© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 065-19 Veröffentlichung kurzer Textabschnitte aus Pressetexten Rechtslage nach dem EuGH-Urteil vom 12. September 2019 (C-299/17) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 2 Veröffentlichung kurzer Textabschnitte aus Pressetexten Rechtslage nach dem EuGH-Urteil vom 12. September 2019 (C-299/17) Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 065-19 Abschluss der Arbeit: 23. September 2019 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Rechtslage nach deutschem Urheberrecht 4 2.1. Grundsätze des Urheberrechtsgesetzes 4 2.2. Geltung für (sehr) kurze Texte 6 2.2.1. Nachrichtentexte 6 2.2.2. Snippets 7 3. Deutsches Leistungsschutzrecht für Presseverleger 8 4. Europäisches Leistungsschutzrecht 9 5. Anlagen 10 5.1. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zulässigkeit der Verwendung öffentlicher Texte, WD 10 – 3000 – 049/19, 11.7.2019. 10 5.2. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, WD 7 – 3000 – 007/17, 25.1.2017. 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 4 1. Vorbemerkung Am 12.9.2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutsche Regelung zum Leistungsschutzrecht für unanwendbar erklärt.1 Dabei geht es um das Achte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 7. Mai 2013.2 Grund ist die fehlende Übermittlung der Regelung an die Europäische Kommission im Gesetzgebungsverfahren. Eine solche wäre notwendig gewesen, da es sich bei der Regelung um eine „technische Vorschrift“ im Sinne des Artikels 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34 über Normen und technische Vorschriften handele.3 Der vorliegende Sachstand beschäftigt sich mit den Konsequenzen dieses Urteils auf die deutsche Rechtslage. Insbesondere wird die Frage beantwortet, ob es in der Folge erlaubt ist, auch in anderen Veröffentlichungen als Suchmaschinen Ausschnitte aus Pressetexten wiederzugeben und, gegebenenfalls , auf wie viele Zeichen diese begrenzt wären. 2. Rechtslage nach deutschem Urheberrecht 2.1. Grundsätze des Urheberrechtsgesetzes4 Grundsätzlich genießen Presseartikel in Deutschland vollständigen urheberrechtlichen Schutz.5 Sie sind Schriftwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) und gehören somit zu den dort genannten „geschützten Werken“.6 Dieser urheberrechtliche Schutz auch von 1 EuGH, Urteil der Vierten Kammer, 12. September 2019, C-299/17, Rz. 39, 41, http://curia.europa.eu/juris/document /document.jsf?text=&docid=217670&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1. Die Pressemeldung findet sich unter https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019- 09/cp190108de.pdf. 2 Achtes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 7. Mai 2013 (BGBl. I S. 1161), https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl113s1161.pdf%27%5D #__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl113s1161.pdf%27%5D__1571829687698. 3 EuGH, Urteil der Vierten Kammer, 12. September 2019, C 299/17, Rz. 39, 41, a.a.O. 4 Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.11.2018 (BGBl. I S. 2014), https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/index.html#BJNR012730965BJNE004202305. 5 Siehe hierzu auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zulässigkeit der Verwendung öffentlicher Texte, WD 10 – 3000 – 049/19, 11.7.2019, S. 4, https://www.bundestag.de/resource /blob/656506/d015115d22e1d49588c7fd135c9ae7c0/WD-10-049-19-pdf-data.pdf; ebenso Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, WD 7 – 3000 – 007/17, 25.1.2017, , https://www.bundestag.de/resource /blob/496962/7abe53c7aed895a9c7d8b0c4502f3617/wd-7-007-17-pdf-data.pdf. Beide Dokumente sind in der Anlage beigefügt. 6 BeckOK UrhR/Ahlberg, 25. Ed. 20.4.2018, UrhG § 2 Rn. 7; BGH GRUR 1997, 459, 460. Die mancherorts vertretene Annahme, Zeitungsartikel unterfielen per se nicht dem Schutz des Urheberrechts (bspw. in Stiftung Marktwirtschaft , Ist nach der Richtlinie vor der Richtlinie? Das Urheberecht im digitalen Zeitalter, 2019, S. 9, https://www.stiftung-marktwirtschaft.de/fileadmin/user_upload/Argumente/Argument_145_Urheberrecht.pdf.) geht demnach fehl. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 5 Zeitungs- und Zeitschriftenartikel ergibt sich aus der ihnen innewohnenden Individualprägung des Autors. 