© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 053/19 Wechselseitige Beziehungen von Sport und Kultur in Deutschland Insbesondere: Kulturpolitik und Sportpolitik Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Der vorliegende Sachstand befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Kultur und Sport, insbesondere Kulturpolitik und Sportpolitik. Ausgehend von einer Begriffsklärung der Termini „Kultur“ und „Sport“ geht er zunächst auf die Anzahl der Sporttreibenden sowie der Kulturinteressierten in Deutschland ein. Anschließend stellt er die gesellschaftliche Bedeutung von Kultur und Sport dar. Sodann erläutert er das Verhältnis von Kulturpolitik und Sportpolitik und beleuchtet Organisationen und Veranstaltungen, die Kultur und Sport verbinden. 2. Begriffsklärung 2.1. Kultur Der Begriff der Kultur ist seit langem für seine Vieldeutigkeit berüchtigt.1 So hat man ihn als „wohl eines der komplexesten“ Wörter überhaupt bezeichnet, als Pathoswort und „Imponiervokabel “ – zumindest aber als Reizwort.2 Eine Begriffsdefinition ist daher von außerordentlicher Schwierigkeit. Die UNESCO hat sie in ihrer Allgemeinen Erklärung zur Artenvielfalt 2001 folgendermaßen beschrieben : Kultur solle als die „Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften“ angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen würden. Sie umfasse „über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen , Formen des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen.“3 Ein ebenfalls sehr weites Verständnis nimmt Busche in seiner Begriffsklärung an. Diese geht von vier Grundbegriffen aus, welche in ihrer Gesamt die „Kultur“ ausmachen. - Kultur, die man betreibt: Kultivierung der individuellen Naturanlagen - Kultur, die man hat: Kultiviertheit als erworbener Habitus - Kultur, in der man lebt: Der charakteristische Zusammenhang von Institutionen, Lebensund Geistesformen, durch den sich Gesellschaften und Epochen unterscheiden - Kultur, die man schafft und fördert: Der Bereich höherer Werke und Werte.4 1 Busche, H. (2018). „Kultur “: ein Wort, viele Begriffe, in Busche, H. et al. (Hrsg.) Kultur – Interdisziplinäre Zugänge , Springer VS, Wiesbaden, S. 4. 2 Ebenda. 3 UNESCO, Allgemeine Erklärung zur Artenvielfalt, 2001, Präambel, https://www.unesco.de/sites/default/files /2018-03/2001_Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_zur_kulturellen_Vielfalt.pdf. 4 Busche, a.a.O., S. 5, 9, 12, 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 5 Für den vorliegenden Sachstand ist insbesondere der vierte dieser Grundbegriffe maßgeblich. Er umfasst die Werke der Kunst, Musik, Literatur etc. ebenso wie die sie pflegenden öffentlichen Institutionen und privaten Organisationen.5 2.2. Sport Auch für den Begriff des Sportes gibt es keine allgemein akzeptierte, einheitliche Definition.6 Eine Vielzahl von Sportwissenschaftlern hat über Jahrzehnte hinweg eine ebenso große Anzahl an Definitionsmöglichkeiten präsentiert.7 So schreiben Röthig/Prohl im Sportwissenschaftlichen Lexikon: „Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich Sport zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen.“ Der Begriff sei vom alltagstheoretischen Gebrauch geprägt, überdies werde das Begriffsverständnis durch das „faktische Geschehen des Sporttreibens selbst“ stetig verändert und erweitert.8 Der Wissenschaftliche Beirat des früheren Deutschen Sportbundes (DSB), welcher nunmehr im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) aufgegangen ist, hat 1980 ein entsprechendes Positionspapier erarbeitet. Dieses nennt sieben für den Sport essentielle Dimensionen: - eine motorische Aktivität, die sowohl hinsichtlich Kondition als auch Koordination für den betreffenden Sport konstitutiv ist, erlernt bzw. trainiert werden muss und primär auf die menschliche Motorik ausgerichtet sein muss - einen Bedeutungsinhalt, der ihn von der Alltags- bzw. Arbeitsmotorik unterscheidet (in diesem Sinne ist Sport unproduktiv und frei von existenziellen Zwängen) - Leistung und Wettbewerb als konstitutive Momente, die sich im Leistungs-, Breiten- und