© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 066/20 Einbettung von Videoschnipseln in Social Media-Kanälen Urheberrechtliche Lage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 2 Einbettung von Videoschnipseln in Social Media-Kanälen Urheberrechtliche Lage Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 066/20 Abschluss der Arbeit: 12. Januar 2021 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Handlungsformen 4 2.1. Teilen 4 2.2. „Reposten“ 5 3. Möglichkeiten der Einwilligung 5 3.1. Ausdrückliche Einwilligung 5 3.2. Mediathek-Nutzungsbedingungen 5 3.3. Nutzungsbedingungen der Social Media-Plattformen 5 3.4. Konkludente Zustimmung 6 3.5. Creative Commons Lizensierung 7 4. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 4 1. Einleitung Das Nutzen von Sendungsausschnitten insbesondere von sogenannten Videoschnipseln aus Produktionen öffentlich-rechtlicher oder privater Rundfunkanstalten für den eigenen Social Media- Kanal ist heutzutage Gang und Gäbe und darüber hinaus technisch unproblematisch möglich. Vor allem durch die allgemeine und in der Regel kostenfreie Zurverfügungstellung vieler Sendungen in deren Internet-Mediatheken ist es noch leichter, auf einzelne Sendungen zuzugreifen. Allerdings regelt das Urheberrecht, dass die jeweiligen Rechteinhaber zur Nutzung ihrer Inhalte gegebenenfalls zunächst zustimmen müssen. 2. Handlungsformen Bei der Beurteilung, ob das Nutzen eines Videoausschnitts zulässig ist, ist zwingend zwischen den Handlungsformen zu unterscheiden: handelt es sich um das „Teilen“ einer Sendung bzw. eines Sendungsausschnitts, indem eine Verlinkung zur Originalquelle stattfindet, ist grundsätzlich keine zustimmungsbedürftige Handlungsform im Sinne des Urheberrechtsgesetzes (UrhG)1 gegeben.2 Handelt es sich dagegen um einen sogenannten „Repost“, d.h. der Nutzer hat die entsprechende Fremddatei heruntergeladen, abgespeichert und teilweise oder insgesamt wieder hochgeladen, liegt ein Vervielfältigen im Sinne des § 16 UrhG sowie eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG vor.3 2.1. Teilen Wird ein bereits öffentlich zugänglich gemachtes Video auf derselben Plattform „geteilt“, also das Originalvideo mit Verweis auf den Urheber erneut veröffentlicht, hat derselbe Personenkreis hierauf Zugriff, wie zuvor durch den Urheber bestimmt. Insofern liegt keine Vervielfältigung im Sinne eines Zugänglichmachens an einen neuen Personenkreis vor.4 Unter Plattform ist die ge- 1 Urheberrechtsgesetz (Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte) v. 09.09.1965 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch Gesetz v. 26.11.2020 (BGBl. I S. 2568) m.W.v. 02.12.2020. 2 Gerecke, Martin, „Teilen, Retweeten und Reposten: Zur urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Nutzung digitaler Inhalte auf Social-Media-Kanälen“ GRUR 2019, 1120, 1122. 3 Gerecke, Martin, „Teilen, Retweeten und Reposten: Zur urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Nutzung digitaler Inhalte auf Social-Media-Kanälen“ GRUR 2019, 1120, Rn. 27; so verhält es sich z.B. mit der Instagram App: innerhalb der App kann ein Foto auch auf der Plattform Facebook geteilt werden. Beide gehören dann zur selben Plattform, d.h. es wird dasselbe Publikum erreicht und ein Teilen ist auch ohne Zustimmung des Urhebers möglich. 4 EuGH, Beschluss v. 21.10.2014 - C-348/13 – BestWater International, ECLI:EU:C:2014 : 2315, Rn. 18; Hoeren/Sieber /Holznagel MMR-HdB, Teil 21.1 Social Media Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 5 nutzte Plattform selbst inklusive der Plattformen zu verstehen, auf die durch die Ausgangsplattform zugegriffen werden kann.5 Das Verlinken der Originalquelle ist stets unschädlich.6 Zusätzlich behält der Urheber die Entscheidungsmacht darüber, ob er den Inhalt weiterhin teilen oder aber löschen möchte: die Verlinkung würde dann bei Löschung ins Leere führen.7 2.2. „Reposten“ Beim „Reposten“, also hochladen eines zuvor heruntergeladenen Videoausschnitts, ist eine nach § 15 Abs. 1 Nr 1 i.V.m. § 16 UrhG dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigung des Werkes und eine nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 19a UrhG geschützte öffentliche Zugänglichmachung gegeben . Damit muss der Urheber zu einem „Reposten“ grundsätzlich zustimmen. 