© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 056/19 Verwendung von Personenfotografien Rechte und Schranken Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 2 Verwendung von Personenfotografien Rechte und Schranken Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 056/19 Abschluss der Arbeit: 14.08.2019 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien, Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Anzuwendendes Recht 5 2.1. Die Rechte des Abgebildeten: Streit um DSGVO und KUG 5 2.2. Urhebergesetz und Personenfotografie 7 2.3. Sonderrecht im Deutschen Bundestag 7 2.3.1. Datenschutzrechtliche Vorgaben für den Deutschen Bundestag 7 2.3.2. Der Deutsche Bundestag und seine Mitglieder als Abgebildete 9 3. Verwendungsrechte 10 3.1. Verwendungsrecht des Urhebers 10 3.2. Besonderes Verwendungsrecht des Abgebildeten 10 3.3. Verwendungsschranken 11 3.4. Verwendung bundestagsbezogener Abbildungen 12 3.4.1. Abgeordnete als Personen der Zeitgeschichte 12 3.4.2. Weitere bundestagsspezifische Besonderheiten / Schranken 15 4. Zivilrechtliche Ansprüche bei unberechtigter Verwendung 16 5. Anwendbarkeit auf bewegte Bilder 17 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 4 1. Einführung Thema dieses Sachstandes sind die zu beachtenden Rechte und Schranken bei der Verwendung von Fotografien, die eine Person erkennbar abbilden. Hierbei soll geprüft werden, inwieweit die gefundenen Erkenntnisse insbesondere auch auf Mitglieder des Bundestags (MdB) anzuwenden sind. Als Überbegriff umfasst das Verwenden einer Fotografie jede Art des zweckgerichteten Gebrauchs , also neben der Verarbeitung auch seine Verbreitung.1 Unter Verbreitung versteht man grundsätzlich jede Art der körperlichen Verbreitung, unabhängig ob öffentlich oder im privaten Bereich,2 wobei hierunter auch die Veröffentlichung eines Bildes in Print oder Onlinemedien sowie jede andere Art der Zugänglichmachung für unbeteiligte Dritte fallen3 zum Beispiel auch in sozialen Netzwerken und über Messengerdienste.4 Bei der Verwendung von Personenfotografien sind sowohl die Rechte des Urhebers, als auch die Rechte der abgebildeten Person betroffen. Die Rechte der abgebildeten Person richteten sich nach bisherigem Recht ausschließlich nach dem Kunsturhebergesetz (KUG)5. Seit dem Inkrafttreten der unionsrechtlichen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)6 am 25. Mai 2018 ist die Fortgeltung des KUG rechtswissenschaftlich umstritten. Aufgrund diesbezüglich noch ausstehender Rechtsprechung des EuGH beruht dieser Sachstand auf der Rechtslage, wie sie sich nach aktuellem Streitstand darstellt. Es zeigt sich aber in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte bereits7, dass die zum KUG entwickelten und bekannten Abwägungskriterien zwischen einem Verwendungsinteresse einerseits und den Rechten der abgebildeten Personen andererseits unabhängig von der Entscheidung des EuGH voraussichtlich weitestgehend anwendbar bleiben werden. 1 Paal/Pauly/Ernst, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 4 Rn. 29. 2 Klass in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 172. 3 Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 6. Aufl. 2019, Kap. 8, Rn. 304 f. 4 LG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2015, 2-03 0 452/14. 5 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 440-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 3 § 31 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist. 6 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), im Folgenden „DSGVO“. 7 So z.B. LG Frankfurt, Urteil vom 13.09.2018, 2-03 O 283/18, Rn.25 f. unter Offenlassen des Streitstands. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 5 2. Anzuwendendes Recht Während sich die Rechte des Urhebers weiterhin ausschließlich nach dem Urhebergesetz (UrhG)8 richten, herrschen hinsichtlich der Anwendbarkeit von DSGVO und KUG auf die Rechte des Abgebildeten unklare Verhältnisse. 2.1. Die Rechte des Abgebildeten: Streit um DSGVO und KUG Die DSGVO ist auf Personenfotografien grundsätzlich anwendbar, da diese aufgrund der Identifizierbarkeit des Abgebildeten durch äußere Merkmale sowie gegebenenfalls technische Aufzeichnungsmöglichkeiten des Aufnahmegerätes personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO darstellen9. Während das Herstellen einer Fotografie auch nach bisherigem Recht nicht im Anwendungsbereich des KUG lag und sich daher seit Geltungsbeginn der DSGVO ausschließlich nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO richtet, gestaltet sich die Lage bezüglich der Verwendung einer Fotografie schwieriger. Auch das Verwenden unterliegt grundsätzlich der DSGVO, da es als zweckgerichteter Gebrauch unter den Begriff der Verarbeitung des Art. 4 Nr. 2 DSGVO fällt.10 Es wird daher rechtswissenschaftlich diskutiert, ob die speziellen Vorschriften der §§ 22 ff. KUG und die hierzu entwickelten Grundsätze, welche bisher die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Fotografien regelten, für die