© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 061/20 Programmgestaltung durch Organe der Rundfunkanstalten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 2 Programmgestaltung durch Organe der Rundfunkanstalten Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 061/20 Abschluss der Arbeit: 15. Dezember 2020 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien, Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Grundlagen 4 3. Programmgrundsätze 5 4. Programmauftrag 5 5. Programmgestaltung durch Rundfunkorgane 6 5.1. Intendant 6 5.2. Rundfunkrat 6 5.3. Programmbeirat 7 5.4. Landesmedienanstalten 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 4 1. Einleitung Gefragt ist, welche Institutionen auf die Programmgestaltung beim Rundfunk Einfluss nehmen. Im Folgenden wird zunächst auf die rechtlichen Grundlagen der Rundfunkfreiheit und die Grundsätze der Programmgestaltung eingegangen. Anschließend wird der Auftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten erläutert, bevor die wichtigsten mit der Programmgestaltung befassten Gremien vorgestellt werden. 2. Rechtliche Grundlagen Auf die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, die zur Gewährleitung einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient,1 können sich neben den privaten Rundfunkveranstaltern auch die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten berufen.2 Aus der subjektiv-abwehrrechtlichen Funktion der Rundfunkfreiheit ergibt sich, dass sowohl privater als auch öffentlich-rechtlicher Rundfunk staatsfern organisiert und ausgestaltet sein muss. Eine staatliche Rundfunkaufsicht würde dem Grundsatz der Staatsferne ebenfalls zuwiderlaufen.3 Der Staat darf auch nicht an der publizistischen Funktion des Rundfunks – etwa durch Beeinflussung der Programmgestaltung – mitwirken oder bestimmenden Einfluss auf das Programm nehmen .4 Für die öffentliche Meinungsbildung wird als wesentlich erachtet, dass eine Vielzahl an selbständigen , vom Staat unabhängigen und untereinander durch Inhalt, Tendenz und Weltanschauung konkurrierenden Medien existiert. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die in den Rundfunkgesetzen festgelegte Staatsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die Rechtsaufsicht. 5 Die begrenzte Staatsaufsicht soll lediglich dazu dienen, eine Grundversorgung zu gewährleisten und eine Aushöhlung des öffentlichen Programmauftrags zu verhindern. Entsprechend den Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Veranstaltung von Rundfunk aufgestellt hat, muss die Pluralität der Meinungen nicht nur von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern auch von Privatsendern durch ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit und Sachlichkeit gewahrt werden. 1 BVerfGE 57, 295, 319; 74, 297, 323. 2 BVerfGE 31, 314, 322. 3 Vgl. BVerfGE 12,205, 260 (Deutschland-Fernsehen GmbH). 4 BVerfGE 73, 118, 165; 83, 238, 330; 90, 60, 88 Dörr, Dieter/Schwartmann, Rolf, Medienrecht, Heidelberg, 6. Aufl. 2019, S. 78 5 Fechner, Frank, Medienrecht. Tübingen, 20. Aufl. 2019, S. 295. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 5 Zur Rundfunkfreiheit gehört insbesondere die redaktionelle Gestaltungs- und Programmfreiheit, die eine Auswahl und Gewichtung von Programminhalten umfasst. Insofern liegen Inhalte und Formen von Sendungen grundsätzlich in der Entscheidungshoheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.6 Detaillierte inhaltliche Vorgaben des Gesetzgebers zu den Programmen, die über einen Grundversorgungsauftrag und ein Programmgerüst hinausgehen, wären verfassungswidrig . 