© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 049/19 Zulässigkeit der Verwendung öffentlicher Texte Insbesondere von Zeitungs- und Blogartikeln im Lichte des Urheberrechts Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 2 Zulässigkeit der Verwendung öffentlicher Texte Insbesondere von Zeitungs- und Blogartikeln im Lichte des Urheberrechts Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 049/19 Abschluss der Arbeit: 11.07.2019 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Einordnung in den Schutzbereich des Urheberrechts 4 2.1 Allgemein 4 2.2 Zeitungsartikel 4 2.3 Blogartikel 5 3. Grundsatz: Zustimmung des Urhebers erforderlich 5 4. Schranken des Urheberrechts/ Privilegierte Nutzungen 6 5. Folge bei Verstößen 8 6. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 4 1. Einleitung Die Verwendung öffentlicher Texte stellt stets eine urheberrechtliche Problematik dar. Insbesondere , wenn der gesamte Text der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden soll, ist Vorsicht geboten. Nachfolgend soll beispielhaft an den Fallkonstellationen von Zeitungs- und Blogartikeln deren Einordnung in den Schutzbereich des Urheberrechts und die damit verbundenen Konsequenzen summarisch erläutert werden. 2. Einordnung in den Schutzbereich des Urheberrechts 2.1 Allgemein Grundsätzlich fallen jegliche Formen von Texten als Schriftwerke unter den Schutzbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG)1. Voraussetzung ist allein, dass sie ihrer Darstellungsform nach oder wegen ihres Inhaltes eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten.2 2.2 Zeitungsartikel Zeitungs- und Zeitschriftenartikel stellen regelmäßig eine solche persönliche geistige Schöpfung dar. „[Dies] nicht nur dann, wenn es sich um feuilletonistische Beiträge, Kommentare, Glossen und dergleichen handelt, sondern auch, wenn es um die Beurteilung nachrichtlicher Texte geht.“3 Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung4 vom 30. April 2004 hierzu ausgeführt: „Die vielfältigen Möglichkeiten, ein Thema darzustellen, die fast unerschöpfliche Vielzahl der Ausdrucksmöglichkeiten führen dazu, dass ein solcher Artikel nahezu unvermeidlich die Individualprägung seines Autors erhält. Dies gilt nicht nur für Artikel, in die die eigene Meinung des Autors einfließt, wie etwa Kommentare, sondern auch für die reine Berichterstattung. Auch dort wird die Darstellung regelmäßig durch die individuelle Gedankenformung und -führung des Verfassers geprägt sein. Aber selbst soweit das nicht der Fall ist, kann sich eine individuelle Prägung immer noch aus der besonders geistvollen Form der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs ergeben. Das wird insbesondere für die Tatsachenberichterstattung zu gelten haben. Dass auch der Gesetzgeber von der prinzipiellen Schutzfähigkeit von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln ausgegangen ist, zeigt bereits die Vorschrift des § 49 UrhG. Eine Grenze der 1 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), vom: 09.09.1965, zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 28.11.2018, online abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/UrhG.pdf. 2 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 48. 3 Schippan, Der Schutz von kurzen Textwerken im digitalen Zeitalter, ZUM 2013, 358, 367. 4 Kammergericht, Urteil v. 30.04.2004, GRUR-RR 2004, 228, 229. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 5 Schutzfähigkeit ist erst dort zu ziehen, wo es sich um kurze Artikel rein tatsächlichen Inhalts handelt, etwa um kurze Meldungen oder Informationen.“ Die Grenze des Schutzbereichs wird also erst dort anzusehen sein, wo es sich um einen allein auf Fakten basierenden Sachtext handelt. Hierbei ist stets eine fallbezogene Einzelbetrachtung anzustellen , wobei aufgrund der Spannbreite der Gestaltungsmöglichkeiten eines Textes, die Beiträge meist eine persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 UrhG darstellen.5 2.3 Blogartikel Für Blogs gilt grundsätzlich das oben gesagte. Auch hier können die einzelnen Beiträge als Sprachwerke urheberrechtlich geschützt sein. Hinzukommend kann auch die Auswahl, Zusammenstellung und grafische Darstellung der Beiträge dem Schutz des Urheberrechts unterfallen.6 3. Grundsatz: Zustimmung des Urhebers erforderlich Unterfallen die Texte dem Urheberrecht, so hat der Verfasser grundsätzlich gemäß § 12 UrhG allein das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Wie die Wissenschaftlichen Dienste bereits zusammenfassten: „[Hat] der Urheber […] zudem gemäß § 15 Absatz 1 UrhG „das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten.