© 2016 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 062/16 Buchmarkt und Verlagswesen in Deutschland Die wichtigsten aktuellen Zahlen und Entwicklungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 2 Buchmarkt und Verlagswesen in Deutschland Die wichtigsten aktuellen Zahlen und Entwicklungen Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 062/16 Abschluss der Arbeit: 12.12.2016 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Der Buchmarkt in Deutschland 4 2. Die Mehrwertsteuer im Buchgewerbe 5 3. Die Buchpreisbindung 5 4. E-Books 6 5. Herkömmliche Buchhandlungen und große Online- Plattformen 6 6. Verwertungsgesellschaft VG Wort 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 4 1. Der Buchmarkt in Deutschland Trotz großer Umbrüche, massiver (digitaler) Medienkonkurrenz und sinkender Buchpreise ist der Buchmarkt in Deutschland in den letzten zehn Jahren relativ stabil geblieben. Im Jahr 2015 schloss die Buchbranche mit einem leichten Minus bei 9,19 Milliarden Euro ab. Die Gesamtzahl der von deutschen Buchverlagen produzierten Titel ist im Jahr 2015 auf 89.506 gestiegen, nachdem sie 2014 auf den niedrigsten Wert der vergangenen 10 Jahre (ca. 87.000) gesunken war. Nach Einschätzung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels begegnet die Buchbranche den Veränderungen und Herausforderungen mit innovativen Geschäftsideen. Dabei begreift sie sich auch als einen wichtigen gesellschaftspolitischen Akteur: Nach dem Attentat auf die Satirezeitung Charlie Hebdo im Januar 2015 wurde das Bekenntnis „Für das Wort und die Freiheit“ zum Leitmotiv der Branche. Unter dem Motto „Bücher sagen Willkommen“ sammelt die Buchbranche für Handbibliotheken in Flüchtlingsunterkünften.1 Fast ein Drittel des Gesamtumsatzes mit Büchern machten belletristische Werke aus. Zweitgrößtes Segment sind Kinderbücher mit 15%, gefolgt von Ratgeberliteratur mit 14%. Stabil blieben die Bereiche Sachbücher und Schulbücher mit jeweils 10% Marktanteil und die Reiseliteratur mit 6%. Im Jahr 2015 waren im deutschen Einzelhandel mit Büchern insgesamt 28.900 Personen beschäftigt , ca. 3,1% weniger als 2014. Mehr als 24.000 Beschäftigte zählte 2013 das Verlagswesen. Auf internationaler Ebene konnte das deutsche Verlagswesen im Jahr 2015 einen deutlichen Schub verzeichnen. Mehr als 7.500 deutsche Werke wurden ins Ausland verkauft – fast 17% mehr als noch 2014. Insgesamt sieht sich die Buchbranche den Marktveränderungen durch E-Commerce und Digitalisierung gewachsen. Für Verunsicherung bei vielen Verlagen sorgen jedoch einige neuere Gerichtsentscheidungen , wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. April 20162: Der Bundesgerichtshof entschied, dass die bislang übliche pauschale Ausschüttung einer Kopierabgabe an Verleger rechtswidrig sei. Daraus ergeben sich für die Verlage unter Umständen sehr hohe Rückzahlungsverpflichtungen an die Verwertungsgesellschaften, die vor allem kleine und mittlere Verlage in ihrer Existenz bedrohen könnten. Nach Schätzungen des Börsenvereins belaufen sich die Rückzahlungsverpflichtungen allein im Fall der VG Wort auf 99,7 Millionen Euro. Hier hoffen die Verlage auf eine baldige Klärung der Rechtslage zu ihren Gunsten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat eine entsprechende Reform des Urheberrechtsgesetzes auf den Weg gebracht, die einen Ausgleich der Interessen von Verlegern, Urhebern und Verwertungsgesellschaften bringen soll (BT-Drcks. 18/8625). Der Gesetzentwurf wurde vom Bundestag noch nicht verabschiedet. 1 Buch und Buchhandlung in Zahlen, hrsg. vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., Frankfurt 2016. 2 BGH, Urteil vom 21. April 2016, I ZR 198/13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 5 2. Die Mehrwertsteuer im Buchgewerbe Bücher unterliegen in Deutschland nicht dem normalen Mehrwertsteuersatz von 19%, sondern einer privilegierten Mehrwertsteuer von 7% (§ 12 UStG). Da diese Steuerermäßigung aber nur für gedruckte Verlagserzeugnisse gilt, sind E-Books bislang davon ausgeschlossen. Für sie gilt wie für andere elektronische Veröffentlichungen der normale Steuersatz von 19%. Die Europäische Kommission hat am 7. April 2016 einen Aktionsplan3 angenommen, um einen einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum zu schaffen, der die Umstände der digitalen Wirtschaft berücksichtigt. Insbesondere soll eine Steuersenkung für digitale Dienstleistungen ermöglicht werden, um den Online-Handel zu erleichtern und Steuerverluste zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten dürfen nach Umsetzung den gleichen ermäßigten Steuersatz für elektronische Veröffentlichungen (z.B. E-Books) vorsehen wie für gedruckte Bücher. 