Rechtmäßigkeit des Verwendens trotz des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs der DSGVO als Verordnung im Sinne des Art. 288 AEUV11 weiterhin maßgeblich sind. Im Vordergrund der Diskussion steht hierbei der umstrittene Charakter des Art. 85 DSGVO, der in Abs. 1 und Abs. 2 den nationalen Gesetzgebern Abweichungsmöglichkeiten von den Regelungen der Verordnung einräumt. Unumstritten handelt es sich bei Art. 85 Abs. 2 DSGVO12 um eine Öffnungsklausel, von der die einzelnen Bundesländer im jeweiligen Landesrecht durch entsprechende Anpassungsgesetze teil- 8 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 09.09.1965, das zuletzt durch Art. 1 G des Gesetzes vom 28. November 2018 (BGBl. I S.2014) geändert worden ist. 9 Schild in BeckOK DatenschutzR, 24. Ed. 1.2.2018, DS-GVO Art.4 Rn. 16. 10 Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Veröffentlichung von Fotografien von Versammlungen und öffentlichen Veranstaltungen, vom 27.09.2018, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/591826/17c71763caa37b428329641cce8a5ac2/WD-10-039-18-pdf-data.pdf. 11 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon, (Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C. 12 Art. 85 Abs. 2 DSGVO: „Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter ), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen ), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 6 weise bereits Gebrauch gemacht haben, sodass für Presse, Rundfunk und partiell auch die Telemedien eine dem alten Medienprivileg entsprechende Umsetzung bereits stattgefunden hat, wodurch die Regelungen des KUG in diesen Bereichen weiterhin gelten.13 Anders gestaltet sich die Rechtslage außerhalb journalistischer Zwecke, da im Falle des Art. 85 Abs. 1 DSGVO14 nicht eindeutig ist, ob es sich überhaupt um eine Öffnungsklausel handelt. Diese Problematik betrifft vor allem öffentliche Stellen wie Behörden, PR-Abteilungen von Unternehmen und Selbstständige wie Influencer, Vereine, Künstler und Privatpersonen. Geht man von einem bloßen Anpassungsauftrag aus15, käme das KUG aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung nur mehr in solchen Fällen zur Anwendung, in denen es sich nicht mit der DSGVO überschneidet, wie zum Beispiel in Privathaushalten. Nimmt man hingegen eine selbstständige Öffnungsklausel an16, könnte das KUG als Umsetzungsgesetz und damit die hiernach entwickelte Rechtsprechung auch in Zukunft weiter anwendbar bleiben.17 Wie eingangs erwähnt steht eine entsprechende Entscheidung des EuGH noch aus. Allerdings werden aller Voraussicht nach die bisherigen Grundsätze zur rechtmäßigen Verbreitung weiter anwendbar sein, da sowohl bei Fortgeltung des KUG als auch bei restriktiver Lesart des Art. 85 Abs. 1 DSGVO und hiernach alleiniger Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 DSGVO regelmäßig eine Güterabwägung im Einzelfall erforderlich ist. Die nationalen Gerichte wenden bei dieser Güterabwägung bereits seit Inkrafttreten der DSGVO weiterhin die gleichen Kriterien an, die in jahrelanger Rechtsprechung zu §§ 22 ff. KUG entwickelt wurden.18 Dass diese Kriterien unabhängig von der Entscheidung des EuGH weiter anwendbar sein werden, ist insbesondere auch deshalb zu erwarten, da neben den nationalen Grundrechten die unionsrechtlichen Maßgaben bereits seit Jahren berücksichtigt werden.19 13 So erstmals gerichtlich entschieden: OLG Köln, Beschluss vom 18.06.2018 – 15 W 27/18. Zuletzt LG Frankfurt, Urteil vom 16.05.2019 – 2-03 O 184/17. 14 Art. 85 Abs. 1 DSGVO: „Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit , einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang.“. 15 So zum Beispiel Benecke/ Wagner „Öffnungsklauseln in der Datenschutzgrundverordnung und Kunsturhebergesetz “, Frankfurt a.M. 2017, S.182. 16 So z.B. die Bundesregierung in Bundestagdrucksache 19/2217 vom 18. Mai 2018, S.36, sowie 19/2653 vom 11. Juni 2018, S.14. 17 Zur ausführlichen Darstellung des Streits siehe: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Veröffentlichung von Fotografien von Versammlungen und öffentlichen Veranstaltungen, vom 27.09.2018, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/591826/17c71763caa37b428329641cce8a5ac2/WD-10-039-18-pdfdata .pdf. 18 So zuletzt OLG Köln, Urteil vom 18.04.2019, 15 U 156/18, Rn.98. 19 Lauber-Rönsberg/ Hartlaub „Personenbildnisse im Spannungsfeld zwischen Äußerungs- und Datenschutzrecht“, NJW 2017, 1057. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 7 2.2. Urhebergesetz und Personenfotografie Der Fotograf eines sogenannten „Lichtbildwerkes“ ist als Urheber desselben gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG geschützt, wenn es sich hierbei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt. Eine persönliche geistige Schöpfung liegt jedoch nur dann vor, wenn sich die Fotografie gegenüber dem Alltäglichen durch Individualität, etwa in Form einer künstlerischen Aussage, auszeichnet .20 Bei einer sachlichen Personenfotografie wird man daher von einem solchen individuellen Mehrwert nicht ohne weiteres ausgehen können. Allerdings stehen auch dem sogenannten „Lichtbildner“ die Rechte eines Urhebers zu, da gemäß § 72 UrhG auch bloße „Lichtbilder“ dem Schutzbereich des Urhebergesetzes unterfallen. Unter „Lichtbildern“ sind Fotos jeglicher Art zu verstehen, welche den Anforderungen an ein Lichtbildwerk nicht gerecht werden, wie z.B. alltägliche Familienfotos, Urlaubsfotos und sonstige Fotografien , die regelmäßig von Sehenswürdigkeiten oder bei alltäglichen Gelegenheiten gemacht werden21. Es kann sich folglich auch der Fotograf einer schlichten Personenfotografie auf die ausschließlichen Verwendungsrechte nach §§ 11 ff. UrhG berufen. 2.3. Sonderrecht im Deutschen Bundestag Aufgrund der besonderen Stellung des Deutschen Bundestags als nationaler Gesetzgeber stellt sich die Frage, ob nicht hinsichtlich des verstärkt notwendigen Informationsbedarfs des Bundestags und seiner Organe, bei der Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen MdBs sowie im Hinblick auf den unionsrechtlichen Ursprung der DSGVO und diesbezüglich zu wahrender nationaler Reservate andere rechtliche Vorgaben gelten müssen. 2.3.1. Datenschutzrechtliche Vorgaben für den Deutschen Bundestag Der Deutsche Bundestag ist ebenso wie seine Gremien, Mitglieder und die Fraktionen über Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, sodass bei der Datenverarbeitung die datenschutzrechtlichen Vorschriften grundsätzlich zu beachten sind. Diese werden insbesondere dann relevant, wenn beispielsweise ein MdB im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit Fotoaufnahmen veröffentlichen möchte. Datenschutzrelevante Vorschriften finden sich sowohl im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)22 als auch in der DSGVO. Vor Inkrafttreten der DSGVO wurden die Vorschriften des BDSG a.F. vom Parlament außerhalb der reinen Verwaltungstätigkeit, wie zum Beispiel dem Personalwesen, für alles sonstige Tätigwerden , insbesondere die parlamentarischen Aufgaben, nicht angewandt.23 Dies soll sich auch nach Erlass der DSGVO nicht geändert haben, da die legislative Arbeit der deutschen Parlamente 20 Schulze in Dreier/Schulze, UrhG § 2, Rn. 192. 21 Schulze in Dreier/Schulze, UrhG § 72 Rn. 3. 22 Bundesdatenschutzgesetz, früher: Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung , vom 27. Januar 1977, zuletzt geändert durch Neufassung vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097). 23 Schröder, Anwendbarkeit der DS-GVO und des BDSG auf den Deutschen Bundestag, ZRP 2018, 129. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 8 von der Kontrolle nach der DSGVO ausgeschlossen sei.24 Die DSGVO findet aufgrund Art. 16 AEUV keine Anwendung für die Ausübung von Tätigkeiten, die dem Unionsrecht nicht unterfallen , was auf den Kernbereich parlamentarischer Tätigkeit zutrifft25. Eine unmittelbare Anwendung scheidet daher aus. Dies gilt auch für die Datenverarbeitung durch einzelne Abgeordnete im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit, da diese Tätigkeit des einzelnen MdBs zur Arbeitsweise des nationalen Parlaments gehört, welche dem in Art. 40 GG verankerten Prinzip der Parlamentsautonomie unterfällt.26 Da die Datenverarbeitung auch die Veröffentlichung von Fotografien abdeckt 27, würde auch in diesem Bereich durch die Anwendung der DSGVO die unmittelbare staatliche Autonomie der Mitgliedstaaten untergraben.28 Auch das anhand der DSGVO im Jahr 2018 angepasste BDSG hat die Rechtslage nicht verändert, da aufgrund der wortgleichen Übernahme der für die Anwendbarkeit maßgeblichen §§ 1, 2 BDSG nach wie vor entscheidend ist, ob der Bundestag und seine Abgeordneten als öffentliche Stellen des Bundes oder als nicht-öffentliche Stellen anzusehen sind. Während eine Ansicht sowohl den Bundestag in Gänze, als auch den einzelnen Abgeordneten unter die dem BDSG unterfallenden Stellen subsumiert29, wird in der anerkannten30 parlamentarischen Praxis das Parlament selbst sowie der einzelne Abgeordnete aus dem Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze herausgenommen . Begründet wird dies damit, dass die Gleichstellung des Deutschen Bundestags mit anderen Behörden der verfassungsrechtlichen Stellung des Parlaments und seiner Mitglieder, insbesondere ihrer unabhängigen Stellung und der Freiheit des Mandats aus Art. 38 GG sowie dem Prinzip der Gewaltenteilung und dem Prinzip der Parlamentsautonomie, nicht gerecht würde.31 Als Teil der Parlamentsautonomie ist somit der datenschutzrechtliche Bereich durch den Bundestag selbst zu regeln, um der Regelungsmacht des Parlaments in eigenen Angelegenheiten32 gerecht zu werden. Konsequenterweise unterliegen der Bundestag und seine Mitglieder weder der DSGVO, noch dem BDSG. Eine entsprechende allumfassende grundsätzliche Regelung für die bundestagsinterne Datenverarbeitung wurde bisher nicht erlassen. Gleichwohl halten sich der 24 BT-Drs. 18/1244, 2. 25 Schröder, Anwendbarkeit der DS-GVO und des BDSG auf den Deutschen Bundestag, ZRP 2018, 129. 