© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 060/20 Google und „gesund.bund.de“ Die Kooperation des Bundesministeriums für Gesundheit mit der Suchmaschine Google vor dem Hintergrund der Pressefreiheit, des Wettbewerbsrechts und des Medienstaatsvertrags Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 2 Google und „gesund.bund.de“ Die Kooperation des Bundesministeriums für Gesundheit mit der Suchmaschine Google vor dem Hintergrund der Pressefreiheit, des Wettbewerbsrechts und des Medienstaatsvertrags Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 060/20 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2021 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 1.1. Gegenstand der Untersuchung 4 1.2. Suche nach Gesundheitsinformationen im Internet 4 1.3. Zusammenarbeit mit Google 6 2. Kompetenz des Bundesministeriums für Gesundheit 8 2.1. Kompetenz für die Vermittlung von Informationen über Gesundheitsfragen auf Grundlage des IfSG 8 2.2. Informationshandeln des Staates ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage 8 2.2.1. Staatliches Informationshandeln in Krisensituationen 9 2.2.2. Informationshandeln als Annex der Staatsleitung 10 3. Pressefreiheit 11 3.1. Der Begriff der Presse im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 12 3.1.1. Internetauftritt als Presse 12 3.1.2. Der medizinische Informationsgehalt/Einflussnahme auf Meinungsbildung 13 3.2. Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit 14 3.2.1. „Gesund.bund.de“ als staatliches Informationsportal 14 3.2.2. Staatsferne 14 3.2.2.1. Eingriff durch Rufschädigung 15 3.2.2.2. Eingriff durch Konkurrenz 16 3.3. Zulässigkeit der Gesundheitsplattform 18 3.4. Zulässigkeit der Kooperation mit Google 20 4. Wettbewerbsrecht 21 4.1. Staatliches Konkurrenzangebot 21 4.2. Wettbewerbliche Klagen gegen Google 21 5. Diskriminierungsverbot des Medienstaatsvertrages 22 5.1. Medienstaatsvertrag 22 5.2. Diskriminierungsfreiheit 23 5.2.1. Medienintermediär 24 5.2.2. Journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote 24 5.2.3. Diskriminierung 25 5.2.3.1. Transparenz 25 5.2.3.2. Benachteiligung 27 5.2.4. Verhältnismäßigkeit 28 5.3. Laufende Verfahren 29 6. Ergebnis 29 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 4 1. Einführung 1.1. Gegenstand der Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung ist die Frage, ob das Gesundheitsportal des Bundesministeriums für Gesundheit „gesund.bund.de“ sowie die Kooperation des Ministeriums mit Google die Pressefreiheit der Verlage und Betreiber von Gesundheitsplattformen verletzt, indem diese gegenüber einem staatlichen redaktionellen Angebot ungerechtfertigt benachteiligt sein könnten. Des Weiteren wird die Zusammenarbeit des Bundesgesundheitsministeriums mit Google vor einem wettbewerbsrechtlichen Hintergrund beurteilt und eine Einschätzung im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot des Medienstaatsvertrages vorgenommen. 1.2. Suche nach Gesundheitsinformationen im Internet Nicht nur bei der Suche nach Gesundheitsinformationen spielt die Suchmaschine Google eine herausragende Rolle. Ihr Marktanteil bei Suchmaschinen in Deutschland beträgt bis zu 97,60%.1 Sie ist in Deutschland Quasi-Suchmaschinen-Monopolist. Jede 20. Suchanfrage bei Google weist einen Gesundheitsbezug auf und mehr als die Hälfte der deutschen Internetnutzer suchen mindestens einmal im Jahr nach Informationen zu Erkrankungen oder Behandlungen.2 Ähnliches gilt für die Suche nach Informationen zur Corona-Pandemie. Hier nimmt die Information über das Internet einen hohen Stellenwert ein. Dies belegt z. B. eine Datenerhebung des Interdisziplinären Zentrums für Gesundheitskompetenzforschung der Universität Bielefeld und des Public Health Zentrums der Hochschule Fulda. Dabei gaben etwa 95 % der Befragten an, Informationen über das Coronavirus im Internet gesucht zu haben.3 Die Corona-Pandemie hat nach 1 Stand September 2020: 97,60% bei der mobilen Suche, 94,06% bei der Suche mit Tablet und 86% bei der Desktop -Suche. Vgl. SEO-Summary.de, Suchmaschinen Marktanteile Deutschland 2020, Entwicklung und Marktanteile der beliebtesten Suchmaschinen in Deutschland., https://seo-summary.de/suchmaschinen/. (Abgerufen am 16.02.2021 wie alle anderen URL in diesem Sachstand. 2 Uwe Hambrock, Die Suche nach Gesundheitsinformationen - Patientenperspektiven und Marktüberblick, Studie für die Bertelsmann Stiftung aus dem Januar 2018, S. 5, abrufbar unter: https://www.bertelsmannstiftung .de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/VV_Studie_Gesundheitsinfos_Interviews.pdf . 3 Dadaczynski/Okan/Messer/Rathmann, (2020). Digitale Gesundheitskompetenz von Studierenden in Deutschland . Ergebnisse einer bundesweiten Online-Befragung, abrufbar unter: unter: https://fuldok.hsfulda .de/opus4/843. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 5 Auffassung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gezeigt, wie wichtig seriöse Gesundheitsinformationen seien.4 Insbesondere im Internet stellen daher die Bundesregierung5, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG)6 und den auf der Bundesebene dem BMG unterstehenden Institutionen, wie z. B. das Robert Koch-Institut (RKI)7 und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI)8 auf ihren jeweiligen Portalen diesbezügliche Informationen wie Gesundheitsbehörden anderer Länder weltweit zur Verfügung.9 In Ergänzung zu den dort verbreiteten Gesundheitsinformationen startete am 1. September 2020 das BMG ein staatliches (nationales) Gesundheitsportal unter dem Namen „gesund.bund.de“. Es informiert über die häufigsten Krankheitsbilder (u.a. Krebserkrankungen, Herzkreislauferkrankungen oder Infektionserkrankungen). Zudem werden auch Beiträge zu Themen wie Pflege oder Prävention angeboten.10 Das staatliche Portal sieht sich verpflichtet, „qualitätsgesicherte, unabhängige und allgemein verständliche Gesundheitsinformationen“ zur Verfügung zu stellen und somit auf die zunehmende Nachfrage nach Informationen im Internet über Gesundheitsthemen zu reagieren.11 Viele der im 4 Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheitsportal geht online, Pressemitteilung vom 01.09.2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3- quartal/gesundheitsportal.html. 5 Die Bundesregierung, Coronavirus, Aktuelle Informationen, https://www.bundesregierung.de/bregde /themen/coronavirus/coronavirus-aktuelle-informationen, auch Die Bundesregierung, Coronavirus, Coronavirus in Deutschland, https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus. 6 Bundesministerium für Gesundheit, Informationen zum Coronavirus, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html?fbclid=IwAR3GbB9vLvSRo5CpCaqGg2PclG9 71KedVTOHjZ6LaqfCgCy33luOZYUuKWk. 7 Robert Koch Institut, Coronavirus SARS-CoV-2, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html. 8 Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, Coronavirus und COVID-19, https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/coronavirus-node.html. 9 Zu den dem BMG auf der Bundesebene unterstehenden Institutionen, die sich mit übergeordneten gesundheitlichen Aufgabenstellungen befassen, vgl. z. B. BMG, Staatliche Ordnung, Bundesbehörden, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/staatlicheordnung /bundesbehoerden.html. 10 Gesundheitsportal geht online, Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 1.9.2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3- quartal/gesundheitsportal.html. 11 gesund.bund.de, Über uns, „Die Redaktion von gesund.bund.de ist verpflichtet, wissenschaftlich fundierte, neutrale und allgemein verständliche Gesundheitsinformationen für Bürgerinnen und Bürger anzubieten.“, https://gesund.bund.de/ueber-uns/ueber-gesund-bund-de#portalredaktion. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 6 Internet verfügbaren Gesundheitsinformationen seien „unzuverlässig, lückenhaft, von bestimmten Interessen beeinflusst oder sogar falsch und irreführend.“12 Belege oder Studien über Ausmaß und Wirkung mangelhafter Informationen werden nicht angeführt. Ebenso werden keine Belege darüber angegeben, ob dem steigenden Interesse an Gesundheitsinformationen ein Defizit an zuverlässigen Gesundheitsinformationen im Internet gegenüber steht. 1.3. Zusammenarbeit mit Google Am 10. November 2020 kündigte das BMG eine Zusammenarbeit zwischen der marktbeherrschenden Suchmaschine Google und dem staatlichen Gesundheitsportal „gesund.bund.de“ an.13 Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn formulierte die damit verbundene Zielsetzung so: „Wer Gesundheit googelt, soll künftig auf dem Nationalen Gesundheitsportal landen.“14 Diese ministerielle Vorgabe wird von der Suchmaschine Google wie folgt umgesetzt. Bei einer Stichwortsuche werden die staatlichen Gesundheitsinformationen von „gesund.bund.de“ in hervorgehobenen Informationskästen (sogenannte Knowledge Panels) an prominenter Stelle rechts oben platziert. Damit dürfte eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Suchenden erreicht werden, die dann bei Klicks auf weiteren Schaltflächen im Informationskasten auf das staatliche Gesundheitsportal weitergeleitet werden. Diese Informationskästen stehen bisher für staatliche Informationen zu ca. 160 Krankheiten zur Verfügung und vermitteln über verschiedene Schaltflächen zum Beispiel Informationen zu den Kategorien Überblick, Symptome und Behandlung. Durch einen Link am unteren Rand der Informationskästen gelangt man direkt zum einschlägigen Artikel auf „gesund.bund.de“ mit ausführlicheren Informationen.15 Untenstehend ist beispielhaft ein Suchergebnis in einem nebenstehenden Informationskasten abgebildet , das mit der Suchmaschine Google bei der Suche nach dem Begriff „migräne“ ausgewiesen wurde. 