© 2015 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 049/15 „Magermodels“ in den Medien - Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 2 „Magermodels“ in den Medien - Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 049/15 Abschluss der Arbeit: 16.06.2015 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Umgang mit dem Thema Essstörung und „Magermodels“ im europäischen und nationalen Kontext 5 3. Möglichkeiten des staatlichen Schutzes von Jugendlichen und jungen Erwachsenen 9 3.1. Der staatliche Schutzauftrag 9 3.2. Jugendschutz 11 4. Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme und Umgang mit dem Thema Essstörungen und „Magermodels“ 13 4.1. Gestaltung der Rechtsordnung 13 4.2. Staatliche Pflicht zur Aufklärung und Warnung 14 4.2.1. Initiative „Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“ 15 4.2.2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – Essstörungen 16 4.2.3. Bundesministerium für Gesundheit 16 5. Rechtliche Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme auf Inhalte in Medien und Werbung 16 5.1. Gestaltung der Rechtsordnung 17 5.2. Jugendmedienschutz 19 5.2.1. Zuständigkeiten und Prüfungskompetenzen 20 5.2.2. Jugendgefährdende und die Entwicklung beeinträchtigende Inhalte (§§4, 5 JMStV) 22 5.2.3. Aufsichtsmaßnahmen 25 6. Möglichkeiten staatlicher Einflussnahmen durch Medienbildung 26 6.1. Erzieherischer Jugendschutz 26 6.2. IZI- Studie zur Rolle von Fernsehformaten bei psychosomatischen Essstörungen und die aus ihr hervorgehenden Konsequenzen für die Medien 27 7. Möglichkeiten des Verbots jugendgefährdender Internetforen (Pro-Anorexia Foren) 28 7.1. Möglichkeiten staatlicher Regulierung von Inhalten im Internet 30 7.2. Grundsätzliches Verbot von ProAna/ProMia-Seiten 31 7.3. Weitere Maßnahmen 33 7.4. Mögliche strafrechtliche Regelung nach französischen Vorbild 34 8. Fazit 35 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 4 9. Literaturverzeichnis 37 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 5 1. Einleitung Das Thema „Magermodels“ sorgt in Deutschland immer wieder für Schlagzeilen. Jüngst kam es zum Wiederaufleben der öffentlichen Diskussion um das medial verbreitete Schönheitsideal und dessen Einfluss auf Personen mit Essstörungen. Seit zehn Jahren sorgt die Sendung Germanys Next Topmodel (GNTM) von Heidi Klum, die vom Sender Pro 7 ausgestrahlt wird, für diverse Schlagzeilen. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) wurde vom Verein Pinkstinks mit Hilfe einer Onlinepedition aufgefordert, die Sendung erneut durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) überprüfen zu lassen. Anlass hierfür war eine im April 2015 veröffentlichte IZI-Studie zum Einfluss von Fernsehformaten auf Essstörungen. Erneut wurde durch eine Studie der weitverbreitete Einfluss der Medien auf das eigene Körperempfinden aufgezeigt. Keine neue Erkenntnis, dennoch erschreckend ist, dass viele Männer und (insbesondere) Frauen mit ihrem eigenen Körper unzufrieden sind, da sie glauben, dem vermeintlichen Standard nicht zu entsprechen . Das medial verbreitete Schönheitsideal des schlanken Körpers transportiert ferner ein gesellschaftliches Wertesystem angelehnt an das eigene Aussehen. Schlanksein wird mit Belastbarkeit , Erfolg, Flexibilität und gelungenem Selbstmanagement assoziiert. Körperfülle hingegen mit Versagen und Unattraktivität. Diese Diskussion um ein medial verbreitetes Schönheitsbild und seinen Einfluss insbesondere auf Jugendliche und junge Erwachsene ist kein Einzelfall. Das Thema „Magermodels“ ist wiederholt Teil des öffentlichen Diskurses geworden. Innerhalb der letzten Jahre erhielt das Thema auch eine politische Relevanz. Neben der betroffenen Modebranche wurde der Staat auf unterschiedliche Arten aktiv. Vorreiter bezüglich eines gesetzgeberischen Handelns sind Israel und Frankreich. In Deutschland gibt es kein vergleichbares Handeln durch den Gesetzgeber. Die bisher getroffenen Regelungen, um dem Problem der zu mageren Models zu begegnen, fußten vielmehr auf Formen der Selbstregulierung der Modebranchen und staatlichem Informationshandeln . Ein gestörtes Essverhalten allein ist noch keine Krankheit, kann sich jedoch schnell zu einer entwickeln . Essstörungen können in verschiedenen Formen auftreten. Meist sind die Grenzen der einzelnen Krankheitsformen nicht eindeutig. Magersucht (Anorexia nervosa), Bulimie (Bulimia nervosa) und Binge-Eating-Störung sind die drei weitverbreitetsten Formen einer Essstörung, die aber auch in einander übergehen oder sich abwechseln können. Anorexie gilt als die gefährlichste Essstörung mit den meisten Toten. Während das medialverbreitete Schönheitsbild, der Druck der Modebranche und umstrittene Castingshows im Fernsehen als Mitverantwortliche für die Entwicklung und Unterstützung diverser Essstörungen gelten, zielen sogenannte ProAna-Foren darauf ab die Krankheit positiv zu besetzen. Auf diesen unterstützen sich Betroffene gegenseitig in ihrer Essstörung und die Krankheit selbst wird zum Lebensstil und Lebensziel aufgewertet . Welche (rechtlichen) Möglichkeiten dem Staat zustehen, Einfluss auf die genannten Akteure zu nehmen und mit den Themen „Essstörung“ und „Magermodels“ umzugehen, soll im Folgenden erörtert werden. 2. Umgang mit dem Thema Essstörung und „Magermodels“ im europäischen und nationalen Kontext In Frankreich wurde der Umgang mit „Magermodels“ Gegenstand der Gesetzgebung im Rahmen einer Gesundheitsreform im April 2015. Ziel dieses umstrittenen Gesetzes ist einerseits, den in der Bevölkerung verbreiteten Essstörungen entgegenzuwirken und andererseits auf das durch die Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 6 Modeindustrie geförderte Schönheitsbild Einfluss zu nehmen. Das neue Gesetz hat daher drei verschiedene Ansätze: es beinhaltet ein Verbot der Anstellung von Models, die einem Gesundheitstest am Maßstab des Body Mass Index (BMI) nicht standhalten können, die Pflicht zur Kennzeichnung von retuschierten Bildern und eine Bestätigung des 2008 eingeführten Strafrechtstatbestand „Anstiftung zur Magersucht“. Ersteres beinhaltet somit ein Berufsverbot von sogenannten „Magermodels“ und eine Pönalisierung der Agenturen, Fotografen oder sonstigen Modeagenturen , die sich nicht an die Körpermaßvorgaben halten. Kritisiert wurde hierbei, dass der BMI nicht als einziger Maßstab einer Essstörung herangezogen werden kann. Dies führe zu einer Stigmatisierung von schlanken Models, die von Natur aus einen gewissen BMI Wert unterschreiten, als essgestört.1 Als Vorbild für die französische Initiative ist das israelische Gesetz aus dem Jahr 2013 zu nennen . Dieses stellt die Anstellung (Laufsteg, Werbung) bzw. das Buchen von zu mageren Models unter Strafe. Darüber hinaus besteht eine Kennzeichnungspflicht von retuschierten Werbe- oder Modefotografien. 2 Wie auch in Frankreich war Anlass hierfür der Tod von untergewichtigen Models an den Folgen ihrer Magersucht. In Österreich gibt es Bestrebungen, vergleichbare Regelungen einzuführen. Österreichs Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) plädiert für ein Verbot von „Magermodels“ und eine Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Werbefotos. Sie sieht die Schuld nicht beim Model, sondern bei denen, die sie anstellen, wenn sie ein gewisses Körpergewicht unterschreiten und fordert daher eine Pönalisierung der Modelagenturen.3 Während Israel und Frankreich ein gesetzliches Verbot anstrebten, setzen Italien, Spanien und Deutschland auf freiwillige Verhaltensregeln.4 Im Jahr 2008 erarbeiteten Igedo Company, das 1 Vgl. näher dazu die Novellierung des Gesundheitsgesetzes: http://www.assemblee-nationale.fr/14/cri/2014- 2015/20150200.asp#P497074, (Stand 02.06.2015); http://www.legifrance.gouv.fr/affichLoiPreparation.do;jsessionid =D08B8AAD264F718EF159988483BD1A4D.tpdila20v_3?idDocument =JORFDOLE000029589477&type=general&typeLoi=proj&legislature=14, (Stand 02.06.2015); LeParisien, La loi interdit les mannequins trop maigres, L'Assemblée a voté l'interdiction de l'emploi de mannequins trop maigres. http://www.leparisien.fr/laparisienne/societe/la-loi-interdit-les-mannequins-trop-maigres-03-04-2015- 4662687.php#xtref=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F, (Stand 02.06.2015); Picy, Emily, France bans super skinny models in anorexia clapdown, abrufbar unter: http://www.reuters.com/article/2015/04/04/us-franceanorexia -idUSKBN0MU0JK20150404, (Stand 02.06.2015); Willsher, Kim: France votes to ban ultra-thin models in crackdown on anorexia, abrufbar unter: http://www.theguardian.com/fashion/2015/apr/03/france-bansskinny -models-crackdown-anorexia, (Stand: 02.06.2015). 2 Vgl. näher dazu: Gesetz gegen Schlankheitswahn, Israel verbannt Magermodels per Gesetz, abrufbar unter: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesetz-gegen-schlankheitswahn-israel-verbannt-magermodels-per-gesetz /7659358.html, (Stand 02.06.2015); dailymail.co.uk: Israel bans adverts featuring super skinny models in bid to crack down on eating disorders (so Kate Moss and Naomi Campbell are out), abrufbar unter: http://www.dailymail.co.uk/news/article-2117725/Israel-bans-use-ultra-skinny-models-Kate-Moss-Naomi- Campbell-out.html, (Stand 02.06.2015). 3 Fankhauser, Hermann, Warum ein Verbot gegen Magermodels nichts bringt, abrufbar unter: https://www.fischundfleisch.com/blogs/lifestyle/warum-ein-verbot-gegen-magermodels-nichts-bringt.html, (Stand 19.05.2015); https://www.bmbf.gv.at/ministerium/vp/2015/20150407.html, (Stand 19.05.2015). 4 Vgl. Picy (Fn. 1). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 7 deutsche Mode-Institut, GermanFashion Modeverband Deutschland e.V. und der Verband lizenzierter Modellagenturen e.V. in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit eine Nationale Charta der deutschen Textil-und Modebranche im Rahmen der „Initiative Leben hat Gewicht“. Ziel dieser Charta ist, durch ein gemeinsames Engagement die Öffentlichkeit für ein gesundes Körperbild zu sensibilisieren und einen Bewusstseinswandel in Gang zu setzen. Hierbei verpflichteten sich die Unterzeichner der Charta u.a. zur Förderung und Vermittlung eines gesunden und vielfältigen Körperbildes und zum Einsatz von Models, deren BMI nicht weniger als 18,5 betrage und die ein Mindestalter von 16 Jahren erfüllen.5 Eine Vereinbarung zwischen spanischen Behörden und Akteuren der Modeindustrie hatte zum Ziel, Kleidergrößen an die real existierenden Kundinnen und nicht medial verbreiteten Schönheitsbilder anzugleichen. Dies wurde durch die Regelung von einheitlichen Größen, dem Ausschluss zu dünner Schaufensterpuppen6 und der Abschaffung der Spezialabteilung „große Größen “ in den Kaufhäusern angestrebt.7 1999 als Empfehlung an die Modebranche gerichtet, wurde die Regelung als Richtlinie gesetzlich verankert, nachdem 2006 ein deutlicher Anstieg an magerund brechsüchtigen Spanierinnen verzeichnet wurde.8 Auch im Rahmen privater Verträge kann der Staat Einfluss auf medial verbreitete Schönheitsbilder nehmen. Jüngst kam es in Berlin zu einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung, gegen (vermeintlich) sexistische Werbung auf bezirkseigenen Flächen. Diese beauftragte durch den Beschluss vom 03.03.2015 das Bezirksamt, die Verträge für die bezirkseigenen Werbeflächen im Rahmen der Vertragsfreiheit dergestalt anzupassen, dass die Präsentation von diskriminierender , frauenfeindlicher und sexistischer Außenwerbung auf bezirkseigenen Flächen nicht mehr zulässig ist. Zudem ist das Bezirksamt gehalten, in künftigen Werbeverträgen ein Verbot von 5 Näher hierzu: Nationale Charta der deutschen Textil-und Modebranche im Rahmen der „Initiative Leben hat Gewicht“. 6 So müssen die im Schaufenster ausgestellten Kleider mindestens Größe 38 haben und üppige Schaufensterpuppen sollen die Fenster schmücken. 7 Vgl. näher hierzu: Initiative gegen Magermodels: Hau´rein Puppe!, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche .de/leben/initiative-gegen-magermodels-hau-rein-puppe-1.232631, (Stand 18.05.2015). 8 Vgl. DiePresse.com, „Laufstegverbot“ für dürre Models, abrufbar unter: http://diepresse.com/home/leben /mode/107758/Madrid_Laufstegverbot-fur-durre-Models, (Stand 18.05.