Freizeitsport zeigen - Sportorganisationen von der Orts- bis zur internationalen Ebene, die ein überregional vereinbartes Wettkampfsystem und eine überregional vereinbarte Regelordnung gewährleisten - mehr oder weniger verbindliche Sportregeln - Grundwerte und Leitideen wie Fair Play, Partnerschaft, Unversehrtheit des Partners, Chancengleichheit und Teamgeist 5 Ebenda, S. 23 f. 6 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sportförderung in Deutschland und der EU, Ausarbeitung , WD 10 – 001/08, 2008, S. 10, https://www.bundestag.de/resource /blob/413492/f0f56e8ef808a37d24c84b3a4244bbf6/wd-10-001-08-pdf-data.pdf. 7 Eine fast überwältigende Anzahl an Definitionsversuchen verschiedener Autoren über einen Zeitraum von knapp 100 Jahren hinweg hat Tiedemann zusammengestellt, http://sport-geschichte.de/tiedemann /documents/TexteSport-Begriff.pdf. 8 Röthig, P., & Prohl, R. (Eds.). (2003). Sportwissenschaftliches Lexikon (Vol. 49). Hofmann GmbH & Company KG, S. 493. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 6 - eine typische Erlebnis- und Erfahrungswelt, die den ganzen Menschen berührt.9 Ähnliche Kriterien liegen auch der heutigen Begriffsdefinition des DOSB zugrunde, welche dieser innerhalb seiner Aufnahmeordnung verwendet. Diese führt als konstitutiv für den Sport dreierlei an: Erstens eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität des Sporttreibenden, zweitens den Selbstzweck der Betätigung, und drittens die Einhaltung ethischer Werte wie z.B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseeinteilungen.10 Dieses Begriffsverständnis schließt mancherlei Aktivitäten aus, deren Einstufung Schwierigkeiten bereiten könnte, wie etwa Denkspiele.11 Schach ist vom Internationalen Olympischen Komitee als Sport anerkannt12 und der Deutsche Schachbund weiter Mitglied des DOSB.13 Letzteres resultiert jedoch lediglich aus dem Bestandschutz: Nach einer Äußerung des DOSB auf seinem Twitter -Kanal würde der Deutsche Schachbund nach heutiger Satzung keine Aufnahme mehr finden .14 Hinsichtlich einer möglichen Einstufung des E-Sports als Sport gab es lange Diskussionen.15 Der DOSB lehnt eine derartige Einstufung ab.16 Demgegenüber sieht der Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD vor, dass der E-Sport vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkannt und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützt werden solle.17 9 Wissenschaftlicher Beirat des DSB, Zur Definition des Sports, 15.8.1980, S. 437-439, https://link.springer .com/content/pdf/10.1007%2FBF03177027.pdf. 10 § 3 Aufnahmeordnung des DOSB, 20.05.2006, zuletzt geändert am 01.12.2018, https://cdn.dosb.de/user_upload /www.dosb.de/uber_uns/Satzungen_und_Ordnungen/aktuell_Aufnahmeordnung_2018_.pdf. 11 Wissenschaftlicher Beirat des DSB, a.a.O., S. 438. 12 Liste der anerkannten Sportarten unter https://www.olympic.org/recognised-federations. Die Aufnahme erfolgte im Jahr 1999 während der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees in Seoul. 13 Liste der Mitgliedsverbände unter https://www.dosb.de/ueber-uns/mitgliedsorganisationen/spitzenverbaende /?Spitzenverb%C3%A4nde=. 14 So der DOSB auf Twitter, 29.10.2018, https://twitter.com/dosb/status/1056966066306465797?lang=de. 15 Siehe hierzu etwa Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ist E-Sport Sport? – Stand der Diskussion , Sachstand, WD 10 - 3000 - 036/17, 9. Juni 2017, https://www.bundestag.de/resource /blob/515426/c2a9373a582f7908c090a658fdff1af8/wd-10-036-17-pdf-data.pdf. 16 DOSB, Umgang mit elektronischen Sportartensimulationen, eGaming und „eSport“ – Positionierung von DOSB- Präsidium und -Vorstand, 4. Dezember 2018, S. 5, https://cdn.dosb.de/UEber_uns/eSport/DOSB-Positionierunge Sport_MV.pdf. 17 CDU, CSU und SPD: Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode, 12.3.2018, S. 48, https://www.bundesregierung .de/resource/blob/656734/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertragdata .pdf?download=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 7 3. Zahlen: Sporttreibende und Kulturinteressierte in Deutschland Der