AUSARBEITUNG Thema: Organisationen der Domainregistrierung - Struktur, Aufgaben und Arbeitsweise von ICANN, DENIC, CENTR, CORE und ORSN sowie ihre Beziehungen zueinander Fachbereich X Kultur und Medien Tel.: (030) 227-33436/32444 Verfasser/in: Abschluss der Arbeit: 31. Oktober 2005 (Stand 28. November 2005) Reg.-Nr.: WF X - 065/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Seite Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung 3 1. Begrifflichkeit im Zusammenhang mit der Domain- 4 registrierung 2. Die ICANN 7 2.1 Von der IANA zur ICANN 7 2.1.1 Historischer Abriss des Reformprozesses 7 2.1.2 Gründung von ICANN 8 2.2 Aufgaben der ICANN 9 2.3 Organisationsstruktur der ICANN 9 2.4 Reformen und Kritik an der Rolle der ICANN 12 2.4.1 Reformen der ICANN seit 2002 12 2.4.2 Kritik an der Rolle von ICANN im Zusammenhang 14 mit dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft 3. Deutsches Network Information Center (DENIC) eG 17 3.1 Aufgaben 17 3.2 Geschichte 18 3.3 Struktur 19 3.4 Arbeitsweise 20 3.5 Zusammenarbeit von DENIC und ICANN 21 4. Council of European National Top Level Domain 23 Registries (CENTR) 5. Council of Registrars (CORE) 24 6. Arbeitsweise und Zielsetzung des 25 Open Root Server Network (ORSN) 6.1 Struktur der DNS-Rootserver 25 6.2 Alternative Rootserver 26 7. Quellenverzeichnis 28 - 3 - Vorbemerkung Das Internet hat sich längst zu einem international unabdingbaren Kommunikationsinstrument entwickelt. Behörden, Verbände, Unternehmen – alle haben das World-Wide-Web als Kommunikations - und Marketinginstrument erkannt. Wer eine eingetragene Internetadresse hat, sei es als Firma oder Verband hat sich auf diesem „Markt“ als Informationsanbieter etabliert. Nicht zuletzt angesichts der fortschreitenden Globalisierung der Märkte ist es dabei von großer Bedeutung, dass das Internet als globales Medium genutzt werden kann. Sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager ist dabei entscheidend, dass eindeutige Adressen bestehen, über die das Internetangebot abgerufen werden kann. Die rasante Zunahme der Internetadressen hat dazu geführt, dass diese mittlerweile als ein äußerst knappes Gut gehandelt und behandelt werden. Die Domainregistrierung, also die Vergabe der Internetadresse, muss national und international transparent und koordiniert erfolgen (hessen-it 2004: 1f.). Den Rang eines öffentlichen Gutes hat das Internet dadurch gewonnen, das es in der Lage ist, weltweit neue Gemeinschaften zu bilden, wirtschaftliche Prozesse zu beschleunigen und zu verändern sowie für Demokratien unverzichtbare Informationsflüsse herzustellen. Hierdurch ist das Internet in kommunikationspolitischem Sinne auch schutzbedürftig geworden (Machill /Ahlert 2001: 295). Bei der Frage, wer die im Zusammenhang mit der Domainregistrierung anstehenden Aufgaben wahrnimmt und wesentliche Entscheidungen trifft, geht es daher auch um die Frage nach bestehenden Machtstrukturen. Nach einer kurzen Erläuterung der für die Domainregistrierung relevanten Begrifflichkeit (Kapitel 1) wird die Institution dargestellt, die zur technischen Organisation des Internets und insbesondere zur Verwaltung und Weiterentwicklung des Domain-Name-Systems gegründet wurde – die ICANN (Kapitel 2). Auf die an dieser Organisation geübte Kritik und Reformvorschläge auch in Bezug auf den Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) wird in diesem Kapitel ebenfalls eingegangen. Anschließend werden Struktur, Aufgaben und Arbeitsweise der im Zusammenhang mit der Domainregistrierung relevanten Organisationen DENIC, CENTR und CORE dargestellt (Kapitel 3, 4 und 5). Erläutert wird auch die Aufgabe des ORSN (Kapitel 6), das nicht Domainregistrierungen vornimmt, sondern die Namensauflösung im Internet durch ein Root-Server- Netzwerk sicherstellt. - 4 - 1. Begrifflichkeit im Zusammenhang mit der Domainregistrierung Rechner im Internet müssen zum Austausch der Datenpakete über eine eindeutige Adresse verfügen. Alle mit dem Internet verbunden Rechner sind deshalb durch charakteristische Zahlenkombinationen identifiziert, der so genannten Internet-Protokoll-Nummer oder IP- Adresse. Hierbei handelt es sich um Zahlenketten (vier durch Punkte voneinander getrennte Zahlenkombinationen), mit der jeder vernetzte Rechner im Internet gefunden werden kann. Die Zahlenkombination macht den Adressaten identifizierbar. Da Zahlen jedoch weniger anschaulich sind als Namen, werden zusätzlich zu den Zahlenkombinationen frei wählbare Buchstabenkombinationen, die Domainnamen verwendet. Dieses Schema für die im Internet angeschlossenen Rechner wird Domain-Name-System (DNS) genannt. Als Domain bezeichnet man in Bezug auf Computer-Netze ein zusammengehöriges Teil- Netz, ein Sub-Netz des Internets1 (beispielsweise in einem Land oder einer Behörde2). Im Internet hat diese Gruppe einen Namen, den Domainnamen (hessen-it 2004, 4). Domainnamen werden von rechts nach links gelesen und bestehen aus zwei Komponenten, die durch einen Punkt voneinander getrennt werden. Rechts steht die oberste Ebene, die Top-Level- Domain - TLD. Top-Level-Domains sind einerseits die Länderkennungen oder Länderdomains (Country Code Top-Level-Domains - ccTLD), wie .de für Deutschland, .uk für Großbritannien oder .fr für Frankreich3. Von diesen zu unterscheiden sind die generischen Domains , die nicht geographisch gebunden sind sondern als gattungsmäßige Bezeichnung fungieren (Generic Top-Level-Domains - gTLD)4. Die für die Länder (country-) code-Top-Level-Domains (ccTLDs) verwendeten Kürzeln richten sich nach einer Liste, die von der Standardisierungsorganisation „International Organisation for Standardisation“ (ISO) aufgestellt wird. Bislang gab es sieben Generic Top-Level-Domains: 1 Definition aus http://www.lexitron.de/main.php?detail=true&eintrag=311 (Stand 27. Oktober 2005) 2 z.B.. http://www.bundestag.de. 3 Auch die .eu-Domain mit der Bezeichnung „.eu“ ist nach fünf Jahren Vorbereitungszeit im März 2005 in die DNS-Rootzone eingetragen und damit im Internet aktiviert worden. Vergabestelle für die neue Domain oberster Stufe ist die in Belgien ansässige Nonprofit-Organisation EURid. EURid wurde in einer Partnerschaft zwischen DNS BE, IIT CNR und NIC SE, den Betreibern der länderspezifischen Register der Domänen oberster Stufe für Belgien (.be), Italien (.it) und Schweden (.se) gegründet (http://www.eurid.eu/de). Nicht-EU-Europäer wie die Schweiz bekommen vorerst jedoch keine eu.Adressen (heise.de news vom 2.5.2005). 