“ Dies umfasst gemäß § 15 Absatz 1 UrhG insbesondere das Vervielfältigungsrecht und das Verbreitungsrecht. Gemäß § 15 Absatz 2 UrhG hat der Urheber „ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe)“, was unter anderem das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG umfasst. Dieses „ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist“ (§ 19a UrhG). Öffentlich ist die Wiedergabe gemäß § 15 Absatz 3 UrhG, „wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.“ Gemäß § 31 UrhG kann der Urheber auch einem anderen das Recht einräumen , „das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht)“. Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden.“7 Urheberrechtlich geschützte Texte dürfen also nicht ohne Zustimmung des Urhebers übernommen und veröffentlicht werden. Dies selbst dann, wenn die Texte bereits durch Veröffentlichung 5 BGH, Urteil v. 16.01.1997, GRUR 1997, 459, 460; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht , 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 54. 6 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 158. 7 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, WD 7 - 3000 - 007/17, veröffentlicht am: 25. 01. 2017, online abrufbar unter: https://www.bundestag .de/resource/blob/496962/7abe53c7aed895a9c7d8b0c4502f3617/wd-7-007-17-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 6 des Urhebers selbst der Öffentlichkeit bereits zugänglich waren. Vielmehr muss vor der Verwendung ein Nutzungsrecht eingeholt werden. 4. Schranken des Urheberrechts/ Privilegierte Nutzungen Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Urheberrecht Schrankenregelungen in den §§ 44 a ff. UrhG enthält. Durch die Schranken des Urhebergesetzes soll ein Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, denen grundsätzlich das ausschließliche Nutzungsrecht zusteht, und gegenläufigen Interessen geschaffen werden.8 Sogenannte privilegierte Nutzungen sind unter anderem: Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare, § 49 UrhG: Im Interesse der Allgemeinheit an umfassender und rascher Berichterstattung ist die Verbreitung einzelner Artikel aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern in anderen Zeitungen und Informationsblättern dieser Art sowie die öffentliche Wiedergabe solcher Artikel, wenn sie politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen und nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen sind, zulässig (Abs. 1).9 Nach dem Wortlaut erfasst der Begriff der „Informationsblätter“ nur Printmedien. Allerdings ist eine analoge Anwendung auf Texte aus dem Internet aufgrund der wachsenden Bedeutung von Online Medien geboten.10 Erfasst werden somit auch Blogs. Bei der öffentlichen Zugänglichmachung hatte der Gesetzgeber vor allem die Übernahme von Rundfunkkommentaren im Rundfunk im Auge.11 Ebenfalls zustimmungsfrei ist nach Abs. 2 die Übernahme von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten. Soweit man jedoch – wie oben – reine Sachtexte von dem Schutzbereich des Urheberrechts ohnehin ausnimmt, hat letztere Reglung lediglich deklaratorische Wirkung.12 Zulässig nach § 49 UrhG ist deshalb lediglich die Verbreitung der oben genannten Artikel in Zeitungen und Informationsblättern oder internen elektronischen Pressespiegeln.13 Zitat, § 51 UrhG: Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist immer nur ein Zitat in 8 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Leistungsschutzrechte von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen im Zeitalter der Digitalisierung, WD 10 - 3000 -045/09, veröffentlicht am: 28.04.2009, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/412172/d4f3c3681b055a8e05b071227bebb2ad/wd-10-045-09- pdf-data.pdf. 9 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 49 Rn. 1. 10 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 49 Rn. 7. 11 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 49 Rn. 19. 