12 gesund.bund.de, Über uns, „Immer mehr Menschen informieren sich im Internet über Gesundheitsthemen. Doch viele der verfügbaren Gesundheitsinformationen sind unzuverlässig, lückenhaft, von bestimmten Interessen beeinflusst oder sogar falsch und irreführend.“, https://gesund.bund.de/ueber-uns/ueber-gesund-bund-de#uebergesundbundde , Beispiele für unzuverlässige, falsche oder irreführende Gesundheitsinformationen werden dort nicht angeführt. 13 Bundesministerium für Gesundheit, Verlässliche Gesundheitsinfos leichter finden -BMG startet Zusammenarbeit mit Google, Pressemitteilung vom 10.11.2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/4-quartal/bmg-google.html. 14 Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheitsportal geht online, Pressemitteilung vom 01.09.2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3- quartal/gesundheitsportal.html. 15 Bundesministerium für Gesundheit, Verlässliche Gesundheitsinfos leichter finden -BMG startet Zusammenarbeit mit Google, Pressemitteilung vom 10.11.2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/4-quartal/bmg-google.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 7 Schaubild: Desktop-Ansicht Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 8 2. Kompetenz des Bundesministeriums für Gesundheit Unter Kompetenzgesichtspunkten gibt es zahlreiche Umstände, die dafür sprechen, dass das Betreiben des Gesundheitsportals durch das BMG an sich - zunächst ohne Berücksichtigung der privilegierten Kooperation mit der marktbeherrschenden Suchmaschine Google - sich innerhalb der Grenzen des noch zulässigen Informationshandelns des BMG befinden könnte. Einen ersten Hinweis gibt schon die selbst bekundete Zuständigkeit. Nach eigenen Angaben gehört es zu den Aufgaben des BMG unter anderem „notwendige Informationen im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung “ zu erarbeiten, damit „jeder Bürger […] die Möglichkeit hab[e], sich ein breites Gesundheitswissen anzueignen.“16 2.1. Kompetenz für die Vermittlung von Informationen über Gesundheitsfragen auf Grundlage des IfSG Im Bereich des Gesundheitswesens besteht eine konkurrierende Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG in Bezug auf „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte.“ Von dieser Kompetenzzuweisung hat der Bund im Falle des Infektionsschutzgesetzes17 (IfSG) Gebrauch gemacht. § 3 IfSG statuiert, dass „die Information und Aufklärung der Allgemeinheit über die Gefahren übertragbarer Krankheiten und die Möglichkeiten zu deren Verhütung […] eine öffentliche Aufgabe “ ist – und zwar primär die der Länder. Es besteht hierzu aber die einhellige Auffassung, dass andere Behörden dadurch nicht ausgeschlossen werden, sondern vielmehr angehalten sind, an der Gesundheitsaufklärung teilzunehmen .18 Das BMG hat also auf Grund des IfSG auch die Befugnis, Gesundheitsinformationen zu gemeingefährlichen oder übertragbaren Krankheiten zu veröffentlichen. 2.2. Informationshandeln des Staates ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage Die Informationen des staatlichen Portals „gesund.bund.de“ gehen aber weit über die Informationen über übertragbare Krankheiten hinaus und behandeln auch Themenbereiche wie Pflege und 16 Bundesministerium für Gesundheit, Aufgaben und Organisation, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/aufgaben-und-organisation/aufgaben.html. 17 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, „Infektionsschutzgesetz- IfSG“ vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.11.2020 (BGBl. I S. 2397) m.W.v. 19.11.2020. 18 Putzer in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht (2020), § 3 IfSG, Rn. 9 f.; Kießling, Infektionsschutzgesetz : IfSG (2020), § 3 IfSG, Rn. 7 und schließlich, nicht ganz so deutlich Lutz, Infektionsschutzgesetz, 2. Auflage 2020, § 3 IfSG, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 9 „Gesund leben“. Für diese Art von Informationen gibt es keine konkrete Ermächtigungsgrundlage im IfSG. Zur Problematik einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage hat das Bundesverfassungsgericht in anderen Zusammenhängen konkrete Ausführungen gemacht. So hat es im sogenannten Osho- Fall, in dem es um eine Warnung der Bundesregierung vor der Osho-Bewegung als religiöse Sekte ging, ausgeführt, dass es für das Informationshandeln des Staates keiner Ermächtigungsgrundlage bedarf, da die Fälle, in denen das Informationshandeln jeweils zulässig ist, nicht vorhersehbar seien.19 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es über die Aufgabenzuweisung hinaus keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage, weil diese nur generalklauselartig formuliert sein könnte.20 Allerdings sei auch beim zulässigen Informationshandeln die Kompetenzordnung zwischen Bund und Ländern zu beachten.21 Die Gesundheitsinformationen allgemeiner Art des neuen staatlichen Portals basieren aber nicht auf unvorhergesehenen Ereignissen. Daher wäre eine Ermächtigungsgrundlage für diese Art von Informationshandeln erforderlich. 2.2.1. Staatliches Informationshandeln in Krisensituationen In einem anderen Beschluss zu einer gesundheitlichen Warnung kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich der Staat auch ohne eine konkrete Ermächtigungsgrundlage die Befugnis zum Informationshandeln hat.22 Das gehe weiter als die reine Öffentlichkeitsarbeit bezüglich der Arbeitsinhalte, die sich bereits als eine Annexaufgabe der Staatsgewalt erweise23 und betreffe auch solche Informationen, die für die Bürger essentiell seien, um sich an der Bewältigung kollektiver Probleme zu beteiligen. Das seien insbesondere solche Informationen , die die Bürger nicht durch andere, nichtstaatliche Kanäle erlangen könnten.24 Das Bundesverfassungsgericht sieht dieses Bedürfnis jedenfalls dann als gegeben an, wenn die vorhandenen Informationen nur interessengeleitet und dadurch einseitig seien.25 Zusätzlich könne ein solches Erfordernis in Krisenfällen entstehen. Vor diesem Hintergrund kann insbesondere die Information über das Coronavirus SARS-CoV-2 durch den Staat bzw. staatliche Akteure zulässig und darüber hinaus erforderlich sein. Mit dem 19 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 – Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen, Rn. 81 ff., juris. 20 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 – Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen, Rn. 82, juris. 21 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 – Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen, Rn. 83, juris. 22 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 558, 1428/92 – Glykolwarnung, Rn. 56, juris. 23 Gusy, Christoph in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts (2. Auflage 2012) Bd. II, § 23, Rn. 98. 24 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 558, 1428/92 – Glykolwarnung, Rn. 53, juris. 25 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 10 plötzlichen Auftreten dieses Virus sahen sich viele Regierungen gezwungen, zahlreiche grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen zu treffen.26 Ein aufgeklärter und sicherer Umgang sowohl mit dem Virus als auch mit den getroffenen staatlichen Maßnahmen dürfte maßgeblich davon abhängen , inwieweit über alle relevanten wissenschaftlichen und evidenzbasierten Erkenntnisse und Auffassungen ausgewiesener nationaler und internationaler Experten sowie über die Ergebnisse der damit verbundenen nationalen Verhältnisprüfungen zeitgerecht und umfassend informiert wird. Was das staatliche Informationsverhalten in der Pandemie-Krisensituation anbelangt, so werden wie oben dargestellt bereits diesbezügliche Informationen im Internet insbesondere auf den Portalen der Bundesregierung, des BMG und den ihm unterstehenden Gesundheitsinstitutionen zur Verfügung gestellt. Das staatliche Angebot allgemeiner Gesundheitsinformationen kann mit dem Krisenargument nicht begründet werden. Auch wird nicht belegt, dass „alle vorhandenen Informationen ausschließlich interessengeleitet und dadurch einseitig seien.“ 2.2.2. Informationshandeln als Annex der Staatsleitung Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch eine systematische, unabhängig von aktuellen Notsituationen redaktionell berichtende Einrichtung in einem anderen Zusammenhang als verfassungsmäßig eingestuft: Die Bundeszentrale für politische Bildung, ist eine an das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gegliederte Institution, die Bildungsangebote insbesondere mit Hinblick auf die Demokratiebildung, sowohl digital als auch analog etwa in Form von Zeitschriften , anbietet.27 Von 1951 bis 2000 war sie auch Herausgeberin der Wochenzeitung „Das Parlament “28 und ist weiterhin Herausgeberin der dazugehörigen Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte “ (APuZ).29 Das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits mehrfach zur Rechtmäßigkeit der Bundeszentrale für politische Bildung auf den Grundsatz berufen, dass die Aufgabe der Staatsleitung der Bundesregierung auch ein staatliches Informationshandeln legitimiere.30 Die Aufgabe der Staatsleitung wird regelmäßig aus Art. 65 GG abgeleitet.31 Das danach zulässige Informationshandeln beziehe sich insbesondere auf solche Informationen, derer die Bürger „zur 26 Zur verfassungsrechtlichen Problematik der Ermächtigungen in § 5 Abs. 2 IfSG zum Erlass von Rechtsverordnungen vgl. z. B. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Staatsorganisation und § 5 Infektionsschutzgesetz , WD 3 - 3000 - 080/20, 2. April 2020, S. 6; https://www.bundestag.de/resource /blob/690262/cb718005e6d37ecce82c99191efbec49/WD-3-080-20-pdf-data.pdf. 27 Für weitere Informationen siehe: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Unsere Behörden und Einrichtungen, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/behoerden/DE/bpb.html. 28 Seit 2001 ist der Deutsche Bundestag Herausgeber der Wochenzeitung Das Parlament, http://www.das-parlament .de/2020/51. Siehe auch das Impressum des Deutschen Bundestages als Herausgeber der Wochenzeitung ‚Das Parlament‘: http://www.das-parlament.de/impressum. 29 Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, https://www.bpb.de/apuz/. 30 Z. B. BVerfG, Beschluss v. 17.08.2010 – 1 BvR 2585/06 – Herabsetzende Kritik durch Bundeszentrale für politische Bildung, Rn. 23, juris. 31 Kluth, Unparteilichkeit als Handlungsmaßstab der Zentralen für politische Bildung und vergleichbarer Stellen und Einrichtungen, DÖV 2018, 1035, 1039. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 11 Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung bedürfen.“32 Das Bundesverfassungsgericht hält diese Herleitung bereits für ausreichend, um die Legitimität der Bundeszentrale für politische Bildung zu bejahen.33 Ob Gesundheitsinformationen auch die Staatsleitung betreffen, ist zum einen vor dem Hintergrund fraglich, dass der Staat keine allgemeine Gesetzgebungskompetenz im Rahmen der Gesundheit hat und zum anderen es bereits zahlreiche seriöse Gesundheitsinformationsportale im Internet gibt. Allerdings fallen unter die Informationskompetenz im Rahmen der Staatsleitung auch „die Darlegung und Erläuterung der Politik der Regierung hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit.“34 Gesundheitsinformationen erklären den Bürgern zum einen die gesundheitliche Lage, enthalten für sie relevante Verhaltensregeln und betreffen auch Maßnahmen des BMG. Bereits im Jahre 1967 wurde zu diesem Zweck auch die an das BMG angegliederte Behörde Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gegründet.35 Wenn zudem staatliche Gesundheitsinformationen zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung beitragen, spricht daher einiges dafür, dass die staatliche Verbreitung allgemeiner Gesundheitsinformationen unter die Staatsleitung fällt und damit zulässig ist. Fraglich bleibt, in welchem Umfang das zusätzliche Angebot staatlicher Gesundheitsinformationen zulässig ist, wenn es an privilegierter Stelle über eine quasi Suchmaschinen-Monopolisten zum Informationssuchenden kanalisiert wird und andere seriöse Anbieter insbesondere als Grundrechtsträger zuverlässige Informationen zur Verfügung stellen. 3. Pressefreiheit Staatliches Informationshandeln insbesondere mit herausgehobener Unterstützung eines Quasi- Suchmaschinenmonopolisten könnte aber andere Grundrechtsträger beeinträchtigen. Das könnte bei staatlicher Presse(ähnlicher)-Tätigkeit insbesondere auf die zu schützende Presse zutreffen. 32 BVerfG, Beschluss v. 17.08.2010 – 1 BvR 2585/06 – Herabsetzende Kritik durch Bundeszentrale für politische Bildung, Rn. 23, juris. 33 Ebd. 34 BVerfG, Urteil v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – Äußerungsbefugnis Bundesministerin, Rn. 40, juris. 35 BZgA, Aufgaben und Ziele https://www.bzga.de/ueber-uns/aufgaben-und-ziele/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 12 Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG)36 schützt die Presse und alle mit ihr in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. Durch das Grundrecht wird dem Staat die Pflicht auferlegt, die Presse vor Eingriffen zu schützen. Der Staat ist aber keinesfalls selbst grundrechtsberechtigt. Die durch das staatliche Gesundheitsportal gegebenenfalls verdrängten medizinischen Informationsseiten müssten Presse im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG darstellen, um dem Schutzbereich des Grundrechts zu unterfallen. Zunächst wird der Pressecharakter vor dem Hintergrund des lediglich online erscheinenden Angebots untersucht. Anschließend wird eine kurze Stellungnahme in Bezug auf den Inhalt der medizinischen Informationsangebote abgegeben. 3.1. Der Begriff der Presse im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 3.1.1. Internetauftritt als Presse Bei der Abgrenzung von Presse und Rundfunk haben sich unterschiedliche Vorgehensweisen etabliert.37 Allgemein wird unter Rundfunk jede Verbreitung von Informationen über elektromagnetische Wellen gezählt, während Presse die Informationsverbreitung durch körperliche (Druck-) Erzeugnisse umfasst.38 Die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Pressefreiheit neben der ebenfalls geschützten Rundfunkfreiheit „erfasst jede Weiterleitung gedruckter oder in anderer Weise verkörperter Information an einen individuell unbestimmten Personenkreis.“39 Diese traditionelle Ansicht vertritt die Notwendigkeit der als Druckerzeugnis oder in ähnlicher Weise verkörperten Form der Information, um sie als Presse zu bewerten und sie vom Rundfunkbegriff abzugrenzen .40 Hierbei wird insbesondere auf die Möglichkeit der Verknüpfung der Texte mit Bild- und Audioaufnahmen abgestellt, die eine Zuordnung zum Rundfunk nahelegen.41 Danach wären die online abrufbaren Gesundheitsportale eher als Rundfunk denn als Presse einzuordnen. In der einschlägigen Literatur wird vor dem Hintergrund der tatsächlichen Entwicklung die Auffassung vertreten, dass sämtliche „klassische“ Presseerzeugnisse nahezu inhaltsgleich im Internet abrufbar sind und es daher überzeugender ist, den Pressebegriff nicht von einer Verkörperung in Form eines Druckerzeugnisses abhängig zu machen, sondern von der Wirkung auf den Nutzer. Die Presse sei gekennzeichnet durch Text und feststehende Bilder, der Rundfunk dagegen durch ein lineares, d. h. fortlaufendes audiovisuelles Angebot, also durch Ton und Bewegtbilder, auf 36 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. S. 1) zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.09.2020 (BGBl. I S. 2048) m.W.v. 08.10.2020 bzw. 01.01.2021. 37 Für eine Übersicht siehe Deutscher Bundestag, Dreizehnter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, BT-Drs. 17/12542 v. 19.03.2013, S. 16 f. 38 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 328. 39 v. Münch/Kunig/Wendt, 6. Aufl. 2012, GG Art. 5 Rn. 30. 40 Stern/Sachs/Dietlein in: Stern, Staatsrecht: Die einzelnen Grundrechte Bd. IV/1 (2006), S. 1673 ff; Maunz/Dürig /Grabenwarter, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 247. 41 Stern/Sachs/Dietlein in: Stern, Staatsrecht: Die einzelnen Grundrechte Bd. IV/1 (2006), S. 1673 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 13 dessen Sendeablauf der Betrachter keinen Einfluss hat.42 Es könne keinen Unterschied machen, ob der Leser eine der Pressefreiheit unstreitig unterfallende Zeitung in Papierform konsumiert oder auf einem Tablet.43 Bestehe der Konsum aus dem Lesen eines Textes, sei insoweit von einem Presseerzeugnis auszugehen, während die Informationsaufnahme durch Schauen oder Hören dem Rundfunk zuzuordnen sei.44 Aufgrund des Aufkommens immer neuer technischer Erscheinungsformen ist der Pressebegriff daher dynamisch zu interpretieren.45 Umfasst sind damit nicht nur gedruckte Erzeugnisse, sondern auch solche, die online abrufbar sind, sofern ein unbestimmter Personenkreis auf ihren unveränderten Inhalt Zugriff hat.46 Die Gesundheitsinformationen zur Verfügung stellenden Artikel im Internet zeichnen sich durch Texte und Bilder aus und stellen keine regelmäßig erscheinenden Sendungen zur Verfügung. Die medizinischen Artikel, die auf Gesundheitsseiten veröffentlicht werden, richten sich an einen unbestimmbaren Personenkreis und sind öffentlich zugänglich. Die Angebote von Gesundheitsportalen sind als Presse zu bewerten. Ihr Erscheinen im Internet ist für diese Einordnung unschädlich . 3.1.2. Der medizinische Informationsgehalt/Einflussnahme auf Meinungsbildung Die Kooperation zwischen dem BMG und Google wird wie oben dargestellt insbesondere mit der Sicherstellung der Qualität der verbreiteten Gesundheitsinformationen begründet.47 Auf Mängel bei vorhandenen Gesundheitsinformationen weist wie oben dargelegt das staatliche Portal „gesund .bund.de“ explizit und pauschal hin. So seien viele der im Internet verfügbaren Gesundheitsinformationen „unzuverlässig, lückenhaft, von bestimmten Interessen beeinflusst oder sogar falsch und irreführend.“48 Informationen, die über andere Gesundheitsportale vermittelt werden, werden hierbei nicht ausgenommen. Demgegenüber impliziert dies im Umkehrschluss, dass staatliche Gesundheitsinformationen stets zuverlässig, lückenlos, von bestimmten Interessen unbeeinflusst , immer richtig und richtungsweisend sind. 42 Z. B. Starck/Paulus in v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, 7. Aufl. 2018, GG Art. 5 Rn. 177. 43 Degenhart in Kahl/Waldhoff/Walther, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (185. Aktualisierung 2017), Art 5 Abs. 1 und 2, Rn. 196. 