© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Möglichkeiten im Umgang mit so genannten „Shitstorms“ Kommunikationsstrategien und rechtliche Implikationen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 2 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 3 Möglichkeiten im Umgang mit so genannten „Shitstorms“ Kommunikationsstrategien und rechtliche Implikationen Aktenzeichen: WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Abschluss der Arbeit: 7. September 2018 Fachbereiche: WD 10: Kultur, Medien und Sport (Gliederungspunkte 1 und 2) WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung (Gliederungspunkte 1 und 3) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Kommunikationsstrategien 5 2.1. Präventive Maßnahmen 7 2.2. Reaktive Maßnahmen 8 2.3. Fazit 9 3. Rechtliche Implikationen 10 3.1. Strafrecht 10 3.1.1. Strafrechtlicher Ehrschutz 11 3.1.2. Tatbegehung in sozialen Medien 13 3.1.3. Strafverfolgung 14 3.1.3.1. Einleitung durch Anzeige und Strafantrag 14 3.1.3.2. Anklageerhebung oder Einstellung 16 3.1.3.3. Privatklage und Nebenklage 17 3.2. Zivilrecht 17 3.2.1. Anspruchsgrundlagen 17 3.2.2. Anspruchsgegner 19 3.2.3. Rechtsfolgen und Anspruchsdurchsetzung 20 3.3. Fazit 23 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 5 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung enthält einen Überblick über die Möglichkeiten im Umgang mit so genannten „Shitstorms“ – dem lawinenartigen Auftreten negativer Kritik und Empörung, vornehmlich im Internet.1 Der Duden bezeichnet ihn als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“.2 Die dargestellten außerrechtlichen Möglichkeiten beschränken sich hierbei insbesondere auf Verhaltens - und Kommunikationsgrundsätze. Diese können der Natur der Sache entsprechend nicht mit Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt werden, sondern bilden in dieser Arbeit eine Sammlung der wichtigsten grundsätzlichen Empfehlungen. In rechtlicher Hinsicht wird summarisch aufgezeigt, welche Straftatbestände typischerweise bei sich an einem „Shitstorm“ Beteiligenden erfüllt sein können und wie die einschlägigen Strafverfolgungsvoraussetzungen ausgestaltet sind. Im Anschluss daran werden ausgewählte zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen und deren Durchsetzung kursorisch behandelt. 2. Kommunikationsstrategien Beinhaltet ein „Shitstorm“ legale Inhalte beziehungsweise zulässige Meinungsäußerungen, greifen die rechtlichen Vorkehrungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes3 nicht, das sich gegen Hassrede und Hasskriminalität richtet (rechtliche Hinweise s. Kapitel 3). Eine Mediation – die gebräuchlichste Form, einen Konflikt außergerichtlich beizulegen – besteht im Falle von „Shitstorm “ in aller Regel ebenfalls nicht, da dieser durch seine öffentlich-mediale Beschaffenheit nicht in ein formales Verfahren überführbar ist. Insbesondere zeichnen sich „Shitstorms“ in der Regel durch ein Fehlen von konkreten Konfliktparteien aus, die über eine Mediation zu einer Übereinkunft kommen könnten. Zudem besteht ein „Shitstorm“ typischer Weise nur eine kurze Zeit und endet bereits lange bevor ein rechtliches Verfahren den ursprünglichen Streitgegenstand – im Falle des Bestehens konkreter Streitparteien – behandelt. Eine Mediation behandelt also den Streitgegenstand und nicht den daraus resultierenden „Shitstorm“. Die zwei möglichen grundsätzlichen Strategien bei Aufkommen eines „Shitstorms“ bestehen zunächst darin, auf die mediale Aufregung zu reagieren oder nicht zu reagieren. Auch letzteres kann in bestimmten Fällen ratsam sein, dies lässt sich jedoch nicht verallgemeinern.4 In den sonstigen Fällen, die die Mehrheit bilden dürften, wird diese Vorgehensweise das Problem aber 1 Vgl. Advidera: Shitstorm; URL: https://www.advidera.com/glossar/shitstorm/ (Zugriff: 29.08.2018). 2 Bibliographisches Institut, Dudenverlag: Shitstorm, der; URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Shitstorm (Zugriff: 05.09.2018). 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz vom 1. September 2017 (BGBl. I S. 3352). 4 Hier lässt sich als Beispiel der Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert nennen: „Bereits 2012 erklärte er, wie er mit allzu heftiger Kritik im Netz umgeht: Twitter aus, Rechner aus und am nächsten Tag beginnt das Leben wieder bei null.“ Nach Fuchs, Martin: Es gibt keine politischen Shitstorms!; in: politik & kommunikation; URL: https://www.politik-kommunikation.de/ressorts/artikel/es-gibt-keine-politischen-shitstorms-16057 (Zugriff : 29.08.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 6 nicht lösen. Wenn Politiker in Affären geraten, gilt es, durch gutes Skandalmanagement Reputationsschäden zu begrenzen.5 „Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, bieten stets auch eine Angriffsfläche. Den, wie er schreibt, ‚naiven‘ Rat, sich nichts zuschulden kommen zu lassen, würde Becker keinem geben. Um sich zumindest ein wenig zu wappnen, gilt es im Fall der Fälle Schadensbegrenzung anzustreben. So rät Becker zu präzisen Aussagen und zu einer besonderen Aufmerksamkeit zu Beginn der Krise. Besonders in den ersten Stunden und Tagen einer Affäre gelte es, nichts zu sagen, was später die Konstruktion einer Diskrepanz ermöglichen oder erleichtern könnte. Und das eben trotz des massiven Zeitdrucks.“6 Nicht zuletzt wegen dieses Druckes, der Presse schnell etwas liefern zu müssen, sind schließlich von „Shitstorms“ Betroffene immer wieder gescheitert.7 Ausgerechnet in solchen Situationen empfiehlt Becker einen Leitsatz aus dem US-amerikanischen Qualitätsjournalismus: „Get it first, but first, get it right“.8 Der Skandalisierte soll also so schnell wie möglich reagieren, aber es soll sicher sein, dass die Fakten stimmen. Die nachfolgende Auswahl von Strategien und Vorgehensweisen im Falle von „Shitstorm“ sind der allgemeinen Diskussion entnommen und stellen einen übersichtlichen, unverbindlichen Maßnahmenkatalog ohne Anspruch auf Vollständigkeit dar.9 Dieser ist sowohl für natürliche Personen , wie private Internetnutzer, als auch für juristische Personen, wie z.B. Unternehmen oder Plattformbetreiber, anwendbar. 5 Hünninghaus, Anne: „Augen zu und durch“ reicht nicht; in: politik & kommunikation; URL: https://www.politik -kommunikation.de/ressorts/artikel/augen-zu-und-durch-reicht-nicht-58906039 (Zugriff: 29.08.2018). Vgl. hierzu Becker, Kim Björn: Politisches Skandalmanagement. Strategien der Selbstverteidigung in politischen Affären der Bundesrepublik Deutschland; Opladen/Berlin/Toronto 2016; S. 256 ff. 6 Ebenda. 7 Becker nennt als Beispiel die Kredit- und Medienaffäre des früheren Bundesspräsiden Christian Wulff, der sich dem später als unbegründet erwiesenen Vorwurf der Vorteilsnahme ausgesetzt sah. Im Jahr 2012 trat er von seinem Amt zurück. 8 Becker, a.a.O., S. 317. 9 Vgl. Kohl, Florian: Dos & Don’ts: Richtiger Umgang mit einem Shitstorm; in: CRM Manager.de; 21.07.2018; URL: https://www.crmmanager.de/dos-donts-richtiger-umgang-mit-einem-shitstorm/# (Zugriff: 29.08.2018). Sowie: Neue deutsche Medienmacher (Hrsg.): Wetterfest durch den Shitstorm. Leitfaden für Journalist*innen zum Umgang mit Hassrede im Netz; Berlin 2017; S. 22; URL: https://www.vielfalt-mediathek.de/data/ndm_wetterfest _durch_den_shitstorm_vielfalt_medaithek.pdf (Zugriff: 29.08.