4 Ein Domainzahlenvergleich ist auf der Internetseite von DENIC zu finden. - 5 - .com für Wirtschaftsunternehmen .org für nicht-kommerzielle Organisationen .net für Netzbetreiber .gov für amerikanische Regierungsstellen .mil für Militäreinrichtungen der USA .edu für amerikanische Bildungseinrichtungen .int für internationale Organisationen. Daneben wird noch die Top-Level-Domain .arpa (nach dem Internet-Vorgänger ARPAnet5) für bestimmte technische Dienste genutzt. Eine Erweiterung des Katalogs der Top-Level-Domains wurde im November 2000 vom Führungsgremium der Internet-Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) (siehe auch S. 6ff.) beschlossen. Demzufolge sollten folgende Domainnamen neu eingeführt werden (Boehme-Neßler 2001: 91)6: .aero für die Unternehmen der Luftfahrtindustrie (Verhandlungen wurden im Dezember 2001 abgeschlossen, Registrierungen erfolgten ab März 2002) .biz für Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche (im Oktober 2001 gestartet) .coop für Genossenschaften und Kooperativen (Verhandlungen wurden im November 2001 abgeschlossen, offizieller Start erfolgte am 30. Januar 2002) .info für alle Interessenten ohne Einschränkung (im Oktober 2001 gestartet) .museum für Museum und Ausstellungen (im November 2001 gestartet) .name für private Nutzer (Verhandlungen wurden im August 2001 abgeschlossen, Start Januar 2002) 5 Arpanet entstand aufgrund der Initiative von Bob Taylor, eines Wissenschaftlers der Defence Departments of Advanced Research Projects Agency, der einen Weg suchte, die unterschiedlichen Systeme von Universitäten für seine Arbeit zu verbinden. Das ARPANet, das er mit einem Kollegen und einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren entwickelte, wurde später zur Grundlage des heutigen Internets – Hafner, Katie, Lyon, Mathew 1999, ARPA Kadabra – Die Geschichte des Internets, dpunkt.verlag, http://www.dpunkt.de/arpa-kadabra/buch1.html. 6 Der aktuelle Stand der neuen Top-Level-Domains wird auch auf den Internetseiten von ICANN Channel unter der Rubrik ‚Domains’ aufgeführt und ist zu finden über http://www.icannchannel.de/tlds/index.htm. - 6 - .pro für professionelle Nutzer, etwa Freiberufler, Ärzte und andere Selbstständige (Verhandlungen dauern an – ursprünglicher Vorschlag verändert). Die Second-Level-Domain, die auch Domainname genannt wird, steht links neben der Top- Level-Domain. Der Domainname ist vom Inhaber frei wählbar und hat wegen seiner Repräsentanzfunktion besondere Bedeutung. Er kann allerdings nur dann frei gewählt werden, wenn er nicht schon vergeben ist. Da jeder Rechner im Netz identifizierbar und erreichbar sein soll, muss die Einmaligkeit der Second-Level-Domain gewährleistet sein. Die Second-Level-Domain kann darüber hinaus in weitere Sub-Domains aufgespalten werden. Sub-Domains sind wiederum durch einen Punkt von der Second-Level-Domain getrennt. Die Vergabe der Domains erfolgt durch private Organisationen. Für die Administration der Generic-Top-Level-Domains ist die in den USA ansässige Organisation „Internet-Corporation for Assigned Names and Numbers“ (ICANN) 7 zuständig. ICANN ist auch verantwortlich für die Koordinierung des Managements der technischen Elemente des Domain-Name- Systems, um die universelle Anwendung des Internets zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Internetnutzer alle gültigen Internetadressen finden können. ICANN überwacht insoweit die Einheitlichkeit der technischen Anwendungen bei Internetoperationen, die mit der Vergabe von Top-Level-Domains verbunden sind.8 Für jede Top-Level-Domain gibt es eine zentrale Registrierungsstelle, die eine Registry-Datenbank mit allen Domainnamen-Einträgen für diese Top-Level-Domain betreibt. Die Verwaltung der Country Top-Level-Domains erfolgt durch Länderregistrierungsstellen, die sogenannten Network Information Centers (NICs) in den jeweiligen Staaten. Für die .de-Domain ist die DENIC eG mit Sitz in Frankfurt zuständig9. Für die Generic-Top-Level-Domains delegiert ICANN die Abwicklung an private Unternehmen , wie beispielsweise an VeriSign Global Registry Services. Domains unter .com, .net und .org können über ICANN-akkreditierte Registrare bestellt werden. Eine Recherche in den Registry-Datenbanken ist über die sogenannte WHOIS-Abfrage möglich. Hierüber lässt sich auch feststellen, ob eine Domain schon vergeben ist und wer der Domaininhaber ist. Die Zuordnung der IP-Adressen zu einem Domainnamen erfolgt über den so genannten DNS- Server. DNS-Server sind auf der ganzen Welt verteilt. Für diejenigen Fälle, bei denen der 7 Siehe unter Punkt 2. 8 ICANN Information unter: http://www.icann.org/general) - 7 - DNS-Server die Domain nicht zuordnen kann, wird die Anfrage an einen höheren DNS-Server geschickt. An oberster Stelle des DNS stehen dreizehn Rechner, die Rootserver, die jeweils mit einem Buchstaben gekennzeichnet sind. An oberster Stelle steht der Rootserver A (näheres hierzu unter 6.). 2. Die ICANN Für die technische Organisation und Verwaltung des Internets ist die „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers – ICANN“ zuständig. Die ICANN ist eine private Organisation mit Sitz in Marina del Rey/Kalifornien-USA, die nicht-kommerziell arbeitet und international orientiert ist. Sie wurde im Oktober 1998 als Nachfolgeorganisation der „Internet Assigned Numbers Authority – IANA“ zur technischen Organisation des Internets und zur Verwaltung und Weiterentwicklung des Domain-Name-Systems gegründet. (Moos 2002: 764). Die IANA ist inzwischen in ihre Nachfolgeorganisation, die ICANN eingegliedert.10 2.1 Von der IANA zur ICANN Vor der Gründung der ICANN übernahm die globale Koordinierung der Namensvergabe die 1989 gegründete Internet Assigned Numbers Authority (IANA), die von Jan Postel geleitet wurde. In den 90er Jahren begannen IANA und ISOC (Internet Society) über eine Reform des Domain-Name-Systems nachzudenken. Ergebnis des Reformprozesses war, dass das US- Handelsministerium Aufgaben und Funktionen der IANA der ICANN übertrug. Dies geschah als Reaktion auf die internationale Kritik an einer zu großen Kontrolle von US-Regierung und US-Wirtschaft über die Verwaltung des Internets. Durch die Übertragung der Verwaltung des Internets auf eine privatwirtschaftliche Non-Profit-Organisation, die ICANN, sollte dieser Kritik Rechnung getragen werden. 2.1.1 Historischer Abriss des Reformprozesses Zu Beginn des Reformprozesses, der im Ergebnis zur Gründung der ICANN führte, wurden in einem International Ad Hoc Committee (IAHC) Vorschläge zur Reform des Domain-Name- Systems erarbeitet, die jedoch keine Akzeptanz bei der USA bzw. der EU fanden. Nach Auf- 9 Siehe unter Punkt 3. 10 Link: http://www.iana.org. - 8 - lösung der Gruppe 1997 verfolgte ein Teil als „Council of Registrars“ (CORE)11 die Ziele weiter (Schweighofer 2000: 349)12. Im Februar 1998 publizierte die US-Regierung ein „Green Paper“13, nachdem US-Präsident Clinton in einer „executive order“ die Privatisierung des Internet Domain-Name-Systems (DNS) gefordert hatte. In dem „Green Paper“ wurde die Schaffung einer „privaten, gemeinnützigen Gesellschaft“ (NewCo) nach amerikanischem Recht vorgeschlagen, die die bislang von der IANA wahrgenommen Aufgaben übernehmen sollte. Basis des Vorschlags war das Prinzip der Selbstkontrolle des Internets. Das „Green Paper“ stieß jedoch auf erhebliche Kritik . So wurde von der EU insbesondere die US-Konzentration des Vorschlags bemängelt. Nach einem Konsultationsprozess modifizierte die US-Regierung das „Green Paper“ und veröffentlichte am 5.6.1998 ein „White Paper“14. Das Weißbuch der US-Regierung enthält die grundlegenden Prinzipien, nach denen die Koordination von Namen und Adressen von nun an geregelt werden sollten. So heißt es, dass die neu zu schaffende gemeinnützige Gesellschaft auf vier Prinzipien basieren solle: Stabilität, Wettbewerb, private Bottom-up Koordinierung und globale Repräsentation. Das Weißbuch wurde auch von der Europäischen Kommission allgemein positiv bewertet15. 