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 8 Werbung, „die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität herabwürdigt“, zu verankern.9 Vorbilder dieses Beschlusses waren Verbote in Großbritannien 10 und Österreich11. Vorreiter aller Regelungen und Maßnahmen gegen den Magerwahn in der Modeindustrie waren freiwillige Selbstbindungen der Modebranche unabhängig staatlicher Einflussnahme. So verpflichteten sich in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich einzelne Verbände, Designer und Veranstalter von Modewochen und verbannten die Anstellung und Abbildung von untergewichtigen Models. Zum Beispiel bekannten sich die Zeitschriften Vogue und Brigitte die sogenannten „Magermodels“ nicht abzudrucken.12 Im Jahr 2006 wurden erstmals in Madrid auf der Modewoche Pasarela Cibeles zu magere Models vom Laufsteg ausgeschlossen. Seitdem unterbinden die Veranstalter regelmäßig das Auftreten von Models aufgrund ihres Untergewichts. Diesem Beispiel folgten Veranstalter in Italien und Frankreich. Auch in Berlin und Düsseldorf kam es zu solchen Ausschlüssen. Die Reaktion auf viele Todesfälle in der Modebranche in London war der Ausschluss von Models unter 16 Jahren vom Laufsteg, sowie der Pflicht, jährliche Gesundheitstests bei Models durch ihre Agenturen anzuordnen.13 Neben staatlichen Aufklärungshandeln, gab es auch Initiativen privater Akteure der Modebranche . Das französische magersüchtige Model Isabelle Caro, das 2010 an ihrer Krankheit verstarb, 9 Näher hierzu: : Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg gegen sexistische Werbung auf bezirkseigenen Flächen, Hintergründe, Ausgestaltung, rechtliche Aspekte, nationaler und internationaler Vergleich (Ausarbeitung – WD10 – 3000 – 45/15), S. 8; http://www.berliner-zeitung.de/berlin /berliner-bezirk-prueft-werbetafeln-zehn-verbote-gegen-sexismus-auf-werbe-plakaten-in-kreuzberg ,10809148,30499294.html, (Stand 19.05.2015). 10 Detaillierte Informationen über die Debatte um das Verbot der Beach Body Werbung in der Londoner U-Bahn: SpiegelOnline, Wirkungsvoller Protest in London: Aus für die Strandfigur-Werbung, Artikel vom 29.04.2015, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/beachbody-werbung-aus-londoner-u-bahn-verbannt-a- 1031371.html (Stand 19.05.2015). 11 Mehr Informationen zur Situation in Österreich unter: http://www.werbewatchgroup-wien.at/, (Stand 19.05.2015); https://girlgangsover.wordpress.com/, (Stand 19.05.2015). 12 Vgl. dpa: Gesetz gegen Schlankheitswahn, Israel verbannt Magermodels per Gesetz, Tagesspiegel vom 20.01.2013, abrufbar unter: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesetz-gegen-schlankheitswahn-israel-verbannt -magermodels-per-gesetz/7659358.html, (Stand 18.05.2015). 13 Vgl. Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Birgitt Bender, Priska Hinz (Berborn), Ulrike Höfken, Kai Gehring, Britta Haßelmann, Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Hungern in der Überflussgesellschaft - Maßnahmen gegen die Magersucht ergreifen (Drs. 16/ 7458), S. 3; Näher dazu auch im Bundestag-Plenarprotokoll 16/145 zur Drs. 16/ 7458, S. 15332 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 9 posierte für den italienischen Fotograf Oliviero Toscani. Der Benneton – Fotograf und die Bekleidungsmarke "No-lita“ zielten mit der (privaten) Aufklärungskampagne darauf ab, ein Zeichen gegen Essstörungen zu setzen.14 3. Möglichkeiten des staatlichen Schutzes von Jugendlichen und jungen Erwachsenen 3.1. Der staatliche Schutzauftrag Sowohl das Recht auf Leben als auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit beinhalten eine Abwehr- und eine Schutzpflichtdimension. Dies bedeutet, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG eine staatliche Pflicht ableiten lässt, Schutzmaßnahmen für das menschliche Leben zu treffen. Auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit lässt einen sogenannten Gesundheitsschutz entstehen . Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 S.1 GG und den Schrankenbestimmungen einzelner Grundrechte wie u.a. Art. 11 Abs. 2 GG, Art. 13 Abs. 7 GG.15 Ausdruck dieses Gesundheitsschutzes ist beispielsweise das System der gesetzlichen Krankenversicherung.16 Ferner findet sich dieser Auftrag in der Regulierung des Rauchens in öffentlichen Räumen, in Regelungen des Straßenverkehrs 17 oder im Sport wieder. Grundsätzlich wird diese Schutzpflicht durch eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung18 des Bürgers ausgehebelt. Nach der herrschenden Ansicht in der Verfassungsrechtslehre besteht keine Pflicht, den Einzelnen vor der Selbstgefährdung oder Selbstschädigung durch beispielsweise Alkohol, Nikotin oder sonstige Noxen, sowie riskante Lebensarten zu schützen.19 Grenzen findet die Form der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung wiederum dann, wenn in einer situativen Verdichtung ein Nichteinschreiten der öffentlichen Gewalt eine Schutzpflichtverletzung darstellen würde.20 So kann etwa bei einer Kollision mit 14 Trotz großer Kritik an dieser Kampagne und Vorwürfen der Ausbeutung der damals angeblich nicht zurechenbaren Isabelle Caro und der Vermarktung ihrer Krankheit, sind die Fotografien bis heute in diversen europäischen Metropolen verbreitet. Dazu näher: Reis, Margot, Wie eine Magersüchtige ihre Krankheit vermarktete, abrufbar unter: http://www.welt.de/vermischtes/article1436760/Wie-eine-Magersuechtige-ihre-Krankheit-vermarktete .html, (Stand 19.05.2015). 15 Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2, Rn.81 – 93 (81, 82). 16 Schnapp, Friedrich E., Thema: Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge, DVBI 2004, S. 1053 ff (S. 1053). 17 Als Beispiel eines Schutzauftrags im Straßenverkehr ist die sogenannte Helmpflicht oder Gurtpflicht zu nennen. Art. 2 Abs. 1 und 2 GG schützen nach DiFabio nicht den wider besseren Wissens sich selbst Gefährdenden, nicht den infantil gebliebenen Erwachsenen, sondern die Persönlichkeit in sittlicher Verantwortung. Vgl. Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2, Rn. 85. 18 Bspw. das „Recht auf Rauchen“ eines Rauchers aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG oder im Rahmen des Hochleistungssports oder dem Betreiben von besonders gefährlichen Sportarten. 19 Steiner, Udo, Verfassungsfragen des Sports, in: Neue Juristische Wochenschrift, Heft 43 (1991), S. 2729 – 2737 (2734). 20 Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2, Rn. 83. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 10 Grundrechten Dritter oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Schutzauftrag des Staates aktiviert werden.21 Unbestritten ist die Ansicht eines umfassenden Ausschlusses der Schutzpflicht im Falle einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung nicht, da sich nach einer Gegenansicht aus Art. 2 Abs. 2 GG eine Pflicht zur gesundheitsgemäßen Lebensführung ableiten lasse.22 Geht man von einer Pflicht des Bürgers aus Art. 2 Abs. 2 GG aus, muss diese im Lichte der Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG ausgelegt werden, da dieser besagt, dass derjenige, der – gleich ob beruflich oder sportlich (oder berufssportlich) – zu Lasten seiner Gesundheit lebt, nicht per se rechtswidrig lebt.23 Kern der Diskussion ist daher, ob ein umfassender Schutzauftrag anzunehmen ist oder nicht. Eine Bejahung dieser Frage, könnte jedoch zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des freiheitlichen Lebensgefühls unserer Gesellschaft führen.24 Dennoch gibt es Situationen, die eine eigene Selbstgefährdung und Schädigung ausschließen und den Schutzauftrag des Art. 2 Abs. 2 GG des Staates aktivieren können. Das Beispiel Doping zeigt, dass staatliche Eingriffe in die Grundrechte des Einzelnen durch die auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gestützten Schutzpflichten zugunsten der körperlichen Unversehrtheit des Agierenden gerechtfertigt sein können. Aus diesem Grund scheint eine sorgfältige Abwägung der einzelnen Interessen, auch im Hinblick auf die Belastung der Solidargemeinschaft, unausweichlich.25 So unter anderem bei Auflagen im Sport, die den Ausschluss bei Doping thematisieren oder ein Verbot, an besonders gefahrträchtigen Stellen Sport zu treiben. Diese sind unter die Fallgruppe der staatlich repressiven Gesundheitsvorsorge zu fassen.26 21 Vgl. DiFabio zur Regulierung des Rauchens in öffentlichen Räumen: Im Rahmen des Schutzauftrags im Falle des Rauchens in öffentlichen Räumen ist nicht der Raucher selbst Adressat der Regelung. Hierbei stößt der Staat an die Grenzen der Grundrechte des Bürgers (bspw. Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG), und einer zulässigen eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Einem möglichen Schutzauftrag dem Raucher gegenüber wird durch das Anbringen von entsprechenden Warnhinweisen entsprochen. Kommt es hingegen wie im Rahmen des Rauchens in öffentlichen Räumen zur Kollision von dem „Recht auf Rauch“ des Einzelnen und dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit eines Anderen, ist eine Abwägung zugunsten des Nichtrauchers anzunehmen . Der Schutzauftrag besteht demnach gegenüber den Nichtrauchern. Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2, Rn. 83. 22 Vgl. Steiner (Fn. 19), S.2734; Diesem Gegenmodell schließt sich beispielsweise auch Singbartl/Dziwis an. Hierzu näher in: Singbartl, Jan/ Dziwis, Thomas, „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“: Einführung in das Sportrecht am Beispiels des Fußballs, in: Juristische Arbeitsblätter 2014, S. 407 ff. (412). 23 Steiner (Fn. 19), S. 2734. 24 Steiner (Fn. 19), S. 2735. 25 Singbartl/ Dziwis (Fn. 22), S. 412. 26 Hinsichtlich des Hochleistungssports oder dem Betreiben von besonders gefährlicher Sportarten ist der staatliche Schutzauftrag eingeschränkt. Grundsätzlich ist der Staat nicht verpflichtet regelnd einzuschreiten. Ausnahmen sind bei der Kollision mit anderen Recht anzunehmen. So etwa bei illegalen Straßenrennen durch die Gefährdung der Verkehrsteilnehmer oder dem Verbot des Tauchens in einem Teich der Fall. Vgl. hierzu näher Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2 Rn. 84; Horst/Jacobs, RdA 2003, 215 (217). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 11 Besteht eine Schutzpflicht des Staates, kann auch unabhängig von einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ein Einschreiten des Staates möglich sein. Neben der Einflussnahme des parlamentarischen Gesetzgebers durch die Gestaltung der Rechtsordnung, kann er durch Aufklärung und Warnung vor Gesundheitsrisiken, sowie einer Gefahrenvorsorge seinem Schutzauftrag gerecht werden.27 3.2. Jugendschutz Eine weitere Form des staatlichen Schutzauftrags ist der erzieherische28 und gesetzliche29 Jugendschutz . Wie der staatliche Schutzauftrag genießt der Jugendschutz Verfassungsrang.30 Grundsätzliche Richtlinien sind im Jugendschutzgesetz verankert. Ferner strahlt der Schutzauftrag in andere Regelungsfelder aus, so etwa in das Arbeitsrecht in Form des Jugendarbeitsschutzrechts. Das Jugendschutzgesetz dient dazu, dem staatlichen Schutzauftrag, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr geistiges, seelisches und körperliches Wohl zu bewahren, auch nachkommen zu können. Daher sieht es Altersgrenzen für die Abgabe von alkoholischen Getränken, Tabakwaren, Filmen und Computerspielen vor. Ferner regelt es Aufenthalte von Kindern und Jugendlichen in Gaststätten, Kinos, Diskotheken und sonstigen öffentlichen Tanzveranstaltungen sowie hierfür geltende abgestufte Zeit- und Altersgrenzen. Adressat dieses Gesetzes sind vor allem die Verantwortlichen im Einzelhandel, Gastronomie und Eventveranstalter.31 Im Abschnitt 3 des Jugendschutzgesetzes finden sich Regelungen hinsichtlich des Jugendschutzes im Bereich der Medien. Hierunter sind verschiedene Verfahren geregelt, die bei einer möglichen Gefährdung oder Beeinträchtigung der Jugend durch Medien eingeleitet werden können: dem Indizierungsverfahren, der Altersfreigabe und einem Prüfverfahren jugendschutzrelevanter Inhalte. Während man beim Indizierungsverfahren von einem hoheitlich-imperativen Charakter sprechen kann, stellt die Regelung über Altersfreigaben aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit staatlich unabhängigen branchenbezogenen Organisationen ein staatlich-kooperatives Modell dar.32 In Form des Jugendmedienschutz - Staatsvertrags wurde ein normatives Gerüst geschaffen, das dem Staat ein Einschreiten zubilligt, sofern die in ihm festgelegten Regulierungsziele durch 27 Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2, Rn. 88/ 89. 28 Vgl. Legaldefinition in § 14 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII; Jugendschutz durch Kompetenzvermittlung. 29 Jugendschutz durch Gefahrenabwehr (Vgl. JuSchG u.a.). 30 Während einerseits von einer Herleitung aus Art. 6 Abs. 1 GG, dem elterlichen Erziehungsrecht, ausgegangen wird, sehen andere die Wurzeln des Jugendschutzes in dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsrecht nimmt eine Ableitung aus Art. 6 Abs. 1 GG und „daneben“ aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG an. Vgl. hierzu näher: Eifler, Sandra, Das System des Jugendmedienschutzes in Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Saarbrücken 2011, S. 9. 31 Vgl. Vorwort zum Jugendschutzgesetz von Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Stand 2014). 32 Eifler (Fn. 30), S. 93. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 12 die sonst agierenden Selbstkontrolleinrichtungen nicht erreicht bzw. eingehalten werden.33 Bei der Überprüfung jugendschutzrelevanter Inhalte setzt der Staat daher auf das Prinzip der regulierten Selbstregulierung ohne jedoch dabei seine Gewährleistungsverantwortung zu vernachlässigen .34 Auch das Jugendarbeitsschutzrecht hat den Schutz der Gesundheit und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vor möglichen Gefahren und Beeinträchtigungen im Blick. Der Geltungsbereich greift nach dem Wortlaut des § 1 I JArbSchG und der Zwecksetzung des Gesetzes weiter als ein bloßes Anstellungs- bzw. Ausbildungsverhältnis in Betrieben und Verwaltungen. Er umfasst vielmehr „jede Beschäftigung in abhängiger Stellung, gleich an welchem Ort und in welchem Bereich, also z.B. auch im Familienhaushalt, sowie unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung und deren Wirksamkeit“.35 Erforderlich ist allein, dass die Beschäftigung in abhängiger Stellung privatrechtlicher Art erfolgt (vgl. §1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 JArbSchG).36 Gegenstand des Jugendarbeitsschutzes sind vor allem Arbeitszeitregelungen und Ruhepausen sowie Zulassungsvoraussetzungen. Gemäß §6 JArbSchG benötigen Kinder und Jugendliche, die noch der Vollzeitschulpflicht unterliegen eine Ausnahmegenehmigung der Arbeitsschutzbehörde . Der Aufsichtsbehörde muss zur Vorbeugung gesundheitlicher Schäden eine innerhalb der letzten drei Monate ausgestellte ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Diese muss ausweisen , dass gegen die konkret geplante Beschäftigung des Kindes keine gesundheitlichen Bedenken einzuwenden sind. Soweit Vorbehalte bestehen, kann eine Bewilligung unter Auflagen erteilt werden, sofern diese den ärztlichen Bedenken abhelfen können.37 Jedoch können auch Beschäftigungsverbote aufgrund gefährlicher Arbeiten, Akkordarbeit oder tempoabhängiger Arbeiten erteilt werden (vgl. §22 JArbSchG). Gefährliche Arbeiten sind solche, die die Leistungsfähigkeit 33 Eifler (Fn. 30), S. 68. 34 Der Staat besitzt hinsichtlich des Jugendschutzes eine Gewährleistungsverantwortung. Um dieser nachzukommen , wurde im Zuge des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags der nötige normative Rahmen gestellt, auf dem die freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen agieren können. Gleichzeitig wird ein Einschreiten des Staates nur dann als nötig befunden, sofern die im Staatsvertrag vorgegeben Regulierungsziele nicht erreicht werden. 35 Anzinger, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Auflage 2009, § 309 Einführung und Geltungsbereich, Rn. 6. 36 Anzinger (Fn. 35), § 309, Rn. 6. 37 ErfK/Schlachter JArbSchG § 6, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 13 übersteigen.38 Neben schweren körperlichen Belastungen können sittliche Gefahren gemäß §22 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG zu einem Beschäftigungsverbot führen.39 4. Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme und Umgang mit dem Thema Essstörungen und „Magermodels“ 4.1. Gestaltung der Rechtsordnung In Deutschland gibt es bisher kein gesetzgeberisches Handeln zum Problem „Magermodels“ und den damit zusammenhängenden Fragestellungen. Die bisher getroffenen Regelungen, um dem Problem der Models, die einen BMI – Wert von 18 unterschritten, zu begegnen, fußten vielmehr auf Formen der Selbstregulierung der Modebranchen und staatlichem Informationshandeln. Ein Verbot, das dem französischen Beispiel folgen würde und mit einer Sanktionierung verbunden wäre, könnte seine Grenzen in den einschlägigen Grundrechten der Beteiligten finden: so etwa in Art. 12 Abs. 1, 14, 11 GG aber auch in Art. 2 Abs.1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 I S. 1 GG (s.o.) oder den Gleichheitsrechten aus Art. 3 GG. Ein Verbot der Anstellung von Models würde insbesondere die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit von Auftraggebern (Agenturen, Fotografen) und Models einschränken. Als einheitliches Grundrecht schützt es sowohl Berufszugang als auch die Berufsausübung selbst. Sie umfasst selbständige und unselbständige Berufe.40 Die Berufsfreiheit kann jedoch durch ein formelles Gesetz eingeschränkt werden. Dieses muss im Sinne der Stufenlehre einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Diese im Apotheken-Urteil41 entwickelte Lehre lässt dem Gesetzgeber hinsichtlich der Regelung der Berufsausübung den größten Spielraum; hier genügen für eine Beschränkung „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“42. Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl wiegen weitaus schwerer und müssen deshalb an strengere Anforderungen gebunden werden . 43 Im Wege der praktischen Konkordanz müsste der Gesetzgeber die Probleme der Kollision von Berufsfreiheit der betroffenen Models und Agenturen mit dem staatlichen Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem staatlichen Jugendschutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 GG 38 Anzinger (Fn. 35), § 311, Rn. 48. 39 „Solche Gefahren liegen vor, wenn die allgemeinen moralischen Wertmaßstäbe Jugendlicher durch die Umstände bei der Arbeit nach objektiver Beurteilung negativ beeinflusst werden können, z.B. bei der Beschäftigung einer Jugendlichen als Bardame, bei der Herstellung oder dem Vertrieb pornographischer Filme. Das Beschäftigungsverbot des § 22 I Nr. 2 JArbSchG wird ergänzt und konkretisiert durch die VO über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten.“ Vgl. Anzinger (Fn. 35), § 311, Rn. 49; Zum Beschäftigungsverbot von weiblichen Jugendlichen mehr in der Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten. 40 Maunz/Dürig/Scholz GG Art. 5, Rn. 266/ 267. 41 BVerfG, 11.06.1958 - 1 BvR 596/56. 42 BVerfG, 02.03.2010 - 1 BvR 256/08, NJW 2010, S. 833, Rn. 293. 43 ErfK/Schmidt GG Art. 12, Rn. 26/ 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 14 auflösen. Hinsichtlich der Frage, ob Beschäftigungen von „Magermodels“ überhaupt einen gesundheitsschädigenden Einfluss haben, liegen bisher noch keine belastbaren Studien vor. Ob des weiten Einschätzungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers44, die Risiken und Gefahrenlagen zu bewerten und einer besonderen Beeinflussbarkeit und gesundheitlichen Gefährdung von Jugendlichen, könnte sich der Schutzauftrag des Staates durchsetzen. Insbesondere wenn man davon ausgeht, dass aufgrund Art. 2 Abs.2 GG eine Pflicht des Bürgers zu gesunder Lebensweise besteht und der Schutz dessen zum Allgemeinwohl zählt. Gleichermaßen kann ein Überwiegen des Schutzauftrages abgelehnt werden, könnten sich dadurch Einfallstore für weitere Regelungen und Grundrechtseinschränkungen im Sinne des Jugendschutzes und Gesundheitsschutzes bieten. Insbesondere da es jedem frei stehen sollte, sich zu schädigen und gesellschaftlich non-konform zu verhalten. Je nachdem welche Argumente einem plausibler erscheinen, können Eingriffe in weitere Grundrechte wie Art. 14 Abs. 145, 11 oder Art. 3 GG46 gerechtfertigt werden. Im Rahmen von Werbeverboten und retuschierten Fotografien kämen ferner Eingriffe in Art. 5 Abs 147 und 348 in Betracht. 4.2. Staatliche Pflicht zur Aufklärung und Warnung Aufgrund seines weiten Einschätzungsspielraums ist es dem Staat möglich, seiner Schutzpflicht durch Aufklärung und Warnhinweise nachzukommen. Dies tat er bereits beispielsweise durch Warnhinweise auf Zigarettenverpackungen.49 Darüber hinaus besteht eine Warn- und Aufklärungspflicht des Gesetzgebers über solche Krankheiten, die noch wenig bekannt sind oder ein erhöhtes Risiko für die Bevölkerung darstellen. Diesem Auftrag kam die Bundesregierung hinsichtlich der steigenden Zahl der an Essstörung erkrankten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf vielfältige Art und Weise nach. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Yvonne 44 Eine Grenze dieses Gestaltungsspielraums ist erst dann erreicht wenn seine Einschätzungen auf Erwägungen beruhen, die so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die gesetzgeberische Maßnahme abgeben können (BVerfG Beschl. v. 21. 12. 2011 − 1 BvR 2007/10, NJW 20/ 2012, 1062/ 1063). 45 Vgl. Maunz/Dürig/Papier GG Art. 14, Rn. 95. 46 Problematisch könnte einerseits eine Diskriminierung aufgrund des Gewichtes sein, andererseits die Tatsache, dass ein BMI-Wert an sich nicht immer als Indiz einer Magersucht gewertet werden kann. Extrem dünne Menschen , die von Natur aus einen zarten Körperbau haben und schwer an Gewicht zunehmen können, können durch so eine Regelung schnell als essgestört kategorisiert werden. 47 „Nach Art 5 Abs. 2 GG finden die Kommunikationsrechte des Art 5 Abs. 1 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Insbesondere der Jugendschutz kann daher als Rechtfertigung hinzugezogen werden. Diese für die Freiheitsrechte des Art 5 Abs. 1 GG selbständige Grundrechtsschranke verfolgt das Ziel des Jugendschutzes , der vor allem aufgrund des in Art 6 Abs. 2 S 1 GG verbrieften elterlichen Erziehungsrechtes Verfassungsrang genießt.“ Vgl. BeckOK GG/Schemmer GG Art. 5, Rn. 97-110 (Rn. 97/ 108). 48 Die Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG beansprucht keine Geltung für Art. 5 Abs. 3 GG. Dessen Schranken sind verfassungsimmanente Schranken wie kollidierende Grundrechte Dritter oder oberste Verfassungswerte, bzw. Sittengesetzen zu sehen. Vgl. Maunz/Dürig/Scholz GG Art. 5, Rn. 79/80. 49 Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2, Rn. 89. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 15 Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zur Gesundheitsgefährdung und Diskriminierung durch medial verbreitete Schönheitsideale weist sie im Jahr 2012 darauf hin, dass ihr Schwerpunkt auf Prävention, Aufklärung und Beratung läge. Ziel sei es insbesondere eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, Betroffene und ihr Umfeld zu sensibilisieren .50 Im Jahr 2012 führte die Bundesregierung ferner aus, dass sie von einem Gesetz zur Kennzeichnung von retuschierten Werbe- und Modebildern absehe, da ihr Fokus auf Gesundheitsförderung und Prävention bei jungen Menschen durch Aufklärung und Information liege.51 Die im Folgenden dargestellten Initiativen sind als Resultate dieses Vorhabens zu verzeichnen, wobei der Fokus auf den Krankheitsbildern und ihrer Prävention selbst liegt. Die Thematisierung von untergewichtigen Models und dem dadurch vermittelten Schönheitsbild findet darin meist Erwähnung, eine eigene Kampagne wurde diesem Thema jedoch noch nicht explizit gewidmet.52 4.2.1. Initiative „Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“53 Im Jahr 2007 wurde die Initiative „Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn “ von Bundesgesundheitsministerin a.D. Ulla Schmidt, Bundesfamilienministerin a.D. Ursula von der Leyen und Bundesbildungsministerin a. D. Dr. Annette Schavan zusammen mit der Publizistin Alice Schwarzer ins Leben gerufen. Ziel dieser Initiative ist es, der steigenden Anzahl an essgestörten Mädchen und Jungen durch die Vermittlung eines positiven Körperbildes und der Stärkung des Selbstwertgefühls entgegen zu wirken. In Kooperation mit Expertinnen und Experten verschiedener Branchen soll ein Gegengewicht zu dem verbreiteten Schönheitsideal gesetzt werden. Neben der Aufklärung und einem umfangreichen medialen Angebot zu und über die einzelnen Krankheiten, wurde außerdem ein Ratgeber „gegen Verherrlichung von Essstörungen im Internet“ für Eltern, Fachkräfte und Provider erstellt. Teil dieser Initiative ist eine Erarbeitung einer Nationale(n) Charta der deutschen Textil-und Modebranche im Rahmen der „Initiative Leben hat Gewicht“ zur Selbstbindung der Modebranche an gewisse Standards und einem Verzicht dieser auf Anstellung von untergewichtigen Models (s.o.).54 50 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Kathrin Senger- Schäfer, Matthias W. Birkenwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke vom 11.09.2012 (Drs. 17/10656), S. 2. 51 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Drs. 17/10656) (Fn. 50), S. 6. 52 Vgl. Kampagne der Bewegung „Pinkstinks“ zu Werbung und dem TV- Format Germany´s Next Topmodel, näher hierzu: https://pinkstinks.de/kampagnen/, (Stand 19.05.2015). 53 Näher hierzu: http://www.bmg.bund.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/essstoerung/leben-hat-gewicht /ueber-die-initiative.html, (Stand 18.05.2015). 54 Anmerkung: Besucht man die einzelnen Webseiten der genannten Unternehmen, ist kein Verweis/Hinweis auf die Unterzeichnung der Nationale Charta der deutschen Textil-und Modebranche im Rahmen der „Initiative Leben hat Gewicht“ zu finden. Auch stößt man nur auf manchen Seiten auf Bekenntnisse zur Verbreitung diverser Körperbilder oder Maße. Die Bundesregierung verweist 2012 auf die Selbstbindung der Unternehmen und der Tatsache, dass es sich um eine freiwillige Selbstbindung handle, deren Umsetzung allein der Modeindustrie obliege. Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Drs. 17/10656) (Fn. 50), S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 16 4.2.2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – Essstörungen Auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es ein umfangreiches Dossier über Essstörungen. Neben Basisinformationen zu Magersucht (Anorexia Nervosa), Bulimi , Binge – Eating Störung und sonstigen Essstörungen, wird der Frage nach auffälligem und normalen Essverhalten sowie Diäten Rechnung getragen. In diesem Kontext wird auch das medial vermittelte Schönheitsideal unter der Rubrik „Schönheit ist (nicht) alles“ und seine Ursachen thematisiert. Genannt werden Vorbilder aus der Mode-, Film- und Sportwelt, die Macht der Gruppe und der Risikofaktor Schlankheitswahn. Das Thema „Magermodels“ wird nur im Rahmen dieser Rubrik gestreift. Der Fokus liegt auf den Essstörungen selbst und den Adressaten der Webseite: Betroffene, Eltern und Lehr- /Mittlerkräfte.55 4.2.3. Bundesministerium für Gesundheit Auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit ist eine Kurzinformation mit Hinweisen zu Essstörungen zu finden. Im Zuge dieser Thematisierung wird den Medien dahingehend die Verantwortung zugesprochen, als dass sie Schlankheit immer wieder mit Attraktivität und Erfolg gleichsetzten. Somit komme es zu einem negativen Image von Menschen mit Übergewicht, das schließlich zur Entstehung von Essstörungen mitunter beitragen könne.56 5. Rechtliche Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme auf Inhalte in Medien und Werbung Insbesondere im Bereich der Inhaltsregulierung spielen aufgrund der Medienfreiheit aus Art. 5 I GG nicht-staatliche Regulierungsformen, wie Selbst- und Co-Regulierungen, eine prägnante Rolle. Fraglich ist daher, inwiefern Jugendliche und junge Erwachsene als Konsumenten vor möglichen schädigenden Medieninhalten geschützt werden können. Während von Seiten des Gesetzgebers Normerlass und die Entwicklung von medienpolitischen Strategien ausgehen, sind Regulierungsbehörden im Rundfunkt- und Telekommunikationssektor für operative Aufgaben wie Lizenzvergabe oder Aufsicht der Rundfunkanstalten57 zuständig.58 Vermehrt wird, wie im Kontext der Modebranche selbst, auf Selbst/ bzw. Co-Regulierung gesetzt, da inhaltliche Beschränkungen durch Verbote vor allem im Nachhinein, also durch nachträgliche Zensur, verhangen werden können.59 Ein Einschreiten der Kontrollbehörden wird insbesondere bei Verstoß gegen den Jugendschutz, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder sonstige strafrechtliche oder polizei – und ordnungsrechtliche Normen angenommen. 55 Hierzu näher: http://www.bzga-essstoerungen.de/index.php?id=32, (Stand 18.05.2015). 56 Vgl. näher: Essstörungen, Wenn „Essen“ das Leben bestimmt, abrufbar unter: http://www.bmg.bund.de/themen /praevention/gesundheitsgefahren/essstoerung/wenn-essen-das-leben-bestimmt.html, (Stand: 18.05.2015). 57 Solche Regulierungsbehörden sind Organisationen, die strukturell vom für das entsprechende Politikfeld zuständige Ministerium getrennt sind und damit nicht zur Verwaltung gehören. Vgl. hierzu: Puppis, Manuel, Einführung in die Medienpolitik, 2. Auflg., Konstanz 2010, S. 110. 58 Puppis (Fn. 57), S. 110. 59 Puppis (Fn. 57), S. 242. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 17 5.1. Gestaltung der Rechtsordnung Formen staatlicher Inhaltsregulierung von Medien sind neben inhaltlichen Beschränkungen60/ restriktiven Verboten staatlich initiierte positive Verpflichtungen61, welche die Rundfunkanbieter einzuhalten haben. Im Rahmen von Werbung kann zum Schutz der Konsumenten am Maßstab verschiedener einschlägiger Gesetze ein Werbeverbot oder eine Werbebeschränkung erwirkt werden .62 Während der staatliche Schutzauftrag bei jungen Erwachsenen nur sehr restriktiv ausgelegt werden und daher seltener zu Verboten und Verpflichtungen führen kann, bietet der Jugendschutz von Jugendlichen unter 18 Jahren einen breiteren Eingriffsspielraum. Das Jugendschutzgesetz stellt bei gefährdenden oder beeinträchtigenden Inhalten die Möglichkeit einer (nachträglichen ) Zensur durch ein Indizierungsverfahren63 bereit. Eine Selbstregulierung liegt vor, wenn private Akteure anstelle des Staates regulierend, also Vertreter der privaten Organisationen selbst, tätig werden, indem sie den Prozess der Regelsetzung, Regeldurchsetzung und Sanktionierung von Regelverstößen überwachen. 64 Zuständig ist hierfür eine von den Regulierten gegründete Organisation, eine sogenannte Selbstregulierungsorganisation . Diese agiert im Kontext staatlichen Einschreitens mehr reaktiv auf mögliches staatliches Einschreiten als präventiv.65 Beispiele sind die sogenannten Presse- und Medienräte, sowie der Deutsche Werberat. 60 „Inhaltliche Beschränkungen sind negative Vorschriften. Gewisse Inhalte werden verboten oder sind nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Dadurch soll sichergestellt werden, dass grundlegende Werte nicht verletzt und Rezipienten von für ungeeignet erachteten Inhalten geschützt werden.“ Vgl. Puppis (Fn. 57), S. 242. 61 „Inhaltliche Anforderungen sind inhaltliche Anforderungen, welche Rundfunkanbieter einzuhalten haben. Einerseits handelt es sich um sehr allgemein gehaltene inhaltliche Grundsätze wie Ausgewogenheit oder Vielfalt. Andererseits fallen aber auch Ausstrahlungsquoten unter die inhaltlichen Anforderungen. So kann von den einzelnen Sendern verlangt werden, dass ein bestimmter Anteil der Programme im Inland produziert wird oder in der/den nationalen Sprache/n ist. Diese positiven Verpflichtungen schreiben den Sendern indes die genauen Inhalte nicht vor, was aufgrund der Medienfreiheit nicht zulässig wäre, sondern bleiben allgemein oder beziehen sich lediglich auf die Programmstruktur.“ Vgl. Puppis (Fn. 57), S. 241. 62 Hierzu näher: , Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel, (Ausarbeitung WD10 – 3000/078 vom 20.Juli 2010). 63 Liegen jugendgefährdende Inhalte vor, setzt die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien auf Antrag das einschlägige Format auf die Liste Jugendgefährdender Inhalte. Trägermedien dürfen gemäß dem JuSchG Kindern und Jugendlichen nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden (Nr. 1), nicht im Versandhandel angeboten oder überlassen werden (Nr. 3)oder im Wege des Versandhandels eingeführt werden (Nr. 5). Von § 15 JuSchG sind auch solche Trägermedien umfasst, die nicht in die Liste aufgenommen wurden, jedoch schwer jugendgefährdend sind, also im Vergleich eine deutlich stärkere Intensität in Bezug auf Jugendgefährdung aufweisen(§ 11-15 JuSchG). Die Rechtsfolge von indizierten Telemedien hingegen ist im Jugendmedienschutz -Staatsvertrag selbst geregelt (§ 16 JuSchG). 64 Puppis (Fn. 57), S. 60. 65 Puppis (Fn. 57), S. 61. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 18 Co-Regulierungen sind Formen der Selbstregulierung, an denen der Staat beteiligt ist. Dieser setzt gewisse Rahmenbedingungen und verpflichtet die Branche gesetzlich zu einer Selbstbindung 66 und überwacht deren Umsetzung.67 Der selbstauferlegte Kodex der Organisationen unterbindet beispielsweise die Zugänglichmachung illegaler, rassistischer und jugendgefährdender Inhalte . Bei einem Verstoß kann das verantwortliche Unternehmen von der Organisation gerügt werden bzw. eine Geldbuße auferlegt bekommen. Der Jugendmedienschutz fußt in Deutschland auf dem Prinzip der regulierten Selbstregulierung. Grundsätzlich ist der Medienanbieter für sein Angebot allein verantwortlich, sofern er sich im gesetzlichen Rahmen bewegt. Neben dem Indizierungsverfahren spielt im Jugendschutz die Altersbegrenzung68 von Medienformaten eine große Rolle.69 Darüber hinaus bestehen Selbstregulierungscodices der Internet-Service-Provider, welche von den nationalen Verbänden verwaltet werden (Verband der deutschen Internetwirtschaft). Der Fokus dieser Selbstregulierung liegt auf Fragen nach der Haftung und Verantwortlichkeit, Datenschutz , der Handhabung illegaler und anstößiger Inhalte und Untersuchung von Beschwerden.70 Des Weiteren kann der Staat im Rahmen privater Verträge Einfluss auf medial verbreitete Schönheitsbilder nehmen (s.o.). Im Rahmen einer Co-Regulierung bzw. bei klassischen staatlichen Eingriffen im Sinne des staatlichen Schutzauftrags, müssen, wie zuvor schon erläutert, die Grundrechte der Beteiligten (so etwa betroffene Akteure aus der Medien – bspw. Rundfunkanstalten, Medienanstalten, Rundfunk - und Medienunternehmen, sowie deren Personal - oder Werbebranche) gewahrt werden. Betroffene Grundrechte sind einerseits die Medien- und Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG, sowie die Berufs(ausübungs)freiheit aus Art. 12 GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG.71 Ein weiteres übergreifendes Problem staatlich regulierenden Einschreitens ist die Nachweisbarkeit eines schädigenden Einflusses. Im Rahmen des Jugendmedienschutzes ist beispielsweise eine die Persönlichkeit und ihre Entwicklung schädigende Beeinflussung mögliche Voraussetzung eines Verstoßes. Wann von einer solchen jedoch ausgegangen werden kann, ist im Einzelfall 66 So beispielsweise die 1993 von den Privatfernsehen ins Leben gerufene „Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen “(FSF). Die bis 2003 als Selbstregulierungsorganisation agierende FSF wurde durch die Anerkennung der KJM daher ein Medium der Co-Regulierung. Im Internetbereich besteht analog zu dieser die „Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter“ (FSM), die 1997 von Verbänden und Unternehmen der Onlinewirtschaft gegründet wurde. 67 Puppis (Fn. 57), S. 62. 68 Neben Formen der Altersbeschränkung von Formaten, sind auch Sendezeiten von der Altersfreigabe abhängig. 69 Eifler (Fn. 30), S. 93. 70 Puppis (Fn. 57), S. 117. 71 Rossen-Stadtfeld, Helge, Die Konzeption Regulierter Selbstregulation und ihre Ausprägung im Jugendmedienschutz , in: Zeitschrift für Medien und Kommunikationsrecht: AfP. – 35 (2004), S. 1 – 8 (7). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 19 zu prüfen und nicht immer eindeutig nachweisbar. So fehlt es an einem genauen Maßstab oder mögliche Interdependenzen sind im Einzelnen zu prüfen.72 5.2. Jugendmedienschutz Der Jugendschutz in Medien ist differenziert geregelt, was insbesondere auf unterschiedliche Gesetzgebungskompetenzen in diesem Bereich zurückzuführen ist. Der Bund hat in Bezug auf den Jugendschutz grundsätzlich eine umfangreiche Gesetzgebungskompetenz inne: Dieser Bereich ist nach h.M. Teil der von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG erfassten öffentlichen Fürsorge73 bzw. des Strafrechts (Art. 74 Abs. Nr. 1 GG)74. Ausnahmen ergeben sich für den Rundfunk: Der Jugendmedienschutz fällt insoweit über Art. 30, 70 GG nach h.M. in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder , da aufgrund des Programmbezugs des Jugendschutzes eine größere Sachnähe zum Rundfunk gegeben sei.75 Die Konsequenz daraus ist eine systematische Trennung zwischen Trägermedien76 auf der einen und Rundfunk auf der anderen Seite. Der Jugendschutz in Bezug auf Trägermedien richtet sich nach dem Jugendschutzgesetz des Bundes. Es handelt sich dabei gemäß § 1 Abs. 2 um „Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind. Dem gegenständlichen Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen von Trägermedien steht das elektronische Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen gleich, soweit es sich nicht um Rundfunk im Sinne des § 2 des Rundfunkstaatsvertrages handelt.“ Klassische Beispiele sind Druckschriften, CDs oder DVDs.77 Der Jugendschutz in Bezug auf den Rundfunk (vgl. zum Begriff grundsätzlich § 2 Abs. 1 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag, RStV)) ist hingegen landesrechtlich geregelt und richtet sich nach dem Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in 72 In der Antwort der Bundesregierung geht diese weiter und sieht die Lösung nicht in einer Kennzeichnungspflicht : „Studien, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den in den Medien und in der Werbung dargestellten überschlanken Schönheitsidealen und gesundheitsgefährdenden Verhalten haben, sind nicht bekannt . Deshalb ist es zweifelhaft, ob die Kennzeichnung retuschierter Personenfotografien ein Beitrag sein kann, das durch das überschlanke Schönheits- und Schlankheitsideal der Mode- Film- und Werbebranche negativ beeinflusste Selbstwertgefühl gerade junger Menschen zu korrigieren.(…)“ Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Drs. 17/10656) (Fn. 50), S. 7; Rossen-Stadtfeld (Fn. 71), S. 7. 