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 7 2.1. Präventive Maßnahmen Dialog aufbauen Aktiv Kontakt halten: Es sollte versucht werden, von selbst den Dialog zu suchen. Anfragen sollten umgehend und freundlich beantwortet werden, um zu zeigen, dass diese und die zu Grunde liegenden Anliegen wahr- und ernstgenommen werden.10 Wachsam bleiben Es ist ständig zu überwachen, wie das betreffende Unternehmen, die Marke oder Person wahrgenommen wird. „Social-Monitoring-Tools oder -dienstleister überwachen unterschiedliche Kanäle und stellen fest, ob sich eventuell ein Problem abzeichnen könnte.“11 Über Facebook und Twitter ist heute relativ frühzeitig erkennbar, ob Kunden mit Produkten, Dienstleistungen oder den Unternehmenswerten unzufrieden sind. Vorbereitet sein Es sollte Wert auf ein kompetentes Social-Media-Team in der jeweiligen Institution gelegt werden , das auch mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet ist. Insbesondere müssen Szenarien skizziert werden, die um die Fragen kreisen: Was kann passieren? Wie soll darauf reagiert werden ? Wer soll darauf reagieren?12 Handlungsrichtlinien festlegen „Auch das beste und engagierteste Social-Media-Team kann nicht richtig reagieren, wenn sich niemand zuständig fühlt und wenn keine Ablaufpläne o.ä. vorhanden sind.“13 Daher ist festzulegen , wie im Ernstfall vorgegangen wird. Dabei muss klar sein: „Wer darf/soll reagieren? Nur ein Mitglied des Social-Media-Teams oder alle? Ist ggf. für die nötige Abstimmung im Team gesorgt, so dass der Auftritt nach außen einheitlich ist? Hat das Social-Media-Team die Kontaktdaten der Geschäftsführung? Hier ist es hilfreich, Ablaufpläne und Checklisten anzulegen, denen das Team folgen kann.“14 10 Vgl. auch Fuchs, a.a.O. 11 Kohl, a.a.O. 12 Als einer der bekanntesten deutschen „Shitstorms“ gilt der, der im Jahr 2010 auf die Deutsche Bahn niederging, bei dem das Social-Media-Management die negativen Kundenreaktionen über eine Ticketaktion auf Facebook nicht beruhigen konnte. Quelle: Söhler, Maik: Chef-Ticket? Anfänger-Ticket! Deutsche Bahn auf Facebook; in: taz; 19.10.2010; URL: http://www.taz.de/!5133785/ (Zugriff: 05.09.2018) sowie: Zeit Online: Feature: Shitstorm - Der Empörungssturm im Netz; 18.06.2012; URL: https://www.zeit.de/news/2012-06/18/internet-feature-shitstorm ---der-empoerungssturm-im-netz-18135202 (Zugriff: 05.09.2018). 13 Kohl, a.a.O. 14 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 8 Früh reagieren, ausreichend informieren, verständig sein Nicht in allen Fällen kann das Problem umgehend gelöst werden, aber es ist wichtig, sofort zu zeigen, dass es erkannt und seine Behebung eingeleitet wurde. Dies muss auch unbedingt so kommuniziert werden, und zwar über die Dauer des gesamten Vorgangs hinweg. Dabei muss deutlich gemacht werden, dass das beanstandete Problem bzw. der Vorfall ehrlich bedauert wird. Kunden und Fans identifizieren im Internet inhaltsleere Äußerungen sehr rasch. Es muss kommuniziert werden, dass ein Fehler unterlaufen ist und wie dieser in Zukunft vermieden werden soll.15 2.2. Reaktive Maßnahmen Entsteht ein „Shitstorm“ tatsächlich, empfiehlt es sich, die „3-R-Regel“ zu beachten. Sie besteht aus den Schritten: react, regret, re-inform.16 React: Reagieren Zunächst ist die schnelle Reaktion ausschlaggebend, wobei der folgende kurze Hinweis wichtig ist: „Das Problem ist zur Kenntnis genommen worden, die Beschwerde wird ernst genommen und sie wird bearbeitet. Dieser vorläufigen muss zeitnah eine tatsächliche Auskunft folgen.“17 Regret: Bedauern Ein sehr wichtiger und einfacher Satz, vor dem jedoch immer noch einige Unternehmen zurückschrecken , ist dennoch notwendig: „Es tut uns leid, dass das passiert ist. Wir werden alles tun, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt.“18 Re-inform: Informieren Die Kunden, Follower und Fans müssen auf dem Laufenden gehalten werden. Wenn keine Aussagen gemacht werden können, sollte auch dies transparent kommuniziert werden. Zum Beispiel: „Sobald wir mehr wissen, werden wir Sie umgehend informieren.“ – dieses Versprechen muss natürlich eingehalten werden. Es ist regelmäßig, verständlich und proaktiv zu informieren. Die in den sozialen Netzwerken bestehende Möglichkeit, Nutzerkommentare und -einträge zu löschen , ist gut abzuwägen. Neben dem erheblichen Aufwand während eines „Shitstorms“, die eigene Online-Präsenz z.B. auf Facebook oder Twitter gemäß den eigenen Social-Media-Richtlinien zu kontrollieren, birgt dies unabwägbare Folgen. „Die Zensur, oder gar das Löschen von Inhalten 15 Ebenda. 16 Ebenda. 17 Zit. nach ebenda. 18 Zit. nach ebenda. Vgl. Advidera, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 9 empfiehlt sich zu vermeiden. In den meisten Fällen verschlimmern solchen Maßnahmen die Situation noch zunehmend.“19 2.3. Fazit Ein wesentliches Merkmal eines „Shitstorms“ besteht darin, dass er mit beleidigenden Äußerungen einhergeht und, dass je länger er anhält die öffentlichen Diskussionen immer aggressiver werden sowie sich immer weiter (auch thematisch) ausbreiten. Kurz gesagt: Je länger ein „Shitstorm “ ungehindert „toben“ darf, desto schlimmer wird er. Da ein „Shitstorm“ zudem sehr rasch ausbrechen kann, besteht keine Möglichkeit der Vorbereitung. Der Betroffene muss ihm also von Beginn an mit bereits vorbereiteten, effektiven und überlegten Strategien entgegentreten.20 Abgesehen vom eigenen Verhalten und Auftreten im öffentlichen Raum lassen sich keine Vorkehrungen schaffen, den Ausbruch eines „Shitstorms“ definitiv zu verhindern. Durch die Beteiligung der Öffentlichkeit ist ein Ausbruch nicht vorhersehbar und an keine Gesetzmäßigkeiten oder Logiken gebunden.21 Daher können Maßnahmen erst ergriffen werden, wenn der „Shitstorm“ bereits ausgebrochen ist bzw. läuft. Diese Maßnahmen, einen „Shitstorm“ einzudämmen und zu entschärfen können jedoch vorbereitet werden, um sie im Ernstfall abzurufen. Eine Reaktion des Betroffenen ist im Falle von „Shitstorm“ in der Regel unumgänglich. Im politischen Bereich kann das Auftreten von „Shitstorms“ eine mediale Krisensituation darstellen22, der Politiker ebenso wie in der nicht-digitalen Öffentlichkeit, adäquat begegnen können müssen. Die Befürchtung vor dem Karriereende darf nicht zu Sprachlosigkeit führen. Vielmehr sollten insbesondere Politiker auf den Kern ihrer Profession setzen: die Macht des Wortes. Zugleich ist jede mediale Krisensituation eine Gelegenheit, Kommunikationsverhalten und Reaktionen zu üben. Dies ist im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung und Mediatisierung auch unumgänglich. „Jeder Dialog baut die Angst vor einem Shitstorm etwas ab. Wer es schafft, eine digitale Community an sich zu binden, kann darauf vertrauen, dass diese ihn auch in kritischen Situationen verteidigen wird. Das muss man dann gar nicht mehr selbst tun.“23 Wenngleich ein „Shitstorm“ unübersichtlich ist, die Aufmerksamkeit der Beteiligten besteht zweifelsohne – und dies ist zugleich eine Möglichkeit, die Situation in einen Vorteil zu verwandeln .24 Dabei empfiehlt sich ein gewisses Maß an Souveränität im Umgang mit Kritikern unter 19 Kohl, a.a.O. 20 Ebenda. 