2.1.2 Gründung von ICANN Nach dieser Einigung konnten die Kompetenzen über die Internet-Verwaltung einer neuen gemeinnützigen Selbstregulierungsorganisation übertragen werden. Dies erfolgte, indem die „Suggestions for a new Organization Structure“ von der IANA veröffentlicht wurden und ein sich hierauf beziehendes Diskussionsforum eingerichtet wurde. Die in der Folge im Internet veröffentlichten Entwürfe der Bylaws (im Folgenden „Satzung“) der „neuen IANA“ oder „NewCo“ waren für jedermann zugänglich und konnten im Internet diskutiert werden, was auch durch hunderte von E-Mails mit Formulierungsvorschlägen geschah. Im Oktober 1998 sandte Jan Postel im Namen der IANA die Satzung der „NewCo“, die den Namen Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erhielt, an den in der US-Regierung zuständigen Handelsminister (Kleinwächter 1999: 456). Gründungsdokument der ICANN 11 Näheres zu CORE unter 5. 12 Detaillierter zum geschichtlichen Hintergrund der in Teilen allerdings nicht mehr auf dem neusten Stand befindliche Artikel von Kleinwächter (1999: 452ff.). 13 zu finden unter http://www.ntia.doc.gov/ntiahome/domainname/background.htm. 14 zu finden unter http://www.ntia.doc.gov/ntiahome/domainname/6_5_98dns.htm. 15 Siehe Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/98/732 vom 29. Juli 1998. - 9 - sind die „Articles of Incorporation“ vom November 1998. In ihnen wird die Grundstruktur der Organisation festgeschrieben. Die Satzung regelt die Details. 2.2 Aufgaben der ICANN Eine der wichtigsten und zugleich umstrittensten Aufgaben der ICANN ist die Koordinierung des Domain-Name-Systems. Eine Vergabe von Domains an Endnutzer erfolgt durch ICANN nicht. Vielmehr delegiert ICANN die Verwaltung von Top-Level-Domains (TLDs) an andere Institutionen. Zu den zentralen Koordinierungsaufgaben, die von ICANN wahrgenommen werden gehören: Koordinierung des IP-Adressystems und oberste Instanz bei der Vergabe von IP- Adressblöcken. Adressblöcke werden an die regionalen IP-Registries vergeben, die sie dann weiter verteilen, Koordination und Weiterentwicklung des Domain-Namen-Systems (DNS) und Entscheidung über die Einrichtung von neuen Top-Level-Domains, Koordinierung der Zuweisung von Parametern mit Internetbezug (Internetprotokolle), Überwachung des Betriebs des DNS-Rootserver-Systems. 2.3 Organisationsstruktur der ICANN Die wesentlichen Entscheidungen der ICANN werden im Verwaltungsrat (Board of Directors oder Board) getroffen. Dieser besteht aus 15 Direktoren, die über wesentliche Fragen abstimmen (Article VI der Bylaws for Internet Corporation for Assigned Names and Numbers vom 8. April 2005). Acht von ihnen werden von einem ‚Nominierungskommittee’, dem Icann Nominating Committee, bestimmt, zwei von der Address Supporting Organization (ASO), zwei von der Country-Code Names Supporting Organization (ccNSO) und zwei von der Generic Names Supporting Organization (GNSO). Außerdem wird der ebenfalls stimmberechtigte Präsident der Organisation, der letzte Direktor und Vorsitzende des Boards, von den anderen Direktoren gewählt. Beraten und unterstützt werden die Direktoren von sechs nicht-stimmberechtigten Mitgliedern. Fünf dieser beratenden Mitglieder werden von diversen ICANN-Unterorganisationen entsandt. Beschlüsse im ICANN-Rat werden mit Mehrheit der Mitglieder gefasst. Bei den oben genannten wahlberechtigten Organisationen handelt es sich um: Die Address Supporting Organization (ASO), die mit der Verwaltung des IP- Adressraumes befasst ist. Hervorgegangen ist die Organisation aus einem - 10 - Zusammenschluss der drei Domainregistrierungsstellen für Europa, Asien und Amerika. Sie wurde 1999 gegründet und sollte die Entwicklungen der IP-Adressvergabe beobachten und mit den gewonnenen Daten den ICANN-Vorstand beraten. Die Generic Names Supporting Organization (GNSO) ist für alle Angelegenheiten zuständig, die mit generischen Top-Level-Domains (TLDs) zu tun haben. Mit länderspezifischen TLDs setzt sich die ccNSO auseinander (siehe Näheres hierzu unter 3.5). Die Mehrzahl der Direktoren wird von dem ICANN Nominating Committee bestimmt. Dieses hat 18 Mitglieder. Fünf von ihnen werden von den Internetnutzern gewählt, während die übrigen aus diversen Verbänden und Lobbys kommen. Der Einfluss der Interessensvertreter bei der ICANN ist insofern bestimmend, der Internetsurfer hat nur wenig Einfluss im Nominating Committee. Des Weiteren gibt es diverse Unterorganisationen, die eine wichtige Rolle bei der Internetverwaltung spielen. Zu ihnen gehören: die „Domain Name Supporting Organization“ (DNSO), die für das Domain-Name- System (DNS) zuständig ist und den ICANN-Rat in dieser Hinsicht berät. Gremium der DNSO ist das „Names Council“. Es handelt sich um ein Beratungsgremium, das auf Konsensbasis tätig ist und von den sogenannten Wahlkreisen (bestehend aus Registerführern der Country Code Top-Level-Domains, Wirtschaftsunternehmen, Registerführern der Generic Top-Level-Domains, nicht-kommerziellen Internetnutzern, Registraren, Marken, sonstige Inhabern von geistigem Eigentum mit besonderem Interesse an Marken - Artikel XX, Section 5 des White Papers) bestimmt wird. Die DNSO hält eine jährliche Generalversammlung ab. die „Protocol Supporting Organization“ (PSO) ist zuständig für die Beratung des ICANN Rates hinsichtlich von Internetprotokollen. Die PSO setzt sich aus einer Gruppe von offenen, internationalen Standardisierungsorganisationen zusammen. Mitglieder sind die „Internet Engineering Task Force“ (IETF), das „World Wide Web Consortium“ (W3C), die „International Telecommunication Union“ (ITU) und das „European Telecommunications Standards Institute“ (ETSI). Die PSO hält jährlich eine Generalversammlung ab. Zudem gibt es ein At-Large-Advisory Committee, ein Komitee der frei gewählten Anwender -Vertreter. „Internet users at large“ sind die Internetnutzer in ihrer Gesamtheit, die die - 11 - Möglichkeit haben sollen, sich bei ICANN zu beteiligen. At-Large-Mitglied kann jeder Internetnutzer über 16 Jahren werden, der eine physische Adresse und eine Email-Adresse vorweisen kann. Das At-Large Advisory Committee berät die ICANN bei ihren Aktivitäten, soweit sie die Interessen von individuellen Internetnutzern betreffen. Ein wichtiges Komitee ist außerdem das „Governmental Advisory Committee“ (GAC), ein Ausschuss, der aus Regierungsvertretern aller interessierten Regierungen weltweit besteht und als beratendes Gremium deren Interessen gegenüber der ICANN vertritt. Der Vorsitz des GAC liegt zurzeit in der Hand der Europäischen Kommission.16 Ein weiteres beratendes Komitee ist das DNS Root Server System Advisory. ICANN Structure Chart Graphik aus: http://www.icann.org/general/structure.html - 12 - 2.4 Reformen und Kritik an der Rolle der ICANN ICANN ist die zentrale Verwaltung des Internets. Durch die Koordinierung der IP-Adressen, des Domain-Name-Systems, der Internetprotokolle und die Überwachung der Root-Server hält diese Organisation aus technischer Sicht alle Fäden in der Hand. Die Tatsache, dass ICANN nach wie vor dem amerikanischen Wirtschaftsministerium untersteht , ist einer der Hauptkritikpunkte, die immer wieder genannt werden. Kontrollmöglichkeiten sind bei dieser Konstellation nur eingeschränkt vorhanden. In der Vergangenheit hat es aber auch verschiedene Reformen der Organisation gegeben, die teilweise auch Reaktionen auf kritische Stimmen waren. 