7 Nicht nur Kommentare, auch die Berichterstattung ist geschützt.8 In beiden zeigt sich, wie das Kammergericht in einer vielzitierten Entscheidung vom 30. April 2004 ausgeführt hat, „eine individuelle Gedankenformung und -führung“, oder doch zumindest eine individuelle „Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs“.9 Eine Einschränkung ist nur in speziellen Fällen vorgesehen. „Eine Grenze der Schutzfähigkeit ist erst dort zu ziehen, wo es sich um kurze Artikel rein tatsächlichen Inhalts handelt, etwa um kurze Meldungen oder Informationen .“10 Folglich sind Presseartikel grundsätzlich kein Gemeingut.11 Ihr Urheber12 kann nach § 12 Abs. 1 UrhG allein bestimmen, ob und wie ein Werk zu veröffentlichen ist.13 Er hat die in § 15 UrhG genannten regulären urheberrechtlichen Verwertungsrechte in körperlicher und unkörperlicher Form, zu denen insbesondere die Vervielfältigung,14 die Verbreitung15 und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gehören.16 Letzteres bezeichnet die Veröffentlichung im Internet.17 Dieses eigene Verwertungsrecht wird gem. § 19a UrhG dadurch definiert, dass „das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich“ gemacht wird, „dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.“ Pressetexte dürfen somit grundsätzlich nicht ohne die Zustimmung des Urhebers veröffentlicht werden.18 Lediglich in bestimmten gesetzlich explizit geregelten Ausnahmen dürfen Verwertungshandlungen auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers vorgenommen werden. Man spricht hierbei von 7 Kammergericht, Urteil vom 30.04.2004, 5 U 98/02, MMR 2004, 540. 8 Ebenda. 9 Ebenda. 10 Ebenda. 11 So explizit Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, a.a.O., S. 4. 12 Dies ist gem. § 7 UrhG ihr Schöpfer. 13 Die einzelnen Rechte sind in § 15 UrhG aufgelistet und in den darauffolgenden Normen legaldefiniert. 14 § 16 UrhG. 15 § 17 UrhG. 16 § 19a UrhG. 17 Dreier/Schulze/Dreier, 6. Aufl. 2018, UrhG § 19a Rn. 1. 18 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, a.a.O., S. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 6 privilegierten Nutzungen.19 Zu diesen gehören Privatkopien,20 das Zitatrecht,21 die Verwendung von Vervielfältigungsstücken bspw. vor Gericht22 sowie die (vergütungspflichtige) Verwendung von Zeitungsartikeln beispielsweise innerhalb eines Pressespiegels.23 Die Anwendbarkeit der jeweiligen privilegierten Nutzungsrechte hängt vom Einzelfall ab, sie gewähren indes kein generelles Veröffentlichungsrecht von Pressetexten. Angesichts der umfassenden Verwertungsrechte des Urhebers steht die Unzulässigkeit einer unautorisierten Übernahme von Zeitungs- und Zeitschriftenartikel außer Frage.24 2.2. Geltung für (sehr) kurze Texte Eine Ausnahme des urheberrechtlichen Schutzes könnte indes für (sehr) kurze Texte gelten.25 Dies wäre bei solchen Texten oder Textausschnitten der Fall, die keine „persönlichen geistigen Schöpfungen“ im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG sind.26 Dies sind Texte, die keine ausreichende „Schöpfungshöhe“ aufweisen. Aus dem Bereich der Pressetexte kommen hier zweierlei in Betracht : Zum einen bloße Nachrichtentexte, welche als reine Meldung über ein tatsächliches Ereignis ausgestaltet sind, zum anderen sogenannte Snippets, also kurze Textauszüge aus einem Zeitungsartikel.27 2.2.1. Nachrichtentexte Das Gesetz stellt in § 49 Abs. 2 UrhG explizit klar, dass zumindest bestimmte Nachrichtentexte keinem urheberrechtlichen Schutz unterliegen: „Unbeschränkt zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind; ein durch andere gesetzliche Vorschriften gewährter Schutz bleibt unberührt.“ Hintergrund der Vorschrift ist die Rücksichtnahme auf den freien öffentlichen und individuellen Kommunikations- und Meinungsbildungsprozess . Dieser setzt voraus, dass die Allgemeinheit möglichst schnell bzw. ungestört 19 Ebenda, mit Erläuterungen zu den einzelnen privilegierten Nutzungen, S. 5 f. 20 § 53 UrhG. 21 § 51 UrhG. 22 § 45 UrhG. 23 § 49 UrhG; BeckOK UrhR/Engels, 25. Ed. 15.7.2019, UrhG § 49 Rn. 1. 24 So explizit Schippan, Der Schutz von kurzen Textwerken im digitalen Zeitalter, ZUM 2013, S. 358, 367. 25 Siehe auch oben Kammergericht, Urteil vom 30.04.2004, 5 U 98/02, MMR 2004, 540: „Eine Grenze der Schutzfähigkeit ist erst dort zu ziehen, wo es sich um kurze Artikel rein tatsächlichen Inhalts handelt, etwa um kurze Meldungen oder Informationen.