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren vorgesehen. In der Praxis stellt sich bei Meldungen im Internet häufig das Problem, dass der Verfasser der Nachricht nicht identifiziert und kontaktiert werden kann. Eine Strafanzeige kann dann nur gegen „unbekannt“ gestellt werden, die Strafverfolgungsbehörden müssen bei erfolgloser Suche nach dem Autor ihre Ermittlungen einstellen. 2.2. Zivilrechtliche Ansprüche auf Löschung, Berichtigung und Unterlassung Durch Strafverfolgung kann jemand für eine Falschnachricht zur Verantwortung gezogen werden – damit ist die Nachricht jedoch noch nicht beseitigt. Hierfür muss der Betroffene einen zivilrechtlichen Anspruch auf Löschung, Berichtigung oder Unterlassung einer Nachricht geltend machen. Die Ansprüche auf Löschung, Berichtigung oder Unterlassung einer Nachricht sind nicht explizit geregelt, sondern wurden von den Gerichten aus allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entwickelt. Der Berichtigungsanspruch wird analog auf den allgemeinen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB und den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt. Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmt sich nach § 249 Abs. 1 BGB. Der Betroffene muss darlegen , dass die behauptete Tatsache unwahr ist und dass er durch die Behauptung in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR) beeinträchtigt ist. Der Löschungsanspruch wird ebenfalls auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt. Wenn dies notwendig ist, um die fortdauernde Rufbeeinträchtigung zu beenden, kann der Betroffene den Autor auf Löschung der rechtswidrigen Behauptung im Internet in Anspruch nehmen.9 9 BGH, Urteil v. 28.7.2015, VI ZR 340/14, WM 2015, 1664 (1665). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 7 Gleichzeitig mit einem Anspruch auf Löschung oder Berichtigung einer bereits veröffentlichten Nachricht kann der Betroffene nach §§ 823 i.V.m. 1004 BGB analog eine Erklärung des Verantwortlichen verlangen, dass er derartige Nachrichten auch in Zukunft unterlassen werde (Unterlassungsanspruch ). Bei Zuwiderhandlung muss der Verantwortliche im Sinne des Presserechts eine Vertragsstrafe zahlen. Auch bei allen zivilrechtlichen Ansprüchen stellt sich häufig das Problem, dass der Autor der falschen Nachricht nicht identifizierbar ist und daher keine Ansprüche gegen ihn gerichtet werden können. Wenn eine falsche Nachricht auf einem Portal veröffentlicht wird, muss also gegebenenfalls der Betreiber des Portals kontaktiert werden, auf dem die Meldung veröffentlicht wurde. Er wird aufgefordert, den Beitrag zu löschen oder die Weiterverbreitung zu unterbinden. 2.3. Presse- und Medienrecht 2.3.1. Presserechtliche Haftung einer Redaktion Die presserechtliche Haftung einer Redaktion ergibt sich aus den Landespressegesetzen. Danach (z.B. in Berlin § 7 Abs. 2 LPrG) muss für jedes periodische Druckwerk ein „verantwortlicher Redakteur “ bestellt und im Impressum benannt werden. Er ist dann dafür verantwortlich, das Druckwerk von strafbaren Inhalten freizuhalten. Wenn er diese Pflicht schuldhaft verletzt macht er sich strafbar. Wer also im Sinne des Presserechts journalistisch tätig ist, muss vor der Veröffentlichung sicherstellen , dass er keine falschen oder rechtswidrigen Nachrichten oder Äußerungen veröffentlicht . Inhalt, Herkunft und Wahrheitsgehalt von Nachrichten müssen also überprüft werden und so dargestellt werden, dass ihr Sinn nicht entstellt wird. Auch der Pressekodex des Deutschen Presserates benennt und konkretisiert diese Sorgfaltspflichten der Presseorgane.10 Wer im Sinne des Presserechts als Redaktion gilt, ist für im eigenen Namen veröffentlichten Inhalte verantwortlich . Nach § 10 Abs. 1 Berliner Pressegesetz haben Personen ein Recht auf Gegendarstellung, wenn sie durch eine in einem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen sind. Nicht eindeutig geklärt ist, welche Stellen als Presseorgane im Sinne des Presserechts gelten. Die Landespressegesetze gelten nach ihrem Wortlaut nur für periodische Druckwerke. Über §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag haben jedoch auch Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen teilweise Inhalte von Pressedruckerzeugnissen wiedergebgeben werden, den journalistischen Presse-Grundsätzen zu entsprechen. Facebook selbst gestaltet bislang kein eigenes redaktionelles