3. Programmgrundsätze In § 3 Medienstaatsvertrag (MStV) 7 sind allgemeine Grundsätze normiert, die sowohl für den öffentlich -rechtlichen als auch den privaten Rundfunk gelten. Demnach haben die Angebote der Programmveranstalter die Würde der Menschen zu achten und zu schützen und sollen dazu beitragen , die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinungen anderer zu stärken. Zudem sind die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung zu achten. Weitere Konkretisierungen dieser Programmgrundsätze erfolgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Landesrundfunkgesetzen. Für die privaten Programmveranstalter werden diese Grundsätze in § 51 MStV konkretisiert: „(1) Für die Rundfunkprogramme gilt die verfassungsmäßige Ordnung. Die Rundfunkprogramme haben die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Sie sollen die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung fördern und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten. (2) Die Rundfunkvollprogramme sollen zur Darstellung der Vielfalt im deutschsprachigen und europäischen Raum mit einem angemessenen Anteil an Information, Kultur und Bildung beitragen; die Möglichkeit, Spartenprogramme anzubieten, bleibt hiervon unberührt.“ 4. Programmauftrag Um dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung zu tragen, erfolgt in §§ 26 ff. MStV lediglich eine Umschreibung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, dessen nähere Ausgestaltung den Sendern überlassen bleibt. 6 Fechner, Frank, Medienrecht. Tübingen, 20. Aufl. 2019, S. 303. 7 Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (MStV) vom 14. - 28. April.2020, in Kraft seit 7. November 2020, notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1): https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/Medienstaatsvertrag _MStV.pdf [abgerufen am 10.12.2020 wie alle weiteren in der vorliegenden Arbeit angegebenen URL].“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 6 § 26 Abs. 1 MStV fasst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusammen und betont , dass die Angebote der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung dienen sollen sowie kulturelle Beiträge anzubieten sind. Zudem ergibt sich aus § 26 Abs. 1 MStV, dass der öffentlich -rechtliche Rundfunk einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben hat. § 27 Abs. 1 MStV stellt klar, dass der Rundfunkauftrag Angebote von Rundfunkprogrammen (Hörfunk- und Fernsehen) und Telemedien sowie programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt umfasst. Anzahl und Bezeichnung der Fernseh- und Hörfunkprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind in §§ 28 f. MStV festgelegt. Zur näheren Ausgestaltung ihres Auftrags haben die öffentlich -rechtlichen Sender laut § 31 MStV Satzungen oder Richtlinien zu erlassen und über die Erfüllung ihres Auftrags in zweijährigem Turnus zu berichten. 5. Programmgestaltung durch Rundfunkorgane Regelungen über typische Organe, die mit der Gestaltung des Rundfunkprogramms befasst sind, finden sich im Medienstaatsvertrag, in den Landesrundfunkgesetzen/Landesmediengesetzen sowie in den Staatsverträgen von ARD und ZDF. 5.1. Intendant Die Aufgaben eines Intendanten ergeben sich aus dem jeweiligen Rundfunkgesetz und der Satzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Ihm obliegt die Geschäftsführung der Rundfunkanstalt und er trägt die Verantwortung für das Programm und dessen Gestaltung. Um seiner Programmverantwortung nachkommen zu können, ist er befugt, Mitarbeitern der Rundfunkanstalt Weisungen zu erteilen.8 Gewählt wird der Intendant in der Regel vom Rundfunkrat, zum Teil auf Vorschlag des Verwaltungsrats . Die Amtsperiode beträgt beim ZDF fünf Jahre, in der ARD überwiegend fünf oder sechs Jahre, beim Hessischen Rundfunk bis zu neun Jahre.9 5.2. Rundfunkrat Der Rundfunkrat, der beim ZDF „Fernsehrat“ und beim Deutschlandfunk „Hörfunkrat“ heißt, soll die Interessen der Allgemeinheit vertreten und die gesellschaftliche Meinungsvielfalt bei den öffentlich -rechtlichen Rundfunkanstalten zum Ausdruck bringen. Für die gesellschaftliche Repräsentation ist die Staats- und Parteiferne bedeutsam, die im Rundfunkrat dadurch sichergestellt 8 Fechner, Frank, Medienrecht. Tübingen, 20. Aufl. 2019, S. 333. 