“ 26 BGH NJW 2011, 761 Rn. 54 – Perlentaucher. 27 Ebenda, S. 367 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 7 von möglichst vielen Informationen Kenntnis erhalten kann, ohne dabei stets auf die erste Veröffentlichungsstelle angewiesen zu sein.28 Allerdings gilt diese Ausnahme vom urheberrechtlichen Schutz nur für solche Nachrichtentexte, die mangels einer schöpferischen Form ohnehin nicht nach § 2 Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sind.29 Dabei gibt es einen bedeutenden Grenzbereich zwischen nicht geschützten „reinen “ Nachrichtentexten nach § 49 Abs. 2 UrhG und „schöpferischen“ Nachrichtentexten, welche durchaus nach § 2 Abs. 2 UrhG geschützt sind.30 Zwar weisen Texte von Nachrichtenagenturen wegen des Gebots der Sachlichkeit und Zurückhaltung in der sprachlichen Darstellung typischerweise wenig individuelle Charakteristika auf. Ein durch Individualität geprägter Schreibstil ist bei ihnen gerade unerwünscht.31 Der mitgeteilte Inhalt soll im Vordergrund stehen und die sprachliche Form demgegenüber zurücktreten.32 Trotzdem hat beispielsweise das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass auch Nachrichten einer Nachrichtenagentur, die in einem regional ausgerichteten Internetmagazin ungefragt öffentlich zugänglich gemacht wurden, urheberrechtsschutzfähig sind. Dies liege daran, dass etwa die Auswahl der berichteten Fakten und ihre Darstellung – im zugrundeliegenden Fall war sie durch die Aufnahme bestimmter Stellungnahmen verschiedener Beteiligten geprägt – keinesfalls durch die Ereignisse vorgegeben sei. Vielmehr stelle sie eine eigenpersönliche journalistische Leistung dar, die den Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG genieße.33 Insgesamt wird die Kategorie der fehlenden Schöpfungshöhe also nur sehr zurückhaltend verwendet . Die Rechtsprechung stellt an das Erreichen der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit selbst bei rein nachrichtlichen Texten keine hohen Anforderungen. Auch sie sind in der Regel urheberrechtschutzfähig .34 2.2.2. Snippets Mit dem Begriff Snippet sind kurze Textauszüge aus einem Zeitungsartikel gemeint. Sie stehen im Zentrum des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger, welches unten genauer erläutert wird. Nachdem die entsprechende deutsche Regelung vom EuGH für nicht anwendbar erklärt wurde, stellt sich nun die Frage, inwieweit Snippets schon nach gewöhnlichem Urheberrecht geschützt sind. Auch dies ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Urheberrechts dann der Fall, wenn der übernommene Textteil für sich gesehen eine persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 28 BeckOK UrhR/Engels, 25. Ed. 15.7.2019, UrhG § 49 Rn.1. 29 BeckOK UrhR/Engels, 25. Ed. 15.7.2019, UrhG § 49 Rn. 18. 30 Vgl. Schippan, a.a.O., ZUM 2013, S. 358, 367 f. 31 OLG Karlsruhe, ZUM 2012, S. 49, 50. 32 Ebenda. 33 Ebenda. 34 Schippan, a.a.O., S. 367; OLG Karlsruhe, ZUM 2012, S. 49, 50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 8 UrhG darstellt.35 Dies bestimmt sich nach dem jeweiligen Einzelfall. Das Landgericht München I hat einen urheberrechtlichen Schutz für eine Vielzahl von Snippets angenommen, deren Länge sich zwischen 35 und 50 Wörtern belief.36 3. Deutsches Leistungsschutzrecht für Presseverleger Das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger war seit dem 1.8.2013 in den §§ 87f bis 87g des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geregelt.37 Es weist Presseverlegern das ausschließliche Recht zu, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen.38 Sein Bezugspunkt ist das Presserzeugnis. Nach der Legaldefinition handelt es sich bei einem solchen um die „redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient.“39 Journalistische Beiträge wiederum sind nach der gesetzlichen Konzeption „insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.“40 Ausdrücklich ausgenommen vom Leistungsschutzrecht sind indes einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.41 Diese Kategorie wird indes nicht definiert. Die genaue Länge der nicht vom Leistungsschutzrecht umfassten Textausschnitte ist somit umstritten. Graef spricht sich dafür aus, für die Bemessung auf das prozentuale Verhältnis des betroffenen Teils zur Gesamtlänge des Presseerzeugnisses abzustellen. Der nicht umfasste Bereich müsse deutlich unter 10% des Gesamterzeugnisses liegen.42 Schippan bemisst die Länge noch konkreter und argumentiert auf Grundlage verschiedener Judikate der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Obergrenze für den nicht geschützten Bereich bei fünf bis acht Wörtern liege.43 35 Schippan, a.a.O., S. 368. 