2.4.1 Reformen der ICANN seit 2002 Ende September 2002 hätte der Vertrag zwischen ICANN und dem US-Handelsministerium auslaufen sollen. Das US-Department of Commerce wollte eine Verlängerung des Vertrages aber von der Reform der Organisation abhängig machen. Auch eine Neuausschreibung war in Erwägung gezogen worden, da die in ICANN gesetzten Erwartungen nicht erfüllt worden waren. Vom republikanischen Senator Conrad Burns wurde in einer Anhörung kritisiert, dass ICANN vertragsmäßig zugesicherte Aufgaben nicht ausreichend erfüllt habe. Auch sei es nicht gelungen, einen vernünftigen Wahlmodus für das Direktorium zu finden. Von Vertretern von VeriSign wurde eine Einmischung von ICANN in Geschäftsmodelle der Registrare bemängelt (Ermert 2002; Siegle 2002: 46/47). Andere Kritikpunkte, die in der Vergangenheit angeführt wurden, sind, dass sich ICANN nicht auf seine Kernaufgabe, die technische Verwaltung , beschränke und politische Entscheidungen und Einflussnahme anstrebe. Auch das Bestreben, die Nutzervertreter zu reduzieren, führte in gewissen Kreisen zu Kritik. So hatte Anfang 2002 der damalige ICANN-Chef Stuart Lynn vorgeschlagen, den Einfluss der Nutzervertreter einzuschränken und der US-Regierung wieder mehr Kontrolle zu geben. 2002 wurde bei den ICANN-Treffen in Shanghai und Amsterdam eine neue Satzung verabschiedet . Im Gegensatz zur ursprünglichen Regelung, die vorsah, dass neun stimmberechtigte Direktoren von den Internetnutzern und neun weitere von diversen Unterorganisationen gewählt werden sollten, sieht die neue ICANN-Organisationsstruktur vor, dass zunächst nur 16 Informationen aus http://www.lexexakt.de/glossar/gac.php (Stand 26. Oktober 2005). - 13 - sechs der stimmberechtigten Direktoren von drei ICANN-Unterorganisationen bestimmt werden . (Weiteres zur Direktorenwahl auf Seite 9). Folgende Änderungen wurden bei den oben genannten Treffen vereinbart (Hessen-IT 2004: 30-32): Eine weitestgehende Abschaffung der Einbindung von Internetnutzern. Dies war das Resultat der Abschaffung von Direktorenstellen der von den Internetnutzern direkt gewählten At-large-Vertretern. Für die Vertretung der Internetnutzer wurde das nur beratend tätige At-large-Advisory-Committee (ALAC) gegründet. Die Interessen von Regierungen und Internetorganisationen sollten einen stärkeren Einfluss bekommen und aktiv an der Erreichung der Ziele von ICANN beteiligt werden. Das GAC (Governmental Advisory Committee) erhielt Einfluss und Beobachterstatus in allen ICANN Gremien. Es wurde beschlossen, dass Vertreter der Generic Top-Level-Domain und der Country Code Top-Level-Domain jeweils eigene Fachgruppen und Gremien erhalten sollen. Die Bestimmung des Vorstandes durch ein Nominierungskomitee wurde vereinbart. Im März 2003 wurde Dr. Paul Twomey neuer ICANN-Chef. Am 31. Juli 2003 fand eine weitere Anhörung zur Situation von ICANN im US-amerikanischen Senat statt. Als eine der wichtigsten anstehenden Aufgaben, die die Netzverwaltung zu lösen hätte, wurden die Sicherheit für die Rootserver, Vertragsbeziehungen mit den IP-Vertragsstellen , den Managern der Länderdomains sowie mehr Transparenz und wettbewerbsfreundliche Vergabemodalitäten für neue Top-Level-Domains genannt. Der republikanische Senator Conrad Burns betonte entgegen der Auffassung Twomeys, der versicherte, die Stimmen der Nutzer würden auch nach der Abschaffung der At-large-Vertretung Gehör finden, dass die Politik größere Verantwortung übernehmen müsse. Obgleich der US-Senator mehr Internationalisierung anmahnte, sprach er davon, dass nur durch ein Gesetz mehr Berechenbarkeit im ICANN-Prozess geschaffen werden könne und kündigte eine entsprechende Initiative an. Sehr scharfe Kritik kam von Ex-ICANN-At-large-Direktor Karl Auerbach, der kritisierte, ICANN agiere wie ein weltweiter, aber nicht gewählter Gesetzgeber (Ermert 2003a). Dies hätten sich vor allem US-Unternehmer zu Nutze gemacht, um ihre Interessen durchzusetzen. Sie hätten erkannt, dass es viel leichter sei, ein halbes Dutzend ICANN-Angestellte oder Di- - 14 - rektoren zu überzeugen als die Gesetzgeber in mehr als 200 Ländern der Welt. Es sei eine Situation entstanden, so Auerbach in seinem Statement17, in der von kleinen, exzellent organisierten Unternehmens- und Markenrechtsgruppen favorisierte Gesetze aus den USA in alle Welt exportiert würden. Dies habe auch wesentlich zu internationaler Feindseligkeit gegenüber ICANN und auch den USA geführt. Trotz dieser Kritik befürwortete die dem Handelsministerium unterstellte National Telecommunication and Information Administration (NTIA) eine Vertragsverlängerung mit ICANN bis zum 30. September 2006, die im „Memorandum of understanding between the U.S. Department of Commerce and the Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, Amendment 6” festgelegt ist (Ermert 2003b). Das Memorandum legt für diverse Auflagen, die die ICANN zu erfüllen habe, Fristen fest und sieht die Vorlage eines Masterplans vor, in dem langfristige Strategien sowie die Finanzierung der Organisation festgeschrieben sind (Ermert 2003a). Nach Ablauf des Vertrages im Jahr 2006 wird eine Vertragsverlängerung zwischen ICANN und dem US-Handelsministerium anstehen, es sei denn, dass ganz andere Optionen zur Regulierung des Internets und der Domainregistrierung zu diesem Zeitpunkt vorliegen und mehrheitsfähig sind. 2.4.2 Kritik an der Rolle von ICANN im Zusammenhang mit dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) Auf eine Initiative der International Telecommunication Union zurückgehend fand vom 10. bis 12. Dezember 2003 der Weltgipfel für die Informationsgesellschaft (WSIS I) statt. An ihm beteiligten sich ca. 11.000 Delegierte aus mehr als 150 Ländern. Die Diskussionen wurden in einem zweiten Teil (WSIS II) fortgesetzt, der vom 16. bis 18. November 2005 in Tunis stattfand. Gegenstand des WSIS I und II war u. a. auch der Streit um die Internetregierung, die sog. „Internet Governance“. Hier stand die Frage im Raum, ob weiterhin einem von den USA dominierten Konsortium wie der ICANN eine führende Rolle zukommen soll oder ob die Kontrolle von einer internationalen Organisation übernommen werden sollte. Eng verknüpft mit dieser Fragestellung war das Problem, ob „Internet Governance“ auf die technischen und Koordinationsfragen beschränkt bleiben kann, oder ob damit nicht alle übergreifenden politischen Themen, die im Zusammenhang mit dem Internet zu erörtern sind, angesprochen wer- 17 Ebd. mit Hinweis auf http://www.cavebear.com/rw/senate-july-31-2003.htm in Fußnote 8. - 15 - den sollten. Ein Ergebnis hierzu wurde beim WSIS I nicht erzielt. Es bestand aber Einvernehmen darüber, dass vom UN-Generalsekretär eine weitere Arbeitsgruppe, die sogenannte Working Group on Internet Governance (WGIG), eingesetzt wird, die bis 2005 konkrete Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten sollte (Kuhlen 2004: 202, 203). Der WGIG gehörten 40 Repräsentanten von Regierungen, Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft an.18 Ihren Abschlussbericht legte die WGIG im Juni 2005 vor. In ihm wird eine Definition für „Internet Governance“ entwickelt. Demnach ist Internet Governance die