26 Schröder, Anwendbarkeit der DS-GVO und des BDSG auf den Deutschen Bundestag, ZRP 2018, 129. 27 Siehe oben: 1. Einführung, S.4. 28 Schröder, Anwendbarkeit der DS-GVO und des BDSG auf den Deutschen Bundestag, ZRP 2018, 129. 29 Gola, BDSG, 12. Aufl. 2015, § 2 Rn. 14; Dammann in Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 2 Rn. 30; Ernst in Paal/ Pauly, DSGVO/ BDGS, 2. Aufl. 2018, § 2 BDSG Rn. 5; Eßer in Auernhammer, DSGVO/BDSG, § 2 BDSG Rn. 12. 30 So z.B. zustimmend der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BDfI) sowie Teile der Literatur : S. Stähler/ Schmidt/ Pohler, DSG Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2003, § 2 Erl. 3; Schweinoch/ Geiger/ Weigert, Bayerisches DSG, 2. Aufl. 1983, Art. 2 Erl. 5; Franke, Regelung des Datenschutzes im Parlament. 31 Schröder, Anwendbarkeit der DS-GVO und des BDSG auf den Deutschen Bundestag, ZRP 2018, 129. 32 Vgl. BVerfGE 102, Seite 224, 234, NJW 2000, S.3771; BVerfGE 104, Seite 310, 332, NJW 2002, Seite 1111. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 9 Bundestag, seine Fraktionen, Gremien und Mitglieder an bestehende datenschutzrechtliche Vorgaben und verweisen für solche Bereiche der parlamentarischen Arbeit, die naturgemäß auch die Verarbeitung von Daten bundestagsexterner natürlicher Personen beinhaltet, bereichsspezifisch auf das jeweils angewendete Recht.33 2.3.2. Der Deutsche Bundestag und seine Mitglieder als Abgebildete Die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO entfalten zwar für den Deutschen Bundestag und seine Mitglieder und Gremien als Handelnde keine Geltung, der personelle Schutzbereich der Generalklausel des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO ist jedoch auch zugunsten eines MdBs als Abgebildetem eröffnet. Auch in der Funktion als MdB steht einer Person das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasste Recht am eigenen Bild zu. Der Abgeordnete genießt hierbei einen Doppelstatus und zwar als Privatperson sowie als Mandatsträger unter Berücksichtigung der Aufgaben und Ausprägungen, die sich aus dem freien Mandat nach Art. 38 GG ergeben, und fällt daher sowohl in den Schutzbereich der DSGVO als auch des KUG.34 Der eingangs dargestellte Anwendungsstreit um das zugrunde zu legende Recht wird also auch hier relevant, kann jedoch aus oben genannten Gründen unentschieden bleiben. Auf den Deutschen Bundestag als Verfassungsorgan in Gänze als Gegenstand der Abbildung trifft das eben Gesagte hingegen nicht zu. Dies ergibt sich schon aus Art. 19 Abs. 3 GG, da es sich bei dem Recht am eigenen Bild um einen Ausschnitt aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG handelt35, welches den Menschen in seinem Bestand, seiner Integrität und der Entfaltung seiner Persönlichkeit schützt36. Auf den Bundestag als Körperschaft des öffentlichen Rechts und somit juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG37 sind diese Schutzgüter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht anwendbar. Neben der schon nicht einschlägigen Schutzrichtung, stellt auch Art. 1 Abs. 2 DSGVO klar, dass von der Verordnung nur das Recht natürlicher Personen auf Schutz personenbezogener Daten geregelt wird. Auch das KUG schützt nur das Bildnis natürlicher Personen.38 Gegenstände oder Geschehensabläufe sind nicht erfasst.39 33 Abrufbar unter www.bundestag.de/services/datenschutz. 34 Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 – 7 C 5/17, Rn. 18, 37. 35 Staudinger/Hager (2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. 151. 36 Ehmann, Der Begriff des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Grundrecht und als absolut-subjektives Recht, S.1. 37 Art. 19 Abs. 3 GG: Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. 38 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 22, Rn. 3. 39 Staudinger/Hager (2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. 171. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 10 3. Verwendungsrechte 3.1. Verwendungsrecht des Urhebers Dem Urheber einer Fotografie stehen gem. §§ 11 ff. UrhG die ausschließlichen Rechte an der Nutzung und somit auch an der Verwendung des Werkes zu. Sie eröffnen über § 15 Abs. 1 UrhG die ausschließlichen Rechte hinsichtlich jeder Art der Verwertung, namentlich der Vervielfältigung, der Verbreitung und der Ausstellung sowie gemäß § 15 Abs. 2 das ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe. Letztere umfasst auch das von § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 19a UrhG geschützte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Seine Rechte werden unter anderem durch die Rechte des Abgebildeten sowie gegebenenfalls durch die Rechte nutzungsberechtigter Dritter eingeschränkt. Letzteres zum Beispiel, wenn an einer Fotografie miturheberschaftliche Rechte im Sinne des § 8 UrhG bestehen oder der Urheber einem Dritten über § 31 Abs. 3 UrhG das ausschließliche Nutzungsrecht an den von ihm gemachten Aufnahmen eingeräumt hat. Bei der Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte ist nämlich im Umkehrschluss aus § 31 Abs. 3 Satz 2 UrhG auch der Urheber von der Nutzung ausgeschlossen , so dass dem berechtigten Dritten bei einer Verwendung durch den Urheber zivilrechtliche Ansprüche gegen diesen zustehen. 