Sport in Deutschland ist ein bedeutender gesellschaftlicher Faktor. Über die genaue Anzahl der Sporttreibenden gibt es indes schwankende Angaben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gibt in seinem Bericht zur Sportwirtschaft 2018 an, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung mindestens einmal in der Woche Sport betreibe (56,9%).18 Dabei trieben Frauen über nahezu alle Lebensphasen hinweg häufiger regelmäßig Sport als Männer.19 Zu einem etwas niedrigeren Wert kommt eine Umfrage der Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA), nach der 27,1 Millionen Menschen mehrmals wöchentlich oder zumindest mehrmals im Monat Sport treiben .20 Eine Vielzahl der Sport treibenden Menschen in Deutschland ist zudem organisiert: 27,4 Millionen Menschen haben eine Mitgliedschaft im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).21 Dieser bildet den Dachverband für mehr als 90.000 Turn- und Sportvereine in Deutschland.22 Die beliebtesten Sportarten der erwachsenen Bevölkerung (16 Jahre und älter) sind laut BMWi das Schwimmen (§ 37 %) und der Radsport (34 %).23 Auch Laufen/Joggen, Wandern und Fitness werden von etwa einem Viertel der Bevölkerung ausgeübt (25% bzw. je 24%).24 Dabei unterscheidet sich der Organisationsgrad je nach Sportart. Gemessen an der Anzahl der Mitglieder ist der Fitnesssport am populärsten (11,09 Millionen), gefolgt von Fußball (7.09 Millionen) und Turnen (4,98 Millionen).25 18 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Sportwirtschaft – Fakten & Zahlen, Ausgabe 2018, S. 13, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/sportwirtschaft-fakten-und-zahlen .pdf?__blob=publicationFile&v=12/. 19 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, a.a.O., S. 14. 20 VuMA. (14. November, 2018). Bevölkerung in Deutschland nach Häufigkeit des Sporttreibens in der Freizeit von 2015 bis 2018 (Personen in Millionen) [Graph]. In Statista. Zugriff am 19. August 2019, von https://de.statista .com/statistik/daten/studie/171911/umfrage/haeufigkeit-sport-treiben-in-der-freizeit/. 11,81 Millionen Menschen geben an, mehrmals wöchentlich Sport zu treiben, weitere 15,29 Millionen Menschen tun dies mehrmals monatlich. 21 DOSB, Bestandserhebung 2018, S. 1, https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Bestandserhebung /BE-Heft_2018.pdf. 22 DOSB-Website, https://www.dosb.de/ueber-uns/mitgliedsorganisationen/. 23 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, a.a.O., S. 12. 24 Ebenda. 25 Deutscher Olympischer Sportbund/Deloitte/Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, 2019, Sportarten in Deutschland nach Anzahl der Mitglieder, https://de.statista.com/statistik/daten/studie /184918/umfrage/sportarten-in-deutschland-nach-anzahl-der-mitglieder/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 8 Menschen, die Sport treiben, tun dies aus einer Vielzahl von Gründen. In einer Umfrage im Jahr 2018 wurde mit Abstand am häufigsten der Wunsch genannt, gesund zu bleiben (66%).26 Mit einigen Abstand folgen die Optimierung von Kraft und Ausdauer (43%) und Sport als Ausgleich im Alltag (41%). Weitere Gründe sind ästhetischer und gesundheitlicher Natur.27 Zuletzt ist es für 24% auch der Grund, beim Sport Freunde und Bekannte zu treffen.28 Das Interesse an kulturellen Angeboten ist offenbar gegenüber dem Sport deutlich weniger ausgeprägt . Eine Befragung im Zeitraum 2015 bis 2018 ergab, dass sich 42,1 Millionen der über 14-Jährigen als kaum oder gar nicht interessiert an der Kunst- und Kulturszene bezeichnen. Weitere gut 21 Millionen sind mäßig interessiert, und nur 7,23 Millionen besonders interessiert.29 Weitere belastbare Zahlen können in Kürze von einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage erwartet werden , welche die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut infas unter dem Titel „Freizeit und Kultur in Deutschland 2018“durchführt. Sie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell gefördert und ist die bisher größte derartige Erhebung. Ergebnisse werden für Ende 2019 erwartet.30 4. Gesellschaftliche Funktionen