21 Hünninghaus, a.a.O. 22 Vgl. Weichert, Stephan: Demokratie als Shitstorm? Implikationen zur politischen Debattenkultur durch Social Media; in: Altmeppen, Klaus-Dieter/Büsch, Andreas/ Filipović, Alexander (Hrsg.): Communicatio Socialis. Zeitschrift für Medienethik und Kommunikation in Kirche und Gesellschaft; 47. Jahrgang 2014, Heft 2; Ostfildern- Ruit 2014; S. 210; URL: http://ejournal.communicatio-socialis.de/index.php/cc/article/view/657/656 (Zugriff: 29.08.2018). 23 Fuchs, a.a.O. 24 Vgl. Advidera, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 10 Beweis zu stellen: Nach einer gewissen Zeit des Gebrauchs sozialer Netzwerke sind bestimmte Nutzer, die regelmäßig durch Kommentare auffallen, und deren politische Beweggründe leicht zu identifizieren. „Man muss lernen, diese unsachliche Kritik zu ignorieren. Dabei hilft eine klar formulierte Netiquette, die auf den Social-Media-Profilen transparent präsentiert werden muss. Jeder, der dagegen verstößt, wird kommentar- und diskussionslos gelöscht. Nur so können Politiker die Diskussionskultur auf ihren Profilen individuell steuern.“25 Im Fall der Konsequenz eines Rücktrittes von einem öffentlichen Amt, bedeutet dies nicht das Ende der Karriere. „Becker rät davon ab, die Frage, ob die Person von ihrem Amt zurücktreten musste oder nicht, als primären Indikator für Erfolg zu betrachten. Stattdessen sollte ‚die Skandalforschung ihren Fokus stärker als bisher auf den langfristigen Reputationsverlust des Skandalisierten richten. […] Erfolgreiches Skandalmanagement in der Politik zeichnet sich dadurch aus, dass es dem Angegriffenen gelingt, die möglicherweise dauerhafte Beschädigung seines öffentlichen Images nicht durch eigenes Zutun zusätzlich zu vergrößern.‘“26 3. Rechtliche Implikationen Hinsichtlich der rechtlichen Implikationen von „Shitstorms“ lassen sich vor allem solche aus dem Strafrecht und solche aus dem Zivilrecht unterscheiden. Während sich strafrechtlich im Wesentlichen die Frage stellt, ob und inwieweit sich einzelne Personen, die an einem Shitstorm mitwirken , strafbar machen und deswegen belangt werden können, ist zivilrechtlich fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen sich Opfer von Shitstorms auf zivilrechtlichem Weg zur Wehr setzen können. 3.1. Strafrecht Wie bereits ausgeführt, kann ein „Shitstorm“ eine Vielzahl unterschiedlicher Beiträge in einem bestimmten Kommunikationsmedium des Internets enthalten. Zumeist werden die Beiträge über soziale Medien (social media) kommuniziert und weiterverbreitet.27 Während es ein weites Spektrum von rechtlich unproblematischen Äußerungen und Verhaltensweisen gibt, können je nach Art, Inhalt und Adressat der Äußerungen im konkreten Einzelfall auch Straftatbestände erfüllt sein. So ist grundsätzlich insbesondere eine Strafbarkeit wegen Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung gemäß §§ 185 ff. StGB28 denkbar. Im Übrigen kann durchaus auch eine Straf- 25 Fuchs, a.a.O. 26 Hünninghaus, a.a.O. Als positives Beispiel für Skandalmanagement wird der Fall der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Margot Käßmann angeführt. Dieser gelang es nach einem Straßenverkehrsdelikt durch ihre Kommunikation und ihren Rücktritt vom Bischofsamt und EKD-Ratsvorsitz „die Krise erhobenen Hauptes und mit guten Perspektiven zu überstehen“. Quelle: Ebenda. Sowie: vgl. Becker, a.a.O., S. 22 f., 313. 27 Roth, in: Kriminalistik – Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis (Kriminalstatistik ), 1/2016, S. 67 ff. (68). 28 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist (nachfolgend StGB). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 11 barkeit wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a StGB, wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB oder wegen Volksverhetzung gemäß § 130 StGB in Betracht kommen. Insbesondere bei beharrlichen, vehement drohenden Äußerungen kommen auch Straftaten gegen die persönliche Freiheit in Betracht, etwa Nachstellung, Nötigung oder Bedrohung (§§ 238, 240, 241 StGB). 3.1.1. Strafrechtlicher Ehrschutz Der Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfasst insbesondere die Äußerung beleidigender Werturteile gegenüber dem Betroffenen oder über diesen gegenüber Dritten.29 Dagegen stellen die §§ 186-188 StGB (üble Nachrede, Verleumdung) unter bestimmten Voraussetzungen ehrverletzende Tatsachenbehauptungen über den Betroffenen gegenüber Dritten unter Strafe.30 Zu beachten ist, dass keineswegs jede abfällige Bemerkung über eine andere Person eine strafrechtlich relevante Beleidigung nach § 185 StGB darstellt; eine solche setzt vielmehr einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung voraus.31 Keine Beleidigung nach § 185 StGB stellen „allgemeine Unhöflichkeiten, Distanzlosigkeiten oder Persönlichkeitsverletzungen ohne abwertenden Charakter“ dar; bei Äußerungen im Bereich von Satire und Karikatur kommt es darauf an, ob die Überzeichnung menschlicher oder sachlicher Schwächen eine ernstliche Herabwürdigung der Person enthält.32 Ob eine Beleidigung vorliegt, ist nach Maßgabe des Äußerungsinhaltes unter Berücksichtigung aller Begleitumstände aus der Perspektive eines verständigen Dritten zu ermitteln.33 Dabei ist bereits bei der Tatbestandsauslegung der §§ 185 ff. StGB die Meinungsfreiheit des Äußernden aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG34 zu berücksichtigen und mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Angegriffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.35 Für eine Strafbarkeit wegen Übler Nachrede gemäß § 186 StGB muss die in Bezug auf eine andere Person behauptete oder verbreitete Tatsache nach dem Gesetzeswortlaut geeignet sein, eine bestimmte Person „verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen“. Hierzu muss die Tatsache „objektiv geeignet sein, das Opfer … in der Meinung eines größeren, 29 Lencker/Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 185 Rn. 1. 30 Lencker/Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 185 Rn. 1. 31 Heckmann, in: Heckmann, juris PraxisKommentar-Internetrecht (jurisPK- Internetrecht), 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 344 m. w. N. 32 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 185 Rn. 8b. 33 Vgl. Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 185 Rn. 8 m. w. N. 34 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist (nachfolgend GG). 