3.2. Besonderes Verwendungsrecht des Abgebildeten Handelt es sich bei einer Fotografie um eine solche aus der Urheberschaft des Abgebildeten, müssen bei der Verwendung freilich keine fremden Urheberrechte beachtet werden. Ist der Abgebildete nicht selbst Urheber, so hat er bei der Verwendung die Urheberrechte aus §§ 11 ff., insbesondere 15 Abs. 1, 2 UrhG zu beachten. Diese Rechte bestehen unabhängig davon, ob das urheberrechtlich geschützte Werk bereits veröffentlicht oder anderweitig erschienen ist40 oder sich ausschließlich in Privathand des Urhebers befindet. Das Recht am eigenen Bild begründet grade keine eigene Nutzungsbefugnis des Abgebildeten, schützt ihn aber vor der Verwendung durch den Urheber sowie durch Dritte.41 Eine rechtmäßige Nutzung durch den abgebildeten Nichturheber erfordert daher, dass diesem entweder ein die spezifische Verwendung deckendes Nutzungsrecht nach § 31 UrhG eingeräumt worden ist oder dass es sich um eine privilegierte Nutzung nach den §§ 45 ff. UrhG handelt. Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings für Teile der Nutzung im privaten Gebrauch. Zwar enden die Rechte des Urhebers nicht in der privaten Sphäre des Einzelnen, allerdings fällt die rezeptive Nutzung wie das reine Betrachten, Lesen oder Hören nach der Systematik der §§ 15 ff. UrhG aus 40 Dreyer in: Dreyer/ Kotthoff/ Meckel/ Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 6 Veröffentlichte und erschienene Werke, Rn.1. 41 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, Kapitel III Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie (KUG), Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 11 dem ausschließlichen Verwertungsrecht des Urhebers heraus42, sodass eine solche Nutzung jedermann auch ohne explizite Nutzungsbefugnis erlaubt ist. Das Gleiche gilt für die unkörperliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG im privaten Bereich, welche kraft Gesetzes vom ausschließlichen Verwertungsrecht des Urhebers ebenfalls frei ist.43 Daneben hat der abgebildete Verwender, sobald weitere Personen auf der in Frage stehenden Fotografie erkennbar abgebildet sind, auch deren Recht am eigenen Bild zu beachten und die nach Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO bzw. § 22 KUG erforderliche Einwilligung einzuholen. Insofern unterliegt er den gleichen Schranken wie der verwendende Urheber. Es ergeben sich auch keine diesbezüglichen Besonderheiten für die Verwendung von Bildern im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit eines MdBs. Auch dieser benötigt zur Verwendung eines Bildes , beispielsweise zur Veröffentlichung auf seiner Abgeordneten-Homepage, eine Nutzungserlaubnis des Urhebers, da die Abbildung hierdurch der Öffentlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG in einer Weise zugänglich gemacht wird, dass diese online, also ort- und zeitunabhängig, auf das geschützte Werk zugreifen kann. Die Privilegierungstatbestände nach den §§ 45 ff. UrhG sind nicht einschlägig. Es ist außerdem hinsichtlich der Rechte Dritter an ihrem Bild unter Berücksichtigung der Aufgabenbereiche eines MdB nicht ersichtlich, dass ihm die Verbreitung von Fotografien ohne weiteres durch einen der Tatbestände des Art. 6 Abs. 1 b) – e) DSGVO, wie beispielsweise die Erfüllung einer vertraglichen oder rechtlichen Pflicht, erlaubt ist. 3.3. Verwendungsschranken Verwendungsschranken ergeben sich sowohl für den Urheber als auch den nutzungsberechtigten Dritten aus dem Recht am eigenen Bild des Abgebildeten, welches aus seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG folgt und dessen Schutzbereich bei einer Verwendung immer eröffnet ist44. Der Urheber darf aber trotz seiner ausschließlichen Verwendungsrechte von seiner Fotografie nur insoweit Gebrauch machen, als dass er dabei keine persönlichkeitsschützenden Rechte verletzt, weshalb er für die Veröffentlichung gem. § 22 S. 1 KUG, bzw. gem. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) DSGVO die Einwilligung des Betroffenen benötigt, es sei denn diese gilt gem. § 22 S. 2 KUG aufgrund einer Entlohnung für die Aufnahme als erteilt oder der Abgebildete hat die Veröffentlichung ausnahmsweise aus anderen Gründen zu dulden. Daneben kann die Verwendung des Bildnisses im Einzelfall, z.B. durch Notstand, gerechtfertigt sein. Schließlich kann der Berechtigte den Eingriff auch noch nachträglich genehmigen.45 Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis nach der DSGVO finden sich in Art. 6 Abs. 1 b) – e) DSGVO, beispielsweise für die Fälle der Erfüllung vertraglicher Pflichten oder Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen. Ausnahmen nach dem KUG finden sich in §§ 23, 24 KUG. Die abgebildete Person hat also grundsätzlich die Möglichkeit durch Verweigerung der Einwilligung die 42 Amtl Begr BT-Drucks IV/270, 28. 