von Sport und Kultur Verschiedene Aspekte des Sportes tragen zu seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung bei. Der Sportbericht der Bundesregierung 2019 nennt etwa seine identifikationsstiftende Wirkung und das Zugehörigkeitsgefühl, welches der gemeinsam betriebene Sport schaffen kann.31 Er fördere überdies die Akzeptanz von Regeln, Fair Play, Respekt und Teamfähigkeit, ebenso wie Einsatzbereitschaft , Durchsetzungsvermögen und den adäquaten Umgang mit Erfolg und Niederlage.32 All 26 Statista. (7. Mai, 2018). Warum treiben Sie Sport? [Graph]. In Statista. Zugriff am 19. August 2019, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1675/umfrage/gruende-fuer-sport/, https://de.statista.com/statistik /daten/studie/1675/umfrage/gruende-fuer-sport/. 27 So etwa die Gründe Gewichtsreduzierung (37%), Optimierung des äußeren Erscheinungsbildes (32%), schönerer Körper (30%). 28 Statista, a.a.O. 29 IfD Allensbach. (11. Juli, 2019). Interesse der Bevölkerung in Deutschland an der Kunst- und Kulturszene von 2015 bis 2019 (Personen in Millionen) [Graph]. In Statista. Zugriff am 20. August 2019, von https://de.statista .com/statistik/daten/studie/170946/umfrage/interesse-an-kunst-und-kultur/. 30 Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Beschreibung auf der Website, https://kultur.uni-mainz.de/. 31 Bundesregierung, Unterrichtung – 14. Sportbericht, 4.4.2019, BT-Drs. 19/9159, S. 15, http://dipbt.bundestag .de/doc/btd/19/091/1909150.pdf. 32 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 9 dies seien wichtige Werte des freiheitlichen Gemeinwesens. Überdies trage der Sport zur Förderung der Gesundheit der Staatsbürger bei, habe gewichtige ökonomische Bedeutung und nehme eine Repräsentationsrolle für den Staat selbst nach außen hin ein.33 Auch schaffe die zunehmende Internationalisierung des Sports Weltoffenheit und Toleranz unter den Kulturen.34 Zuletzt könne der Sport auch explizit einen Beitrag zur Kultur leisten.35 Auch die gesellschaftliche Bedeutung von Kultur ist wie die des Sports unbestritten. Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau charakterisierte sie folgendermaßen: „Kunst und Kultur sind nicht wie Sahne auf dem Kuchen, die man dazu nimmt, wenn es einem gut geht, sondern sie sind die Hefe im Teig. Wer diese Hefe nicht in den Teig tut, der bekommt Steine statt Brot.“36 Kulturelle Erfahrungen würden die kritische Auseinandersetzung fördern, die analytischen Fähigkeiten schulen, das Einfühlungsvermögen stärken ebenso wie die Bereitschaft, sich neue Welten zu erschließen.37 Darüber hinaus habe die Kultur eine soziale Dimension und stelle ein Gemeinschaftserlebnis dar. Auch könne die Kultur zur Demokratisierung der Gesellschaft beitragen, indem sie Anstoß zu Debatten gebe. In jüngerer Zeit rückt auch ihre Bedeutung als unmittelbarer Wirtschaftsfaktor sowie als Standortfaktor in den Fokus.38 5. Sportpolitik und Kulturpolitik Verschiedene Initiativen haben sich einer möglichen Aufnahme des Sports als Staatsziel ins Grundgesetz gewidmet.39 Hierzu gehört auch der DOSB, welcher ein entsprechendes Positionspapier herausgab.40 Sie wurden jedoch nicht umgesetzt, womit der Sport im Grundgesetz weiterhin 33 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sportförderung in Deutschland und der EU, Ausarbeitung , WD 10 – 001/08, S. 4, https://www.bundestag.de/resource /blob/413492/f0f56e8ef808a37d24c84b3a4244bbf6/wd-10-001-08-pdf-data.pdf. 34 Bundesregierung, Unterrichtung – 14. Sportbericht, a.a.O., S.15. 35 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 10 – 001/08, a.a.O., S. 4; Streinz, R. (2007). Deutschland als „Sportstaat “– Gegenseitige Erwartungen von Sport und Verfassung. Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik. Festschrift für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, S. 376. 36 Zitiert nach Hoppe, B. M. (2018). Kernaufgabe oder nice to have?. In Kultur-Interdisziplinäre Zugänge (S. 251- 293). Springer VS, Wiesbaden, S. 253. 37 Ebenda, S. 272. 38 Ebenda, 270. 