44 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 252 f. 45 Fiedler in Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, 29. Ed. 1.8.2020, RStV § 59, Rn. 30; v. Münch/Kunig/Wendt, 6. Aufl. 2012, GG Art. 5 Rn. 30; Degenhart in Kahl/Waldhoff/Walther, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (185. Aktualisierung 2017), Art 5 Abs. 1 und 2, Rn. 198. 46 Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, GG Art. 5, Rn. 52; Maunz/Dürig/Grabenwarter, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 266. 47 Über gesund.bund.de, Website des Portals „gesund.bund.de“ abgerufen unter: https://gesund.bund.de/ueberuns /ueber-gesund-bund-de#portalredaktion. 48 Über gesund.bund.de, Website des Portals „gesund.bund.de“ abgerufen unter: https://gesund.bund.de/ueberuns /ueber-gesund-bund-de#portalredaktion. Konkrete Angaben über oder Beispiele für unzuverlässige, falsche oder irreführende Gesundheitsinformationen werden dort nicht gemacht bzw. angeführt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 14 Die Qualität und der Inhalt der Berichterstattung sind aber unerheblich für die Einordnung eines Informationsmittels als Presse.49 Gesundheitsinformationsportale unterfallen daher dem Schutz der Pressefreiheit. 3.2. Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit 3.2.1. „Gesund.bund.de“ als staatliches Informationsportal Ein Eingriff ist jede Verkürzung einer verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit.50 Er kann nur durch das Handeln eines sog. Grundrechtsverpflichteten entstehen. Art. 1 Abs. 3 GG stellt klar, dass die Legislative, die Exekutive und die Judikative an die Einhaltung der Grundrechte gebunden sind. Das BMG ist als oberste Bundesbehörde Teil der Exekutive. Es könnte als Betreiber des neuen Gesundheitsportals die Pressefreiheit der anderen privat betriebenen Portale einschränken . Das BMG fungiert als Geldgeber und als Herausgeber des Portals.51 Es tritt durch das Gesundheitsportal als staatlicher Akteur gegenüber dem Bürger auf. Daher haben die Betreiber des Portals bei ihrer Tätigkeit die Grundrechte anderer Portale zu wahren. Im Einzelnen sind die im Folgenden Umstände zu betrachten. 3.2.2. Staatsferne Die Schutzpflicht des Staates gegenüber der Presse beinhaltet auch die Freiheit der Presse von jeder Einflussnahme des Staates.52 Denn „staatliche Presse steht im tendenziellen Widerspruch zur institutionellen Garantie einer staatsfreien, privaten Presse.“53 Dieses als Staatsferne bezeichnete Prinzip ist essentiell für die Unabhängigkeit und den Erhalt der freien Presse. Um die unabhängige Informationsmöglichkeit der Bürger zu gewährleisten, ist es notwendig, dass die Presse frei und in konkurrierender Art und Weise Bericht erstatten kann, ohne dass sie sich etwa an Vorgaben des Staates halten muss oder durch ihn beeinflusst wird. Insbesondere darf der Staat keinerlei Einfluss auf die Bildung der öffentlichen Meinung erlangen.54 Daher ist ein staatlicher Rundfunk generell ausgeschlossen. Ein staatliches Gesundheitsportal ist wie oben dargestellt ebenfalls als Presse einzustufen. Staatliche Presseerzeugnisse sind aber innerhalb einer sich in 49 Degenhart in Kahl/Waldhoff/Walther, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (185. Aktualisierung 2017), Art 5 Abs. 1 und 2, Rn. 199; Grabenwarter in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 241. 50 Vgl. Herdegen in Maunz/Dürig, GG, Art 1 Abs. 3, Rn. 40. 51 Über gesund.bund.de, Website des Portals „gesund.bund.de“ abgerufen unter: https://gesund.bund.de/ueberuns /ueber-gesund-bund-de#portalredaktion. 52 Schmid in Erfurter Kommentar, 21. Aufl. 2021, GG Art. 5, Rn. 58. 53 Degenhart, Christoph, „Der Staat im freiheitlichen Kommunikationsprozess: Funktionsträgerschaft, Funktionsschutz und Funktionsbegrenzung“ AfP 04- 2010, 324, 329. 54 Degenhart, Christoph, „Der Staat im freiheitlichen Kommunikationsprozess: Funktionsträgerschaft, Funktionsschutz und Funktionsbegrenzung“ AfP 04- 2010, 324, 325. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 15 gewissen Grenzen haltenden Informationstätigkeit erlaubt.55 Mit der Pressefreiheit vereinbar sind solche vom Staat abhängige Pressorgane aber nur dann, wenn sie an dem für die Pressefreiheit maßgeblichen Gesamtbild der staatsunabhängigen Presseangebote nichts ändern.56 Wenn es aber ministerielles Ziel ist, „Wer Gesundheit googelt, soll künftig auf dem Nationalen Gesundheitsportal landen“57 wird aber eine Veränderung des Gesamtbildes mit einer Verdrängung der staatsunabhängigen Presseangebote angestrebt. Fraglich bleibt, ob es tatsächlich zu einer maßgeblichen Veränderung kommt. 3.2.2.1. Eingriff durch Rufschädigung Eingriffe durch staatliches Informationshandeln wurden bislang insbesondere dann angenommen , wenn der Ruf von Grundrechtsträgern in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das kann zum Beispiel bei Warnungen oder Rufschädigungen durch die staatliche Veröffentlichung der Fall sein.58 Pauschale, konkret nicht belegte staatliche Aussagen, dass viele der im Internet verfügbaren Gesundheitsinformationen „unzuverlässig, lückenhaft, von bestimmten Interessen beeinflusst oder sogar falsch und irreführend“ seien,59 dürften zumindest nicht förderlich für das Ansehen anderer seriöser Gesundheitsportalanbieter und deren Gesundheitsinformationen sein. Bei derartigen Äußerungen staatlicher Stellen dürften benachteiligende Wirkungen sehr wahrscheinlich sein.60 Eine Benachteiligung von Presseerzeugnissen Privater dürfte dann gegeben sein, wenn staatliches Informationshandeln dazu führt, dass sich Leser von diskreditierten Publikationionen und Anbietern abwenden.61 55 Degenhart, Christoph, „Der Staat im freiheitlichen Kommunikationsprozess: Funktionsträgerschaft, Funktionsschutz und Funktionsbegrenzung“ AfP 04- 2010, 324, 326. 56 Degenhart, Christoph, „Der Staat im freiheitlichen Kommunikationsprozess: Funktionsträgerschaft, Funktionsschutz und Funktionsbegrenzung“ AfP 04- 2010, 324, 325. 57 Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheitsportal geht online, Pressemitteilung vom 01.09.2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3- quartal/gesundheitsportal.html. 58 Gusy, Christoph in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts (2. Auflage 2012) Bd. II, §23, Rn. 104-106, 108; gemeint sind hier insbesondere die Entscheidungen BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 558, 1428/92 – Glykolwarnung, juris; BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 – Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen („Osho-Fall“), juris und BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 – Verfassungsschutzbericht „Junge Freiheit“, juris. 59 Über gesund.bund.de, Website des Portals „gesund.bund.de“ abgerufen unter: https://gesund.bund.de/ueberuns /ueber-gesund-bund-de#portalredaktion. 60 Gusy, Christoph in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts (2. Auflage 2012) Bd. II, § 23, Rn. 107 f. 61 BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 – Verfassungsschutzbericht „Junge Freiheit“, Rn. 55 f., juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 16 Nicht als benachteiligend sieht das Bundesverfassungsgericht etwa die „bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger“62 an. Eine öffentliche Auseinandersetzung mit konkret spezifizierten Informationsmängeln liegt hier aber nicht vor. Auch ist nicht nachgewiesen, ob die vorhandene Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger nicht hinreicht. 3.2.2.2. Eingriff durch Konkurrenz Die Presse ist ebenfalls geschützt vor Pressebetätigung des Staates in einer Form, dass sie den Konsum privater Presse entbehrlich macht.63 Diese Form von Konkurrenzschaffung kann bereits einen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen. Es ist aber nicht gleich jedes mit privater Presse vergleichbare staatliche Angebot ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht vielmehr eine gemeinsame Marktbeteiligung von privaten und öffentlichen Anbietern vor. „Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer - insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung - enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten (vgl. BGHZ 205, 195 Rn. 47 und 56 - Tagesschau-App, mwN), sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen.“64 Der BGH nahm im Fall Crailshaimer Stadtblatt II die folgende Abgrenzung vor: „Es seien Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und es sei unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Je stärker die Publikation den Bereich der ohne Weiteres zulässigen Berichterstattung überschreite und bei den angesprochenen Verkehrskreisen – auch optisch – als „funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung“, d. h. als Zeitungsersatz, wirke, desto eher sei das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt.“65 Nur in engen Grenzen erlaubt das Gebot der Staatsferne laut BGH staatliches Handeln am Markt. Bestimmte Anbieter dürften nicht von bestimmten Märkten und ferngehalten werden. Die Konkur- 62 BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 – Verfassungsschutzbericht „Junge Freiheit“, Rn. 54, juris. 63 BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II, Rn. 40, juris. 64 BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II, Rn. 19, juris. 