Angebot, sondern bietet nur die Plattform. Allerdings können einzelne von Nutzern gestaltete Facebook-Seiten (Fan-Seiten, Gruppenseiten, etc.) ein solches Angebot gestalten, weswegen sie dann nach §§ 54, 55 RStV ein Impressum haben müssen und an die journalistischen Sorgfaltspflichten gebunden sind. 10 http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 8 2.3.2. Presserechtliche Verbreiter-Haftung Ein medialer Dienstleister kann auch haften, wenn er sich die strafrechtlich oder zivilrechtlich relevante Äußerung eines anderen „zu eigen gemacht hat“. Ein Zu-Eigen-Machen liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vor, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint.11 Dadurch soll sichergestellt werden , dass niemand sich der Haftung entziehen kann, indem für eine bestimmte Aussage fremde Aussagen oder Bilder genutzt werden. Diese Haftung wird bei Facebook regelmäßig nicht relevant, weil sich die Plattform die von den Nutzern geteilten Inhalte gerade nicht zu eigen macht. 2.3.3. Haftung von Diensteanbietern wie Facebook nach Telemediengesetz Wer im Internet eine Plattform für die Nachrichten, Kommentare etc. bestimmter Nutzer anbietet, fällt als „Diensteanbieter“ unter das Telemediengesetz (TMG). Dazu gehören Plattformen wie Facebook , aber auch die Betreiber von Blogs und Internetforen. „Hostprovider“ (Gastgeber) nach § 10 Telemediengesetz wie Facebook haben keine proaktive Pflicht, die Nachrichten der Nutzer auf strafbare und rechtswidrige Inhalte zu kontrollieren. Aus § 10 Telemediengesetz (TMG) ergibt sich aber die Pflicht der Diensteanbieter, rechtswidrige Handlungen und Informationen unverzüglich zu entfernen, sobald sie davon Kenntnis erlangt haben. Wenn Facebook also über die Meldefunktion auf einen rechtswidrigen Inhalt hingewiesen wird, hat das Unternehmen eine Prüfpflicht, die es im „Rahmen des Zumutbaren“ erfüllen muss. Bei über einer Milliarde Nutzern ist eine sofortige Prüfung schwierig, aber ein zeitnahes Eingreifen ist trotzdem gefordert. In der Praxis scheitert die Löschung von Facebook-Posts jedoch häufig nicht an der fehlenden Prüfung, sondern an den sogenannten Gemeinschaftsstandards des Unternehmens , die vom US-amerikanischen Umgang mit „hate speech“ geprägt sind. Viele Nutzer, die z.B. fremdenfeindliche Kommentare gemeldet haben, erhalten die standardisierte Antwort von Facebook, dass der gemeldete Beitrag „nicht gegen den Gemeinschaftsstandard verstoße“. Das in Deutschland geltende Zivil- und Medienrecht ist jedoch für Facebook verbindlich. Ihm kann sich das Unternehmen nicht mit Verweis auf eigene Nutzungsbedingungen und Standards entziehen. 2.3.4. Recht auf Gegendarstellung § 11 der Landespressegesetze regelt das Recht auf Gegendarstellung. Für Telemedien ist dieses Recht in § 56 Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Mit einer Gegendarstellung widerspricht der Betroffene den Fakten (nicht der Meinung) eines Berichts und präsentiert die Faktenlage, die er für 11 BGH, Urteil v. 30.6.2009, VI ZR 210/08, WRP 2009, 162 (1264). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 9 richtig hält. Voraussetzung für das Recht auf Gegendarstellung ist nicht, ob die beanstandete Tatsachenbehauptung wahr oder falsch war. Dem Betroffenen soll dadurch vielmehr ermöglicht werden , sich auch zur Sachlage zu äußern. Wer den Anspruch geltend machen will, muss daher selbst von der Behauptung betroffen sein und ein berechtigtes Interesse geltend machen. 3. Aktuelle Vorschläge für eine Anpassung des Rechts Im Laufe der Diskussion um den Umgang mit „Fake News“ in Netzwerken wie Facebook wurden mehrere Vorschläge gemacht. 3.1. Verschärfung des Strafrechts So wurde gefordert das Strafrecht zu verschärfen und das große Schädigungspotential von viral verbreiteten „Fake News“ in einem besonderen Straftatbestand oder einem gesteigerten Strafmaß auszudrücken. Insbesondere wenn die Verbreitung von Falschmeldungen einen „gezielten Kampagnencharakter “ habe, solle ein härteres Strafmaß gelten.12 Eine Verschärfung des Strafrechts hätte allerdings keine Auswirkung auf die praktische Schwierigkeit , bei Äußerungen im Internet den einzelnen Straftäter zu ermitteln. Außerdem ist ungewiss , wie der „gezielte Kampagnencharakter“ als subjektives Tatbestandsmerkmal in der Praxis nachgewiesen werden kann. Schließlich beseitigt eine Strafverschärfung nicht das derzeit bestehende Problem, dass Falschmeldungen häufig tagelang auf Facebook oder ähnlichen Portalen stehen und verbreitet werden, bevor sie beseitigt werden. 