73 BVerfGE 31, 113 (117); 22, 108 (212 f.); BVerwGE 19, 94 (96); 23, 112 (113); 85, 169 (176); BT-Drs. 14/9013, S. 17; Maunz/Dürig, GG, Art. 74, Rn. 106.; a.A. Reinwald, ZUM 2002, S. 119 ff.; für eine originäre Länderkompetenz jüngst Langenfeld, MMR 2003, 303, 306; Stettner, ZUM 2003, 425, (429). 74 BVerfGE 11, 234 (237); BVerwGE 23, 112 (113); BT-Drs. 14/9013, S. 17; Erbs/Kohlhaas/Liesching, JuSchG § 16, Rn. 3. 75 BVerfGE 57, 295 (326); Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV, § 2, Rn. 3; Landmann, NJW 1996, 3309 (3309); Schulz, MMR 1998, 182 (183); a.A. Altenhain, in: Löffler, Presserecht, Einl. JuSchG, Rn. 10. 76 Vgl: § 1 Abs. 2 JuSchG: 1Trägermedien im Sinne dieses Gesetzes sind Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind. 2Dem gegenständlichen Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen von Trägermedien steht das elektronische Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen gleich, soweit es sich nicht um Rundfunk im Sinne des § 2 des Rundfunkstaatsvertrages handelt. 77 Erbs/Kohlhaas/Liesching, JuSchG, § 1, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 20 Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, JMStV). Dieser gilt materiellrechtlich auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aufsicht und Kontrolle nimmt in diesem Zusammenhang allerdings der Rundfunkrat als internes Gremium wahr.78 Eine vollumfängliche Trennung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Jugendmedienschutzes ist indes ausgeblieben.79 Die Indizierung von Telemedien80 richtet sich nach wie vor nach § 18 JuSchG, während die Indizierungsfolgen sowie die Fragen der Aufsicht im JMStV geregelt sind. Eine Indizierung hinsichtlich Telemedien durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM, vgl. § 17 JuSchG) kann gemäß § 18 Abs. 6 S. 1 JuSchG nur nach einem vorherigen Antrag der zentralen Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz erfolgen.81 Auf der Ebene des („klassischen“) Rundfunks liegt die Regelungskompetenz vollumfänglich bei den Ländern: Eine Indizierung beispielsweise nach § 18 JuSchG ist hier nach h.M. von vornherein ausgeschlossen.82 5.2.1. Zuständigkeiten und Prüfungskompetenzen Die Zuständigkeiten im Rahmen des JMStV sind geprägt durch das gerade im Bereich des privaten Rundfunks vorherrschende Konzept der regulierten Selbstregulierung.83 Erweist sich ein bestimmtes Angebot als entwicklungsbeeinträchtigend etc., so ist zunächst der Anbieter selbst gehalten , Abhilfe zu leisten.84 Im Übrigen soll – jedenfalls soweit länderübergreifende Angebote betroffen sind, § 13 JMStV – die Kontrolle nach der Konzeption des Staatsvertrages vorwiegend durch anerkannte Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle (vgl. § 19 JMStV) wahrgenommen werden (vgl. § 20 Abs. 3 und 5 JMStV).85 Zu diesen Einrichtungen gehört etwa die Freiwil- 78 Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV, § 13, Rn. 1. 79 So befinden sich Vorschriften zu Telemedien insbesondere Internetangebote, vgl. zum Begriff sowohl im JuSchG als auch im JMStV: Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 2, Rn. 4. 80 Vgl. § 1 Abs. 3 S. 1: Telemedien im Sinne dieses Gesetzes sind Medien, die nach dem Telemediengesetz übermittelt oder zugänglich gemacht werden. 81 Fechner, Medienrecht, 6. Kap. Rn. 427. 82 Zum GjS BVerwGE 85, 169, 170 ff.; VG Köln NJW 1987, 274 (275); Erbs/Kohlhaas/Liesching, JuSchG § 16, Rn. 1. 83 Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 1. 84 Vgl. Rechtsfolgen: § 5 Abs. 1, 3, 4 JMStV, beispielsweise über einen zu bestellenden Jugendschutzbeauftragten, vgl. § 7 JMStV. 85 Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 21 lige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), zu deren Mitgliedern gleichsam alle bekannten und gängigen privaten Fernsehsender zählen.86 Sachlich zuständig für staatliche Maßnahmen ist die jeweilige Landesmedienanstalt, die ihre Entscheidung jedoch durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) trifft.87 § 20 Abs. 6 JMStV regelt die örtliche Zuständigkeit.88 Die Entscheidung nach außen trifft die jeweilige Landesmedienanstalt, jedoch durch die KJM, § 20 Abs. 1, 2 JMStV.89 Sie dient als funktional zuständiges Willensbildungsorgan90, dem die Beurteilungskompetenz zukommt und an dessen Bewertungen die Landesmedienanstalt gebunden ist (vgl. § 16 S. 1 JMStV).91 Eine lediglich eingeschränkte Prüfungskompetenz der Landesmedienanstalten bzw. der KJM ergibt sich nach § 20 Abs. 3 und 5 JMStV.92 (s.o.) Die Kompetenzen der KJM beschränken sich insofern also auf eine Kontrolle der jeweiligen Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle.93 Zu beachten ist aber, dass sich aus § 20 Abs. 3 und 5 JMStV gerade keine Pflicht ergibt, ein Angebot vor Ausstrahlung bzw. Zugänglichmachung einer Selbstkontrolleinrichtung vorzulegen. Die Ent- 86 Vgl. http://fsf.de/die-fsf/mitglieder/; abgerufen am 04.06.15. 87 Für Rundfunkangebote ergibt sich dies aus § 20 Abs. 2 JMStV, für Telemedien aus § 20 Abs. 4 JMStV (i.V.m. § 59 Abs. 2 bis 4 RStV und §§ 7 bis 10 TMG. 88 Danach ist die Landesmedienanstalt desjenigen Landes zuständig, in dem die Zulassung des Rundfunkveranstalters erteilt wurde bzw. in dem der Anbieter von Telemedien seinen Sitz, Wohnsitz oder, in Ermangelung dessen, seinen ständigen Aufenthalt hat. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, so ist diejenige Landesmedienanstalt zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt (§ 20 Abs. 6 S. 1 JMStV). 89 BayVGH, MMR 2012, 67 (67 f.); Kreile/Diesbach, ZUM 2002, 849 (852 f.). 90 BeckOK JMStV/Liesching, § 14, Rn. 3; Bornemann, NJW 2003, 787 (790); vgl. auch BayVGH, MMR 2012, 67 (68). 91 BeckOK JMStV/Liesching, § 14, Rn. 4; Die konkreten Zuständigkeiten der KJM ergeben sich aus § 16 JMStV bzw. der jeweiligen Einzelnorm, z.B. § 8 JMStV. Hintergrund dieser differenzierten Zuständigkeit ist das vom BVerfG geprägte Prinzip der Staatsfreiheit der Rundfunkaufsicht, wonach allenfalls eine begrenzte staatliche Rechtsaufsicht zulässig ist. Vgl. BayVGH, MMR 2012, 67 (68); vgl. BVerfGE 12, 205 (205 ff.); 57, 295 (295 ff.); Die KJM, deren Zusammensetzung in § 14 Abs. 3 JMStV geregelt ist, soll die erforderliche Staatsferne sicherstellen (vgl. auch § 14 Abs. 6 S. 1: „Die Mitglieder der KJM sind der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Staatsvertrag an Weisungen nicht gebunden.“), Vgl. Langenfeld, MMR 2003, 303 (307 f.); kritisch BeckOK JMStV/Liesching , § 14, Rn. 6; Bosch, „Regulierte Selbstregulierung“, S. 277 ff. 92 Weist ein Rundfunkveranstalter nach, dass er die Sendung vor ihrer Ausstrahlung einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgelegt und deren Vorgaben beachtet hat, so sind Maßnahmen durch die KJM im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen zum Jugendschutz durch den Veranstalter nur dann zulässig, wenn die Entscheidung oder die Unterlassung einer Entscheidung der anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet (§ 20 Abs. 3 S. 1 JMStV). In Bezug auf Anbieter von Telemedien gilt Abs. 5: Gehört ein Anbieter einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle an oder unterwirft er sich ihren Statuten, so ist, mit Ausnahme von Verstößen gegen § 4 Abs. 1 JMStV, durch die KJM zunächst diese Einrichtung mit den behaupteten Verstößen zu befassen. 93 Hierzu und zum Folgenden Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 22 scheidung über eine Vorlage liegt stets beim jeweiligen Anbieter. Fehlt es daran, besteht eine uneingeschränkte Prüfungskompetenz der KJM, die gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 JMStV von Amts wegen oder auf Antrag einer Landesmedienanstalt bzw. einer obersten Landesjugendbehörde tätig wird. 5.2.2. Jugendgefährdende und die Entwicklung beeinträchtigende Inhalte (§§4, 5 JMStV) Um Maßnahmen ergreifen zu können, muss ein Angebot bzw. eine Werbung (vgl. § 3 Abs. 2 JMStV) zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 4, 5 oder 6 JMStV erfüllen. § 4 JMStV regelt die Unzulässigkeit von Angeboten, § 5 JMStV die eingeschränkte Zulässigkeit und § 6 JMStV betrifft insbesondere die Werbung. Die Differenzierung zwischen jugendgefährdenden Inhalten auf der einen und entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten auf der anderen Seite entspricht mitsamt ihren Rechtsfolgen (Verbreitungsverbot im ersten, Verbreitungseinschränkungen im zweiten Fall) der Regelungssystematik der §§ 14, 15 JuSchG, wodurch ein vom jeweiligen Angebotsträger unabhängiger einheitlicher Rahmen gewährleistet wird.94 Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 sind Angebote u.a. dann unzulässig, wenn sie offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. Nach der Rechtsprechung liegt eine „schwere Jugendgefährdung“ dann vor, wenn die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu verantwortungsbewussten Persönlichkeiten unmittelbar in Frage gestellt ist, weil sie durch die Wahrnehmung der entsprechenden Inhalte der nahen Gefahr ausgesetzt werden, dass sie eine dem – aus der Werteordnung der Verfassung abgeleiteten – Erziehungsziel entgegengesetzte Haltung einnehmen.95 „Offensichtlich“ ist die schwere Gefährdung, wenn sie für den unbefangenen Beobachter – maßgeblich ist insofern ein durchschnittlich entwickelter Minderjähriger – bei verständiger Würdigung erkennbar ist.96 Die Anforderungen des § 4 JMStV sind erkennbar hoch, da die Erfüllung des Tatbestandes grundsätzlich ein absolutes Ausstrahlungsverbot nach sich zieht.97 Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein uneingeschränktes Verbreitungsverbot nur in Bezug auf den Rundfunk gilt. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV sind in Telemedien Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).“ 94 Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 1. 95 BGHSt 8, 80 (83); bestätigt durch BVerfG, NStZ 1988, 412 (413); DVBl. 1991, 261 (263); Spindler/Schuster/Erdemir , JMStV § 4, Rn. 71. 96 Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV, § 4 Rn. 73 m.w.N. 97 Vgl. Ullrich, MMR 2005, 743 (744); Ob die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ diese Voraussetzungen erfüllt und damit gänzlich zu verbieten ist (wie bisweilen gefordert), darf zumindest bezweifelt werden. Ohnehin hat die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg in Bezug auf die Sendung zunächst nur eine an § 5 JMStV gemessene Prüfung angekündigt. So wiedergeben bei Benedict, abrufbar unter: http://www.noz.de/deutschlandwelt /medien/artikel/572950/gntm-2015-jugendschutz-pruft-pro-sieben-welche-strafe-droht (Stand 05.06.15). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 23 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote nach § 5 JMStV sind – allgemein ausgedrückt – solche, die noch nicht von den strengeren Beschränkungen jugendgefährdender Inhalte i.S.v. § 18 JuSchG oder § 4 JMStV erfasst sind, die in ihrer Wirkung aber dennoch nachteilig für die Entwicklung junger Menschen sein können98, sodass letztlich ein zumindest abgestufter Regulierungsrahmen erforderlich ist.99 Bei der Bewertung, ob eine Sendung oder ein Angebot geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen (vgl. § 5 Abs. 1 JMStV), kommt der KJM nach wohl h.M. nur ein eingeschränkter Beurteilungsspielraum zu.100 Die Einschätzung der KJM ist für das Gericht lediglich als sachverständige Aussage anzusehen.101 Ist der Tatbestand von § 5 Abs. 1 JMStV erfüllt, so ergibt sich die allgemeine Rechtsfolge zunächst aus der Norm selbst: Der Anbieter hat dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe die entsprechenden Inhalte üblicherweise nicht wahrnehmen.102 Konkretisiert wird dies durch Abs. 3: Entweder ist die Verbreitung bzw. Zugänglichmachung auf bestimmte Tageszeiten zu beschränken (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 JMStV) oder durch technische Sperrung einzuschränken (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 11 JMStV). Das Gesetz verlangt dabei – anders als etwa § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV – keinen sicheren Ausschluss der relevanten Altersstufen: Insofern reicht es hinsichtlich der festgesetzten Sendezeiten aus, wenn Angehörige der betroffenen Altersstufen die Angebote „üblicherweise“ nicht wahrnehmen. In Bezug auf technische Sperren reicht entsprechend eine wesentliche Zugangserschwerung aus.103 Hervorzuheben ist, dass das Gesetz keinen absolut sicheren Ausschluss der relevanten Altersstufen verlangt. So reicht es bei den festgesetzten Sendezeiten aus, wenn die Jugendlichen die Angebote „üblicherweise “ nicht wahrnehmen. Bei den technischen Sperren wird neben der Verunmöglichung auch die wesentliche Erschwerung des Zugangs als ausreichend angesehen. Die Zeitstaffelung, „die 98 Beeinträchtigungen der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen liegen vor, wenn ein Angebot geeignet ist, Störungen durch Reizüberflutung oder sonstige übermäßige Belastungen hervorzurufen, sozial-ethische Desorientierungen beispielsweise durch Verwischung der Grenzen von Realität und Fiktion zu bewirken oder auf andere Weise die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu verantwortungsbewussten Menschen zu gefährden. Dabei muss mit Blick auf die differenzierten Rechtsfolgen beachtet werden, welche Altersstufen von Kindern und Jugendlichen betroffen sind. Die im Wege des freiwilligen Bewertungssystems FSK festgelegten Freigaben gelten dabei als Vermutungsregel für die Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung (Abs. 2). Hahn/Vesting /Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 5/ 6 m.w.N. 99 Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 3. 