65 Köhler, Helmut, Das Gebot der „Staatsferne der Presse“ als Schranke kommunaler Öffentlichkeitsarbeit, GRUR 2019, 265. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 17 renz sei also besonders groß, je qualitativ und quantitativ inhaltsreicher das staatliche Presseerzeugnis ausfiele und dadurch die widerrechtliche Meinungsbeeinflussung der Bürger stiege.66 Die staatliche Pressebetätigung „[darf] kein funktionales Äquivalent zu einem privaten Presseerzeugnis sein.“67 Das Bundesverfassungsgericht hat zum Recht der Informationstätigkeit des Staates im bereits oben erwähnten Osho-Fall ausgeführt, dass es Regierungsaufgabe sei, den Bürgern durch Informationshandeln die Möglichkeit zu geben, selbstverantwortlich und lösungsorientiert zu handeln . Hieraus geht auch hervor, dass das Gericht das Informationshandeln des Staates insbesondere dann als zulässig erachtet, wenn die Bürger nicht durch ein anderes Angebot entsprechend informiert werden oder das vorhandene Angebot sich als zu einseitig darstellt.68 Insbesondere neuen oder kurzfristig auftretenden Herausforderungen müsse der Staat durch entsprechendes Informationshandeln entgegentreten.69 Die staatliche Verbreitung allgemeiner Gesundheitsinformationen kann aber nicht mit „neuen“ oder „kurzfristig aufgetretenen Herausforderungen“ gerechtfertigt werden. Weder ein Mangel an qualitativ hochwertigen Informationen noch ein systematisch „zu einseitiges Angebot“ sind empirisch belegt.70 Die Staatsferne in Form des staatlichen Sachlichkeitsgebots verlangt zusätzlich, dass jede Informationstätigkeit in der Gestaltung rein informativ und neutral geschieht. Das heißt zum einen, dass sich optisch die staatliche Informationstätigkeit von der privaten Presse abgrenzen muss, sie darf sich zum Beispiel nicht klassischer Presseprodukte wie einer Tageszeitung bedienen. Zum anderen muss sie frei von wertenden oder meinungsbildenden Elementen sein.71 Würden „Druckerzeugnisse erkennbar im Rahmen der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben und verbreitet […] und nicht mit [… privaten] Presseunternehmen in einen Wettbewerb treten,“ seien sie zulässig.72 Schließlich ist auch auf den Inhalt abzustellen: werden amtliche Informationen mitgeteilt oder geht die Informationshandlung darüber hinaus und kann insbesondere auch von Privaten übernommen werden.73 Auch wenn ein staatliches Gesundheitsportal als staatliche 66 BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II, Rn. 40, juris. 67 Grabenwarter in Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 376. 68 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 – Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen, Rn. 74, juris. 69 BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 – Informationen der Bundesregierung über religiöse und weltanschauliche Vereinigungen, Rn. 75 juris. 70 Einschlägige Studien zu diesem Komplex konnten nicht ausfindig gemacht werden. 71 BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II, Rn. 36 m. w. N., juris. 72 Grabenwarter in Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 375. 73 Köhler, Helmut, Das Gebot der „Staatsferne der Presse“ als Schranke kommunaler Öffentlichkeitsarbeit, GRUR 2019, 265, 267. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 18 Pressearbeit angenommen werden würde, so tritt es im vorliegenden Fall doch mit seriösen „privaten Anbietern in Wettbewerb. Dies wäre unter den vorgenannten Gesichtspunkten nicht zulässig . Der BGH hat in seinem Urteil zum Crailsheimer Stadtblatt drei Kategorien aufgestellt, denen die Berichterstattung durch öffentliche Stellen jeweils zugeordnet werden können. Demnach sei es ohne weiteres zulässig, die „Information mit dem Ziel, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten“.74 In jedem Fall unzulässig sei dagegen „die allgemeine Beratung der Leserinnen und Leser“.75 Diese Kriterien wurden auch vom Landgericht München in seinem – nicht rechtskräftigen – Urteil zum Stadtportal München bestätigt.76 3.3. Zulässigkeit der Gesundheitsplattform Das BMG veröffentlicht über sein neues Gesundheitsportal Informationen über Krankheiten, Symptome, Verläufe und Ähnliches. Damit stellt es Informationen zur Verfügung, die sowohl inhaltlich als auch in optischer Darstellung anderen im Internet auffindbaren Gesundheitsportalen privater Anbieter ähnelt und ihnen dadurch in konkurrierender Weise entgegentritt. Dies wäre unschädlich, wenn sich das Betreiben der Plattform als zulässige Informationstätigkeit des Staates erwiese. Wäre es eine Selbstdarstellung einer öffentlichen Stelle, wäre sie im umfassenden Sinne zulässig und erforderlich.77 Hier geht es aber nicht um die Selbstdarstellung des BMG, sondern darum, das schon vorhandene Angebot qualitativer Informationen zu erweitern. Im Übrigen dürften bereits die Homepage des BMG und der Internetauftritt der seinem Geschäftsbereich zugehörigen Behörden zur Selbstdarstellung dienen. Wenn man zunächst vom privilegierten Zugang an prominenter Stelle bei der Platzierung von Suchergebnissen bei der Suchmaschine Google und der damit verbundenen Erhöhung der Aufmerksamkeit mit weiterer Kanalisierung auf das weitere staatliche Informationsangebot absieht, so kann man beim zweiten Klick auf die Schaltfläche „Weiter Infos: gesund.bund.de“ im hervorgehobenen Informationskasten in das staatliche Gesundheitsportal eintreten. Erst beim Scrollen bis zum unteren Ende des Inhalte-Fensters wird deutlich, dass es sich um ein hoheitliches Internetangebot handelt. Der Bundesadler mit nebenstehend schmalem vertikalen Balken in Schwarzrot -gold und rechts daneben die Bezeichnung „Bundesministerium für Gesundheit“ sind dort 74 BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II, Rn. 37, juris. 75 BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II, Rn. 38, juris. 76 LG München I, Endurteil v. 17.11.2020 – 33 O 16274/19 – Internetauftritt verletzt das Gebot der Staatsferne, Rn. 38, https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N- 31225?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1. 77 Gersdorf, Hubertus, Staatliche Kommunikationstätigkeit, AfP 2016, 293, 295 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 19 platziert. Erst hier wird für den Nutzer deutlich, dass es sich um ein staatliches Informationsangebot handelt. Dies dürfte aber dem Transparenzgebot78 noch entsprechen. Für den Informationskasten an hervorgehobener Stelle gilt dies jedoch nicht. „Gesund.bund.de“ bietet nach eigenen Angaben „objektive, verständliche und verlässliche Gesundheitsinformationen, damit [die Adressaten ] gute Entscheidungen für Ihre Gesundheit treffen können. Die Ziele von gesund .bund.de sind insbesondere: die Gesundheitskompetenz von Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, die Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten zu stärken, die aktive Mitwirkung an der eigenen Behandlung und so auch den Behandlungserfolg zu unterstützen .“79 Die Förderung von Gesundheitskompetenz ist demnach eine wesentliche Rechtfertigung für die Einsetzung und Betrieb des staatlichen Informationsportals. Die Kooperation mit der marktbeherrschenden Suchmaschine Google soll die bessere Wahrnehmbarkeit der bereitgestellten Informationen sicherstellen. Das Portal dürfte geeignet sein, einen Beitrag zur Erreichung des Ziels der Gesundheitskompetenz zu leisten. Ob dies tatsächlich eintritt, hängt sicherlich davon ab, ob die staatlichen Gesundheitsinformationen stets zuverlässig, lückenlos, von bestimmten Interessen unbeeinflusst, richtig und richtungsweisend sind. Denn sie richten sich laut „gesund.bund.de“ gegen die vielen im Internet verfügbaren Gesundheitsinformationen, die „unzuverlässig, lückenhaft, von bestimmten Interessen beeinflusst oder sogar falsch und irreführend“ seien.80 Der Nutzer muss die staatlichen Informationen nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch beherzigen. Auf der Grundlage von Klickzahlen kann dies aber nicht eindeutig geschlossen werden. Weiter zu prüfen ist, ob das neue Gesundheitsportal des BMG erforderlich ist. Es gibt bereits ein spezielles Aufklärungsportal des BMG nämlich die BzGA. Zusätzlich gibt es seriöse private Portale , die zuverlässige Informationen in umfassender Form zur Verfügung stellen. Ein Mangel seriöser Anbieter von zuverlässigen Gesundheitsinformationen wurde vom Initiator des neuen staatlichen Gesundheitsportals auch nicht beanstandet. Das staatliche Portal „gesund.bund.de“ füllt also keine Informationslücke auf einem Gebiet, über das keine ausgewogene zuverlässige Berichterstattung stattfände. Es besteht wie zuvor dargelegt auch kein akutes Informationsbedürfnis wegen unvorhersehbarer, plötzlich eingetretener Situationen auf den Gebieten der Gesundheit und der Pflege. 78 Zum Transparenzgebot vgl. Gersdorf, Hubertus, Staatliche Kommunikationstätigkeit, AfP 2016, 293, 295. 79 „Gesund.bund.de“, Über gesund.bund.de, https://gesund.bund.de/ueber-uns/ueber-gesund-bund-de. 80 Über gesund.bund.de, Website des Portals „gesund.bund.de“ abgerufen unter: https://gesund.bund.de/ueberuns /ueber-gesund-bund-de#portalredaktion. Konkrete Angaben über oder Beispiele für unzuverlässige, falsche oder irreführende Gesundheitsinformationen werden dort nicht gemacht bzw. angeführt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 20 Bei dem Betreiben des Gesundheitsportals „gesund.bund.de“ handelt das BMG im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, die aber nur zulässig wäre, wenn sie nicht in Wettbewerb zu privaten Anbietern tritt. (Siehe Gliederungspunkt 3.2.2.2.). 