Entwicklung und Anwendung gemeinsamer Prinzipien, Normen, Regeln, Entscheidungsverfahren und Programme für das Internet durch Regierungen, die Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft im Rahmen ihrer jeweiligen Rollen. Für die zukünftige Verwaltung des Internets beschreibt der Bericht vier Optionen, denen als gemeinsames Prinzip zugrunde liegt, dass keiner einzelnen Regierung eine Vorherrschaft bei der Internetregierung zukommt: Modell 1 Modell 1 sieht einen globalen Internet-Rat (Global Internet Council – GIC) vor, der aus Mitgliedern der Regierungen besteht und in den andere Interessensvertreter einbezogen werden. Dieser Rat würde die Funktionen übernehmen, die gegenwärtig das US-Handelsministerium und das Governmental Advisory Committee (GAC – siehe hierzu unter 2.3) wahrnehmen. Er würde auch für eine internationale, das Internet betreffende Politik zuständig sein. Die reformierte und internationalisierte ICANN hätte sich gegenüber der GIC zu verantworten. Die GIC sollte bei den Vereinigten Nationen angesiedelt sein. Modell 2 Grundlegende Idee des Modells 2 ist, dass kein Bedarf für eine spezielle Aufsicht führende Organisation besteht. Die Rolle des GAC würde gestärkt. Zudem würde ein internationales Forum für Internetangelegenheiten geschaffen, an dem sich alle Interessensvertreter beteiligen. Modell 3 Modell 3 zufolge wird ein Internationaler Internet-Rat (International Internet Council – IIC) gegründet, der die Verantwortung für Fragen der Internetverwaltung übernimmt. Soweit darüber hinaus Fragen zu der das Internet betreffenden Politik auf internationaler Ebene nicht in 18 Über die Verhandlungsatmosphäre in der WGIG berichtet der Aufsatz „Mitbestimmung im Cyberspace“ von Wolfgang Kleinwächter vom 29. September 2005, http://www.heise.de/bin/tp/issue/r4/dlartikel 2.cgi?artikelnr=21038&mode=print (Stand 21. Oktober 2005). - 16 - die Zuständigkeit anderer Organisationen fallen, könnten diese ebenfalls vom IIC behandelt werden. Der Internationale Internet-Rat würde das GAC ersetzen. Die Internationalisierung würde begleitet von einer die ICANN betreffenden Vereinbarung. Modell 4 Modell 4 beinhaltet, dass aus ICANN die WICANN, die World Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, wird. Die WICANN würde die Aufgaben der ICANN übernehmen , d. h. für die Entwicklung des Internets in technischer und ökonomischer Hinsicht zuständig sein. Ein Global Internet Policy Council (GIPC), in dem Vertreter des privaten Sektors sowie der Zivilgesellschaft als Beobachter mitwirken, würde sich der internationalen, das Internet betreffenden Fragen annehmen. Für die Koordination und Diskussion politischer Aspekte wäre das Global Internet Governance Forum (GIGF) verantwortlich, das sich aus Vertretern von Regierungen, dem privaten Sektor und der Zivilgesellschaft zusammensetzt (WGIG 2005). Aufgrund der sehr gegensätzlichen Interessenlagen der einzelnen Länder konnte im Vorfeld des Gipfels keine Einigung herbeigeführt werden. Während die USA ihre dominierende Stellung beibehalten wollte und sich dafür einsetzte, dass ICANN weiterhin ihre bisherige Funktion wahrnimmt (intern.de 2005), verfolgten Länder wie China, Brasilien oder der Iran das Ziel, die Sonderstellung der USA abzuschaffen. Eine letzte Vorbereitungskonferenz für den Weltgipfel blieb ergebnislos. Das Thema „Internet Governance“ sollte direkt nach Tunis überwiesen und dort unmittelbar vor dem Gipfel erledigt werden. Diskussionen löste zudem eine Stellungnahme der britischen EU-Ratspräsidentschaft aus, in der ein neues, internationales Aufsichtsmodell vorgeschlagen wurde. Diesem Modell zufolge wären zwar die bestehenden Organisationen beibehalten worden. Die Aufgaben bezüglich des Domain-Name-Systems und der IP-Adressen wären aber unter die Aufsicht internationaler Regierungen gestellt worden (Ermert 2005c; Ermert 2005b). Mit Blick auf die konträren Standpunkte wurde „Internet Governance“ als das zentrale Thema bezeichnet, das über Erfolg oder Misserfolg des WSIS II entscheidet.19 Entgegen schlimmster Befürchtungen, die eine „Zersplitterung des Internets“ im Falle einer fehlenden Einigung voraussagten, wurde auf dem WSIS II ein – zumindest vorläufiges – Er- 19 Näheres zu der Diskussion im Vorfeld des Gipfels ist der Pressemeldung vom 21. Oktober 2005 „US- Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein“ bei heise online zu entnehmen, - 17 - gebnis erzielt. So wurde ein Abschlussdokument verabschiedet, in dem die Schaffung eines „Internet Governance Forums“ vorgesehen ist, dem jedoch keine ausführenden Aufgaben und keine Aufsichtsfunktionen für das Internet zukommen.20 Das Forum soll Empfehlungen abgeben und basiert auf der Idee, dass es eine zentrale Macht im Internet nicht gibt und nicht geben soll. Der Zivilgesellschaft wird gleichberechtigt neben Regierungen und der Privatwirtschaft ein verbrieftes Mitspracherecht für die zukünftige Entwicklung des Internets eingeräumt . Ein erstes Treffen des „Internet Governance Forums“ wird voraussichtlich Ende 2006 in Athen stattfinden. Damit wurde die Einrichtung eines neuen Gremiums zur Kontrolle und Steuerung des Internets verhindert, so dass die herausragende Stellung der USA und der ICANN erhalten bleibt. Das „Internet Governance Forum“ wird sich jedoch mit ICANN als Institution befassen. Vorausgesagt wird, dass die Sonderrolle der US-Regierung bei der Oberaufsicht über den Root auch weiterhin ein Stein des Anstoßes sein wird (Kleinwächter 2005). 3. Deutsches Network Information Center (DENIC) eG 3.1 Aufgaben Die Deutsche Network Information Center (DENIC) eG ist die zentrale Registrierungsstelle für Domains unterhalb der Top-Level-Domain .de. Zu den Aufgaben der DENIC eG gehören u. a.: Bundesweit zentrale Registrierung und Verwaltung von Domains unterhalb der Top- Level-Domain .de, Mitgestaltung der organisatorischen und technischen Weiterentwicklung des Internets in Zusammenarbeit mit internationalen Gremien (z. B. mit CENTR oder ICANN), Betrieb des ersten Rootservers in Deutschland, Betrieb des Nameserverdienstes für die .de-Zone, Bereitstellung von Informationsdiensten wie Whois, einer Datenbank, die die Suche nach Domainnamen und deren Inhabern ermöglicht, http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/65207&words=ICANN (Stand 24. Oktober 2005). 20 Das Abschlussdokument „Tunis Agenda for the Information Society“ ist zu finden unter der Internetadresse http://www.itu.int/wsis/ - 18 - Einrichtung von Dispute-Einträgen in Domainstreitfällen,21 Unterstützung von Domaininhabern bei Fragen und Problemen durch eine Hotline (Wikipedia 2005a).22 Nach Angaben der DENIC ist die länderbezogene Endung .de nach .com die zweithäufigste weltweit. Am 20. August 2005 ging bei der DENIC eG der Auftrag für die neunmillionste .de-Domain ein. Jährlich kommen etwas mehr als eine Million .de-Domains hinzu. Etwa 80.000 Domaininhaber haben ihren Sitz im Ausland (Denic 2005). In ihrer Arbeit bezieht sich die DENIC eG, wie alle anderen Registrierungsstellen auch, auf das grundlegende Dokument RFC1591 „Domain Name System Structure and Delegation“ von 1994.23 In diesem Dokument werden verschiedene Anforderungen und Verpflichtungen an den ernannten Verwalter („designated administrator“), dessen Aufgabe in Deutschland die DENIC eG wahrnimmt, gestellt: Er ist zur Dienstleistung an der Internet Community verpflichtet, er soll im Stande sein, seine Aufgaben angemessen, fair, redlich und kompetent zu erfüllen, er erwirbt seine Legitimation aufgrund der Anerkennung durch die lokale Internet Community. Die DENIC eG beteiligt sich an der Einrichtung und dem Betrieb eines Nameservers in Frankfurt am Main, der eine exakte Kopie des K-Rootservers der ICANN in London ist. (Nähere Ausführungen zu den Rootservern der ICANN sind unter 6.1 zu finden). Dieser Server ging am 19. Januar 2004 in Betrieb (Wikipedia 2005a, DENIC 2004: 12). 