3. Die Buchpreisbindung Der Gesetzgeber hat 2002 durch das Buchpreisgesetz4 die seit mehr als 100 Jahren geltende Preisbindung für Bücher gesetzlich geregelt.5 Vorbild für das Buchpreisbindungsgesetz war dabei das französische Gesetz Loi Lang von 1981.6 Die festen Ladenpreise sollen zum Erhalt einer intakten Buchhandelslandschaft beitragen und damit den Lesern zugutekommen. Erst im September 2016 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch E-Books der Preisbindung unterliegen, wenn sie für den dauerhaften Zugriff erworben werden.7 Bei Flatrates und Abonnement-Angeboten, die zum Beispiel „unbegrenzten Zugang zu Büchern“8 versprechen, stellt sich die Frage, ob sie aus der Preisbindung herausfallen. Wenn die Nutzer nur einen zeitlich begrenzten Zugriff auf E-Books haben – wie bei den meisten Flatrate-Modellen – sind diese Nutzungsmodelle der Miete oder Leihe ähnlich und unterliegen keiner Preisbindung. Erhalten sie dauerhaften Zugriff, gilt die Buchpreisbindung. 3 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 7.4.2016 COM(2016) 148 final, https://ec.europa.eu/taxation _customs/sites/taxation/files/com_2016_148_de.pdf. (Der Stand der Abrufe in dieser Arbeit entspricht dem Abgabedatum). 4 Gesetz über die Preisbindung für Bücher (BuchPrG) vom 2. September 2002 (BGBl. I S. 3448) in der Fassung vom 1. September 2016. 5 Ausführlich zur Buchpreisbindung in Deutschland EZPWD-Anfrage Nr. 2088 mit Stand vom 10.10.2012. 6 Loi n° 81-766 du 10 août 1981 relative au prix du livre, version consolidée au 03 février 2008, https://www.legifrance .gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=LEGITEXT000006068716&dateTexte=20080203. 7 Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1937). Nun regelt § 2 Abs. 1 Nr. 3 BuchPrG, dass auch E-Books Bücher i.S.d. BuchPrG sind. 8 Z.B. „Kindle Unlimited“-Angebot von Amazon, https://www.amazon.de/kindle-dbs/hz/signup?_encoding =UTF8&*entries*=0&*Version*=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 6 4. E-Books Der deutsche E-Book-Markt ist noch immer in der Aufbauphase. 2015 haben E-Books 4,5% zum gesamten Buchumsatz beigetragen. Insgesamt stieg die Absatzzahl der E-Books im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Millionen auf 27 Millionen im Jahr 2015. Da der Durchschnittspreis für E-Books jedoch gleichzeitig sank, hinkt der Umsatz dem Absatz hinterher. Die Zahl der E-Book-Käufer in Deutschland stagnierte 2015 bei 3,9 Millionen.9 Der Verleih von E-Books durch öffentliche Bibliotheken im Wege der sogenannten „Onleihe“ hat zwischen Verlagen und Bibliotheken immer wieder zu Unstimmigkeiten geführt. Viele Verlage sehen durch den kostenlosen Verleih von digitalen Büchern in öffentlichen Bibliotheken ihr Geschäftsmodell bedroht und stellen ihre Bücher daher nur zögerlich und zu hohen Preisen zur Verfügung. Ein komplexes Lizenzsystem versucht einen Ausgleich zwischen den Interessen zu schaffen.10 5. Herkömmliche Buchhandlungen und große Online-Plattformen Das Buch ist nach wie vor ein Lieblingsprodukt der Deutschen. Fast 20% der Bundesbürger über 14 Jahren lesen nach dem Feierabend gerne Bücher, 59% der Befragten kauften 2015 selbst Bücher .11 Im Jahr 2015 gab es in Deutschland ca. 6000 Buchhandlungen und Verkaufsstellen von Büchern. Mehrere Buchhandelsketten haben 2015 ihre Verkaufsfläche stark verringert, womit der Wettbewerb der Verlage um die Regalfläche steigt. Der Verkauf durch den Buchhandel bleibt trotz einer leichten Einbuße der wichtigste Vertriebsweg für Bücher. Der Internetbuchhandel wächst und hat im letzten Jahr mit 1,6 Millionen Euro 17,4 Prozent des Gesamtumsatzes ausgemacht. Durch eine Verzahnung des Ladengeschäfts mit einem eigenen Online-Geschäft konnten die klassischen Buchhandlungen sich ihren Anteil sichern und größere Verluste an den Online-Handel der großen Plattformen wie Amazon vermeiden . So macht die Buchhandlung Thalia mittlerweile 20% ihres Umsatzes im Internet. 