39 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sport als Staatsziel im Grundgesetz, Ausarbeitung, WD 10 – 3000 – 069/18, S.1 und Fn. 1, https://www.bundestag.de/resource /blob/591832/139b6646e66df754ac8907697bfb2683/WD-10-069-18-pdf-data.pdf. 40 DOSB, Staatsziel Sport Positionspapier, 9. 12. 2006, https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber _uns/Grundsatzpapiere/Staatsziel-Sport.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 10 keine Erwähnung findet, insbesondere nicht als Staatszielbestimmung. Anders sieht es auf Landesebene aus. Dort haben 15 der 16 Bundesländer den Sport als Staatsziel bestimmt, Hamburg bildet die einzige Ausnahme unter den Ländern.41 Auch bezüglich der Kultur gab es Vorschläge, diese im Grundgesetz als Staatszielbestimmung zu verankern, welche jedoch nicht umgesetzt wurden.42 Dessen ungeachtet versteht sich die Bundesrepublik als Kulturstaat.43 So heißt es in Artikel 35 Abs. 1 S. 3 des Einigungsvertrages: „Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab.“44 Die Kultur hat demnach auch staatliche Funktionen.45 Nach Zimmermann/Geißler betrifft die Kulturpolitik fünf Felder: Religion, Kunst, Medien, Bildung und Wissenschaft, Freizeit und Sport.46 Gauger/Rüther verstehen Sportpolitik als notwendigen Teil einer solchen Kulturpolitik.47 Der Sport sei gewachsenes Kulturphänomen und verstehe sich auch selbst als Kulturgut. Er sei immer schon eine enge Symbiose mit Kunst und Literatur eingegangen, indem er Bildhauer, Schriftsteller, Musiker, Film- und Theaterschaffende inspiriert habe. Fasziniert von der sportlichen Leistung, der Spannung des Wettbewerbs und der Ästhetik hätte eine Vielzahl von Künstlern den Sport in ihren Werken verewigt.48 6. Mögliche Verknüpfung von Sport- und Kulturangeboten Der Sport kann mithin als Teil der Kulturpolitik verstanden werden. Der Sportbericht der Bundesregierung 2019 befasst sich daher auch mit seiner Rolle als Ansatzpunkt für die kulturelle Vermittlung.49 Er tut dies unter der Annahme, dass sich durch das Interesse am Sport auch Menschen erreichen ließen, die sonst nicht in Museen oder Konzertsälen gingen.50 Dies hat die Bundesregierung veranlasst, bestimmte Vorhaben zu fördern, die Sport und Kultur verbinden. Dies 41 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 10 – 3000 – 069/18, S. 19 ff. 42 Ebenda, S. 6 und Fn. 14. 43 Gauger & Rüther, S. 18. 44 Artikel 35, Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889). 45 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung, Kulturpolitik und Parlament – Kulturpolitische Debatten in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945, WF X – 078/03, S. 6. 46 Zimmermann, H. V. O., & Geißler, T. Max Fuchs: Kulturpolitik und Zivilgesellschaft. Analysen und Positionen, S. 118. 47 Gauger, J. D., & Rüther, G. (2006). Kulturpolitik der Zukunft: Orientierung in der Modernisierung. Konrad-Adenauer -Stiftung. S. 19. 48 Gauger & Rüther, a.a.O., S. 34. 49 Bundesregierung, Unterrichtung – 14. Sportbericht, a.a.O., S. 152. 50 Ebenda. Mögliche wissenschaftliche Erhebungen zu einem derartigen Zusammenhang zwischen Kultur und Sport sind bisher jedoch – soweit ersichtlich – nicht vorhanden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 11 gilt insbesondere im Bereich des Fußballs. Hier gibt es Einrichtungen wie die DFB-Kulturstiftung 51 und die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur,52 welche sich explizit dem Ziel widmen, Kultur und Fußball zu verbinden. Die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur ist nach ihrem Selbstverständnis Anlaufstelle für all diejenigen, die Fußball als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen verstehen. Sie betont die Bezüge, die der Fußball auch zu Musik, Literatur und bildender Kunst schaffen und damit „Fans wie Akademiker“ ansprechen kann.53 In Verbindung mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland organisierte die DFB-Kulturstiftung unter der künstlerischen Leitung von André Heller ein Kunst- und Kulturprogramm. Von 2003 bis 2006 gab es in verschiedenen Städten Ausstellungen zum Thema Fußball, ebenso Tanz- und Theateraufführungen etc.54 Das 2015 eröffnete