© 2016 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 056/16 Staatsferne im Rahmen der Rundfunk- und Pressefreiheit Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/16 Seite 2 Staatsferne im Rahmen der Rundfunk- und Pressefreiheit Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 056/16 Abschluss der Arbeit: 14.11.2016 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Staatsferne bei Rundfunk und Presse – Ableitungen aus Art 5 GG 4 1.1. Rundfunk 4 1.2. Presse 5 2. Weiterführende Links 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/16 Seite 4 1. Staatsferne bei Rundfunk und Presse – Ableitungen aus Art 5 GG 1.1. Rundfunk Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland können sich auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG. berufen.1 Rundfunkfreiheit bedeutet in erster Linie Pluralität und Staatsferne. Da die Staatsgewalt in allen Teilen der öffentlichen Kritik und Kontrolle unterliegt, deren Wirksamkeit wesentlich von der Freiheit der Medien abhängt, ist dem Staat jeder Einfluss auf die Programme der Rundfunkveranstalter versagt.2 Die Rundfunkfreiheit aus „Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG verpflichtet die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf die Sicherung von Vielfalt sowie, als deren Ausfluss, auf die Wahrung einer hinreichenden Staatsferne“, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont und in seinem jüngsten Rundfunkurteil zur Besetzung der Gremien des ZDF wieder ausdrücklich festgestellt hat.3 Staatsferne bedeutet zunächst, dass der Staat selbst nicht die Funktion des Rundfunkbetreibers übernehmen darf. Er darf aber auch keinen „bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte nehmen können“, was sodann angesichts ihrer Staatsnähe auch für die Parteien gilt.4 Zudem ist „jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks“ verboten.5 Allerdings kommt dem Gesetzgeber insoweit eine gewisse Ausgestaltungsfreiheit zu, die jedoch bei einem absoluten Verbot der Beteiligung von Parteien an privaten Rundfunkunternehmen überschritten ist.6 Anders als bei der Presse und beim privaten Rundfunk ist jedoch in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine öffentlich-rechtliche Organisation erforderlich, die systemimmanent eine Staatsfreiheit viel weniger zu gewährleisten im Stande ist, da die binnenpluralistische Organisation eine Beteiligung des Staates und jedenfalls der Parteien eher indiziert. Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfasst insbesondere die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter . Diese erstreckt sich auf das gesamte Programm, sie kann nicht auf bestimmte Formen der Berichterstattung beschränkt werden. Geschützt werden alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Informationen, sowie der Produktion und Verbreitung der Programminhalte stehen. Das Recht zur Verbreitung kann von einer fernmelderechtlichen Genehmigung abhängig gemacht werden, die jedoch nur zur Bewältigung der Frequenzknappheit und nicht zu inhaltlichen Einflussnahmen genutzt werden darf. 1 Fink, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Auflage 2015, Rn. 40. 2 Hesse, Albrecht, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, 2. Kapitel Rn. 23; ausführlich zur Entwicklung des Rundfunkrechts , Kapitel Rn. 37. 3 So BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 -, BVerfGE 136, (9-68). 4 BVerfGE 121, 30 (53). 5 BVerfGE 121, 30 (61). 6 Kühling, in: GG Beck’scher Online-Kommentar Informations- und Medienrecht, Art 5 GG, 13. Edition August 2016, Rn. 87. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/16 Seite 5 Eine Differenzierung zwischen Meinungen und Tatsachen findet nicht statt. Bei Werbesendungen muss zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Veranstaltern unterschieden werden. Während die hauptsächlich durch den Rundfunkbeitrag finanzierten öffentlich-rechtlichen Anstalten kein Grundrecht auf Werbung haben, gehört dies für die finanziell davon abhängigen privaten Veranstalter zum Schutzbereich. Wahlwerbung wird grundsätzlich immer von der Rundfunkfreiheit erfasst. Geschützt ist auch die Auswahl der Mitarbeiter, wobei das BVerfG bei öffentlichrechtlichen Veranstaltern zwischen inhaltlich gestaltenden Mitarbeitern und technischem Personal unterscheidet. 1.2. Presse Das Grundrecht der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG schützt sowohl die individualrechtliche als auch die institutionelle Seite der Presse. Die Pressefreiheit ist somit ein Recht des Einzelnen, Pressetätigkeit ohne stattlichen Einfluss ausüben zu können. Darüber hinaus stellt die Einrichtungsgarantie das Institut „freie Presse“ als solches unter Schutz, woraus sich staatliche Schutzpflichten für ein freies Pressewesen ergeben.7 Für die Presse als privatrechtlich organisierte Institution greift das allgemeine medienrechtliche Prinzip der Staatsferne in besonderer Schärfe. So gelten das vom BVerfG im Rahmen der Prüfung von Pressesubventionen aufgestellte strenge Gebot der Neutralität und das Verbot jeglicher Einflussnahme8 für die unmittelbare unternehmerische und publizistische Tätigkeit der öffentlichen Hand in besonderer Form. Schon früh hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass trotz der wichtigen „öffentlichen Aufgabe“ der Presse als unentbehrliches Element der Demokratie eine privatwirtschaftliche Organisation indiziert ist.9 Insofern greift als wichtige Folge der staatlichen Neutralitätspflicht ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.10 Das bedeutet zudem, dass sich die öffentliche Hand, die publizistisch tätig wird, keinesfalls auf die Pressefreiheit berufen kann,11 sondern entsprechende Aktivitäten ihrerseits streng an der Pressefreiheit zu prüfen sind. So sind Beteiligungen der öffentlichen Hand an Presseunternehmen grundsätzlich verboten, da sie der Neutralitätspflicht zuwider laufen. Dies gilt unabhängig davon, ob es um eine Beteiligung an einem privatrechtlich oder einem öffentlich-rechtlich organisierten Presseorgan geht.12 Selbst eine lediglich randständige, die Pressevielfalt und zugleich die freie, privatwirtschaftlich organisierte Presse nicht tangierende Staatspresse ist abzulehnen. Vor diesem Hintergrund birgt selbst eine überbordende hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse und die öffentliche Hand muss sich daher in Art, Frequenz und Umfang in Zurückhaltung üben. Wöchentliche Berichtsbeilagen der Leitung der 7 Fechner, Frank, Medienrecht, 12. Auflage 2011, Rn. 17. 8 BVerfGE 80, 124 (133 f.). 9 BVerfGE 20, 162 (175); vgl. auch BVerfGE 52, 283 (296). 10 BVerfGE 80, 124(134). 11 BVerfGE 75, 192 (197). 12 Kühling, in: GG Beck’scher Online-Kommentar Informations- und Medienrecht, Art 5 GG, 13. Edition August 2016, Rn. 54. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 056/16 Seite 6 Gemeindeverwaltung in lokalen Zeitungen wären bspw. unzulässig. Differenzierter ist die Sachlage mit Blick auf die politischen Parteien zu bewerten, da diese grundsätzlich selbst Träger der Pressefreiheit sind und auch auf publizistische Aktivitäten im politischen Meinungskampf zurückgreifen dürfen.13 Allerdings weisen sie eine „gewisse Staatsnähe“ auf, so dass ein „bestimmender Einfluss“ zu vermeiden ist.14 2. Weiterführende Links http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice /2014-12-15-gutachten-medien.pdf?__blob=publicationFile&v=5 http://www.kef-online.de/inhalte/sonderbericht/KEF_Sonderbericht_2014.pdf 13 Reffken, Hendrik, Politische Parteien und ihre Beteiligungen an Medienunternehmen, 2007, 323 ff. 14 BVerfGE 121, 30 (50 ff).