100 U.a. BayVGH, MMR 2011, 557 (558); VG München, ZUM 2010, 615 (624); VG Berlin, MMR 2009, 496 (496); BeckOK JMStV/Liesching, § 16 Rn. 2; Brandenburg/Lammeyer, ZUM 2010, 655 (655 ff.); a.A. u.a. VG Augsburg, ZUM 2008, 884 (884); Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20 Rn. 63; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211 (213). 101 BayVGH, MMR 2011, 557 (558). 102 Hierzu und zum Folgenden Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 3. 103 Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 24 auch für Telemedien gilt, diesbezüglich technisch umsetzbar ist“104, ergibt sich grundsätzlich aus § 5 Abs. 4 JMStV.105 Liegt keine FSK-Bewertung vor (wie etwa bei Ausstrahlungen von originären Rundfunksendungen wie Germany’s Next Topmodel), so obliegt es zunächst dem Anbieter selbst, eine Sendezeitbewertung vorzunehmen und die Ausstrahlung im Programm entsprechend anzupassen .106 In Ergänzung zu § 5 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 JMStV muss § 8 JMStV betrachtet werden, der es u.a. der KJM bzw. den Einrichtungen der Selbstkontrolle ermöglicht, zusätzliche Sendezeitbeschränkungen festzulegen.107 Auf Rechtsfolgenseite sieht § 8 Abs. 2 JMStV grundsätzlich ein Ermessen der zuständigen Stelle vor, wobei im Wege einer Ermessensreduktion auf Null ggf. auch eine Pflicht zum Einschreiten bestehen kann.108 Erforderlich ist zunächst eine Abwägung zwischen der Programmautonomie des Veranstalters auf der einen und den betroffenen schutzwürdigen Interessen von Kindern und/oder Jugendlichen auf der anderen Seite. Beeinträchtigt das Format die schutzwürdigen Belange der Minderjährigen und überwiegen diese Belange die Programmautonomie des Veranstalters, so besteht die Pflicht, die erforderlichen Mittel einzusetzen. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wird man – jedenfalls soweit ein externer Eingriff seitens der KJM 104 Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 11. 105 Gemäß S. 1 können entwicklungsbeeinträchtigende Angebote ohne weitere Einschränkungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verbreitet bzw. zugänglich gemacht werden, d.h. der Gesetzgeber geht davon aus, dass in diesem Zeitraum Kinder und Jugendliche die entsprechenden Inhalte nicht konsumieren. Während dieses Zeitraumes dürfen daher beispielsweise Filme gezeigt werden, die nach § 14 Abs. 2 JuSchG (vgl. § 5 Abs. 2 JMStV) keine Jugendfreigabe erhalten haben („ab 18“) und keinen anderweitigen Verbreitungsverboten unterliegen. Inhalte, die eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren befürchten lassen, dürfen gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 JMStV) zwischen 22 Uhr und 6 zugänglich gemacht werden. Vgl. Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 12. 106 Vgl. Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 5, Rn. 15. 107 Nach Abs. 2 können für „sonstige Sendeformate“ (außer Filme, vgl. Abs. 1) im Einzelfall zeitliche Beschränkungen vorgesehen werden, wenn deren Ausgestaltung nach Thema, Themenbehandlung, Gestaltung oder Präsentation in einer Gesamtbewertung geeignet ist, Kinder oder Jugendliche in ihrer Entwicklung und Erziehung zu beeinträchtigen. Dadurch kann ein gesamtes Sendungsformat bzw. Sendungskonzept einheitlich bewertet und einer für alle Einzelsendungen geltenden Zeitgrenze unterworfen werden, wobei eine strengere Reglementierung von Einzelfolgen nach § 5 JMStV unberührt bleibt. Prototyp der von § 8 Abs. 2 JMStV erfassten Sendungen sind nachmittägliche Talkshows im privaten Rundfunk, Gegenstand von Regelungen können darüber hinaus jedoch alle fortlaufenden Sendeformate sein, die auf einem inhaltlich einheitlichen Konzept beruhen. Betroffen sein kann daher auch das aus mehreren Einzelsendungen bestehende und auf einem einheitlichen Konzept beruhende Format „Germany’s Next Topmodel“. „Maßgebend für die Prüfung ist eine Gesamtschau des Formats, in der Aspekte der thematischen Auswahl, der Präsentation und Anmutung, des zwischenmenschlichen Umgangs vor der Kamera und nicht zuletzt der mit dem Format verfolgten ‚message‘ zu prüfen sind“. Vgl. Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 8, Rn. 7/ 8. 108 Hierzu und zum Folgenden Hahn/Vesting/Hertel, Rundfunkrecht, JMStV § 8, Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 25 vorliegt – zunächst beim Veranstalter wohl auf eine Änderung bzw. Modifikation des Formats hinwirken müssen.109 5.2.3. Aufsichtsmaßnahmen Sofern sich eine Selbstkontrolleinrichtung mit einem Angebot auseinandergesetzt hat, sind Maßnahmen der Landesmedienanstalten bzw. der KJM gegenüber Anbietern grundsätzlich unzulässig .110 Das gilt jedoch nicht, wenn bzw. soweit die Selbstkontrolleinrichtung den ihr zukommenden Beurteilungsspielraum überschreitet. Ist eine Sendung vor ihrer Ausstrahlung nicht vorgelegt worden, so hat dies für sich genommen noch keine direkten Folgen. Allerdings besteht dann eine unmittelbare Zuständigkeit der Landesmedienanstalten bzw. der KJM, die dann – ohne an den Beurteilungsspielraum einer Selbstkontrolleinrichtung gebunden zu sein – bei hinreichenden Anzeichen einer konkreten Rechtsgutsgefährdung eine Überprüfung durchführen und entsprechende Maßnahmen ergreifen kann. Hinsichtlich der Art der konkreten Maßnahmen enthält die maßgebliche Norm § 20 JMStV selbst keine näheren Angaben zu den Regelungsinstrumenten, sondern verweist auf andere landesrechtliche Regelungen bzw. auf § 59 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) in Bezug auf Telemedien. Aufsichtsmaßnahmen, die den Rundfunk betreffen, ergeben sich aus den Landesmediengesetzen und den Mehrländer-Staatsverträgen.111 § 20 JMStV ist darüber hinaus in Verbindung mit der jeweiligen Tatbestandsnorm des JMStV zu sehen (s.o.). Insofern kommen in Bezug auf den Rundfunk als förmliche Handlungsmöglichkeiten vor allem in Betracht112: – Hinweise gegenüber Anbietern bei geringfügigen Verstößen; – Abmahnungen und Beanstandungen; – Untersagung der künftigen Ausstrahlung oder Verbreitung bestimmter Angebote; – Aufforderung zur Schaffung organisatorischer oder technischer Vorkehrungen beim Anbieter ; – Verpflichtung zur Veröffentlichung von Rügen oder Beanstandungen im Rahmen des eigenen Angebots (vgl. auch § 24 Abs 6 JMStV); 109 In Bezug auf Germany’s Next Topmodel könnte dies – unter der Prämisse, dass die Sendung in ihrer jetzigen Form einen der Tatbestände erfüllt – bedeuten, dass vom Veranstalter ein höheres Maß an Transparenz und ein erkennbar kritischerer Umgang mit den Themen „Magermodels“, Magersucht, Essstörungen etc. zu fordern wäre. Erst wenn die Forderung nach einer Modifikation des jeweiligen Formates erfolglos bleibt, besteht im Anschluss die Möglichkeit einer Sendezeitbeschränkung. 110 Hierzu und zum Folgenden Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 1 ff. 111 Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 11. 112 BeckOK JMStV/Liesching, § 20, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 26 – Einziehung von unzulässig oder aufgrund unzulässiger Angebote erlangten Werbeentgelten oder die Verhängung von Bußgeldern nach § 24 Abs 3 JMStV. Für Telemedien findet sich in § 20 Abs. 4 eine Verweisung auf die Entscheidungen des § 59 Abs. 2 bis 4 RStV. § 59 Abs. 3 S.1 RStV stellt dabei die allgemeine Befugnisnorm dar, nach der „die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter“ getroffen werden können. Gemäß § 59 Abs. 3 S. 2 bis 4 RStV kann insbesondere die Untersagung eines Angebots und dessen Sperrung angeordnet werden, sofern dies verhältnismäßig ist. Die Untersagung ist nach S. 5 „auf bestimmte Arten und Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken“, soweit dadurch ihr Zweck nicht gefährdet wird. Eine Besonderheit gilt für journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien, die Presseerzeugnisse wiedergeben: Eine Sperrung derartiger Angebote ist aufgrund der Verweisung des S. 6 auf §§ 97 Abs. 5 S. 2, 98 StPO nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Neben der Untersagung und Sperrung kommen weitere Maßnahmen in Betracht („insbesondere“), darunter auch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit.113 Aufgrund des Umstands, dass die KJM durch ihre abschließende Beurteilung nach § 17 Abs. 1 S. 5 JMStV für die Grundlage der Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalten verantwortlich zeichnet, muss sie auch die landesrechtlich besonders vorgesehenen Maßnahmen berücksichtigen .114 Darüber hinaus obliegt es der KJM, im Rahmen ihrer Organzuständigkeit mit den Anbietern in den Dialog zu treten, damit Verstöße im Vorfeld vermieden bzw. nachträglich „sanft“ geahndet werden können.115 Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage für ein solches informatorisches Vorgehen bedarf es nicht, obgleich damit durchaus ein gewisser faktischer Druck erzeugt werden kann.116 6. Möglichkeiten staatlicher Einflussnahmen durch Medienbildung 6.1. Erzieherischer Jugendschutz Das Ziel des erzieherischen Jugendschutzes liegt in der positiven Förderung und Beeinflussung der ungestörten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Im Gegensatz zur Gefahrenabwehr des gesetzlichen Jugendschutzes soll jungen Menschen die nötigen (sozialen) Kompetenzen vermittelt werden, die ihnen dabei helfen sollen, sich vor gefährdenden Einflüssen selbst zu schützen oder einen Umgang mit diesen zu finden. Einher geht dieses Ziel mit dem Erlernen von Kritikfähigkeit , Entscheidungsfähigkeit, Eigenverantwortlichkeit sowie der Übernahme von Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen.117 Von immer größerer Bedeutung ist die sogenannte Medienkompetenz , die einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien anstrebt, indem Kinder 113 Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 44. 114 BeckOK JMStV/Liesching, § 20, Rn. 3. 115 Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 14; BeckOK JMStV/Liesching, § 20, Rn. 3. 116 Hahn/Vesting/Schulz/Held, Rundfunkrecht, JMStV § 20, Rn. 14 m.w.N. 117 Vgl. Legaldefinition § 14 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII; Eifler (Fn. 30), S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 27 und Jugendliche erlenen, sich selbst vor schädigenden medialen Einflüssen zu schützen oder damit umzugehen.118 Medienerziehung ist somit nicht allein Aufgabe der elterlichen Erziehung, sondern es besteht eine Notwendigkeit, dass der Staat pädagogisch mitwirkt.119 Murad Erdemir, stellvertretender Direktor der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien weist darauf hin, dass Primärrisiken für Kinder und Jugendliche im Netz Kommunikationsrisiken darstellen würden . Er fordert einen zeitgemäßen Jugendmedienschutz, der den Fokus im Besonderen auf sozialund handlungsbezogene Gefahrenkonstellationen wie sexuelle Belästigung und Mobbing legt. Notwendig seien neben einem repressiven Jugendmedienschutz medienkompetente Kinder. Um dies zu erreichen seien die Förderung eines eigenverantwortlichen Selbst- bzw. Beziehungsmanagements , die Förderung eines eigenverantwortlichen Aufmerksamkeits- und Zeitmanagements, die Thematisierung von Datenschutz- und Sicherheitsschutz sowie Suchtprävention unabkömmlich .120 Auch die Bundesregierung verschrieb sich 2012 dem Ziel, das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen zu stärken und einen kritischen Umgang mit Medien und Werbung zu vermitteln.121 6.2. IZI- Studie zur Rolle von Fernsehformaten bei psychosomatischen Essstörungen und die aus ihr hervorgehenden Konsequenzen für die Medien Die kürzlich veröffentlichte IZI-Studie zur Rolle von GNTM und anderen Fernsehsendungen bei psychosomatischen Essstörungen weist in ihren Ergebnissen die besondere Bedeutung einer ausgeprägten Medienpädagogik auf. Ziel der Studie war es, den Einfluss von Fernsehformaten auf den Verlauf der Essstörungen zu ermitteln. Viele Betroffene äußern in dieser den Wunsch, dass neben dem Staat, auch die einschlägigen Medienunternehmen selbst stärker Verantwortung übernehmen sollten. Konsens besteht unter den Befragten hinsichtlich der Forderung nach einem breiteren Spektrum an Körpern und natürlichen Menschen in den Medien, insbesondere deren Abbildung ohne eine Retusche vorzunehmen . Von besonderem Gewicht ist die Forderung nach der Darstellung von einem „normalen“ Körperbild. Wie ein Model auszusehen, entspreche nicht den gesellschaftlichen Normen. Sowohl 118 Eifler (Fn. 30), S. 6. 