3.2 Geschichte Die Top-Level-Domain .de wurde erstmals 1986 in die Rootserver des Internets eingetragen. 1991 startete die Informatikrechner-Betriebsgruppe der Universität Dortmund einen ersten Nameserver-Dienst für die .de-Domain. Dieses auf Freiwilligenbasis beruhende System 21 Ein Dispute-Eintrag bewirkt, dass der Domaininhaber die Domain nicht mehr auf einen Dritten übertragen kann. Wenn der bisherige Inhaber die Domain löscht, wird derjenige, der den Dispute-Eintrag verlangt hat, neuer Domaininhaber. 22 Die Darstellung der Organisation beruht im Wesentlichen auch auf Informationen der DENIC eG, die unter http://www.denic.de abrufbar sind. - 19 - wurde im August 1993 auf eine breitere Basis gestellt, als sich der Interessenverbund Deutsches Network Information Center (IV-DENIC) auf Initiative der damals existierenden drei deutschen Internet Service Provider konstituierte und den Betrieb des Nameserver-Dienstes bundesweit ausschrieb. Für drei Jahre übernahm die Universität Karlsruhe ab Januar 1994 die Verwaltung und Registrierung der .de-Domains. Nachdem die Zahl der registrierten Domains mittlerweile auf über 20.000 angewachsen war, beschloss eine Versammlung des IV-DENIC zusammen mit einem weiteren interessierten Unternehmen im Dezember 1996 die Gründung der Genossenschaft DENIC eG zur Verwaltung der deutschen Domains und Bereitstellung der nötigen Infrastruktur (Heise 2004a).24 3.3 Struktur Die DENIC eG hat ca. 86 Mitarbeiter. Genossenschaftssitz ist Frankfurt. Mitglieder der DE- NIC eG sind Internetdiensteanbieter, die ihren Kunden lokale Zugänge zum Internet zur Verfügung stellen.25 Am 31. Dezember 2004 hatte die DENIC eG 271 Mitglieder (Wikipedia 2005a, DENIC 2004 a: 7). Zu den Mitgliedern gehören auch Internetprovider aus Australien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Barbados. Insgesamt gehören der DENIC eG Unternehmen aus 14 Ländern an (DENIC 2004: 7). Wie bereits aus dem kurzen historischen Abriss (3.2) erkennbar wird, ist die DENIC eG privatwirtschaftlich organisiert und entspringt einer Initiative der betroffenen Industrie. Die DE- NIC eG selbst sieht in dieser organisatorischen Struktur eine Entsprechung zu den offenen Strukturen des globalen Mediums Internet, das auf den Prinzipien der dezentralen Verteilung von Verantwortlichkeiten und Ressourcen sowie der Selbstregulierung durch die betroffenen Interessengruppen basiert. Die Ausgestaltung der DENIC eG in Form einer Genossenschaft eröffnet weiteren Unternehmen jederzeit die Möglichkeit eines Beitritts. Organe der DENIC eG sind nach ihrem Statut der Aufsichtrat, der Vorstand und die Generalversammlung (DENIC 2002). Ein juristischer Beirat, dem Vertreter von Wirtschaftsverbänden , Wissenschaftler, Anwälte und als Beobachter Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie des Bundesministeriums der Justiz angehören, berät die Entscheidungsgremien der DENIC eG in Fragen der Registrierungspolitik. Einzelheiten zur Struktur der DENIC eG lassen sich der folgenden Graphik entnehmen. 23 Abrufbar unter http://www.ietf.org/rfc/rfc1591.txt. 24 Informationen hierzu finden sich auch in einer Pressemeldung „Zehn Jahre DENIC“ vom 1. Januar 2004, http://www.heise.de/newsticker/meldung/43294 (Stand 13. Oktober 2005). 25 Eine Liste der Mitglieder ist unter der Internetadresse www.denic.de zu finden. - 20 - Graphik aus: www.denic.de/de/denic/wir_ueber_uns/organigramm/index.htm In jüngster Zeit unternommene Versuche, mehr Einfluss für die Mitglieder im Statut der Genossenschaft festzulegen, blieben ohne Erfolg. Auf einer Mitte 2005 durchgeführten außerordentlichen Generalversammlung erhielten Vorschläge, die Amtszeit der Vorstandsmitglieder zu verkürzen, den Vorstand zu verkleinern sowie auf hauptamtliche Mitglieder zu beschränken und mehr Mitglieder in den Aufsichtsrat zu berufen, nicht die erforderliche Dreiviertelmehrheit (Ermert 2005a). 3.4 Arbeitsweise Die Verantwortung für die Country Code Top-Level-Domain trägt die jeweilige lokale Internet Community. Die Bedingungen, unter denen man eine Domain registrieren lassen kann, können sich daher von Land zu Land unterscheiden. Regelungen für die Länderdomain .de enthalten die Domainrichtlinien der DENIC eG. Diese sehen vor, dass die DENIC eG die Registrierung der Internet-Domains unterhalb der Top-Level-Domain .de ohne Gewinnerzielungsabsicht zum Nutzen aller am Internet Interessierten vornimmt. Domainaufträge können entweder über ein Mitglied der DENIC eG oder unmittelbar an die DENIC eG erteilt werden. Die DENIC eG selbst empfiehlt die Domainregistrierung über eines ihrer Mitglieder, da dies - 21 - oftmals der günstigere Weg ist. Denn das DENIC Mitglied, d. h. der Internet-Service Provider oder Registrar, bietet oft einen weitergehenden Service als die DENIC eG selbst. Es berät z.B. bei der Wahl des Domainnamens, recherchiert nach freien Namen, regelt die technischen Angelegenheiten und leitet die nötigen Angaben für den Domainauftrag an die DENIC eG weiter (Hessen-it 2004:16). Die DENIC eG prüft nur, ob der Domainname bereits vergeben ist. Ob durch die Anmeldung Rechte Dritter verletzt werden, prüft sie dagegen nicht. Vom BGH ist ausdrücklich bestätigt worden, dass der DENIC eG keine weitere Prüfungspflicht zukommt (Hessen-it 2004). Nach den Domainbedingungen der DENIC eG liegt die Verantwortung dafür, dass weder Rechte Dritter verletzt noch ein sonstiger Gesetzesverstoß vorliegt, beim Domaininhaber. Wenn ein Dritter glaubhaft macht, dass er ein Recht auf die Domain hat und dieses gegenüber dem Domaininhaber geltend macht, versieht die DENIC eG eine Domain mit einem Dispute-Eintrag. Der Dispute-Eintrag bewirkt, dass der Domaininhaber die Domain nicht mehr auf einen Dritten übertragen kann und gewährleistet, dass der Antragsteller unmittelbar neuer Domaininhaber wird, wenn der bisherige Inhaber die Domain löscht. Dies ist vor allem deshalb von Vorteil , weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vom Domaininhaber nur die Löschung der Domain, nicht aber deren Übertragung verlangt werden kann. Ein Vertrag zwischen der DENIC eG und dem Domaininhaber kommt auch dann zustande, wenn die Domain über einen Provider registriert wurde. Der Domaininhaber hat daher eine Zahlungspflicht gegenüber der DENIC eG (Hessen-it 2004: 18, 19). 