9 Buch und Buchhandel in Zahlen 2016 (für 2015). Hrsg. Frankfurter Buchmesse, S. 5. http://www.buchmesse .de/images/fbm/dokumente-ua-pdfs/2016/buchmarkt_deutschland_2016_dt.pdf_58507.pdf. 10 http://www.onleihe.net/fuer-bibliotheken/lizenzmodelle.html. 11 Buch und Buchhandel in Zahlen 2016 (für 2015). Hrsg. Frankfurter Buchmesse, S. 1. http://www.buchmesse .de/images/fbm/dokumente-ua-pdfs/2016/buchmarkt_deutschland_2016_dt.pdf_58507.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 7 Zur Stärkung der klassischen stationären Buchhandlungen lobte Kulturstaatsministerin Monika Grütters 2015 zum ersten Mal den „Deutschen Buchhandlungspreis“ aus.12 Er soll die Buchhandlungen im Wettbewerb mit digitalen Angeboten unterstützen und wurde auch 2016 an 118 inhabergeführte Buchhandlungen verliehen. 6. Verwertungsgesellschaft VG Wort Die Verwertungsgesellschaft WORT verwaltet treuhänderisch urheberrechtliche Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche für mehr als 400.000 Autoren und über 10.000 Verlage in Deutschland . Die Erlöse aus der Wahrnehmung von Urheberrechten beliefen sich im Jahr 2015 auf insgesamt 305 Millionen Euro, womit das Vorjahresergebnis mehr als verdoppelt wurde.13 Wegen der aktuellen BGH-Rechtsprechung zur Verteilungspraxis schüttet die VG Wort bis zur weiteren Klärung der Rechtslage nicht an die Verlage aus. Am 1. Juni 2016 ist das neue Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG)14 in Kraft getreten, das an Stelle des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes tritt. Das VGG setzt die EU-Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten um und wird als Bekenntnis der Politik zum System der kollektiven Rechtswahrnehmung gesehen. Es kombiniert europäische Vorgaben mit bewährten Grundprinzipien des Wahrnehmungsrechts. Der Gesetzgeber hat 1994 eine Anpassung des Urheberrechts vorgenommen15, um die Vorgaben der Richtlinie 92/100/EWG zu Vermietungs- und Verleihrechten an urheberrechtlich geschützten Werken umzusetzen. Nach dieser Änderung des Urheberrechts haben Autoren das Recht, eine Vermietung ihres Werkes zu verbieten. Dem Verleih ihrer Werke können Autoren hingegen nur widersprechen, solange ihr Werk noch gar nicht in Verkehr gebracht worden ist. Nach der ersten Verbreitung des Buches durch Veräußerung haben die Autoren kein Recht darauf, dem Verleih durch öffentliche Bibliotheken zu widersprechen . Sie haben jedoch einen Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 27 Abs. 2 UrhG), die sogenannte „Bibliothekstantieme“. Die Bibliothekstantieme wird von Bund und Ländern gemeinsam getragen. Die Verwertungsgesellschaft WORT macht für Autoren und Verlage die Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche geltend. Sie stellt eine angemessene Vergütung sicher, kassiert das Entgelt von 12 https://www.deutscher-buchhandlungspreis.de/. 13 http://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/pressemitteilungen/Gremiensitzungen_Berlin_2016_PM_6.6.2016.pdf. 14 Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (BGBl. 2016 I, S. 1190ff.). 15 Drittes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23.06.1995 (BGBl I S. 842). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 062/16 Seite 8 den Nutzern und leitet die eingenommenen Gelder nach einem festgelegten Verteilungsplan an Autoren und Verlage weiter. Zur Geltendmachung der Bibliothekstantieme hat die VG Wort zusammen mit anderen Verwertungsgesellschaften die Zentralstelle Bibliothekstantieme (ZBT) gegründet. Ein Gesamtvertrag zwischen Bund und Ländern auf der einen Seite und der Zentralstelle Bibliothekstantieme auf der anderen Seite deckt alle Verleihvorgänge durch öffentliche Bibliotheken bundesweit ab.16 Der EuGH hat in einem Urteil vom 10. November 201617 klargestellt, dass der Verleih von E- Books durch öffentliche Bibliotheken genau wie der Verleih von gedruckten Büchern einen Vergütungsanspruch des Urhebers auslöst. 16 http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/vereinbarungen/Vertrag__27Abs2UrhG_unterschrieben _20110814.pdf. 17 EuGH, Urteil vom 10.11.2016 in der Rechtssache C-174/15 Vereniging Openbare Bibliotheken / Stichting Leenrecht .