43 Amtl Begr BT-Drucks IV/ 270, 29 und 46. 44 Klass in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn.167. 45 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 22, Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 12 Veröffentlichung einer Fotografie zu verhindern, beziehungsweise rechtlich gegen diese vorzugehen , wenn diese bereits erfolgt ist. Das berechtigte Interesse des Urhebers an der Veröffentlichung und das gegenläufige Interesse des Abgebildeten stehen hier einander gegenüber und bedürfen gemäß § 23 Abs. 2 KUG einer Abwägung im Einzelfall. Diese Abwägung ist auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO erforderlich und erfolgt aus oben genannten Gründen unter Zugrundelegung der bekannten Kriterien.46 Anders als bei §§ 15 ff. UrhG, wird im Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild für einen etwaigen Entfall des Einwilligungserfordernisses aus § 22 KUG auch nicht zwischen der Verwertung in der Öffentlichkeit und im privaten Kreis unterschieden.47 Ist keine der oben genannten Ausnahmen einschlägig, ist die Einwilligung des Abgebildeten daher in jedem Fall erforderlich. 3.4. Verwendung bundestagsbezogener Abbildungen Bei der Verwendung des Bildes eines Abgeordneten ist naheliegender Weise an die Ausnahme des § 23 KUG zu denken. Hiernach kann eine Abbildung auch ohne Einwilligung rechtmäßig veröffentlicht werden, wenn der Tatbestand des Abs. 1 eröffnet ist und die nach Abs. 2 erforderliche Interessenabwägung zugunsten des Verwenders ausfällt. § 23 KUG bestimmt: Abs. 1: Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Abs. 2: Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. 3.4.1. Abgeordnete als Personen der Zeitgeschichte Historisch-politische Vorgänge und Ereignisse als solche sind in besonderem Maße dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen.48 Die Zuordnung einer Person in diesen Bereich erfolgt seit der 46 Siehe oben: 2. Anzuwendendes Recht. 47 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 22, Rn. 12. 48 BGH VersR 2009, 843, 844. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 13 Entscheidung des EGMR49 vom 24.6.2004 unter zu Hilfenahme einer vorgezogenen Interessenabwägung des § 23 Abs. 2 KUG, bei der das Interesse der Öffentlichkeit den berechtigten Interessen des Abgebildeten gegenüber gestellt wird.50 Obwohl seit dieser Entscheidung die bis dahin vorgenommene Einstufung von Personen als absolute bzw. relative Person der Zeitgeschichte grundsätzlich überholt ist51, ist nach Auffassung des EGMR bei den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung zwischen Personen des politischen Lebens, solchen des sonstigen öffentlichen oder privaten Lebens und gewöhnlichen Privatpersonen zu unterscheiden,52 wobei der Schutz für Politiker am schwächsten ausfällt .53 Ein Verständnis als absolute Person der Zeitgeschichte und eine dementsprechend starke Einschränkung des Rechts am eigenen Bild kommt für Personen des politischen Lebens hiernach weiterhin in Betracht.54 Maßgebend für eine solche Einstufung ist das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über das Zeitgeschehen, wobei sich die zeitgeschichtliche Relevanz unmittelbar aus dem Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis ergeben kann, jedoch durch die persönliche Sphäre des Abgebildeten begrenzt wird und jedenfalls dann fehlt, wenn durch eine Abbildung lediglich die Neugier der Öffentlichkeit befriedigt wird.55 Auch der Bekanntheitsgrad des Abgebildeten kann für den Informationswert einer Berichterstattung von Bedeutung sein.56 Der Kreis berechtigter Informationsinteressen ist weit zu verstehen und schützt alle solche Informationen , die der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen.57 Folglich kann ein MdB aufgrund der jeweils erforderlichen Abwägung im Einzelfall nicht pauschalisiert dem Bereich der Zeitgeschichte zugeordnet werden. Es liegt jedoch nah, dass ein MdB die Veröffentlichung zumindest aller amtstätigkeitsbezogenen Bilder weitestgehend wird dulden müssen, da der EGMR ein gesteigertes öffentliches Interesse an den Tätigkeiten politischer Akteure insbesondere bezüglich ihrer Amtsführung, aber auch hinsichtlich privater Aspekte anerkannt hat.58 Die Veröffentlichung muss hierbei aber stets im Zusammenhang mit einer Berichterstattung erfolgen, wobei deren Informationszweck immer dann erfüllt ist, wenn die Öffentlichkeit 49 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 24. Juni 2004 – 59320/00. 50 Sogenanntes abgestuftes Schutzkonzept. Dieses wird inzwischen in ständiger Rechtsprechung angewandt und hält der verfassungsrechtlichen Beurteilung stand. Siehe hierzu: Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 23, Rn. 2. 51 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 23, Rn. 6. 52 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 24. Juni 2004 – 59320/00. 53 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07 –, BVerfGE 120, 180-223, Rn. 99. 