12 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 49 Rn. 13. 13 Engels, in: BeckOK Urheberrecht, 24. Auflage 2019, § 49 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 7 dem vom Zweck gebotenen Umfang.14 Zitatzweck muss sein, dass „das zitierte Werk zur Erläuterung des Inhalts des aufnehmenden – nicht des zitierten– Werkes aufgenommen wird und darf nicht im Rahmen des aufnehmenden Werkes für sich selbst sprechen oder gar die Hauptsache des aufnehmenden Werks darstellen.“15 Entscheidend ist also, dass die Stelle als fremdes Werk erkennbar ist und das eigene Werk lediglich belegt. Soweit der Zitatzweck gegeben ist, ist das Zitieren in insgesamt vernünftigem und sachgerechtem Umfang zulässig.16 Dies erfordert stets eine einzelfallbezogene Abwägung. Die Verwendung eines Volltextes unterfällt jedenfalls nicht dem § 51 UrhG. Da jedoch der Inhalt des Textes, also die Fakten, nicht vom Urheberrecht geschützt ist, sondern lediglich seine sprachliche Ausgestaltung, darf der Inhalt mit eignen Worten wiedergegeben werden. Privatgebrauch, § 53 UrhG: Vervielfältigungen zum privaten und zum sonstigen eigenen Gebrauch sind in gewissen Grenzen zustimmungsfrei, soweit sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen. Die Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.17 Social Media: Auch im Bereich von Social Media können veröffentlichte Texte dem Urheberrecht unterfallen. „Je länger und origineller ein Text ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit , dass die Schöpfungshöhe bejaht wird.“18 Im Fall des bloßen „Teilens“ eines Beitrages liegt noch kein „Zu-Eigen-Machen“ fremder Inhalte vor, da in einem solchen Fall nur auf einen Beitrag hingewiesen wird.19 Nach Ansicht des LG Frankfurt/M. rechtfertigt eine Einwilligung zu dem Weiterleiten eines Texts in sozialen Netzwerken allerdings nicht, den Text zu kopieren und auf der eigenen Website zu veröffentlichen.20 Sowohl der BGH21 als auch der EuGH22 haben jedoch entschieden, dass eine Linksetzung auf fremde Inhalte im Internet grundsätzlich zulässig ist. Bedingung hierfür ist nach Ansicht des EuGH allerdings, dass der Text nicht einem „neuen“ Publikum zugänglich gemacht wird und ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt wird.23 14 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 51 Rn. 2. 15 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 51 Rn. 3. 16 Dreier, in: Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 51 Rn. 5. 17 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Veröffentlichung von Presseartikeln im Internet ohne Genehmigung, WD 7 - 3000 - 007/17, a.a.O. 18 Remmertz, Aktuelle Entwicklungen im Social Media-Recht, MMR 2018, 507. 19 OLG Dresden, Urteil v. 07.02.2017, MMR 2017, 542, 543. 20 LG Frankfurt/M., Urteil v. 17.07.2014, MMR 2015, 195, 196. 21 BGH, Urteil v. 17.07.2003, MMR 2003, 719, 722. 22 EuGH, Urteil v. 13.12.2014, MMR 2014, 260, 261. 23 EuGH, Urteil v. 13.12.2014, MMR 2014, 260, 261; EuGH, Urteil v. 08.09.2016, MMR 2017, 95, 98. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 049/19 Seite 8 5. Folge bei Verstößen Bei Verstößen gegen das Urheberrecht kommt sowohl eine zivil- als auch eine strafrechtliche Inanspruchnahme in Betracht. Zum einen kann derjenige, der gegen das Urheberrecht verstößt, gemäß § 97 UrhG auf Beseitigung, Unterlassen und bei Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Zum anderen kommt für den Fall, dass jemand ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, gemäß § 106 UrhG eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe in Betracht. 6. Fazit Bei der Verwendung öffentlicher Texte, insbesondere kompletter Zeitungs- oder Blogartikel, sollte - soweit sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen - am besten stets die Zustimmung des Urhebers eingeholt werden. Ein Zitat ist nur eingeschränkt möglich und keinesfalls zulässig, wenn es um die Verwendung eines Volltextes geht. Unproblematisch ist das „Teilen “ von Beiträgen im Bereich von Social Media, soweit dies ohne Kommentierung geschieht. Auch die Verlinkung eines Beitrages kann möglich sein. Abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen , drohen jedoch bei der Verwendung öffentlicher Texte erhebliche zivil- und strafrechtliche Folgen. ****