3.4. Zulässigkeit der Kooperation mit Google Den Gesundheitsschutz möchte das BMG zusätzlich fördern, indem es mit der Kooperation mit der marktbeherrschenden Suchmaschine Google die bessere Wahrnehmbarkeit der bereitgestellten staatlichen Informationen sicherstellt. Wie eingangs angegeben stellt Google den größten und meistgenutzten Onlinesuchdienst in Deutschland dar.81 Die Suchmaschine Google hat hier nahezu eine Monopolstellung. Wie bereits gesehen, werden hierüber auch immer häufiger Suchanfragen zu Gesundheitsinformationen getätigt . Durch die Kooperation zwischen Google und dem BMG stellt Google die Ergebnisse der „gesund .bund.de“-Plattform in auffälliger priorisierter Weise dar. Hierbei fallen die unterschiedlichen Darstellungsweisen bei der Nutzung unterschiedlicher Endgeräte auf: Während in der Desktop -Ansicht die Google-Suchergebnisse weiterhin mittig, zentral und gut sichtbar erscheinen und der auf „gesund.bund.de“ verweisende Informationskasten nur am rechten Bildschirmrand erscheint , zeigt die mobile Ansicht unter den als „Anzeige“ markierten Links einen bildschirmausfüllenden Informationskasten an, an dem der Nutzer zunächst vorbeiscrollen muss, um zu den Suchergebnissen mit Links zu anderen Gesundheitsinformationsportalen wie Netdoktor, Apotheken -Umschau u.a. zu gelangen, wobei die auf die Plattform des BMG verweisenden Reiter wie „Überblick“, „Symptome“ und „Behandlungen“ am oberen Bildschirmrand des Smartphones sichtbar bleiben und jederzeit angeklickt werden können.82 Ob gezieltes Erzeugen von Aufmerksamkeit mittels herausgehobenen Informationskasten an oberster Stelle gegenüber allen anderen Suchergebnissen und Kanalisation des Nutzers auf das eigentliche staatliche Informationsportal das gewünschte Nutzerverhalten auch bewirkt, ist unbekannt . Bislang liegen noch keine Datenerhebungen bezüglich der Nutzerbeeinflussung durch die etablierten Informationskästen mit Verweisen zu „gesund.bund.de“ vor. Sollte die beschriebene Darstellungsweise dazu führen, dass die Nutzer sich nur die Informationen der Informationskästen ansehen, diese gegebenenfalls vertiefen, indem sie dem Link zu dem Gesundheitsportal folgen, hätte das Gesundheitsportal des BMG eine faktische Monopolstellung. Vor dem Hintergrund, dass das Portal des BMG mit besonderer Zuverlässigkeit und wissenschaftlicher Qualität wirbt, ist zu erwarten, dass ein Google-Nutzer, der Gesundheitsinformationen sucht, ausschließlich den Informationskasten oder aber den auf „gesund.bund.de“ verweisenden Link konsultieren wird, anstatt auch die anderen zur Verfügung stehenden Portale, die keine bevorzugte Darstellungsform 81 So belief sich der Marktanteil bei der Desktop-Suche in Deutschland im November 2020 auf rund 85% und der Marktanteil bei der mobilen Suche im selben Zeitraum auf 97,5%, Statista, Marktanteile der Desktop- und mobilen Suchmaschinen in Deutschland im November 2020, veröffentlicht am 08.12.2020, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/301012/umfrage/marktanteile-der-suchmaschinen-undmarktanteile -mobile-suche/. 82 Diese Angaben beruhen auf der beispielhaften Suche nach dem Stichwort „Migräne“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 21 durch Google genießen, zu nutzen. Das wiederum würde zur massiven Benachteiligung der Mitkonkurrenten führen und wäre schließlich unangemessen und damit ein ungerechtfertigter Eingriff in die Pressefreiheit der anderen Gesundheitsinformationsanbieter. Damit könnte die Kooperation mit Google bei Bestätigung der vermuteten Beeinflussung der Nutzer einen ungerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit darstellen. Würde nur eine geringe Veränderung des Nutzerverhaltens festgestellt und die Nutzung der privaten Gesundheitsportale nur leicht zurückgehen, spricht vieles dafür, vor dem Hintergrund der außerordentlichen Bedeutung des Gesundheitsschutzes, dass das schutzwürdige Informationsinteresse mit wissenschaftlichen und zuverlässigen Erkenntnissen des Bürgers gegenüber der Pressefreiheit der anderen Gesundheitsportale überwiegt. 4. Wettbewerbsrecht 4.1. Staatliches Konkurrenzangebot Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb83 (UWG) verbietet unlautere geschäftliche Handlungen . Nach §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit dem Gebot der Staatsferne der Presse, ist also eine presseähnliche Betätigung durch Staatsorgane weitgehend untersagt. Bei Verstößen gegen die §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit dem Gebot der Staatsferne der Presse können Konkurrenten unter anderem Unterlassung (§ 8 UWG) und gegebenenfalls Schadensersatz (§ 12 UWG) verlangen. Im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne ist eine gemeinsame Marktbeteiligung zwar in engen Grenzen zulässig, muss sich aber optisch vom Konkurrenzangebot abheben und darf nicht in Wettbewerb zu anderen Anbietern treten. (Siehe Gliederungspunkt 3.2.2.2.). Würde ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne angenommen werden, wären die Folgen des UWG hier einschlägig. Außerdem müsste auch die Problematik der Wettbewerbsposition der Suchmaschine Google als Kooperationspartner betrachtet werden. 4.2. Wettbewerbliche Klagen gegen Google Problematisch bei der staatlichen Kooperation mit der Suchmaschine Google ist vor allem, dass Google auch in den Vereinigten Staaten von Amerika mit etwa 90% den Markt beherrscht und wegen wettbewerbswidrigen und wettbewerbsausschließenden Praktiken mehrfach verklagt wurde. Beispielhaft sei hier die aktuelle Klage des amerikanischen Justizministeriums und den Generalstaatsanwälten von elf amerikanischen Bundesstaaten vom 20.10.2020 angeführt.84 Auch die Europäische Kommission hat wegen Missbrauchs der Marktmacht gegen Google mehrmals 83 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.07.2004 (BGBl. I S. 1414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.11.2020 (BGBl. I S. 2568) m.W.v. 02.12.2020. 84 Department of Justice (2020, October 20). Justice Department Sues Monopolist For Violating Antitrust Laws; https://www.justice.gov/opa/pr/justice-department-sues-monopolist-google-violating-antitrust-laws. Die Klageschrift ist herunterladbar unter: https://www.justice.gov/opa/press-release/file/1328941/download. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 22 Milliardenstrafen verhängt.85 In Frankreich hat die staatliche Datenschutzbehörde Commission Nationale de l'Informatique et des Libertés (CNIL) Google mehrmals mit Strafen in Millionenhöhe belegt. Zuletzt ging es um die unautorisierte Platzierung von Cookies.86 Hier stellt sich zum einen die Frage, ob die Kooperation einer obersten Bundesbehörde mit einem Quasi-Monopolisten, der immer wieder wegen seiner wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen bestraft wurde, auf Vertrauenswürdigkeit beim Nutzer stößt und zum anderen, inwieweit durch die staatlichen Kooperation die Marktposition des Quasi-Monopolisten weiter gestärkt und das Aktionsfeld seines missbräuchlichen Verhaltens vergrößert wird. 5. Diskriminierungsverbot des Medienstaatsvertrages 5.1. Medienstaatsvertrag Der Medienstaatsvertrages (MStV)87 trat mit dem Abschluss der Ratifizierungen durch die Länderparlamente am 7. November 2020 in Kraft.88 Der Medienstaatsvertrag ersetzt den vorher gültigen Rundfunkstaatsvertrag (RStV)89, dessen Regelungen ursprünglich für Fernsehen und Radio gedacht waren und sich deswegen schwerer auf digitale Inhalte im Internet übertragen ließen.90 Im Gegensatz dazu soll der Medienstaatsvertrag den Erfordernissen der Medienkonvergenz im digitalen Zeitalter besser gerecht werden.91 Es 85 EU Kommission, Kommission verhängt dritte Milliardenstrafe gegen Google – dieses Mal wegen Missbrauchs der Marktmacht bei Suchmaschinen-Werbung, 20.03.2019, https://ec.europa.eu/germany/news/20190320- milliardenstrafe-google_de. 86 Spiegel Netzwelt, Frankreichs Datenschutzbehörde macht Ernst – Google soll 100 Millionen Euro zahlen, 10.12.2021, https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/frankreichs-datenschutzbehoerde-macht-ernst-googlesoll -100-millionen-euro-zahlen-a-7f9f69ec-f184-4ebb-9ba5-b821a6b5f368- 87 Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (Medienstaatsvertrag – MStV), abrufbar unter: http://www.luewu.de/docs/gvbl/docs/2377.pdf. 88 „Medienstaatsvertrag tritt am 7. November 2020 in Kraft“, Pressemitteilung der Landesregierung Rheinland- Pfalz vom 06.11.2020, abrufbar unter: https://www.rlp.de/de/aktuelles/einzelansicht/news/News/detail/medienstaatsvertrag-tritt-am-7-november- 2020-in-kraft-1/. 89 Hier beispielhaft der nordrhein-westfälische Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV -) vom 31. August 1991. 90 Sören Siebert, „Der neue Medienstaatsvertrag 2020: Was sich für Medien, Streams, Blogger und Social Media ändert“. Onlineartikel auf der Plattform eRecht24 vom 19.11.2020, abrufbar unter: https://www.erecht 24.de/artikel/haftunginhalte/12436-medienstaatsvertrag-2020.html. 91 Kerstin Liesem, „Neulandvermessung – Die Regulierung von Medienintermediären im neuen Medienstaatsvertrag “, ZUM 2020, 377, abrufbar unter: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fzum%2F2020%2Fcont%2Fzum.2020.377.1.htm&pos=3&hlwords=on . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 23 sollte also hierdurch nicht nur der Rundfunkstaatsvertrag überarbeitet werden, sondern zusätzlich auch sein Anwendungsbereich auf neue Fallgruppen ausgeweitet werden.92 Erstmals sollen durch den neuen Medienstaatsvertrag auch wirkmächtige Medienintermediäre regulativ eingehegt werden, da diesen in Zeiten der Netzkommunikation eine besonders große Meinungsbildungsrelevanz zugesprochen werde. Bislang waren Medienintermediäre wie Google und Facebook, anders als der klassische Rundfunk, vom Regulierungsregime der Rundfunkstaatsverträge ausgenommen. Das erklärte Ziel der regulativen Behandlung sei die Sicherung der Meinungsvielfalt , die über Transparenz- und Diskriminierungsfreiheitsvorgaben erreicht werden solle.93 5.2. Diskriminierungsfreiheit § 94 MStV regelt die Diskriminierungsfreiheit durch sogenannte Medienintermediäre: „(1) Zur Sicherung der Meinungsvielfalt dürfen Medienintermediäre journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote, auf deren Wahrnehmbarkeit sie besonders hohen Einfluss haben , nicht diskriminieren. (2) Eine Diskriminierung im Sinne des Absatzes 1 liegt vor, wenn ohne sachlich gerechtfertigten Grund von den nach § 93 Abs. 1 bis 3 zu veröffentlichenden Kriterien zugunsten oder zulasten eines bestimmten Angebots systematisch abgewichen wird oder diese Kriterien Angebote unmittelbar oder mittelbar unbillig systematisch behindern. (3) Ein Verstoß kann nur von dem betroffenen Anbieter journalistisch-redaktioneller Inhalte bei der zuständigen Landesmedienanstalt geltend gemacht werden. In offensichtlichen Fällen kann der Verstoß von der zuständigen Landesmedienanstalt auch von Amts wegen verfolgt werden.“ Die maßgeblichen Regelungen des in § 94 MStV angegeben § 93 MStV lauten: (1) Anbieter von Medienintermediären haben zur Sicherung der Meinungsvielfalt nachfolgende Informationen leicht wahrnehmbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten: 1. die Kriterien, die über den Zugang eines Inhalts zu einem Medienintermediär und über den Verbleib entscheiden, 92 Carsten Siara, „Der Medienstaatsvertrag und die „neuen“ Medien“, MMR 2020, 370, abrufbar unter: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fmmr%2F2020%2Fcont%2Fmmr.2020.370.1.htm&pos=1&hlwords=on . 93 Kerstin Liesem, „Neulandvermessung – Die Regulierung von Medienintermediären im neuen Medienstaatsvertrag “, ZUM 2020, 377, abrufbar unter: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fzum%2F2020%2Fcont%2Fzum.2020.377.1.htm&pos=3&hlwords=on . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 24 2. die zentralen Kriterien einer Aggregation, Selektion und Präsentation von Inhalten und ihre Gewichtung einschließlich Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen in verständlicher Sprache.“ Demnach dürfen Medienintermediäre journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote nicht diskriminieren , indem sie von ihren Transparenzkriterien systematisch diskriminierend abweichen oder die Kriterien selbst systematisch diskriminierend sind. Ein möglicher Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 94 MStV kommt daher nur seitens Googles als Medienintermediär in Betracht und nicht durch das Gesundheitsministerium wie im Folgenden zu sehen ist. 5.2.1. Medienintermediär Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 16 MStV ist ein Medienintermediär im Sinne des Medienstaatsvertrags „jedes Telemedium, das auch journalistisch-redaktionelle Angebote Dritter aggregiert , selektiert und allgemein zugänglich präsentiert, ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen .“ Gibt man in der Google-Suche einen Suchbegriff ein, wird eine Ergebnisliste präsentiert, die Links zu potentiell hilfreichen und die Suchanfrage beantwortenden Internetangeboten darstellt. Auch bei Beantwortung einiger Fragen direkt auf der Suchergebnisseite, bedient sich Google an Informationen anderer Internetseiten und macht dies auch kenntlich. Damit ist der vielgenutzte Onlinesuchdienst Google ein Medienintermediär, der dem Diskriminierungsverbot des MStV unterliegt. 5.2.2. Journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote Die Informationen der Gesundheitsportale müssten nach § 94 Abs. 1 MStV auch journalistischredaktionell gestaltete Angebote darstellen. Wie oben bereits festgestellt, handelt es sich bei den Gesundheitsinformationsportalen nicht um Rundfunk, sondern um Presse. Gleichzeitig stellen sie aber auch Telemedien im Sinne der §§ 2 Abs. 1 S. 3, 1 Abs. 1 MStV dar. Die Begriffe „redaktionell“ und „journalistisch“ werden in der Begründung der Länder zum MStV94 näher erläutert. Das Merkmal der „redaktionellen“ Gestaltung umfasse demnach die Ausübung einer Kontrolle durch ein Mindestmaß an inhaltlicher Auswahl und Bearbeitung durch den Anbieter. Das Merkmal „journalistisch“ beziehe sich dagegen insbesondere auf die Arbeitsweise. Dies beinhalte die Pflichten (journalistische Sorgfaltspflichten, Prüfung von Quellen, Zitattreue, Ausgewogenheit, Pflicht zur Gegendarstellung) ebenso wie Rechte (z.B. Informations- und Zeugnisverweigerungsrechte ). Das Tatbestandsmerkmal sei funktional zu deuten und erfordere nicht zwingend eine berufsmäßige journalistische Tätigkeit.95 94 Begründung zum Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland, S. 6. 95 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 25 Einerseits stellen die Portale (u.a. Netdoktor96 und „gesund.bund.de“97) ihre „Redaktionen“ vor, denen auch Personen mit journalistischem Hintergrund angehören. Andererseits beinhalten die Selbstbeschreibungen der Portale ausführliche Informationen darüber, wie die Auswahl der zur Verfügung gestellten Informationen von statten ging. So beschreibt „gesund.bund.de“: „Alle Inhalte […] werden von den Fachredakteurinnen und -redakteuren der Portalredaktion oder unseren Partnern recherchiert, erstellt und geprüft.“98 Ebenso enthält die Selbstbeschreibung ausführliche Informationen zur Qualitätssicherung, welche nach eigenen Angaben die Prüfung von Quellen , Aktualität und Neutralität beinhaltet.99 Ähnliche Selbstauskünfte sind auf den Seiten von Netdoktor und anderen Gesundheitsportalen zu finden. Gesundheitsportale beinhalten damit journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote. Auf ihre Wahrnehmbarkeit nimmt Google durch die Entscheidung über ihre Position auf der Ergebnisrangliste besonders großen Einfluss (vgl. § 94 Abs. 1 MStV). Damit ist das Diskriminierungsverbot des § 94 Abs. 1 MStV auf den Fall der Kooperation zwischen dem BMG und Google anwendbar. 5.2.3. Diskriminierung Eine Diskriminierung durch Google nach § 94 Abs. 2 MStV liegt vor, wenn von den nach § 93 MStV zu veröffentlichenden Kriterien systematisch abgewichen wird oder die Kriterien selbst Angebote systematisch behindern und dafür kein rechtfertigender Grund vorliegt. 5.2.3.1. Transparenz § 93 MStV verpflichtet die Anbieter von Medienintermediären dazu, in verständlicher Weise zu veröffentlichen, wie sie die Darstellungsentscheidung und Ergebnisauswahl gestalten (sog. Transparenzkriterien ). Dies diene vornehmlich der Sicherung der Meinungsvielfalt.100 Die Kriterien, die Google als Transparenzkriterien für Suchergebnisse präsentiert, sind auf der Seite „So funktioniert die Google-Suche“101 dargestellt. Hier wird vornehmlich erklärt, wie der Suchalgorithmus immer weiter an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst wird. Informationen zur 96 NetDoktor, Über NetDoktor, „Die NetDoktor-Redaktion“, https://www.netdoktor.de/ueber-uns/. 97 „Gesund.bund.de“, Über Uns, „Unser Redaktionsprozess“, https://gesund.bund.de/ueberuns /qualitaetssicherung#qualitaetskriterien. 98 Ebd. 99 „Gesund.bund.de“, Über uns, „Qualitätssicherung“, https://gesund.bund.de/ueberuns /qualitaetssicherung#partner. 100 § 93 MStV am Anfang. 101 Google, „So funktioniert die Google-Suche“, https://www.google.com/search/howsearchworks/?fg=1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 26 Verfügbarmachung von Suchergebnissen einer bestimmten Seite in Form eines optisch hervorgehobenen Kastens benennt Google „Hervorgehobene Snippets“.102 Unter dieser Rubrik wird die besondere Darstellungsweise erläutert, während in der Rubrik „Knowledge Graphs“ die Funktionsweise der sog. Knowledge Panels erklärt wird. Bei den Knowledge Panels handelt es sich um einen Informationskasten, also um eine Ausführung eines hervorgehobenen Snippets, der die Informationen des Knowledge Graphs bereithält. Die Informationen von „gesund.bund.de“ werden wie oben dargestellt in einem solchen Informationskasten an prominenter Stelle angezeigt. Google erklärt, wie es durch „Crawling und Indexierung“ eine Datenbank anlegt, die bei jeder Suchanfrage entsprechend durchleuchtet wird.103 Google erklärt auch, dass es eine spezielle Darstellungsform für medizinische Informationen anbietet und welche Stellen hierauf Einfluss nehmen .104 Es handelt sich bei den medizinischen Informationen um sogenannte unterstützte Suchanfragen , die, wie auch Veranstaltungen, Stellenangebote und Hotels, in einer besonderen Darstellungsform angezeigt werden.105 Den Knowledge Graph zu medizinischen Themen, also die interne Datenbank mit medizinischen Informationen, auf die Google im Falle einer medizinischen Suchanfrage zugreift, erläutert Google so: „Wenn wir Informationen zu medizinischen Themen in der Google-Suche hervorheben, bemühen wir uns, dabei nach Möglichkeit nur den wissenschaftlichen Konsens und evidenzbasierte Best Practices darzustellen, da wir diese als qualitativ hochwertige Inhalte betrachten. Stehen diese hervorgehobenen Informationen im Gegensatz zum allgemeinen wissenschaftlichen Konsens, behalten wir uns das Recht vor, die Informationen zu korrigieren oder zu entfernen.