3. Möglichkeiten der Einwilligung 3.1. Ausdrückliche Einwilligung Es ist möglich, allerdings wenig verbreitet und möglicherweise auch umständlich, den Urheber des zu veröffentlichenden Video(schnipsels) um Erlaubnis zu bitten. Wenn dieser Schritt nicht gegangen werden kann oder soll, ist es denkbar, eine allgemeine Zustimmung aus den auch durch den Urheber unterzeichneten Plattformbedingungen oder schließlich eine konkludente Zustimmung aus dem Verhalten des Urhebers abzuleiten. 3.2. Mediathek-Nutzungsbedingungen Die Nutzungsbedingungen vieler Mediatheken erlauben in der Regel das Einbetten ihrer unveränderten Videos in fremde Kanäle zu privaten nicht-kommerziellen Zwecken.8 Damit stellen sie nur klar, dass das Einbetten bzw. Teilen, das nach dem Urheberrecht bereits keiner Zustimmung bedarf , zulässig ist. Zudem stellen sie klar, dass alle Maßnahmen, die urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte betreffen, zustimmungsbedürftig sind. 3.3. Nutzungsbedingungen der Social Media-Plattformen Stellen Sender Inhalte öffentlich auf Social Media-Plattformen zur Verfügung, akzeptieren sie gleichzeitig die Nutzungsbedingungen (AGB) der entsprechenden Plattformen. Diese AGB enthal- 5 Gerecke, Martin, „Teilen, Retweeten und Reposten: Zur urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Nutzung digitaler Inhalte auf Social-Media-Kanälen“ GRUR 2019, 1120, 1122. 6 Bullinger, in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 19a Urhg, Rn. 29. 7 Vgl. BGH 21.09.2017 I ZR 11/16, Rn. 19; Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, Teil 21.1 Social Media Rn. 27. 8 Vgl. z. B. ARD Nutzungsbedingungen, abrufbar unter https://www.ardmediathek.de/ard/nutzungsbedingungen/, ZDF-Nutzungsbedingungen, abrufbar unter https://www.zdf.de/regeln-und-nutzungsbedingungen-100.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 6 ten häufig Klauseln, die die Zustimmung zur Nutzung der öffentlich geteilten Inhalte durch andere Nutzer ausdrücklich vorsehen. Mit der Einwilligung in die Nutzungsbedingungen könnte daher eine (konkludente) Einwilligung in die Weiterverbreitung öffentlich geteilter Videos vorliegen . Allerdings wird die Wirksamkeit solcher Klauseln kritisch gesehen. Im Vorhinein vorgelegte AGB könnten grundsätzlich nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Social Media-Anbieter und dem Nutzer regeln und nicht etwa die Beziehung zwischen den Nutzern untereinander. Außerdem entstehe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen zwei Nutzern erst, sobald der eine Nutzer ohne die Einwilligung des anderen Nutzers dessen Inhalte veröffentlicht und vervielfältigt. AGB, in die im Vorhinein eingewilligt wurde, können vermutlich nicht ein später entstehendes Rechtsverhältnis zwischen zwei anderen Personen betreffen.9 Anders sieht das das Landgericht Köln in seinem Urteil vom 19. Dezember 2014.10 Hier hat es die Nutzungsbedingungen der Verkaufsplattform Amazon, die die Einwilligung in die Veröffentlichung und Vervielfältigung von auf Amazon.de hochgeladenen Bildern vorsieht, für wirksam erklärt .11 Allerdings hat es hier auf die „Vorteilhaftigkeit und Funktionsweise“ des Amazon „Marketplace “ abgestellt und geht davon aus, dass die Nutzung der „fremden“ Inhalte einen betriebswirksamen Gewinn für alle Teilnehmer darstellt.12 Ob diese Auffassung in synonymer Weise auch auf Social-Media übertragen wird, bleibt abzuwarten. 3.4. Konkludente Zustimmung Wurde ein Beitrag öffentlich auf eine Plattform gestellt und dieser auf derselben Plattform13 unverändert weiterverbreitet, ist dasselbe Publikum wie von dem Urheber ursprünglich adressiert gegeben und damit von einer konkludenten Zustimmung auszugehen.14 Wie bereits gesehen, ist damit das „Teilen“ von Videos eine zulässige, nicht zustimmungsbedürftige Verwendungsform. 9 Gerecke, Martin, „Teilen, Retweeten und Reposten: Zur urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Nutzung digitaler Inhalte auf Social-Media-Kanälen“ GRUR 2019, 1120, 1124. 10 OLG Köln, Urteil v. 19.12.2014 – 6 U 51/14 – Softairmunition, juris. 11 OLG Köln, Urteil v. 19.12.2014 – 6 U 51/14 – Softairmunition, Rn. 41, 50, juris. 12 Ebd., Rn. 43 f., juris. 13 Auch hier ist mit Plattform jede von der Ausgangsplattform nutzbare Plattform gemeint, vgl. Fn. 3. 