119 Auch Marc Jan Eumann und Martin Stadelmaier fordern einen Ausbau der Medien- und Bildungspolitik, um Medienkompetenz und Kompetenzen im individuellen Identitätsmanagement (Datenschutz etc.) der Bürger zu gewährleisten. Vgl. hierzu näher: Eumann, Marc Jan/ Stadelmaier, Martin, Mehr Medienpolitik – Sozialdemokratische Impulse für eine Medienpolitik im digitalen Zeitalter, in: ders., Media – Governance und Medienregulierung , Plädoyers für ein neues Zusammenwirken von Regulierung und Selbstregulierung, Berlin 2009, S. 191 ff. 120 Erdemir, Murad, „Wechselseitige Anerkennung“. Notwendige Regulierungen aus der Sicht der Wissenschaft, in: Evangelischer Pressedienst (epd) Medien, Heft 14, 02. April 2015, S. 10 – 13 (12/13). 121 „Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen focussieren im Wesentlichen auf die Stärkung von gesundheitlichen und psychosozialen Ressourcen. Dies beinhaltet die Förderung von Schutzfaktoren , die Stärkung des Selbstwertgefühls und die Entwicklung eines positiven Körpergefühls. Damit wird auch der Entstehung eines gestörten Essverhaltens und von Essstörungen vorgebeugt. (…) Vielmehr soll jungen Menschen eine selbstständige Beurteilung medialer Bilder durch Aufklärung vermittelt werden“ Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Drs. 17/10656) (Fn. 50), S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 28 ein Mindest-BMI für Models und Schauspielerinnen, als auch ein Verschwinden von Size Zero Models wurde proklamiert. Mehrfach äußerten die Befragten auch den Wunsch nach einer verstärkten Aufklärung über Essstörungen und einem Unterlassen einer Stigmatisierung und Verteufelung. Hinsichtlich der Sendung GNTM wird eine weite Bandbreite an Maßnahmen gefordert, angefangen von der Einstellung des Formats, über die Bitte, die Kandidatinnen menschenwürdiger zu behandeln und nicht für jeden kleinen Fehltritt zu kritisieren. Zentral ist hier die Forderung nach mehr Sensibilität im Umgang mit Kritik an den Körpern der Kandidatinnen, sowie einer vermehrten Wertschätzung von Individualität und Eigenwilligkeit. Bezüglich GNTM wird in der Studie außerdem gefordert, dass eine stärkere Vermittlung stattfindet, dass es sich bei den Kandidatinnen um körperliche Ausnahmeerscheinungen handelt, dass die geforderten Anpassungsund Verdrängungsmechanismen show- bzw. businessspezifisch sind und nicht gesundheitsfördernd . Eine einfließende Aufklärung über die Risiken einer Essstörung sei thematisch passend und wäre ein Zeichen von Verantwortung. Von Seiten der Betroffenen wird eine gezielte Förderung der Medienkompetenz verlangt. Dieser Ansatz wird auch aus Sicht der Medienpädagogik als unterstützenswert erachtet. Sendungen wie GNTM könnten genutzt werden, eine Auseinandersetzung mit den durch die Medien verbreiteten Körperbildern zu forcieren und die Inszenierung von Casting-Shows offen zu legen. 7. Möglichkeiten des Verbots jugendgefährdender Internetforen (Pro-Anorexia Foren) Die sogenannte Pro-Anorexia-Bewegung entstand Ende des 20. Jahrhunderts in den USA und ist seit den 2000er Jahren auch ein deutsches Phänomen. Insbesondere über Internetplattforen, Chateinrichtungen und Blogs kommunizieren Anhänger der verharmlost auch ProAna oder ProMia genannten Bewegung. Diese Abkürzungen wurden von den Krankheitsbildern Anorexia Nervosa und Bulimia Nervosa abgeleitet. Der Name ProAna (ProMia) lässt gleichzeitig die Intention der Bewegung erkennen, Essstörungen zu befürworten und als eine Art Selbstverwirklichung bzw. Lebensstil anzusehen. Charakteristisch für diese Bewegung und ihrer Internetangebote ist die Verherrlichung und Glorifizierungen von Essstörungen, mangelnde Krankheitseinsicht sowie eine Verkennung von Risiken. Dies führt zu einer Bestätigungen und Verstärkung des Krankheitsbildes durch Austausch mit vermeintlichen Freundinnen und einer Unterordnung innerhalb einer „Gemeinschaft“.122 Urheber und Betreiber der Webseiten sind meist von einer Essstörung selbst betroffene Mädchen oder junge Frauen. Jedoch bedienen sich auch (gesunde) Erwachsene 122 Näher dazu: Rauchfuß, Katja, Abschlussbericht der Recherche zu Pro-Anorexie-Angeboten 2006/2007, Mainz 2008, abrufbar unter: https://jugendschutz.net/pdf/bericht_pro-ana.pdf, (Stand 02.06.2015); Mehr Informationen im Internet auf den Plattformen: Schönheitsideale: Was ist Pro-Ana?, abrufbar unter: http://wer-istschoen .de.tl/Pro-Ana.htm, (Stand 03.06.2015); Pro-Ana. Stumme Schreie, der Wunsch zu schweben, abrufbar unter: http://pro-ana.stumme-schreie.de/, (Stand 03.06.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 29 vermehrt solcher Foren, um die Hilflosigkeit besonders labiler Jugendlicher und junger Erwachsener auszunutzen oder als Plattform krimineller Geschäfte.123 Die gefühlte Anonymität des Internets ermöglicht den Betroffenen einerseits Gleichgesinnte zu treffen, Erfahrungen und Empfindungen auszutauschen und andererseits aus der Realität zu flüchten. Eine komplette Isolation von Familie und Freunden wird von der Gemeinschaft meist angestrebt. Folgende sechs wiederkehrende Charakteristika124 sind für sogenannte ProAna-Seiten typisch und lösen jugendschutzrechtliche Bedenken (§§4, 5 JMStV) aus: – Anas & Mias Brief: die Krankheit wird durch einen Willkommensbrief als Freundin und Wegbegleiterin personifiziert. – Thinspirations: oftmals nachbearbeitete Fotos von untergewichtigen Prominenten und anderen Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Magersucht. – Tipps & Tricks: zur Gewichtsreduzierung und Geheimhaltung der Krankheit. – Gesetze & Gebote: feste Regeln und Verhaltensweisen der ProAna/ProMia-Anhänger zu Essund Sozialverhalten, Geheimhaltung, Wiegen. – Glaubensbekenntnisse & Psalme: Glaubensregeln und Gebete, die die Krankheit zelebrieren , ProAna huldigen und das Festhalten daran geloben. – Motivationsverträge & Thinlines zur Motivation zum weiteren Hungern. Insbesondere die letzten drei genannten Punkte erwecken den Eindruck, dass die ProAna-Bewegungen eine Art Ersatzreligion darstellen. Betroffene werden in ihrer Krankheit bestätigt und durch andere Betroffene unterstützt.125 Neben diesen Charakteristika sind dem Abschlussbericht der Recherche zu Pro-Anorexia-Angeboten aus dem Jahr 2006/07 auch die Foren selbst, in denen die Betroffenen Kontakte zu anderen Essgestörten knüpfen, als gesundheits- und jugendgefährdend anzusehen. Neben einfachem Erfahrungsaustausch käme es in einem passwortgeschützten Bereich zu gegenseitiger Motivation zur Gewichtsabnahme, Austausch über Diäten, Abführmittel und Tipps die Geheimhaltung der Essstörung betreffend.126 123 So beispielsweise dem Verkauf illegaler Medikamente oder sonstiger Drogen, die ein Abnehmen vermeintlich unterstützen oder sonstige Nebenwirkungen der Krankheit kaschieren. Näher dazu: Heubrock, Dietmar/ Tobiassen , Fenna/ Haas, Natalie, ProAna-Foren im Internet: eine tödliche Gefahr? Neue Herausforderungen für den polizeilichen Jugendschutz – Teil 1, in: Kriminalistik 10/2007, S. 588ff. 124 Der genannte Katalog ist jedoch nicht abschließend. Das Tragen von bestimmten Schmuck und Accessoires soll beispielsweise an eingegangene Gelübde und den gewählten Lebensstil erinnern. Vgl. näher dazu: Sonnenmoser , Marion, Pro-Anorexie- und Pro-Bulimie-Webseiten: Anstiftung zu Essstörungen, in: Deutsches Ärzteblatt, abrufbar unter: http://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=67359, (Stand 02.06.2015). 125 Rauchfuß (Fn. 122), S. 9. 126 Vgl. näher: Rauchfuß (Fn. 122). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 30 7.1. Möglichkeiten staatlicher Regulierung von Inhalten im Internet Eine inhaltliche Beschränkung von Internetangeboten findet bei illegalen, bei für bestimmte Gruppen als schädlich erachteten oder solchen Angeboten statt, die von Nutzern unerwünscht sind.127 Meist handelt es sich bei den einschlägigen Inhalten um rassistische, pornografische, gewalttätige oder solche, die die Menschenwürde verletzen. Diese rechtfertigen ein staatliches Einschreiten aufgrund des Jugendschutzes.128 Die in Kapitel 5 aufgezeigten Prüfungsformen und Maßnahmen staatlicher Kontrolle, greifen auch bei jugendschutzrechtlichen Bedenken gegenüber Angeboten im Internet. Als Telemedium unterliegen die Internetseiten den staatlichen Kontrollmöglichkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutzvertrag (§16 JuSchG). Handlungsoptionen bestehen sodann, wenn die Inhalte eines Telemediums jugendgefährdend oder entwicklungsbeeinträchtigend sind. Bei der Auslegung beider Begriffe sind die für die Jugend und Kinderhilfe gesetzten Entwicklungsund Erziehungsziele (§1 Abs. 1 SGB VIII) zu beachten. Sie orientieren sich besonders an der Medienwirkung der einzelnen Angebote und inwiefern diese die Entwicklung und Erziehung zur Eigenverantwortung stören können.129 Eine Eignung zur Jugendgefährdung im Sinne des §18 JuSchG ist als „Blankettbegriff“130 zu verstehen , dessen Konkretisierung neben den genannten Beispielen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Gerichten überlassen ist. Maßstab sind die Grundwerte der Verfassung, insbesondere Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 GG.131 Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nimmt eine Jugendgefährdung an, wenn Medien dazu auffordern, sich oder anderen Menschen (schwere) körperliche Schäden zuzufügen (z.B. Aufforderung zum Selbstmord, Aufforderung zur Nahrungsverweigerung). Zudem subsumiert sie jene Medien unter §18 JuSchG, die ein Verhalten verherrlichen oder verharmlosen, das zu körperlichen Schäden führen kann (z.B. Verherrlichung von Drogen, Verharmlosung von Alkoholkonsum).132 127 Puppis (Fn. 57), S. 264. 128 Puppis (Fn. 57), S. 266. 129 Erläuterungen zum Jugendschutzgesetz, § 14, S. 45/ 46. 130 Hierzu näher: Erbs/Kohlhaas/Dr. Liesching JuSchG § 18, Rn. 3ff. 131 „Weiterhin ergibt sich hieraus, dass der Begriff der „Kinder- und Jugendgefährdung“ im Sinne des Abs. 1 S. 1 nicht etwa im rein sexuell-erotischen Sinne verstanden werden kann (vgl. schon BVerwGE 23, 112, 114), sondern vielmehr die verfassungsorientierte sozialethische Haltung von Kindern und Jugendlichen zum Schutzobjekt der Vorschrift erhoben wird. Geistige und körperliche Gefährdungen sind aus dem Anwendungsbereich des Indizierungstatbestandes ausgeschlossen (vgl. BGHSt 8, 80, 84).“ Erbs/Kohlhaas/Dr. Liesching JuSchG § 18, Rn. 3/ 5. 132 Vgl. Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien: Indizierung eines deutschsprachigen Pro-Ana-Blogs zum Thema Anorexia nervosa, in: BPjM-Aktuell 1/2009, S. 3-16, abrufbar unter: http://www.bundespruefstelle .de/RedaktionBMFSFJ/RedaktionBPjM/PDFs/BPJMAktuell/bpjm-aktuell-200901-indizierung-anorexianervosa ,property=pdf,bereich=bpjm,sprache=de,rwb=true.pdf, (Stand 04.06.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 31 Gemäß §18 JuSchG ist eine Indizierung möglich, sofern die Inhalte jugendgefährdend sind. Die Rechtsfolgen ergeben sich bei Telemedien gemäß §16 JuSchG nach Landesrecht. Diese landesrechtliche Regelung findet im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, insbesondere in §4 Abs.1 Nr. 11 und Abs. 2 Nr. 2 JMStV ihre Umsetzung. Sofern jugendgefährdende Inhalte vorliegen, dürfen diese nach §4 JMStV und den Straf- und Ordnungsbestimmungen nach §§ 23, 24 JMStV nicht durch Anbieter verbreitet oder sonst zugänglich gemacht werden.133 Je nach Medienart ergeben sich Unterschiede in der Verbotsreichweite.134 Hiervon abzugrenzen ist die Entwicklungsbeeinträchtigung des §5 JMStV, die „eine Entwicklungs - oder Erziehungsstörung ist, die nicht so schwer ist, dass sie die Entwicklung oder Erziehung des jungen Menschen zu Eigenverantwortung und Gemeinschaftsfähigkeit gefährden könnte“.135 Eine Entwicklungsbeeinträchtigung ist im Einzelfall nicht schematisch festzulegen und die Auslegung daher dem Wandel unterworfen. Ausschlaggebend ist allein eine mögliche Eignung, also wenn der mutmaßliche Eintritt einer Gefährdung zu erwarten ist.136 1997 von den Jugendministerien aller Bundesländer gegründet, überprüft jugendschutz.net jugendschutzrelevante Angebote im Internet. Bei Zweifeln an der Vereinbarkeit von Medienangeboten mit dem Jugendschutz ist es Aufgabe von jugendschutz.net die Verantwortlichen auf den Verstoß hinzuweisen und gegebenenfalls die KJM mit einzuschalten. Angesichts der Fülle an Angeboten und der Schnelligkeit des Internets ist eine gänzliche Kontrolle unmöglich. Jugendschutz .net versucht mit Hilfe von Hinweisen aus der Bevölkerung und eigenen Kontrollen, der schnellen Beseitigung von Verstößen und der Kommunikation mit den Anbietern einen effektiven Jugendschutz herzustellen. 