9 ARD, Intendant: https://www.ard.de/home/Intendant/538232/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 7 wird, dass die Anzahl staatlicher und staatsnaher Vertreter auf ein Drittel der Mitglieder begrenzt ist.10 Wahl und Zusammensetzung dienen der Pluralitätssicherung und Repräsentation, aus der sich allerdings kein Anspruch einzelner gesellschaftlicher Gruppen auf Mitgliedschaft ergibt.11 Die Herkunft der Vertreter aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ist ebenso wie die Anzahl der Mitglieder im jeweiligen Landesrundfunkgesetz beziehungsweise Landesmediengesetz geregelt. Zu den Aufgaben des Rundfunkrats gehören unter anderem die Wahl und Abberufung des Intendanten , dessen Beratung bei der Programmgestaltung und die Einhaltung der Programmgrundsätze . 5.3. Programmbeirat Ähnliche Funktionen wie dem Rundfunkrat bei den öffentlich-rechtlichen Sendern kommen dem Programmbeirat bei den privaten Sendern zu. Für private Rundfunkanbieter gelten keine zwingenden medienrechtlichen Organisationsvorgaben. Zur Binnenstruktur sieht der Medienstaatsvertrag einen Programmbeirat vor, dessen Einrichtung gemäß § 64 Nr. 2 MStV keine rechtliche Pflicht darstellt und insbesondere als vielfaltsichernde Maßnahme dient. Der Programmbeirat hat nach § 66 Abs. 1 MStV die Programmverantwortlichen, die Geschäftsführung des Programmveranstalters und die Gesellschafter bei der Gestaltung des Programms zu beraten. Er soll durch Vorschläge und Anregungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Pluralität des Programms beitragen. Seine Mitglieder werden gemäß § 66 Abs. 2 durch den Veranstalter berufen und müssen die wesentlichen gesellschaftlichen Meinungen und Gruppen der Gesellschaft repräsentieren. Über die wichtigsten Programmentscheidungen ist der Programmbeirat nach § 66 Abs. 3 MStV zu unterrichten und zu hören. Seine Beratung des Programmveranstalters soll gemäß § 66 Abs. 1 S. 3 MStV so ausgestaltet sein, dass „wirksamer Einfluss“ auf das Programm genommen werden kann. Der Programmbeirat kann ferner nach § 66 Abs. 4 S. 1 MStV Beanstandungen von Programmentscheidungen aussprechen, die jedoch nicht veröffentlicht werden. Im Unterschied dazu sieht § 49 MStV für die Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor, dass sie vom Intendanten bei Rechtsverstößen verlangen können, dass Beanstandungen im Programm veröffentlicht werden. Die Zustimmung des Programmbeirats ist gemäß § 66 Abs. 5 MStV bei Änderungen der Programmstruktur , der Programminhalte, des Programmschemas oder bei der Entscheidung über 10 BVerfG, Urt. v. 25.03.2014 – 1 BfV 1, 4/11, NVwZ 2014, 867, 871 – ZDF-Staatsvertrag 11 BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 209/93, NVwZ 1996, 781, 782. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 061/20 Seite 8 Programmbeschwerden vor der Entscheidung durch die Geschäftsführung einzuholen. 5.4. Landesmedienanstalten Die in den §§ 104 ff. MStV geregelte Medienaufsicht obliegt den Landesmedienanstalten als unabhängigen Behörden, die mit Rücksicht auf die Staatsferne lediglich eine begrenzte Rechtsaufsicht ausüben.12 Als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind die Landesmedienanstalten Hoheitsträger , die aber gleichzeitig auch über eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Staat verfügen. Ihre Befugnisse können sie deshalb weitgehend ohne staatliche Einflussnahme ausüben.13 Dazu gehören die Zuweisung von Übertragungskapazitäten, die Zulassung Privater zum Rundfunk und die Beaufsichtigung zugelassener Rundfunkprogramme. Diese werden insbesondere auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz, zur Werbung und zu den allgemeinen Programmgrundsätzen überprüft.14 Die privaten Rundfunkanstalten sind verpflichtet, ihre Sendungen zu Zwecken der Rundfunkaufsicht durch die Landesmedienanstalten aufzuzeichnen .15 **** 12 v. Lewinski, Medienrecht, München 2020, S. 436 13 Fechner, Frank, Medienrecht. Tübingen, 20. Aufl. 2019, S. 290. 14 Die Medienanstalten, Programmaufsicht: https://www.die-medienanstalten.de/themen/programmaufsicht. 15 Vgl. BVerfGE 95, 220 ff.