35 Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 344 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 12 nicht geschlossenen Teiles der Bevölkerung als verachtenswert erscheinen zu lassen“.36 Die geäußerte Tatsache darf zudem nicht erweislich wahr sein.37 § 186 StGB sieht einen erhöhten Strafrahmen mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor, „wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen“ wurde. Eine öffentliche Tatbegehung wird etwa bei einer für eine unkontrollierbare Vielzahl von Personen zugänglichen Homepage angenommen38 und dürfte unter dieser Voraussetzung ebenfalls bei Äußerungen in sozialen Netzwerken vorliegen.39 Bei der Verleumdung gemäß § 187 StGB sieht das Gesetz einen gegenüber der üblen Nachrede nach § 186 StGB erhöhten Strafrahmen vor. Im Unterschied zu § 186 StGB muss hier die Unwahrheit dem Täter nachgewiesen werden; gelingt dies nicht, kommt § 186 StGB in Betracht.40 § 188 StGB – Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens – schützt „im politischen Leben des Volkes stehende Person(en)“, die in besonderem Umfang ehrverletzenden Äußerungen ausgesetzt seien.41 Als Beispiele werden etwa der Bundestagspräsident, Regierungsmitglieder von Bund und Ländern, Mitglieder des Bundestages oder der Landtage sowie führende Politiker von Parteien genannt.42 Dem Wortlaut nach erfasst § 188 Abs. 1 StGB die öffentlich , in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangene üble Nachrede. Darüber hinaus muss die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Opfers erheblich zu erschweren . Das sei der Fall, wenn die Glaubwürdigkeit oder Lauterkeit des Opfers in Frage gestellt oder seine Einflussmöglichkeiten nachhaltig geschmälert werden.43 Subjektiv muss der Täter – neben dem allgemein erforderlichen Vorsatz – dem Gesetzeswortlaut zufolge aus Beweggründen handeln, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen. Insoweit werden Motive als ausreichend erachtet, die sich aus einer bestimmten Teilfunktion des Opfers ergeben; politisch braucht die Tat nicht motiviert zu sein.44 Eine Straftat nach § 188 Abs. 2 StGB erfordert die Begehung einer Verleumdung nach § 187 StGB unter den soeben dargestellten Voraussetzungen von § 188 Abs. 1 StGB und wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 36 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 186 Rn. 4. 37 Vertiefend dazu Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 186 Rn. 11. 38 Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 349 m. w. N. 39 Vgl. dazu Malek/Popp, Strafsachen im Internet, 2. Auflage, Rn. 368. 40 Lencker/Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 187 Rn. 2. 41 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 188 Rn. 1 m. w. N. 42 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 188 Rn. 2 m. w. N. 43 Vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 188 Rn. 3a. Unter welchen Voraussetzungen die Tat dazu geeignet ist, wird kontrovers diskutiert, siehe Lencker/Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 188 Rn. 6 m. w. N. zur Ansicht der Rechtsprechung. 44 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 188 Rn. 4 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 13 Erfüllt eine Handlung grundsätzlich die Voraussetzungen eines Straftatbestands nach §§ 185-188 StGB, ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „in allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und politischem Meinungskampf“ eine „Vermutung zugunsten der Meinungsäußerungsfreiheit“ aus Art. 5 Abs. 1 GG besteht.45 Es komme „nicht stets darauf an, ob die Ehrverletzung das schonendste Mittel ist; vielmehr sind abwertende Äußerungen zulässig und angesichts der Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen, sofern sie nach Sachlage im Einzelfall nicht unverhältnismäßig erscheinen.“46 Bei natürlichen Personen des öffentlichen Lebens wie beispielsweise Politikern sei die Toleranzgrenze „deutlich höher“ anzusetzen als bei der Öffentlichkeit unbekannten natürlichen Personen; der Ehrschutz müsse hier in der Regel zurücktreten, soweit es sich „um erwiesenermaßen wahre öffentliche Äußerungen“ handelt.47 Der Schutzbereich der Kunst- und Meinungsfreiheit endet jedoch bei der so genannten Schmähkritik: „Diese liegt vor, wenn die Diffamierung der Person und nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung an erster Stelle steht.“48 3.1.2. Tatbegehung in sozialen Medien Erstellt eine Person einen Beitrag in sozialen Medien, der unter die §§ 185 ff. StGB fällt, kommt primär eine Strafbarkeit des Beitragserstellers als Täter in Betracht. Daneben können sich aber grundsätzlich auch weitere Personen strafbar machen, die mit der Erstellung des strafbaren Beitrages im Zusammenhang stehen. Insoweit wird insbesondere diskutiert, ob und inwieweit auch eine Strafbarkeit des jeweiligen Betreibers eines sozialen Netzwerkes sowie seiner Führungskräfte oder Angestellten in Betracht kommt. Eine Besonderheit in Bezug auf Betreiber sozialer Netzwerke stellen die Vorgaben aus § 10 TMG49 dar, die auch im Strafrecht zu berücksichtigen sind.50 Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie entweder keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben oder sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie Kenntnis erlangt haben. Betreiber sozialer Netzwerke werden als sog. Host-Provider und damit „Diensteanbieter“ im Sinne von § 10 Satz 1 TMG eingeordnet.51 Liegen die Voraussetzungen nach § 10 TMG nicht vor, ist zwischen einer Strafbarkeit des Betreibers durch positives Tun oder durch Unterlassen nach Maßgabe der zu 45 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 193 Rn. 17a mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG. 46 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 193 Rn. 17a. 47 Voskamp/Kipker, Virtueller Pranger Internet, „Shitstorm“ und „Cybermobbing“ als Bühne für die Meinungsfreiheit ? – Providerpflichten nach der BGH-Rechtsprechung, in: Datenschutz und Datensicherheit (DuD) 2013, S. 787 ff. (790) mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 48 Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 348 m. w. N. 49 Telemediengesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. September 2017 (BGBl. I S. 3530) geändert worden ist; nachfolgend TMG. 50 Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 362 m. w. N. Die dogmatische Einordnung und – damit einhergehend – die Frage nach dem genauen Prüfungsstandort der §§ 7-10 TMG ist umstritten . Ausführlich dazu Malek/Popp, Strafsachen im Internet, 2. Auflage, Rn. 71 ff m. w. N. 51 Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Aufl. 2017, Kap. 8 Rn. 362 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 14 § 13 StGB entwickelten Grundsätze abzugrenzen, wobei nach dem insoweit maßgeblichen Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit zumeist eine Strafbarkeit wegen Unterlassen einer Löschung oder Sperrung der strafbaren Inhalte erwogen wird.52 Scheidet strafbares Handeln des Betreibers als Täter aus, kommt eine Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB in Betracht.53 Im Übrigen kann eine Strafbarkeit von Nutzern sozialer Netzwerke in Betracht kommen, die strafbare Beiträge Dritter in Bezug nehmen. So ist es beispielsweise bei „Facebook“ für Nutzer unter anderem möglich, durch die „Gefällt mir“-Funktion ihre Zustimmung zu einem konkreten Beitrag anderer Nutzer auszudrücken.54 Über die Funktion „Teilen“ lassen sich Beiträge Dritter innerhalb des sozialen Netzwerks weiterleiten.55 Ob auch das Betätigen dieser oder vergleichbarer Funktionen zu einer Strafbarkeit des insoweit Handelnden führen kann, lässt sich nur „anhand der Gesamtumstände unter Einbeziehung der Funktionsweise des Netzwerkes“56 sowie nur für den konkreten Einzelfall beurteilen. In der Fachliteratur wird beim Betätigen der „Gefällt mir“- Funktion eher eine Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB erwogen57, wohingegen beim „Teilen“ beleidigender Inhalte eher eine Strafbarkeit als Täter in Betracht gezogen wird.58 3.1.3. Strafverfolgung 3.1.3.1. Einleitung durch Anzeige und Strafantrag Nach dem Offizialprinzip obliegt die Strafverfolgung grundsätzlich dem Staat und nicht dem einzelnen Bürger.59 Nach dem in §§ 152 Abs. 2, 160, 163 StPO60 zum Ausdruck kommenden Legali- 52 Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 184 Rn. 85; Heckmann, in: Heckmann, juris PK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 365.2 m. w. N. Ausführlich dazu Ceffinato, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internetplattformbetreibern, in: Juristische Schulung (JuS) 2017, 403 (404 ff). 