54 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 23, Rn. 6. 55 BGH VersR 2009, 843, 844. 56 BGH, Urteil vom 03. Juli 2007, VI ZR 164/06. 57 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07. 58 Ullman, jurisPR-WettbR $/2018 Anm.5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 14 ein berechtigtes Interesse daran hat, die abgebildete Person im Bild vorgestellt zu bekommen und zwar gerade in der Darstellungsart, wie sie gewählt wurde.59 Eine weitere Einschränkung der nach §23 Abs. 1 Nr. 1 KUG einwilligungsfreien Verwendung ist stets dann zu machen, wenn eine Aufnahme unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder von technischen Mitteln, die dem gleichkämen , zustande gekommen ist.60 Dies ist wiederum dann nicht der Fall, wenn die Aufnahme in einem Kontext erfolgte, in dem der Abgebildete trotz einer an sich privaten Situation nicht damit rechnen kann, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen zu sein.61 Von dem oben gesagten abzugrenzen ist jede Verwendung, die nicht dem schützenswerten Interesse der Öffentlichkeit dient, sondern ausschließlich zu eigenen Geschäftsinteressen erfolgt wie zum Beispiel im Fall von Werbung, da in diesem Fall die Ausnahmevorschrift des § 23 KUG ohne den für ihre Anwendung erforderlichen Informationszweck nicht zugunsten des Verwenders greift.62 Die Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung nach § 23 KUG erfordert ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Verwenders oder der Öffentlichkeit, welches sich außerhalb der öffentlichen Presse zum Beispiel aus der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sowie der Meinungsfreiheit ergeben kann. Handelt es sich zwar nicht um die öffentliche Presse, kann dennoch im Rahmen von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufgrund der dahinterstehenden Meinungs- und Informationsfreiheit ein berechtigtes Interesse aus Art. 5 Abs. 1 GG gegeben sein.63 Wird eine Abbildung durch ein MdB im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit verwendet, ergibt sich zudem folgende Besonderheit: Diese ist nämlich als Teil des kommunikativen Prozesses der Informationsweitergabe eine Ausprägung seiner Stellung als Verbindungsglied zwischen Parlament und Bürger und fördert final das Wechselspiel zwischen gesellschaftlicher und staatlicher Willensbildung .64 Dieser kommunikative Prozess ist daher von Art. 38 Abs.1 S.2 GG umfasst.65 Obwohl man nicht umhinkommen wird, auch ein Eigeninteresse des Abgeordneten im Sinne von Werbung und eigenen Karriereambitionen zu vermuten, muss diese Ausprägung des freien Mandats des Abgeordneten als grundgesetzlich geschützte Position neben sein außerdem berechtigtes Interesse aus Art. 5 Abs. 1 GG treten. Es ist folglich bei der Öffentlichkeitsarbeit eines MdB ein schutzwürdiges Interesse gegeben, so dass die Ausnahmevorschrift des § 23 KUG anwendbar ist. Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn ein MdB Fotografien auf seiner Abgeordnetenhomepage veröffentlichen möchte, auf denen weitere Abgeordnete erkennbar abgebildet sind. 59 BGH NJW 1979, 2203, 2204. 60 Vgl. EGMR NJW 2004, 2647, 2650; BVerfGE 101, 361, 381; NJW 2006, 3406, 3408; BGH VersR 2009, 843, 844. 61 BGH 27.9.2016 – VI ZR 310/13. 62 Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 23, Rn. 40. 63 BT-Drucksache 19/11181. 64 Vgl. BVerfGE 134, 141, 173; BVerfGE 146, 327, 362. 65 Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 78. Lieferung 05.2019, Art. 38 GG, Rn. 513. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 15 3.4.2. Weitere bundestagsspezifische Besonderheiten / Schranken Hinsichtlich Abbildungen von Delegationsreisen, Dienstreisen und anderen dienstlichen Unternehmungen und politischen Veranstaltungen, ist ebenfalls die Einwilligung aller erkennbar abgebildeten Teilnehmer einzuholen, wenn sie nicht aufgrund des § 23 KUG bzw. Art. 6 Abs. 1 DSGVO entfällt. Das Einwilligungserfordernis kann bei Veranstaltungen dieser Art, da diese einen „ähnlichen Vorgang“ im Sinne der Vorschrift darstellen, insbesondere auch nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 entfallen, wenn das ungeschriebene Erfordernis der Öffentlichkeit der Veranstaltung erfüllt ist, welches in der freien Zugänglichkeit für die jeweiligen Teilnehmer liegt.66 Natürlich sind auch hier bestehende Urheberrechte zu achten. Auch im Rahmen von Ausschusssitzungen im Bundestag entfällt das Recht der teilnehmenden Personen nicht ohne weiteres. Hinsichtlich öffentlich tagender Ausschüsse ist nicht ersichtlich, warum die dargestellten Grundsätze des Einwilligungserfordernisses und dessen Ausnahmen für die Veröffentlichung von dort aufgenommenen Bildern nicht gelten sollten. Die einzelnen Ausschüsse veröffentlichen auf der Homepage des Deutschen Bundestages selbst regelmäßig Fotografien aus ihren Sitzungen.67 Anders liegt es bei nichtöffentlich tagenden Ausschüssen, was gem. § 69 Abs. 