3.2. Einrichtung einer Rechtsschutzstelle Der Bundesjustizminister kündigte am 16.12.2016 einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Fake News vor. So sollen marktbeherrschende Plattformen wie Facebook gesetzlich dazu verpflichtet werden, eine Rechtsschutzstelle in Deutschland zu schaffen, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Geplant sind „empfindliche Bußgelder bis zu 500.000 Euro“ für den Fall, dass die Plattform die beanstandete Meldung nicht binnen einer Frist von 24 Stunden löscht. Außerdem soll das Gesetz einen Anspruch auf „Richtigstellung mit der gleichen Reichweite“ einräumen.13 12 Dies forderte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses Ansgar Heveling gegenüber der Rheinischen Post, http://www.rp-online.de/politik/deutschland/cdu-politiker-wollen-fake-news-haerter-bestrafen-aid- 1.6461405. 13 https://www.tagesschau.de/inland/facebook-fakenews-103.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 10 Dieser Vorschlag zielt auf den Aufbau einer Infrastruktur, welche die Durchsetzbarkeit des bereits bestehenden zivilrechtlichen Anspruchs gegen Unternehmen wie Facebook auf Löschung von Falschmeldungen verbessern soll. 3.3. Gleichstellung von Facebook mit Presseverlagen Ebenfalls wurde von einzelnen Politikern vorgeschlagen, Plattformen wie Facebook rechtlich mit Presseverlagen gleichzustellen. Damit müsste Facebook wie eine Redaktion im Sinne des Presserechts dafür Sorge tragen, dass falsche Nachrichten erst gar nicht auf der Plattform veröffentlicht werden und hätte die gleichen journalistischen Sorgfaltspflichten wie Presseorgane. Dieser Vorschlag wurde von Vertretern der deutschen Verlegerbranche als zu weitgehend kritisiert . Plattformbetreiber wie Facebook sollen keine presserechtliche Verantwortung erhalten, die ihnen auch die wichtigen Aufgaben und Privilegien der Presse vermitteln könnten.14 Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert die Pressefreiheit, aus der bestimmte Rechte abgeleitet werden. So kommt der Presse z.B. wegen ihrer wichtigen Funktion in einer freiheitlichen Demokratie ein Anspruch auf ungehinderten Zugang zu Informationen zu.15 Das Unternehmen Facebook selbst lehnt die Übernahme redaktioneller Verantwortung kategorisch ab und möchte nicht als „Schiedsrichter der Wahrheit“ fungieren.16 3.4. Freiwillige Verpflichtung zu Ehren-Kodex Schließlich gibt es den Vorschlag, dass sich soziale Netzwerke wie Facebook freiwillig einem „Kodex ethischer-informationspolitischer Grundsätze“ verpflichten.17 Nach eigener Aussage arbeiten Facebook und andere Diensteanbieter bereits daran, eine schnellere Korrektur von Falschmeldungen und Verleumdungen durch (bessere) Meldefunktionen, Browser-Add-Ons etc. zu ermöglichen.18 14 http://www.focus.de/finanzen/news/gegendarstellung-und-unterlassung-mehr-rechte-fuer-user-politiker-wollen -facebook-dem-presserecht-unterwerfen_id_6367303.html. 15 BVerfG, 06.02.1979, 2 BvR 154/78, BVerfGE 50, 234 (240). 16 http://www.zeit.de/digital/internet/2016-12/fake-news-facebook-massnahmen-details-news-feed/komplettansicht . 17 So ein Vorschlag von Linksparteichefin Katja Kipping, dpa-Dossier Medien, Nr. 50/2016, 14. Dezember 2016, S. 30. 18 https://www.tagesschau.de/inland/fake-news-politik-101.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 067/16 Seite 11 Aufgrund der bereits monatelangen und erfolglosen Bemühungen des Bundesjustizministers um ein gemeinsames Vorgehen mit Facebook zur Bekämpfung von Hasskommentaren19 ist fraglich, ob das Unternehmen auf freiwilliger Basis tatsächliche Veränderungen bewirken wird. 3.5. Pläne von Facebook zum besseren Umgang mit Fake News Facebook selbst hat gerade eigene Ansätze zum verbesserten Umgang mit Fake News vorgestellt.20 So sollen z.B. beanstandete Beiträge an sogenannte Fact-Checking-Organisationen wie z.B. factcheck (www.factcheck.org) weitergeleitet werden. Als falsch beanstandete Meldungen sollen als solche markiert werden, und finanzielle Anreize, Fake News zu verbreiten, sollen beseitigt werden. 19 http://www.ndr.de/nachrichten/netzwelt/Hasspostings-Das-Bundesjustizministerium-nimmt-Stellung,hasspostings 106.html. 20 https://newsroom.fb.com/news/2016/12/news-feed-fyi-addressing-hoaxes-and-fake-news/.