3.5 Zusammenarbeit von DENIC und ICANN Die DENIC eG steht in ständigem Kontakt zu anderen nationalen und internationalen Einrichtungen , Organisationen und Verbänden, die sich mit dem Internet auseinandersetzen. Dementsprechend unterhält die DENIC eG auch Beziehungen zur ICANN. Wie den Tätigkeitsberichten der DENIC eG zu entnehmen ist, besuchen Vertreter der DENIC eG die Veranstaltungen der ICANN, führen Gespräche mit Verantwortlichen der ICANN und anderen wichtigen Vertretern der internationalen Internet Community und beteiligen sich an den Diskussionen zur ICANN. Auch ist die DENIC eG Mitveranstalterin des ICANN-Studienkreises, der im Jahre 2003 ein Treffen zum Thema „Internet Governance: ICANN in der Reform“ durchgeführt hat (DENIC 2003: 23, 2004a: 18,19). - 22 - Als Unterorganisation der ICANN existiert eine zentrale Organisation für Länderregistrierungsstellen , die Country Code Name Supporting Organization (ccNSO)26, der die DENIC eG jedoch nicht angehört. Die ccNSO wurde im März 2004 während des ICANN-Treffens in Rom unter den Statuten der ICANN gegründet. Voraussetzung für ihre formelle Gründung war, dass ihr mindestens 30 Mitglieder und vier aus jeder der fünf geographischen Regionen beigetreten sind. Die ccNSO selbst bezeichnet ihre Gründung als das Resultat kontinuierlicher Bemühungen vieler Länderdomain-Verwalter, ein Forum zu errichten, das es ihnen ermöglicht , an der Arbeit der ICANN teilzuhaben. Aufgabe der ccNSO ist es, eine allgemeine, die Länderdomains betreffende Politik zu entwickeln und zu empfehlen, Übereinstimmung zwischen den Mitgliedern zu fördern sowie die Koordination mit anderen Organisationen der ICANN zu übernehmen. Die DENIC eG ist der ccNSO bislang nicht beigetreten.27 Bedenken gegen einen Beitritt zur ccNSO bestehen bei der DENIC eG insbesondere deshalb, weil Defizite bei den Statuten der ICANN gesehen werden (DENIC 2004). Wie dem Tätigkeitsbericht der DENIC eG aus dem Jahre 2003 zu entnehmen ist, sieht die DENIC eG die ccNSO zur Entwicklung einer Politik auf globaler Ebene zwar durchaus als bedeutsam an. Eine wesentliche Forderung der DENIC eG - wie auch anderer Registrierungsstellen - ist aber, dass der Aufgabenbereich der ICANN verbindlich beschränkt wird und die Erarbeitung globaler Regelungen ausschließlich in die Kompetenz der ccNSO fällt (DENIC 2003: 19). Auch äußerte ein Vorstandsmitglied der DE- NIC eG im Sommer 2003, dass erhebliche Bedenken gegen die komplizierten Entscheidungsprozesse innerhalb der ccNSO bestünden. Es sei daher die nicht unerhebliche Gefahr gegeben, dass Entscheidungen durch Minderheiten beeinflusst würden und nicht mehr der Mehrheitsmeinung entsprächen. Die Frage, ob die DENIC eG der ccNSO beitrete, sei daher noch verfrüht (Hitzelberger 2003). In einem aktuellen Bericht vom 7. Juni 2005, der auf den Internetseiten der ccNSO veröffentlicht ist, sind die Bedenken, die bei der DENIC eG gegen die Statuten der ICANN bestehen, im Einzelnen dargelegt. Dieser „Issues Report“ ist in Durchführung der Statuten zu einem „ccNSO Policy-Development Process (ccPDP)“entstanden, der aufgrund eines Schreibens der Organisation CENTR an die ICANN in Gang gesetzt wurde (ccNSO 2005). 26 Informationen zur ccNSO sind unter http://ccnso.icann.org zu finden. - 23 - 4. Council of European National Top Level Domain Registries (CENTR) Der Council of European National Top Level Domain Registries (CENTR)28 ist eine Organisation, in der vorwiegend europäische Registrierungsstellen für Country Code Top- Level-Domains (ccTLD’s) Mitglied sind. Mehr als 40 von ihnen kommen aus Europa, Mitglieder sind aber auch Registrierungsstellen aus Japan, Neuseeland, Kanada und aus dem Iran.29 Die volle Mitgliedschaft ist für alle Organisationen offen, die ccTLD’s verwalten, unabhängig von ihrer regionalen Herkunft. Außerdem hat CENTR mehrere außerordentliche Mitglieder, zu denen auch Registrierungsstellen für Generic Top-Level-Domains (gTLD’s) gehören. Als Beobachter nehmen u. a. die Europäische Kommission und ICANN an CENTR teil. Auch wenn es keine geographischen Beschränkungen für eine Mitgliedschaft bei CENTR gibt, liegt dessen inhaltlicher Schwerpunkt doch in Europa. Das Projekt, aus dem sich CENTR entwickelt hat, wurde im März 1998 informell von teilnehmenden Registrierungsstellen gegründet. 1999 wurde CENTR offiziell als eine nicht gewinnorientierte Gesellschaft in Großbritannien errichtet. Die Aktivitäten von CENTR werden über Mitgliedsbeiträge finanziert und durch ein in Brüssel angesiedeltes Sekretariat vollzogen. CENTR versteht sich als Forum zur internationalen Diskussion von Fragen und Themen, die mit der Domainregistrierung zusammenhängen. Ziel ist dabei insbesondere der Gedankenund Informationsaustausch zwischen den Registrierungsstellen der ccTLD’s. Er fördert die Interessen der nicht profitorientierten Registrierungsstellen der ccTLD’s und ihrer Lobby in deren Namen. Da die Regeln und die Vorgehensweise bei der Registrierung der ccTLD’s beträchtlich voneinander abweichen, verfolgt CENTR das Ziel, Informationen zu sammeln und die Praktiken der Registrierung zu dokumentieren. Er bietet eine Anlaufstelle für diesbezügliche Anfragen und fördert die Bereitstellung eines besseren Services für Nutzer. CENTR unterstützt zudem gemeinschaftliche, ccTLD’s betreffende Projekte und organisiert verschiedene Treffen, bei denen die Mitglieder die sie interessierenden Themen diskutieren können. Zu diesen mehrmals im Jahr stattfindenden Veranstaltungen gehören die General Assembly, die Legal and Regulatory Group, der Technical Workshop und der Administrative Workshop. 27 Eine aktuelle Liste der Mitglieder der ccNSO bzw. derjenigen Registrierungsstellen, die ihre Mitgliedschaft beantragt haben, ist auf der Internetseite http://ccnso.icann.org/applications/summary-region.shtml zu finden. 28 Informationen zu CENTR sind unter http://www.centr.org abrufbar. 29 Eine Liste der Mitglieder von CENTR ist unter http://www.centr.org/members/ aufgeführt. - 24 - CENTR ist organisatorisch – anders als die ccNSO – nicht bei der ICANN eingebunden. In Diskussionen mit anderen Organisationen repräsentiert CENTR die gemeinsame Position seiner Mitglieder, sofern eine solche vorhanden ist. So hat z.B. – wie bereits unter 3.5 dargelegt – CENTR in einer Stellungnahme gegenüber ICANN Vorstellungen formuliert, in welcher Weise sich Geltungsbereich, Struktur, und Entscheidungsprozesse der ccNSO ändern sollten und Stellung zu dem Draft ICANN Strategic Plan bezogen. CENTR hat hierin seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, es sei zu optimistisch, davon auszugehen, dass 50 % der ccTLD’s Registrierungsstellen am Ende des Plans Mitglied der ccNSO seien. Er würde es daher bevorzugen, wenn der Plan alternative Wege aufzeige, um die Länderregistrierungsstellen in den politischen Entwicklungsprozess einzubeziehen (CENTR 2005). 