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT)68 grundsätzlich auf die Beratungssitzungen von Ausschüssen zutrifft. In diesem Fall sind neben den Persönlichkeitsrechten der Abgebildeten, sowie den Urheberrechten des Abbildenden auch solche Verfahrensvorschriften69 zu beachten, die der Bundestag bei der Ausschusseinsetzung oder später der Ausschuss selbst erlässt. Wird ein Bild hiergegen verstoßend aufgenommen, wurde es rechtswidrig erlangt. Obwohl die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen grundsätzlich zu unterbleiben hat, kommt eine Ausnahme regelmäßig dann in Betracht, wenn Zustände oder Verhaltensweisen offenbart werden, die ihrerseits rechtswidrig sind, sodass eine Abwägung im Einzelfall erfolgt, ob der Informationswert im konkreten Einzelfall schwerer wiegt als die durch ihre Beschaffung begangene Rechtsverletzung .70 Dies wird bei Bildern aus Ausschusssitzungen jedoch regelmäßig nicht zutreffen. 66 Vlg. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Fotografien von Versammlungen und öffentlichen Veranstaltungen, vom 27.09.2018, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/591826/17c71763caa37b428329641cce8a5ac2/WD-10-039-18-pdf-data.pdf. 67 Für jedermann öffentlich zugänglich unter: https://www.bundestag.de/ausschuesse. 68 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Stand: März 2019. 69 Siehe hierzu beispielhaft: Regularien für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, online abrufbar unter: https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002AD428/vwContentby- Key/W2AP2GBD045WEBSDE/$FILE/1.UntA%20-Verfahrensregeln%20lt.%20Beschluss.pdf. 70 Vgl. LG Hamburg, Urteil vom 28. August 2009 – 324 O 864/06. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 16 4. Zivilrechtliche Ansprüche bei unberechtigter Verwendung Sollte die Veröffentlichung einer Fotografie im Einzelfall nicht rechtmäßig sein, so stehen sowohl dem Urheber als auch dem Abgebildeten verschiedene zivilrechtliche Ansprüche gegen den Verwender zu: Der Abgebildete kann die Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung verlangen.71 Ist die Veröffentlichung eines Bildes ehrverletzend oder anderweit beleidigend oder stellt sie einen schweren Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre dar, kann auch Schadensersatz verlangt werden 72. Nach den Vorschriften des KUG hat der Abgebildete außerdem einen Anspruch auf Löschung oder Herausgabe des Bildes, wobei er bei der Herausgabe eine angemessene Vergütung an den Urheber des Werkes zu entrichten hat.73 Der Urheber kann gemäß § 97 UrhG den unrechtmäßigen Verwender auf Beseitigung der Beeinträchtigung , bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.74 Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem verletzten Urheber zudem zum Schadensersatz verpflichtet.75 Sowohl der unrechtmäßig Abgebildete, als auch der Urheber können zudem bei Verletzung ihrer Rechte die Herausgabe des durch die Veröffentlichung erlangten wirtschaftlichen Gewinns oder geldwerten Vorteils verlangen.76 71 Anspruchsgrundlage: §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG bzw. Art. 6 DSGVO i.V.m. Art. 85 DSGVO. 72 Anspruchsgrundlage: § 823 Abs. 1 bzw. 2 BGB. Zu den diesbezüglichen Voraussetzungen vgl. auch OLG Karlsruhe , Urteil vom 14. Mai 2014 – 6 U 55/13. 73 Anspruchsgrundlage: §§ 37, 38 KUG. 74 Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung , vom 25. Januar 2017. Online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/496962/7abe53c7aed895a9c7d8b0c4502f3617/wd-7-007-17-pdf-data.pdf. 75 Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung , vom 25. Januar 2017. Online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/496962/7abe53c7aed895a9c7d8b0c4502f3617/wd-7-007-17-pdf-data.pdf. 76 Hierzu weiterführend: Lettl, Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Medienberichterstattung, WRP 2005, 1045- 1086, Rn. 169 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/19 Seite 17 5. Anwendbarkeit auf bewegte Bilder 77 Nachdem die Rechtsprechung länger offen gelassen hat, ob auch bewegte Bilder „Bildnisse“ im Sinne des § 22 KUG sind,78 legte der BGH seinen Erwägungen in Zusammenhang mit Videoaufnahmen zuletzt auch die Vorschriften des KUG zugrunde.79 Das Recht am eigenen Bild sei auch bei der Veröffentlichung von bewegten Bildern betroffen.80 Es sind daher die oben dargelegten Grundsätze zum Einwilligungserfordernis sowie dessen Ausnahmen und Interessenabwägungen auch auf Interviews, Sendungsausschnitte und sonstige Videoaufnahmen anwendbar.81 **** 77 Siehe hierzu weiterführend: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Zur Rechtslage bei Filmaufnahmen von Abgeordneten auf öffentlichen Plätzen in Berlin und in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages. 78 BAG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 1010/13 –, BAGE 150, 195-206, Rn. 21. 79 Vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2015, AfP 2016, 243-246, Rn. 30 ff. 80 Vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2015, AfP 2016, 243-246, Rn. 26 ff. 81 Klass in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 169.