“106 Betreffend die Vorgehensweise bei der Informationsgewinnung für die in den Informationskästen zur Verfügung gestellten Gesundheitsinformationen beschreibt Google: „Die bei Google zur Verfügung gestellten medizinischen Informationen stammen von hochwertigen Websites, medizinischen Fachkräften und aus Suchergebnissen. 102 Google, „Nützliche Antworten, hilfreiche Formate“, https://www.google.com/search/howsearchworks/responses/. 103 Google, Crawling und Indexierung, „Verarbeitung von Informationen in der Google-Suche“, https://www.google.com/search/howsearchworks/crawling-indexing/. 104 Google, Unterstützte Suchanfragen, „Bei Google nach medizinischen Informationen suchen“, https://support.google.com/websearch/answer/2364942?p=medical_conditions&hl=de- DE&visit_id=637412092663615201-3612554901&rd=1. 105 Ebd. 106 Google, „Funktionsweise des Knowledge Graphs von Google“, https://support.google.com/knowledgepanel/answer/9787176?hl=de&ref_topic=9803953. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 27 Zuerst sammeln wir Gesundheitsinformationen von qualitativ hochwertigen Websites und werten sie aus. Ärzteteams prüfen und überarbeiten anschließend die Informationen und lizenzierte medizinische Illustratoren arbeiten visuelle Darstellungen aus.“107 Zu den Quellen der medizinischen Informationen nennt Google unter anderem auch das BMG.108 Damit erfährt man durch die von Google selbst auferlegten Transparenzkriterien einige Informationen bezüglich der Erkenntnisgewinnung, die Vorgehensweise und die Quellen bei der Suche nach medizinischen Informationen sowie der besonderen Darstellungsmöglichkeiten. Aus den Transparenzseiten wird allerdings nicht klar, unter welchen Voraussetzungen ein Informationskasten mit Informationen von nur einem Informationsanbieter gefüllt werden kann. 5.2.3.2. Benachteiligung Der Diskriminierungstatbestand, den § 94 Abs. 2 MStV formuliert sieht zwei Varianten vor: Eine ungerechtfertigte systematische Abweichung von den Transparenzkriterien zugunsten oder zulasten eines Angebots oder aber die ungerechtfertigte systematische mittelbare oder unmittelbare unbillige Benachteiligung eines Angebotes durch die Transparenzkriterien selbst. In der Begründung zum Medienstaatsvertrag heißt es: „Eine systematische Diskriminierung liegt vor, wenn bestimmte journalistisch-redaktionelle Angebote bspw. aufgrund ihrer politischen Ausrichtung oder der Organisationsform (privat oder öffentlich-rechtlich) des Anbieters planmäßig gegenüber anderen redaktionellen Angeboten über- oder unterrepräsentiert sind. Dauer und Regelmäßigkeit der Abweichungen bzw. Behinderung sind bei der Bewertung zu berücksichtigen.“109 Eine Diskriminierung etwa von durch Google als unwissenschaftlich eingestuften Angeboten unmittelbar durch die Transparenzkriterien selbst (entsprechend § 94 Abs. 2 Alt. 2 MStV) könnte vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes zu rechtfertigen sein. So muss eine solche unmittelbare Benachteiligung auch „unbillig“ sein, wobei die betroffenen Interessen und gesetzliche Wertungen zu berücksichtigen seien.110 Hier wären die Interessen der nach Gesundheitsinformationen suchenden Bürger gegenüber dem Interesse der Informationsportale abzuwägen. Im konkreten Fall könnte aber eine systematische Abweichung von den Kriterien im Sinne des § 94 Abs. 2 Alt. 1 MStV vorliegen. Die Transparenzkriterien von Google sehen auch in Bezug auf 107 Google, Unterstützte Suchanfragen, „Bei Google nach medizinischen Informationen suchen“, https://support.google.com/websearch/answer/2364942?p=medical_conditions&hl=de- DE&visit_id=637412092663615201-3612554901&rd=1. 108 Ebd. 109 Begründung zum Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland, S. 51 f. 110 Begründung zum Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland, S. 52. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 28 Gesundheitsinformationen und die Bestückung der Informationskästen die Konsultation unterschiedlicher Quellen vor. Durch die Kooperation mit dem BMG werden nunmehr bei bestimmten Suchbegriffen ausschließlich Inhalte des BMG-Gesundheitsportals optisch in nebengestellten Informationskästen hervorgehoben. Damit findet eine systematische Abweichung von den nach § 93 MStV zu veröffentlichenden Kriterien zu Lasten anderer Gesundheitsportalanbieter statt. 5.2.4. Verhältnismäßigkeit Sollte diese Hervorhebung nicht verhältnismäßig und damit ungerechtfertigt sein, wäre der Diskriminierungstatbestand nach § 94 Abs. 2 MStV erfüllt. Wie bereits festgestellt, soll die Hervorhebung der Information des BMG-Portals der Gesundheitsaufklärung bzw. der Gesundheitskompetenz dienen. Durch die prominente, grafisch ansprechende Darstellungsweise der Informationen von „gesund.bund.de“ auf der Suchergebnisseite von Google, wird erreicht, dass Google-Nutzende direkt entsprechende Informationen des staatlichen Gesundheitsportals über den Informationskasten wahrnehmen. Geht man wie das BMG von der Annahme aus, dass ausschließlich der Konsum dieser staatlichen Informationen der Gesundheitsaufklärung und damit der Gesundheitskompetenz dient, stellt die Kooperation einen geeigneten Weg dar, das Ziel zu erreichen. Ein milderes Mittel mit einer gleich hohen Effektivität, also der Sicherstellung, dass möglichst viele Nutzer die wissenschaftlich anerkannten Informationen des Gesundheitsportals wahrnehmen , könnte bereits in dem Unterlassen der bevorzugten Darstellung liegen. Es ist davon auszugehen , dass Google-Nutzer, die nach Gesundheitsinformationen suchen, die entsprechenden Informationen auch konsumieren und gegebenenfalls beherzigen. Es gibt zahlreiche private und öffentliche Gesundheitsinformationsportale, die umfassende Informationen zu gesundheitlichen Themen anbieten. Daher wäre auch ohne die hervorgehobene Darstellungsweise von „gesund .bund.de“ sichergestellt, dass Suchende an Gesundheitsinformationen gelangen. Wenn man allerdings die Ansicht des BMG teilt, dass viele Gesundheitsinformationen im Gegensatz zu staatlichen Gesundheitsinformationen „unzuverlässig, lückenhaft, von bestimmten Interessen beeinflusst oder sogar falsch und irreführend“ seien, stellt die Kooperation mit Google eine effektive Methode dar, dem Informationsbedürfnis der sich Informierenden zu begegnen. Wiederum kommt es für die Angemessenheit der Maßnahme darauf an, ob die Hervorhebung von „gesund.bund.de“ dazu führt, dass andere Gesundheitsportale gar nicht mehr aufgerufen werden – dann würde es sich um eine unangemessene Benachteiligung dieser handeln – oder, ob nur eine geringfügige Abnahme der Seitenaufrufe der anderen Portale zu verzeichnen ist – dann wäre vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes die Maßnahme wohl noch angemessen. Eine ungerechtfertigte Diskriminierung der anderen Gesundheitsportale durch Google würde vorliegen, wenn eine statistische Erhebung zeigt, dass sie seit der Hervorhebung von „gesund.bund.de“ deutlich weniger Aufrufe verzeichneten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 060/20 Seite 29 5.3. Laufende Verfahren Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) hat am 17.12.2020 ein Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 94 MStV gegen Google eingeleitet. Google erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis Mitte Februar 2021. Die MA HSH sieht in der Kooperation eine unbillige Benachteiligung der privaten Gesundheitsportale, von deren Seriosität sie ausgeht.111 Das Landgericht München I hat am 10.02.2021 bereits eine einstweilige Verfügung gegen diese Kooperation erlassen.112 Anlass war eine Klage des Gesundheitsportals „netdoktor.de“, das zu der Burda Verlagsgruppe gehört.113 Auch der Wort & Bild Verlag, der „apotheken-umschau.de“ angehört, hat bereits Klage gegen die Kooperation beim Landgericht Berlin eingelegt.114 6. Ergebnis Das Betreiben eines Gesundheitsinformationsportals durch das Bundesgesundheitsministerium stellt allein noch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit dar. Eine Kooperation mit Google, die faktisch zur Monopolstellung eines solchen Portals führen würde, könnte dagegen einen ungerechtfertigten Verstoß gegen die Pressefreiheit und insbesondere gegen das Gebot der Staatsferne bedeuten. Google weicht mit der optischen Hervorhebung von „gesund.bund.de“ in nebengestellten Informationskästen von den eigenen Transparenzkriterien ab, es könnte aber ein sachlich rechtfertigender Grund in Form der Volksgesundheit vorliegen. Auch diese Beurteilung hängt davon ab, wie sich die bevorzugte Behandlung des Gesundheitsportals faktisch auf das Nutzerverhalten auswirkt. **** 111 Vgl. Interview mit Thomas Fuchs (Direktor der MA HSH) in TAZ, Kritik an Kooperation mit Ministerium: „Google bevorzugt den Staat“ v. 21.12.2020. 112 Gericht untersagt Gesundheitsministerium die Kooperation mit Google, Welt vom 10.02.2021, https://www.welt.de/politik/deutschland/article226093753/Gericht-untersagt-Kooperation-von-Google-und- Gesundheitsministerium.html. 113 Widerstand gegen Spahns Google-Kooperation, Handelsblatt vom 09.02.2021 S. 11. 114 Ebd.