53 Siehe dazu Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 365.3 ff. m. w. N.; Malek /Popp, Strafsachen im Internet, 2. Auflage, Rn. 125 ff. m. w. N. 54 Malek/Popp, Strafsachen im Internet, 2. Auflage, Rn. 368. 55 Ebenda. 56 Ebenda. 57 Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 8 Rn. 362 ff. m. w. N.; Malek/Popp, Strafsachen im Internet, 2. Auflage, Rn. 368 m. w. N. 58 Malek/Popp, Strafsachen im Internet, 2. Auflage, Rn. 368 m. w. N. Ausführlich dazu Krischker, „Gefällt mir“, „Geteilt“, „Beleidigt“? – Die Internetbeleidigung in sozialen Netzwerken, in: Juristische Arbeitsblätter (JA) 2013, 488 ff. 59 Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 152 Rn. 1. 60 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist (nachfolgend StPO). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 15 tätsprinzip sind die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich verpflichtet, bei zureichenden Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Straftat von Amts wegen einzuschreiten.61 Solche Anhaltspunkte können sich insbesondere aus einer Strafanzeige ergeben, bei der es sich um die Mitteilung eines Sachverhalts handelt, der nach Ansicht des Anzeigenden Anlass zur Strafverfolgung bieten soll.62 Sie kann nach § 158 Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich von jedermann „bei der Staatsanwaltschaft , den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden“ und verpflichtet zur Prüfung, ob der mitgeteilte Sachverhalt ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden erforderlich macht.63 Handelt es sich um ein Antragsdelikt, ist Voraussetzung für eine Strafverfolgung das Vorliegen eines Strafantrags. Ein Strafantragserfordernis ist etwa in § 194 Abs. 1 StGB für die Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung nach §§ 185 ff. StGB geregelt.64 In der Regel ist nur das Opfer einer Straftat berechtigt, Strafantrag zu stellen (§ 77 Abs. 1 StGB). Bei bestimmten Straftaten – so etwa bei der Nachstellung gemäß § 238 StGB – kann die Strafverfolgung aber auch ohne den erforderlichen Strafantrag erfolgen, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses (…) ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Nach § 77b Abs. 1 Satz 1 StGB beträgt die Antragsfrist grundsätzlich drei Monate und beginnt nach § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB mit Ablauf des Tages der Kenntniserlangung von Tat und Täter durch den Antragsberechtigten .65 Wird eine Straftat nur auf Antrag verfolgt, muss dieser gemäß § 158 Abs. 2 StPO bei einem Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll und bei einer Behörde des Polizeidienstes schriftlich gestellt werden.66 Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt nach § 152 Abs. 2 StPO einen Anfangsverdacht voraus: es muss aufgrund konkreter Tatsachen nach kriminalistischen Erfahrungen möglich erscheinen , dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.67 Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens dürfen Staatsanwaltschaft und Polizei nach Maßgabe der §§ 152, 160, 161, 163 StPO etwa „auf öffentliche , d. h. für jedermann zugängliche Daten zugreifen (…), worunter z. B. die öffentliche Kommentierung eines „Youtube“-Videos, eine öffentliche „Facebook“-Seite usw. fallen.“68 Das soll 61 Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 152 Rn. 2 f. m. w. N. 62 Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 158 Rn. 2 m. w. N. 63 Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 158 Rn. 11; Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 158 Rn. 2 m. w. N. 64 Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 194 Rn. 5 und § 194 Rn. 2. 65 Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 158 Rn. 5. 66 Ausführlich dazu siehe Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 158 Rn. 7 f. 67 Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 152 Rn. 4 m. w. N. 68 Roth, Kriminalstatistik 1/2016, S. 67 ff. (70). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 16 auch gelten, „wenn sich Polizeibehörden unter Nutzung von Pseudonymen zu Ermittlungszwecken in sozialen Netzwerken bewegen, um hierbei weitergehende Informationen zu Sachverhalten bzw. Personen zu ermitteln.“69 3.1.3.2. Anklageerhebung oder Einstellung Kommt die Staatsanwaltschaft infolge der Ermittlungen nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung zu dem Ergebnis, dass eine Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (hinreichender Tatverdacht), ist sie nach § 170 Abs. 1 StPO grundsätzlich zur Erhebung der Anklage beim zuständigen Gericht berufen.70 Hat die Staatsanwaltschaft nach Ansicht des Verletzten, der Strafantrag gestellt hatte, die Anklage zu Unrecht nicht erhoben oder die Einstellung des Verfahrens verfügt, kann eine Beschwerde nach § 172 Abs. 1 StPO und bei deren Erfolglosigkeit ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2-4 StPO in Betracht kommen.71 Aus Opportunitätserwägungen kann die Staatsanwaltschaft unter den Voraussetzungen der §§ 153 ff. StPO von der Strafverfolgung absehen und das Verfahren einstellen, auch wenn die Voraussetzungen zur Strafverfolgung vorliegen.72 Das gilt, wenn bereits Anklage erhoben wurde, gemäß § 153 Abs. 2 StPO, § 153a Abs. 2 StPO, § 153b Abs. 2 StPO auch für das Gericht – soweit Staatsanwaltschaft und Angeschuldigter zustimmen. Ein „Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit “ nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO setzt insbesondere voraus, dass es sich um ein Vergehen 73 handelt, die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.74 Unter den Voraussetzungen von § 153a StPO kann die Staatsanwaltschaft von der Anklageerhebung absehen und dem Beschuldigten zugleich Auflagen und Weisungen erteilen, wobei nach § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO etwa die Wiedergutmachung des verursachten Schadens durch Erbringung einer bestimmten Leistung, die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse, gemeinnützige Leistungen sowie ein Täter -Opfer-Ausgleich in Betracht kommen. Als Ausnahme vom Legalitätsprinzip bedarf das Absehen von der Strafverfolgung grundsätzlich der Zustimmung des zuständigen Gerichts.75 69 Roth, Kriminalstatistik 1/2016, S. 67 ff. (70) m. w. N. 70 Siehe dazu Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 170 Rn. 1 m. w. N. zur einschlägigen Rechtsprechung . 71 Zum sog. Klageerzwingungsverfahren ausführlich siehe Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 172 Rn. 1 ff m. w. N. 72 Vertiefend dazu Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 152 Rn. 7 m.w.N. sowie § 153 Rn. 1. 