36 LG München I, ZUM-RD 2011, 562. 37 Vorschriften eingefügt durch das Achte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 07.05.2013 (BGBl. I S. 1161), in Kraft getreten am 01.08.2013, a.a.O. 38 § 87f Abs. 1 UrhG. 39 § 87f Abs. 2 S. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG). 40 § 87f Abs. 2 S. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG). 41 § 87f Abs. 1 S. 2 Hs. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG). 42 BeckOK/Graef, § 87f UrhG, Rn. 17. 43 Schippan, Der Schutz von kurzen Textwerken im digitalen Zeitalter, ZUM 2013, S. 358, 372 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 9 Mit dem Urteil des EuGH44 sind die Regelungen der §§ 87f bis 87g UrhG, die mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 07.05.2013 eingeführt wurden, nicht mehr anwendbar . Anbieter wie Google dürften somit derartige Snippets unentgeltlich veröffentlichen.45 Allerdings dürfte jedoch wie oben insbesondere im Gliederungspunkt 2.2. ausgeführt einzelfallweise in Abhängigkeit des Vorliegens einer persönlichen geistigen Schöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG ein urheberechtlicher Schutz gegeben sein. Vor Inkrafttreten der speziellen leistungsschutzrechtlichen Regelungen für Presseverleger, die jetzt nach dem EuGH-Urteil nicht mehr anwendbar sind, hat das Landgericht München I nach gewöhnlichem Urheberrecht schon einen Urheberrechtsschutz für eine Vielzahl von Snippets angenommen, deren Länge sich zwischen 35 und 50 Wörtern belief.46 4. Europäisches Leistungsschutzrecht Ungeachtet der deutschen Rechtslage ist zu bemerken, dass es auf europäischer Ebene nunmehr ebenso eine Regelung zum Leistungsschutzrecht gibt. Diese ist Teil der umstrittenen EU-Urheberrechtsreform , welche im April 2019 beschlossen wurde.47 Das europäische Leistungsschutzrecht findet sich seitdem in der „Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG.“48 Auch das europäische Leistungsschutzrecht gilt indes ausdrücklich „nicht für die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung.“49 Die Richtlinie hat keine unmittelbare Wirkung, ist aber von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzuwandeln.50 Die Mitgliedstaaten haben hierfür bis zum 7. Juni 2021 Zeit.51 Spätestens 44 EuGH, Urteil der Vierten Kammer, 12. September 2019, C-299/17, Rz. 39. 45 So die Einschätzung von Michael Knospe, Medienrechtsexperte im Münchener Büro von Simmons & Simmons, zitiert in heise.de, EuGH: Deutsches Leistungsschutzrecht für Verlage nicht anwendbar, 12.9.2019, https://www.heise.de/newsticker/meldung/EuGH-Deutsches-Leistungsschutzrecht-fuer-Verlage-nicht-anwendbar -4521515.html. 46 LG München I, ZUM-RD 2011, 562. 47 Für einen Überblick über Entwicklung und aktuellen Stand der Umsetzung der Richtlinie vgl. z. B. Institut für Urheber- und Medienrecht, »Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt«, http://www.urheberrecht.org/topic/Digitaler -Binnenmarkt/. 48 Der vollständige Text findet sich unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L0790. 49 Art. 15 Abs. 1 S. 4 Richtlinie (EU) 2019/790. 50 Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon (Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9.5.2008, S. 47), https://dejure.org/gesetze /AEUV/288.html. 51 Art. 29 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2019/790. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 065-19 Seite 10 ab einer solchen Umsetzung greift also wieder ein Leistungsschutzrecht, welches Snippets umfasst . 5. Anlagen 5.1. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zulässigkeit der Verwendung öffentlicher Texte, WD 10 – 3000 – 049/19, 11.7.2019. https://www.bundestag.de/resource /blob/656506/d015115d22e1d49588c7fd135c9ae7c0/WD-10-049-19-pdf-data.pdf. 5.2. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, WD 7 – 3000 – 007/17, 25.1.2017. https://www.bundestag.de/resource /blob/496962/7abe53c7aed895a9c7d8b0c4502f3617/wd-7-007-17-pdf-data.pdf. ****