Deutsche Fußball-Museum in Dortmund widmet sich der Geschichte dieses Sports und präsentiert eine Vielzahl von Exponaten.55 Auch in jüngeren Jahren haben besonders Fußballereignisse Anlass für Veranstaltungen gegeben, die Sportliches mit Kulturellem verbanden. Das Projekt „Kultur im Quartier“ präsentierte im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 Kunst und Fußball-Kultur aus Brasilien in Kombination mit Übertragungen der WM-Spiele. In ähnlicher Form wurde „Kultur im Quartier“ auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich angeboten. Das Projekt „Copa da Cultura 2.0“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin bot 2014 Konzerte mit brasilianischer Musik in Verbindung mit Public Viewing dar. Zuletzt wurde in der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur in Nürnberg eine Ausstellung des Goethe-Instituts gezeigt („Futebol“), welches Arbeiten von zwölf bildenden Künstlerinnen und Künstlern insbesondere aus der Perspektive Südamerikas zeigte.56 Auch im privaten Bereich gibt es Angebote an der Schnittstelle zwischen Sport und Kultur. Der Berliner Verein Brot & Spiele e.V. versteht sich als Treffpunkt für „Kulturbegeisterte und Sportfans “, der sport- und fußballkulturelle Veranstaltung organisiert. Dazu gehören etwa Lesungen, Podiumsdiskussionen und seit 2004 insbesondere das internationale Fußballfilmfestival 11mm.57 Dessen Leiter Birger Schmidt, ein Gründungsmitglied von Brot & Spiele e.V., erhielt 2019 das 51 DFB, DFB-Kulturstiftung, https://www.dfb.de/dfb-kulturstiftung/start/ 52 Deutsche Akademie für Fußball-Kultur, Website, https://www.fussball-kultur.org/akademie/profil /?L=0%27cHash%3Debddaf0942973ca052aca2d485aaa9bb%27%22%27A%3D0. 53 Ebenda. 54 DOSB, Website, Bilanz zum Kunst- und Kulturprogramm der FIFA WM 2006, https://www.dosb.de/sonderseiten /news/news-detail/news/bilanz-zum-kunst-und-kulturprogramm-der-fifa-wm-2006-liegtvor /?no_cache=1&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail &cHash=fd2de492ddf77617107d324fd4c741f1. 55 Deutsches Fußball-Museum, Website https://www.fussballmuseum.de/. 56 Bundesregierung, Unterrichtung – 14. Sportbericht, a.a.O., S. 152. 57 Ein Überblick über die Veranstaltungen findet sich auf der Website des Vereins Brot & Spiele e.V., https://brotund -spiele.com/index.html#filter=.portfolio. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 053/19 Seite 12 Bundesverdienstkreuz.58 Es gelinge dem Verein „Brot & Spiele“, Jugendliche zu erreichen, „die über althergebrachte Formate kaum einen Zugang zu politischer Bildung bekommen würden.“59 Das Filmfestival „11mm“ könne über das Thema Fußball gesellschaftliche und politische Fragen über soziale und kulturelle Grenzen hinwe vermitteln und Dialoge entstehen lassen. Ein historisches Beispiel der Wechselwirkungen zwischen Sport und Kultur stellten auch die früheren Kunstwettbewerbe bei den Olympischen Spielen dar. Diese fanden von 1912 bis 1948 insgesamt sieben Mal im Rahmen der Olympischen Spiele statt. Bewertet und prämiert wurden Werke in den Bereichen Architektur, Bildhauerei, Malerei, Musik, und Literatur, welche eine direkte Beziehung zum Sport hatten.60 Der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, Pierre de Coubertin, wollte mit den Kunstwettbewerben an das historische Vorbild der griechischen Spiele anknüpfen und „Muskel und Geist“ vereinen.61 Der künstlerische Wert der erbrachten Leistungen war indes strittig.62 Die Wettbewerbe fanden ihr Ende im Streit über den fehlenden Amateurstatus der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler.63 **** 58 Bundespräsident, Website, Matinee und Ordensverleihung zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes, 22. Mai 2019, http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Berichte/DE/Frank-Walter-Steinmeier/2019/05/190522-OV-Matinee -Gelebtes-GG.html. 59 Ebenda. 60 Tzschoppe, P. (2016). Zwischen Tradition und Veränderung: Olympische Kunstwettbewerbe. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge: Jahrgang 53 (2012) Heft 2, 34. 61 Ebenda, S. 33 f. 62 Ebenda, S. 41. 63 Ebenda, S. 38 f.