73 Vgl. § 12 Abs. 2 StGB: Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind. 74 Siehe dazu den Gesetzeswortlaut von § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO sowie Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 153 Rn. 3 f., 7 f. m. w. N. 75 Vgl. den Gesetzeswortlaut von § 153 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO, § 153a Abs. 1 Satz 1 StPO, § 153b Abs. 1 StPO sowie Schmitt, in: Meyer- Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 153 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 17 3.1.3.3. Privatklage und Nebenklage Handelt es sich bei einem Delikt um ein Privatklagedelikt im Sinne der §§ 374 ff. StPO, ist in Durchbrechung des Offizialprinzips der durch die Straftat Verletzte selbst berechtigt, Anklage in Gestalt der Privatklage zu erheben, ohne dass es hierzu der Staatsanwaltschaft bedarf. Andererseits aber wird durch die Staatsanwaltschaft bei Privatklagedelikten auch nur dann Anklage erhoben , wenn die Anklageerhebung im öffentlichen Interesse liegt (§ 376 StPO). Zu den Privatklagedelikten zählen nach § 374 Abs. 1 StPO etwa die Nötigung nach § 240 Abs. 1-3 StGB, die Bedrohung nach § 241 StGB sowie die Beleidigungsdelikte nach den §§ 185-189 StGB, sofern sich die Beleidigung nicht gegen eine der in § 194 Abs. 4 StGB genannten politischen Körperschaften76 gerichtet ist. Von der Privatklage zu unterscheiden ist die Nebenklage nach §§ 395 ff. StPO, bei der sich insbesondere derjenige, der durch eine in § 395 Abs. 1 StPO genannte, rechtswidrige Tat verletzt ist, einer Anklage der Staatsanwaltschaft anschließen kann. Bei Straftaten etwa nach §§ 185 ff. StGB muss die Nebenklage nach § 395 Abs. 3 StPO „aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten“ erscheinen. 3.2. Zivilrecht Je nach Art und Inhalt einer bestimmten Äußerung im konkreten Einzelfall kommen insbesondere Ansprüche auf Löschung bereits getätigter persönlichkeitsrechtsverletzender Beiträge, Ansprüche auf Unterlassung künftiger Beiträge sowie in Einzelfällen auch Ansprüche auf Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 823-826 BGB77 in Verbindung mit §§ 249 ff. BGB oder § 1004 BGB in Betracht. 3.2.1. Anspruchsgrundlagen Potentiell relevant sind insbesondere Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB.78 Gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 2 GG wird auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ vor rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffen geschützt.79 Zu den 76 Also „ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder eine andere politische Körperschaft im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes“. 77 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151) geändert worden ist (nachfolgend BGB). 78 So Giebel, Zivilrechtlicher Rechtsschutz gegen Cybermobbing in sozialen Netzwerken, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 977 ff. 79 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 65 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 18 „Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählt die soziale Anerkennung des Einzelnen . Es umfasst den Schutz des Einzelnen vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (…).“80 Im Grundsatz soll die Feststellung eines rechtswidrigen Eingriffs anhand einer Güter- und Interessenabwägung erfolgen, bei der insbesondere die betroffenen Grundrechte, die Art der erlittenen Rechtsverletzung, die Schwere der Beeinträchtigung, ihr Anlass und das eigene Verhalten des Verletzten vor der Verletzung, das Mittel und der Zweck einer Äußerung sowie die Art und Dauer eines Angriffs zu berücksichtigen seien.81 Abwägungsfrei bleibe „ein aus der Menschenwürde abgeleiteter sog. absolut geschützter Raum der Intimsphäre (…), in den auf keinen Fall ohne Einwilligung eingegriffen werden darf“.82 Keinen Schutz genießen in der Regel auch hier herabsetzende Werturteile in Form der Schmähkritik sowie bewusst falsche Tatsachenbehauptungen .83 Eine Rechtfertigung persönlichkeitsrechtsverletzender Äußerungen kommt etwa bei Einwilligung des Betroffenen in Betracht, die allerdings regelmäßig nicht ohne Weiteres in der bloßen Teilnahme an sozialen Netzwerken zu sehen sein wird.84 Ob einzelne Äußerungen im Rahmen von „Shitstorms“ nach Maßgabe o. g. Grundsätze einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, kann abschließend nur für den konkreten Einzelfall unter Einbeziehung aller relevanten Umstände beurteilt werden. Neben § 823 Absatz 1 BGB kommt als Anspruchsgrundlage auch § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, der einen Verstoß gegen ein „den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz“ voraussetzt. Um ein Gesetz als „Schutzgesetz“ in diesem Sinne zu qualifizieren, darf es nicht lediglich den Schutz der Allgemeinheit bezwecken, sondern muss zumindest auch dazu dienen, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen.85 Zu den Schutzgesetzen im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB gehören insbesondere die §§ 185 ff. StGB, so dass insofern strafrechtlich relevante Äußerungen im Rahmen von „Shitstorms“ zivilrechtliche Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen können. 80 BGH, Urteil vom 27.05.2014, VI ZR 153/13, NJW 2014, 3154 f. (beck online Rn. 13). 81 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 67 f. m. w. N. 82 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 68 m. w. N. 83 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 74 f. m. w. N. 84 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (982). In diese Richtung auch Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 84 m. w. N. 85 Sprau, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 823 Rn. 58. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 19 Als weitere Anspruchsgrundlage kommt § 826 BGB in Betracht.86 § 826 BGB normiert Ansprüche bei sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, wonach „zum Schadensersatz verpflichtet (ist), wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt“. 3.2.2. Anspruchsgegner Als Anspruchsgegner kommt primär der sich jeweils unmittelbar Äußernde in Betracht.87 Probleme bei der Rechtsdurchsetzung können regelmäßig entstehen, wenn es sich um Äußerungen anonym oder unter Pseudonym auftretender Verletzer handelt, deren wirkliche Identität unbekannt ist. Die im Zusammenhang mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz88 mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 neu eingefügten § 14 Abs. 3 und Abs. 4 TMG89 schaffen insoweit die Grundlagen für einen Auskunftsanspruch gegen Diensteanbieter, um „Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten (zu) erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte (…) erforderlich ist.“90 Der Auskunftsanspruch ist auf rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG beschränkt, „die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.“91 Bei Äußerungen in sozialen Netzwerken mit passwortgeschützten Benutzerkonten kann auch das bloße Unterlassen hinreichender Sicherungsmaßnahmen bezüglich der Zugangsdaten zu einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Kontoinhabers führen, wenn es über das Benutzerkonto zu persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerungen kommt.92 Ebenfalls als Anspruchsgegner kommen unter bestimmten Voraussetzungen Personen in Betracht, die fremde rechtswidrige Inhalte 86 Vgl. Giebel, NJW 2017, 977 ff. (979). Im Übrigen können unter bestimmten Voraussetzungen auch vertragliche Ansprüche von Nutzern sozialer Netzwerke aus einem – je nach Einzelfall – zugrundeliegenden Nutzungsvertrag , ggf. in Verbindung mit allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Plattformbetreibers, sowie Ansprüche von Betreibern sozialer Netzwerke durch Ausübung ihres sog. „virtuellen Hausrechts“ bestehen, vgl. dazu etwa Elsaß/Labusga/Tichy, Löschungen und Sperrungen von Beiträgen und Nutzungsprofilen durch die Betreiber sozialer Netzwerke, in: Computer und Recht 2017, 234 ff. 87 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (978). 