5. Council of Registrars (CORE) Der Council of Registrars (CORE)30 ist eine nicht gewinnorientierte Vereinigung, in der Domain-Registrare für die Domainnamen .com, .net, .org, .biz, .info .name, .us, .cn, .coop und zukünftig auch .eu Mitglied sind. Die CORE-Mitglieder betreiben ein gemeinsames Registrierungssystem (shared registration system - SRS), eine Datenbank, in der die Daten der Inhaber von .com-, .net-, .org-, .biz- und .info-Domänen gespeichert sind. Die Datenbank ist an ein gemeinsames Whois-Server-System angeschlossen, mit dem Informationen zu einer Domain abgefragt werden können. Das SRS betreiben die CORE-Mitgliedsunternehmen zwar gemeinsam, sie konkurrieren aber hinsichtlich ihrer Preise und Dienstleistungen. CORE selbst bearbeitet keine Anträge der Endkunden auf Registrierung einer Domain. CORE hat Mitglieder in vier Kontinenten. Es gibt keine regionalen Begrenzungen. Das Sekretariat der CORE hat seinen Sitz in der Schweiz (CORE 2005). CORE bezeichnet sich als die größte Vereinigung von Registraren, die ihren Mitgliedern geteilte Kosten, Wissen und rechtlichen Rat bietet. Aufgrund der Strukturen von CORE ist es möglich, dass neue Mitglieder sofort als Mitgliedsregistrar der CORE tätig werden können, ohne dass es einer gesonderten Zulassung durch die ICANN bedarf. CORE beteiligt sich an der Entwicklung neuer Top-Level-Domains. Zudem vertritt er die Interessen seiner Mitglieder bei allen bedeutsamen Treffen u. a. auch gegenüber der ICANN. CORE selbst und viele seiner Mitgliedsunternehmen sind Mitgliedsregistrare der ICANN. Die Initiative zur Gründung von CORE geht auf die „Internet Society“ und die „Internet Assigned 30 Informationen zu der Organisation sind der Internetseite http://www.corenic.org zu entnehmen. - 25 - Numbers Authority“ (IANA), die Vorgängerorganisation der ICANN, im Herbst 1996 zurück. Ziel war es, Wettbewerb in das Domain-Name-System (DNS) einzuführen, da das Monopol für .com-, .org- und .net-Adressen im Jahre 1998 enden sollte. Der Plan wurde von einer ad hoc-Arbeitsgruppe (IAHC) erstellt und im sogenannten „generic Top-Level Domains Memorandum of Understanding“ (gTLD-MoU) niedergelegt. Hierin festgelegt werden u. a. Regelungen für die Aufnahme als Registrar sowie zu Struktur und Verantwortlichkeiten von CORE (gTLD MoU 1997). Mittlerweile haben mehr als 200 Unternehmen und Organisationen das Memorandum unterzeichnet. CORE hat an dem Entscheidungsprozess der US-Regierung mitgewirkt, der zur Gründung der ICANN und ihrer Unterorganisation „Domain Names Supporting Organisation“ (DNSO) geführt hat. Die DNSO gibt Empfehlungen für das Domain- Name-System, insbesondere für die Einführung neuer Generic Top-Level-Domains (CORE 2005; Lexitron 2001). 6. Arbeitsweise und Zielsetzung des Open Root Server Network (ORSN) 6.1 Struktur der DNS Rootserver Weltweit gibt es 13 Root-Server, die als oberste Instanz für die Übersetzung von Domainnamen in IP-Adressen zuständig sind. Die Root-Server kennen zu jeder Zeit die Adresse jedes Web-Servers der Welt. Sie sind von a bis m indexiert. Eine Übersicht über die Root-Server, deren Betreiber und Standorte ist unter www.root-servers.org zu finden. Seit 2004 verfügt auch Deutschland über einen Rootserver. Es handelt sich hierbei um den von RIPE NCC in London betriebenen K-Root-Server, der von der DENIC eG und dem Verband eco über Anycast in Deutschland betreut wird. Mittels Anycast lässt sich für jeden einzelnen Rootserver ein eigenes Netz von verteilten Servern aufbauen, die über einen identischen Datenbestand verfügen und unter ein und derselben IP-Adresse erreichbar sind. Insgesamt vier der 13 Rootserver arbeiten bereits mit Anycast (Ermert 2004). Koordinierung und Überwachung der zentralen DNS-Root-Server ist Aufgabe der ICANN. Die Entscheidung darüber, welche Adresse im Web existiert und welche nicht, wird über den A-Root-Server unter Absprache mit dem US-Handelsministerium getroffen und steht somit unter der Oberaufsicht der US-Regierung (Hessen-it 2004: 36 ff). - 26 - 6.2 Alternative Rootserver Die Organisation Open Root Server Network (ORSN)31 nimmt seit Februar 2002 die Aufgabe wahr, die Namensauflösung im Internet durch ein weiteres Root-Server-Netzwerk sicherzustellen , das neben dem Root-Server-Netzwerk der ICANN existiert. Es ist zu 100 % kompatibel mit dem ICANN Root, versteht sich selbst aber als eine Alternative zu dem von der ICANN koordinierten Netzwerk. Es handelt sich also – anders als bei den übrigen in dieser Arbeit beschriebenen Institutionen – um keine Organisation, die Domänenregistrierungen vornimmt. Die Organisatoren von ORSN bezeichnen die 13 unter der Aufsicht der ICANN betriebenen Root-Server zwar als eine hochwertige und sichere Lösung. Dennoch halten sie das alternative Root-Server-Netzwerk der ORSN für sinnvoll. So soll dieses dazu beitragen, dass eine Lastverteilung auf das ORSN-Netzwerk positive Auswirkungen auf die Geschwindigkeit für Nutzer in Europa hat. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Ausfall einer oder mehrerer Systeme in den USA bereits Probleme bei der Kommunikation im Internet zur Folge habe und die noch erreichbaren Root Server die Anfragen mit abdecken müssten . Einen Totalausfall des Root-Server-Netzwerkes der ICANN schließen die Organisatoren des ORSN allerdings so gut wie aus. Das ORSN-Projekt soll keine Absonderung von ICANN darstellen, soll aber die Einflussnahme der USA erheblich einschränken. Die USA sei theoretisch und praktisch in der Lage die Zugriffe auf Inhalte im Internet zu steuern bzw. einzuschränken . Eine Manipulation der Root Zone könne bewirken, dass der gesamte Namensraum der Länderdomain .de nicht mehr für die restliche Welt außerhalb Deutschlands erreichbar sei. Die einseitige Steuerungsmöglichkeit sei problematisch, da die praktische Verwaltung der Root Zone in den Händen von Wirtschaftsunternehmen liege. Auch Grossunternehmen der Software-Branche bekämen mehr und mehr Einfluss auf die Gestaltung des Internets. Zwar seien keine konkreten Fälle eines Missbrauches dieser Machtposition bekannt. Es reiche aber die Position als solche, um erheblichen Einfluss auf die europäische Wirtschaft auszuüben. ORSN basiert auf einer privaten Initiative. Das Projekt ist nicht gewinnorientiert. Die gegenwärtigen Root-Server-Betreiber unterstützen das Netzwerk, indem sie Mittel wie z. B. Server Hardware zur Verfügung stellen und – soweit erforderlich – die Administration der entsprechenden Server übernehmen. Vorwiegend sollen die maximal 13 ORSN-Root-Server in Europa untergebracht sein. Ziel ist hierbei eine gleichmäßige Verteilung der Root-Server in der - 27 - Europäischen Union. Zurzeit befinden sich zwölf ORSN-Server in Europa. Ein weiterer, von Paul Vixie betriebener Server befindet sich in Kalifornien. Neben den ORSN-Root-Servern, die nur von Internet Service Providern (ISP)32 genutzt werden können, betreibt ORSN zwei öffentliche Resolver-Nameserver, die von jedem genutzt werden können. Die angeschlossenen Internet Service Provider und Betreiber nutzen und pflegen ORSN aus Überzeugung und im Interesse der Unabhängigkeit des europäischen Netzwerkes. Das ORSN stellt - anders als es von manchen Organisationen aus kommerziellen Gründen angestrebt wird - keine weiteren Top-Level-Domains zur Verfügung, sondern unterstützt ausdrücklich die Politik der ICANN für Top-Level-Domains. Einmal täglich wird der Datenbestand mit den von ICANN bereitgestellten Root Zone Informationen synchronisiert. Diese ICANN basierte Betriebsart kann aber, sofern es die politische Situation erforderlich macht, weil etwa die Möglichkeit einer Ausfallzeit oder Veränderung der ICANN Root Zone existiert, deaktiviert und durch den Betriebsmodus „Independant“ ersetzt werden (ORSN 2005; Wikipedia 2005b). Vor kurzem hat das ORSN Unterstützung durch Paul Vixie erfahren, der Bind-Architekt bei dem F-Rootserver-Betreiber Internet Systems Consortium (ISC) der ICANN ist und nun einen ORSN-Root-Server im Net