14 Gerecke, Martin, „Teilen, Retweeten und Reposten: Zur urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Nutzung digitaler Inhalte auf Social-Media-Kanälen“ GRUR 2019, 1120, 1123 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 7 3.5. Creative Commons Lizensierung Es gibt eine besondere Lizensierungsform im Rahmen der gemeinnützigen Initiative Creative Commons15, die die Veröffentlichung ganzer, unveränderter Videos unter der Benennung der Quelle und in einem nicht kommerziellen Kontext auch außerhalb der Ursprungsplattform erlaubt : Die sogenannte Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 DE.16 Unter anderem verwendet die Tagesschau der ARD als öffentlich-rechtlicher Rundfunk diese Lizenz für einige ihrer Erklärvideos .17 Diese Lizenz wird aber nicht für die gesamte Mediathek der Tagesschau verwendet. Das liegt daran, dass strenge lizenzrechtliche Vorgaben einzuhalten sind, so dass dies in der Regel nur bei 100-prozentigen Eigenproduktionen möglich ist. Das heißt, dass in den Beiträgen keine Fotos, Musikstücke, Einspieler oder Grafiken enthalten sein dürfen, die nicht entweder selbst produziert sind oder bei denen schon die jeweiligen Lizenzvereinbarungen die Möglichkeit einer weiteren CC-Unterlizensierung enthalten. Gerade bei Nachrichtensendungen kommt das Material in der Regel nicht nur von sendereigenen Kameraleuten und Korrespondenten, sondern oft von freien Fotografen, Bildagenturen, Nachrichtenagenturen usw., deren Lizensierungsmodelle eine spätere CC-Unterlizensierung von etwa Tagesschau oder den heute-Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ZDF in der Regel vereiteln würden, selbst wenn diese generell eine Nutzung in Online-Kanälen erlauben.18 Auch bei vollständigen Eigenproduktionen muss die Möglichkeit einer späteren Veröffentlichung unter CC-Lizenz bereits in den Arbeitsverträgen der einzelnen beteiligten Mitarbeiter angelegt sein.19 Vor diesem Hintergrund ist eine Creative Commons Lizensierung zwar denkbar, aber nicht immer möglich. Zusätzlich würde sie nur das Teilen im weiteren Sinn erlauben, während ein 15 Vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Creative Commons, Aktueller Begriff, WD 10, Nr. 98/09, 16. November 2009, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/190910/6c1568b0478adf56e0b3b8c9e54e728c/creative_commons-data.pdf, auch Creative Commons , What We Do, https://creativecommons.org/about/ und ders., Mehr über die Lizenzen, https://creativecommons .org/licenses/?lang=de. 16 Für die Bedingungen der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 DE siehe creaticecommons.org: https://creativecommons .org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de. 17 Für eine Übersicht dieser CC-lizensierten Videos siehe tagesschau.de, Creative Commons, https://www.tagesschau .de/multimedia/video/creativecommonsdossier-101.html. 18 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Gemeinfreiheit oder Copyleft-Lizensierung von Inhalten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten - Urheber- und rundfunkrechtliche Erwägungen, WD 10 - 3000 - 080/18, 25.10.2018 S. 6; abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/591838/49a2ee7f9897933de652aa03e5344e35/WD-10-080-18-pdf-data.pdf. 19 Ebd. und Creative Commons in der ARD, Bericht der AG Creative Commons an die Redaktionskonferenz Online , 13. März 2014, S. 13; abrufbar unter https://irights.info/wp-content/uploads/2014/10/Creative_Commons _in_der_ARD.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 066/20 Seite 8 „Reposten“ von veränderten Videos weiter unter das deutsche Urheberrecht fiele und zustimmungsbedürftig bliebe. 4. Fazit Es ist festzuhalten, dass das bloße Teilen eines unveränderten Videos innerhalb derselben Plattform unproblematisch möglich ist. Die Zulässigkeit des Teilens von Videos auf fremden Plattformen hängt von den Nutzungsbedingungen der jeweiligen Mediatheken ab und wird häufig zu nicht kommerziellen Zwecken erlaubt. Beim „Reposten“ von Inhalten ist grundsätzlich die Zustimmung des Urhebers einzuholen. Eine solche aus der Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattform abzuleiten ist zweifelhaft. Von einer konkludenten Zustimmung kann nur beim Teilen eines öffentlich zur Verfügung gestellten Videos ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang werden auch sogenannte offene Lizenzierung befürwortet, weil sie ein Zustimmungsverfahren entbehrlich machen würden.20 **** 20 Dobusch, Leonhard, Neues aus dem Fernsehrat (41): Zur Nutzung von ARD- und ZDF-Ausschnitten auf YouTube, 23.05.2019, https://netzpolitik.org/2019/neues-aus-dem-fernsehrat-41-zur-nutzung-von-ard-und-zdfausschnitten -auf-youtube/.