88 Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (BGBl. I S. 3352) = Netzwerkdurchsetzungsgesetz vom 1. September 2017; nachfolgend NetzDG. 89 Vgl. Art. 2 Nr. 1 des Änderungsgesetzes zum NetzDG, BGBl. I S. 3352. 90 So der Gesetzeswortlaut von § 14 Abs. 3 TMG. Vgl. dazu auch Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 91 m. w. N. Für die Erteilung einer solche Auskunft ist nach § 14 Abs. 4 Satz 1 TMG eine vorherige gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung erforderlich, die vom Verletzten bei dem nach § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 TMG zuständigen Landgericht zu beantragen ist. 91 So der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 3 NetzDG. In den davon nicht erfassten Fälle dürften die Probleme der Identitätsfeststellung bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Falle anonymer persönlichkeitsrechtsverletzender Äußerungen fortbestehen, vgl. dazu Giebel, NJW 2017, 977 mit Nachweisen zur einschlägigen Rechtsprechung des BGH. 92 Näher zu diesem Problemkreis siehe Giebel, NJW 2017, 977 ff. (978) m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 20 weiterverbreiten oder auf andere Weise daran mitwirken.93 Übernommene fremde Äußerungen sollen nach verbreiteter Ansicht nur zugerechnet werden, „wenn man sie nicht lediglich ohne Wertung zitiert, sondern sie sich ‚zu eigen macht‘, sich mit ihnen identifiziert“94. Kommt es zu persönlichkeitsrechtsverletzenden Handlungen bestimmter Repräsentanten, können unter bestimmten Voraussetzungen die dahinter stehenden Unternehmen, Gewerkschaften, oder Idealvereine als Anspruchsgegner herangezogen werden.95 Betreiber sozialer Netzwerke sind auch in ihrer zivilrechtlichen Haftung privilegiert.96 Ihre Inanspruchnahme auf Unterbindung etwaiger Persönlichkeitsrechtsverletzungen soll grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Rechtsverletzung in Betracht kommen.97 Je nach Ausgestaltung des jeweiligen Netzwerks soll dies auch für Inhaber einzelner Benutzerkonten gelten , wenn sie „auf einer Unterebene innerhalb des sozialen Netzwerks selbständig über die Eröffnung und Beendigung einer Diskussion, einschließlich der Löschung bestimmter Inhalte, entscheiden “ können.98 3.2.3. Rechtsfolgen und Anspruchsdurchsetzung Liegen die einschlägigen Anspruchsvoraussetzungen vor, können Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Schadensersatz oder finanzielle Entschädigung in Betracht kommen. Ein etwa auf § 823 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB99 gestützter Anspruch auf Beseitigung einer rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzung zielt auf die Beseitigung einer bereits eingetretenen und gegenwärtig noch andauernden Beeinträchtigung ab.100 Anders als der Anspruch auf Schadensersatz etwa aus § 823 Abs. 1 BGB setzt der Beseitigungsanspruch kein Verschulden voraus.101 Bei persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerungen im Rahmen von „Shit- 93 Näher dazu siehe Giebel, NJW 2017, 977 ff. (978) m. w. N. 94 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 72 m. w. N. 95 So Giebel, NJW 2017, 977 ff. (978) m. w. N. unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 UWG oder § 31 BGB analog. 96 Zu berücksichtigen ist, dass die Auffassung vertreten wird, aus § 10 Satz 1 TMG ergebe sich keine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung zur Löschung rechtswidriger Inhalte durch Betreiber sozialer Netzwerke, vgl. Liesching , in: Spindler/Schmitz, TMG mit NetzDG, 2. Auflage 2018, § 3 NetzDG Rn. 23. Anders insoweit die Begründung des Regierungsentwurfs zum NetzDG, BT-Drs. 18/12356, S. 21. 97 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (978 f.) m. w. N. Siehe auch BGH, NJW 2016, 2106 ff. 98 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (978) m. w. N. 99 Bei der Beseitigung rechtswidriger Angriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht direkt, sondern analog angewandt – vgl. etwa Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 86. 100 Vgl. Berger, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 1004 Rn. 6 allgemein zum Beseitigungsanspruch aus § 1004 Satz 1 BGB. 101 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 86 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 21 storms“ wird sich die Beseitigung in der Regel auf die Löschung der jeweiligen rechtsverletzenden Beiträge wie etwa einzelner „Posts“ oder „Tweets“ beziehen.102 Sind rechtsverletzende Äußerungen in einen größeren Gesamttext integriert, ist zu prüfen, ob sich diese „rückstandslos herauslösen lassen“ oder die Beseitigung der Rechtsverletzung eine weitergehende Löschung oder Sperrung der betroffenen Inhalte erforderlich macht.103 Insbesondere bei bereits erfolgter Weiterverbreitung einer Äußerung ist auch eine Verpflichtung des jeweiligen Beitragserstellers denkbar, „zum Zweck der Folgenbeseitigung auch gegenüber Dritten auf eine Löschung rechtswidriger Inhalte hinzuwirken, so etwa im Verhältnis zu Suchmaschinenbetreibern, die die vom Verletzer ausgehenden Inhalte bereits in ihre Plattformen übernommen haben.“104 Die Sperrung des Nutzerkontos eines Erstellers persönlichkeitsrechtsverletzender Inhalte soll auf enge Ausnahmefälle beschränkt sein.105 Bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch unwahre Tatsachenbehauptungen kommt im Rahmen des Beseitigungsanspruchs auch der Widerruf, die Richtigstellung oder die Ergänzung der getätigten Äußerung in Betracht.106 Der – ebenfalls verschuldensunabhängige107 – Anspruch auf Unterlassung einer persönlichkeitsrechtswidrigen Äußerung setzt analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB voraus, dass „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind“ und ist demnach auf die Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen gerichtet.108 Hierzu bedarf es der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, die bei Erstbegehung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich vermutet wird109, etwa bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch den Störer jedoch entfällt110. Hingegen soll „das bloße Löschen von Fotos oder Äußerungen aus dem sozialen Netzwerk oder zugrunde liegenden Quellsystemen“ nicht zum Fortfall der Wiederholungsgefahr führen, wenn „die betreffen- 102 Ähnlich Giebel, NJW 2017, 977 ff. (980) in Bezug auf „Cybermobbing- Handlungen“. 103 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (980) m. w. N. 104 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (980) m. w. N. 105 Ebenda. 106 Zu den Voraussetzungen und dem Anspruchsumfang im Einzelnen siehe Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 86-89 m. w. N. Ausführlich dazu vgl. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 841-920. 107 Söder, in: Beck Online-Kommentar zum Informations- und Medienrecht (nachfolgend BeckOK Informationsund Medienrecht), Gersdorf/Paal, 20. Edition, Stand: 01.05.2018, zu § 823 BGB Rn. 273 m. w. N. 108 Vgl. Berger, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 1004 Rn. 10 allgemein zum Unterlassungsanspruch aus § 1004 Satz 2 BGB. 109 Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 808 m. w. N. 110 Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 810 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 22 den Inhalte anderweitig noch vorhanden sind und jederzeit wieder eingestellt werden könnten .“111 Gleiches gelte regelmäßig bei Schließung des Nutzerkontos eines Persönlichkeitsrechtsverletzers .112 Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Anspruchsteller das Bestehen einer Erstbegehungsgefahr darlegt und gegebenenfalls beweist.113 Dies setzt konkrete Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Rechtsverletzung voraus.114 Ansprüche auf Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 823 ff. BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzen Verschulden voraus.115 Als ersatzfähiger Schaden kommen nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB insbesondere erforderliche und angemessene Kosten der Rechtsverfolgung in Betracht, zu denen etwa Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zählen.116 Im Übrigen kommen Ansprüche auf Geldentschädigung gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Hierzu wird in der Rechtsprechung überwiegend gefordert, dass „es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann“, was insbesondere bei „schwerwiegende(n) Verletzungen der Intimsphäre und massive(n) Beleidigungen mit öffentlicher Breitenwirkung“ in Betracht komme.117 Erwogen wird ein Anspruch auf Geldentschädigung auch bei wiederholten und hartnäckigen Verstößen, auch wenn die einzelne Rechtsverletzung bei isolierter Betrachtung nicht hinreichend schwerwiegend ausfällt.118 Ferner können in bestimmten Fällen weitere Hilfsansprüche wie Auskunftsansprüche oder Ansprüche auf Veröffentlichung bereits abgegebener Unterlassungserklärungen oder ergangener Urteile bestehen.119 Der Unterlassungsanspruch kann sowohl im Wege einer einstweiligen Verfügung als auch im Wege einer Leistungsklage im Hauptsacheverfahren durchgesetzt werden; der Regelfall in der Praxis ist die einstweilige Verfügung.120 Der gerichtlichen Geltendmachung sollte grundsätzlich eine Abmahnung, also die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Verpflichtungserklä- 111 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (979) m. w. N. 112 Ebenda. 113 Söder, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 20. Edition, Stand: 01.05.2018, zu § 823 BGB Rn. 274 m. w. N. 114 Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 805 m. w. N; 115 Teichmann, in: Jauernig, BGB, 17. Auflage 2018, zu § 823 Rn. 84 m. w. N. 116 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (980) m. w. N. 117 Giebel, NJW 2017, 977 ff. (980) mit weiteren Nachweisen zur einschlägigen Rechtsprechung. 118 Ebenda. 119 Siehe dazu Giebel, NJW 2017, 977 ff. (980 f.) m. w. N. 120 Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 805. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 23 rung vorausgehen, um das Risiko zu vermeiden, dass der Anspruchsgegner vor Gericht den Anspruch sofort anerkennt und die Kosten des Verfahrens gemäß § 93 ZPO121 zulasten des Anspruchstellers gehen.122 Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die nach §§ 935, 940 ZPO für das Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit grundsätzlich nicht entfallen, wenn zwischen Kenntniserlangung des persönlichkeitsrechtsverletzenden Beitrags durch den Antragsteller und der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht mehr als 5-6 Wochen liegen .123 Beseitigungsansprüche sind nur ausnahmsweise im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbar , da eine durchzuführende Beseitigung häufig die Entscheidung in der Hauptsache vorweg nähme.124 In der Regel ausschließlich im Hauptsacheverfahren und nicht im Eilverfahren durchsetzbar sind grundsätzlich Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung in Geld sowie Ansprüche auf Widerruf oder Berichtigung unwahrer Tatsachenbehauptungen.125 3.3. Fazit Während es im öffentlichen Meinungsstreit grundsätzlich ein sehr breites Spektrum inhaltlich kritischer Äußerungen und Verhaltensweisen gibt, das rechtlich völlig unproblematisch ist, können Äußerungen im Rahmen eines „Shitstorms“ je nach Art und Inhalt im Einzelfall durchaus auch straf- und zivilrechtliche Folgen zeitigen und damit verbunden unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten Betroffener auslösen: Strafrechtlich können verschiedenste Straftatbestände erfüllt sein, typischerweise dürften jedoch vor allem Beleidigungstatbestände in Betracht kommen. Während Betroffene stets die Möglichkeit haben, Strafanzeige zu erstatten und als Opfer Strafantrag zu stellen, erfolgt eine Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft bei Privatklagedelikten – und hierzu zählen grundsätzlich126 auch die Beleidigungstatbestände – nur, wenn die Anklageerhebung im öffentlichen Interesse 121 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151) geändert worden ist. 122 Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Auflage 2008, Rn. 819. 123 Söder, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 20. Edition, Stand: 01.05.2018, zu § 823 BGB Rn. 331 m. w. N. Nach Oberlandesgericht Stuttgart, Urt. v. 8.2.2017 – 4 U 166/16, NJOZ 2017, 1424 ff. sollen – zumindest bei Veröffentlichungen in der Preisse – zwei Monate genügen. 124 Fritzsche, in: Beck Online- Kommentar zum BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 46. Edition, Stand: 01.05.2018, § 1004 Rn. 140. In Fällen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann mitunter gleichwohl eine Beseitigung im einstweiligen Verfügungsverfahren angeordnet werden, wenn sich die schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf andere Weise nicht beenden lasse (so AG Schöneberg, Urteil vom 10.05.2000 - 12 C 69/00, NZM 2000, 983). 125 Söder, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 20. Edition, Stand: 01.05.2018, zu § 823 BGB Rn. 334 m. w. N. 126 Zur Ausnahme siehe oben Fn. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 063/18 WD 7 - 3000 - 169/18 Seite 24 liegt. In diesem Fall muss das Opfer eine seiner Ansicht nach gebotene Strafverfolgung gegebenenfalls selbst auf dem Privatklagweg durchsetzen. Hat die Staatsanwaltschaft bei einem Delikt, das kein Privatklagedelikt ist, keine Anklage erhoben oder die Einstellung des Verfahrens verfügt, kann das Opfer hiergegen unter gewissen Voraussetzungen127 eine Beschwerde und bei deren Erfolglosigkeit ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen (Klageerzwingung). In zivilrechtlicher Hinsicht können durch entsprechende, den zulässigen Rahmen überschreitende Äußerungen die Voraussetzungen verschiedener Anspruchsgrundlagen erfüllt sein. Regelmäßig kommt insbesondere eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Opfers in Betracht, wodurch Ansprüche auf Löschung bereits getätigter Beiträge, Ansprüche auf Unterlassung künftiger Beiträge sowie in Einzelfällen auch Ansprüche auf Schadensersatz ausgelöst werden können. **** 127 Siehe oben Gliederungspunkt 3.1.3.2.