7.2. Grundsätzliches Verbot von ProAna/ProMia-Seiten ProAna/ProMia-Webseiten sind in ihrer Ausrichtung sehr unterschiedlich. Aus diesem Grund sind nach Ansicht der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ein generelles 133 Erbs/Kohlhaas/Dr. Liesching JuSchG § 4 (Stand: 01.01.2015). 134 „Beispielsweise darf einfache Pornografie im Rundfunk überhaupt nicht ausgestrahlt, im Internet hingegen dann verbreitet werden, wenn durch technische Abschottung des Angebotes nur Erwachsenen Zugang gewährt wird. Diese Differenzierung ist im Übrigen in der Rechtsliteratur zu Recht als willkürlich und verfassungswidrig erachtet worden. Landesmedienanstalten und die KJM versuchen, durch die „Umdefinierung“ von Rundfunkangeboten in Telemedien die Diskrepanzen in der Praxis zu nivellieren.“ Vgl. BeckOK JMStV/Liesching JMStV § 4. 135 Erläuterungen zum Jugendschutzgesetz 2014, § 14, S. 46. 136 BVerwGE 39, 197, 198; enger noch BVerwGE 25, 318, 321, Erläuterungen zum Jugendschutzgesetz 2014, § 14, S. 46; Erbs/Kohlhaas/Dr. Liesching JuSchG § 18, Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 32 Verbot und eine globale Negativeinschätzung von solchen Internetangeboten trotz der Gefährlichkeit nicht möglich. Weder Selbsthilfeforen von und für Essgestörte, noch ProAna Angebote seien als grundsätzlich jugendgefährdend einzustufen.137 Die Initiative jugendschutz.net sowie die BPjM nehmen eine Jugendgefährdung bei Vorliegen der zuvor genannten sechs Charakteristika an sowie, „wenn Essstörungen eindeutig und in drastischer Weise verherrlicht werden.“138 Nicht alle Voraussetzungen müssen zur Klassifizierung kumulativ vorliegen. Die Profile der einzelnen Webseiten unterscheiden sich häufig in ihrer Ausgestaltung und weisen nicht schematisch die zuvor aufgezeigten Elemente auf. Aus diesem Grund muss jedes Angebot im Einzelfall auf seine Konformität mit Jugendschutzregelungen überprüft werden.139 Für eine Einzelfallprüfung spricht ferner, dass bei einem staatlichen Vorgehen gegen das Internetangebot , Rechte der Anbieter verletzt werden. So müssen die tangierten Grundrechte im Wege der praktischen Konkordanz in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden. Der staatliche Auftrag zum Jugendschutz, der gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 GG Verfassungsrang genießt , muss daher gegen das Recht auf freie Verbreitung einer in die Form künstlerischer Bestätigung gegossenen Meinung (Art. 5 Abs. 3 GG), ggf. Art. 5 Abs. 1 GG, abgewogen werden.140 ProAna Angebote, deren Inhalte nicht eindeutig als jugendgefährdend eingestuft werden können, die Esskrankheiten dennoch einseitig als erstrebenswert propagieren, verharmlosen und verherrlichen , sind nach Ansicht der Prüfstellen als entwicklungsbeeinträchtigend zu deklarieren. Kennzeichen hierfür seien Inhalte, die sich auf die Beibehaltung der Krankheit fokussieren und einen Ausweg mit Hilfe von professioneller Hilfe ablehnen. Ein Austausch auf Foren reiche hierfür aus.141 Sodann sei §5 JMStV einschlägig und der Anbieter habe bestimmte Vorsorgemaßnahmen, 137 Pro-Anorexie-Internet-Angebote“ und deren Bewertung durch das BPjM-12er-Gremium, in: BPjM-Aktuell2/ 2008, S. 19- 24 (22), abrufbar unter: http://www.doerre.com/jugendschutz/20080403_bpjm_pro-ana.pdf, (Stand 04.06.2015). 138 Detaillierte Ausführungen zur Jugendgefährdung durch ProAna-Webseiten: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien: Indizierung eines deutschsprachigen Pro-Ana-Blogs zum Thema Anorexia nervosa (Fn. 132); Rauchfuß (Fn. 122), S. 15. 139 Rauchfuß (Fn. 122), S. 15. 140 Hierzu näher: Indizierung eines deutschsprachigen Pro-Ana-Blogs zum Thema Anorexia nervosa (Fn. 132), S. 13/14. 141 Rauchfuß (Fn. 122), S. 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 33 die die Wahrnehmung der Inhalte durch Jugendliche und Kinder erschweren, zu treffen.142 Bei ProAna-Webseite kämen beispielsweise Altersregelungen143 oder ein Labeling in Betracht. Schließlich gibt es noch eine abgeschwächte Form von ProAna-Webseiten, die jugendschutzrechtlich als unbedenklich angesehen werden. Diese Form fungiert als Selbsthilfeforum und ist teilweise essstörungskritisch eingestellt. Solche Foren bieten den Betroffenen sowohl gezielte Beratungen als auch eine Art von Austausch, den sie benötigen und außerhalb des geschützten Forums nicht erhalten. In manchen Foren agieren Psychologen oder qualifizierte Berater als regulierende Moderatoren.144 Neben jugendschutzrechtlichen und gesundheitlichen Bedenken können ProAna-Foren weitere Gefahren bergen. So sei eine Tendenz zu verzeichnen, dass ProAna Foren zu Plattformen krimineller Aktivitäten werden. Heubrock/Tobiassen/Haas führen in ihrer Untersuchung auf, dass beispielsweise ein Handel mit illegalen Betäubungs- und Arzneimitteln oder Pädophilie auf diesen Seiten verbreitet ist. Meist erwachsene Täter geben sich als Minderjährige oder junge Erwachsene aus und missbrauchen so die Hilflosigkeit und das Vertrauen ihrer Opfer.145 Demnach käme ein Verbot einschlägiger Webseiten im Einzelfall aus strafrechtlichen Gesichtspunkten in Betracht. 7.3. Weitere Maßnahmen In Deutschland konnten 2008 c.a. 80% der deutschen ProAna/ProMia-Webseiten einer Einzelfallkontrolle nicht standhalten und als jugendgefährdend eingestuft.146 Das Phänomen ProAna bleibt weiterhin im Internet präsent. Auch der Bericht aus dem Jahr 2014 der BPjM führt weitere Indizierungen auf. Dennoch häufen sich Initiativen aus der Bevölkerung und von Verbänden. Bei schwer zu klassifizierenden Angeboten oder Angeboten aus dem Internet, die nicht indiziert werden können, richtet sich die länderübergreifende Stelle für Jugendschutz im Internet beispielsweise an die Bertreiber der Seiten oder Host-Provider selbst und bittet um die Schließung der Seiten. Alternativ werden Zugangsregulierungen oder das Entfernen bestimmter Inhalte angeregt . Jugendschutz.net fordert u.a. Host-Provider müssten mehr gegen die Verherrlichung der Ma- 142 So beispielsweise durch Zugangssperren durch Software bzw. Jugendschutzprogramme durch die Anbieter oder zeitliche Begrenzung der Verbreitung. Vgl. Spindler/Schuster/Erdemir JMStV § 4, Rn. 13-18; BeckOK JMStV/Liesching JMStV § 4. 143 In Spanien kam es beispielsweise zu einem behördlichen Verbot eines ProAna-Wettbewerbs. Die madrider Gesundheitsbehörde beantragte beim zuständigen Gericht, den Wettbewerb zu unterbinden. Als Gründe wurden die fehlende Altersbegrenzung und Zulassung von Esskranken aufgeführt. Näher dazu u.a. Streck, Ralf, Madrider Behörde stoppt Hungerwettbewerb im Internet, abrufbar unter: http://www.heise.de/tp/artikel /24/24418/1.html, (Stand 04.06.2015). 144 Rauchfuß (Fn. 122), S. 16; Vgl. auch: Schönheitsideale, Pro-Ana, abrufbar unter: http://wer-ist-schoen.de.tl/Pro- Ana.htm, (Stand 19.05.2015). 145 Heubrock/Tobiassen/Haas (Fn. 123), S. 593/ 594. 146 So zu lesen unter: http://wer-ist-schoen.de.tl/Pro-Ana.htm, (Stand 19.05.2015); http://www.jugendschutz .net/pdf/pressemitteilung_pro-ana.pdf, (Stand 19.05.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 34 gersucht tun. Dies könne durch die Gestaltung von Geschäftsbedingungen erreicht werden, in denen das Betreiben solcher Plattformen untersagt wird, die Seiten gelöscht werden oder, indem auf psychologische Unterstützung verwiesen wird.147 Durch freiwillige Selbstbindung der Host- Provider kann ferner das Angebot an ProAna-Foren reduziert und dem Problem vorgebeugt werden. Die spanische Hilfsorganisation Protegeles148 ist Vorreiter im Kampf gegen ProAna-Seiten im Internet. Wie bei der Bekämpfung von zu mageren Models in der Öffentlichkeit setzen die spanischen Initiatoren auf die freiwillige Selbstbindung der Verantwortlichen bzw. in diesem Fall der Provider. Die Organisation traf bereits mit mehreren Providern entsprechende Vereinbarungen.149 Aber auch andere Unternehmen bezogen Stellung. Das Suchmaschinenunternehmen Yahoo beispielsweise reagierte schon 2001 auf die aufstrebende Bewegung und entfernte offensichtliche Pro-Anorexie-Seiten und –Communities.150 In seiner ethischen Richtlinie verpflichtete das Unternehmen sich, Seiten wie ProAna aus dem Internet zu entfernen. Dem folgten unter anderem MySpace und MSN. Das Internet-Auktionshaus Ebay hat sämtliche ProAna-Produkte von der Liste der erlaubten Produkte gestrichen.151 7.4. Mögliche strafrechtliche Regelung nach französischen Vorbild Fraglich ist, ob auch in Deutschland eine vergleichbare Regelung wie in Frankreich152 eingeführt werden könnte. Seit 2008 gibt es dort, als Reaktion auf die Strömung der ProAna-Gemeinschaften und -Foren ein Gesetz, das „Anstiftung zur Magersucht“ unter Geld- oder Haftstrafe stellt. Dieses sieht strafrechtliche Folgen für die Beschönigung von Magersucht vor. Die Ermunterung bzw. Anstiftung zur Magersucht soll im Strafmaß der Anstiftung zum Selbstmord gleichgestellt werden.153 Für Anstiftung im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches ist eine rechtswidrige Haupttat nötig (vgl. § 26 StGB). Magersucht oder andere Essstörungen stellen keine rechtswidrige, notwendig tatbestandsmäßige Haupttat im Sinne des §26 StGB dar, sie sind als eigenverantwortliche Selbstgefährdung dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG unterworfen. Auch eine Anlehnung wie beim 147 Pressemitteilung, Magersucht im Internet- 8 von 10 Angeboten gefährlich, abrufbar unter: http://www.jugendschutz .net/pdf/pressemitteilung_pro-ana.pdf, (Stand 04.06.2015); Rauchfuß (Fn. 122), S17. 148 Ferner verweist die Organisation auf alternative Webseiten mit professioneller psychologischer Unterstützung. Näher dazu: http://protegeles.com/docs/estudio_anorexia.pdf, (Stand 04.06.2015). 149 Pressemitteilung: Magersucht im Internet- 8 von 10 Angeboten gefährlich (Fn. 147). 150 Streck (Fn. 143). 151 Vgl. http://homepharma.de/warum-pro-ana-verboten-werden-sollte, (Stand 02.06.2015). 152 Buron, Anne-Marie, Frankreich: Gesetz gegen die Verherrlichung von Magersucht, abrufbar unter: http://rsw.beck.de/cms/?toc=MMR.ARC.200806&docid=260772, (Stand 19.05.2015). 153 Anstiftung zur Anorexie: Frankreich führt Gesetz gegen Magerwahn ein, SpiegelOnline vom 15.04.2008, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/anstiftung-zur-anorexie-frankreich-fuehrt-gesetz-gegenmagerwahn -ein-a-547625.html, (Stand 04.06.2015); Buron (Fn. 152). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 35 französischen Vorhaben an eine Anstiftung zum Selbstmord läuft fehl, da eine solche Strafbarkeit im deutschen Recht nicht vorgesehen ist.154 In Betracht käme die Erarbeitung eines neuen oder ergänzenden Straftatbestands, angelehnt an die Formulierung des §131 StGB, der gewaltverherrlichende oder verharmlosende Darstellungen unter Strafe stellt. Sofern Verstöße gegen das Arzneimittelrecht vorliegen käme eine nachträgliche Untersagung nach den Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts in Betracht. Einem möglichen strafrechtlichen Verbot sind jedoch Grenzen gesetzt. Wie in Kapitel 3 erarbeitet , muss der Staat bei der Wahrnehmung seines staatlichen Schutzauftrags die Freiheitsrechte des Einzelnen beachten, auch wenn die Intentionen des Einzelnen moralisch oder aus gesundheitlichen Gründen verwerflich erscheinen mögen. Allein im Jugendschutz trifft den Staat ein weiterer Einschätzungsspielraum. Zu bedenken ist ferner, ob ein universelles Eingreifen mit dem Dogma der freiheitlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist. Insbesondere , da mögliche Sanktionierungen zu Einfallstoren für weitere staatliche Eingriffe führen können. In diesem Kontext muss zudem die Frage nach der Rechtfertigung einer solchen Einschränkung diskutiert werden, scheint im gesamtgesellschaftlichen Kontext die Zahl der Betroffenen im Verhältnis gering. Schließlich müsste das Bestimmtheitsgebot gewahrt bleiben, verleitet doch die Undurchsichtigkeit des Internets und die vordergründige Anonymität zu unbestimmten Rechtsbegriffen und weiten Anwendungsbereichen, um den diversen Formen des Auftauchens gerecht zu werden. 8. Fazit Schönheitsbilder der Medien und Modewelt üben einen enormen Druck auf ihre Konsumenten aus. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene werden durch diese beeinflusst. Aber nicht allein Schönheitsideale werden transportiert. Durch Fernsehsendungen und Casting-Shows werden Verhaltensweisen und Rollenbilder an das Aussehen geknüpft. Wer schlank ist, wird als schön, erfolgreich und flexibel empfunden. Casting-Shows vermitteln ferner den Eindruck als Frau müsse man neben sexy auch süß und erfolgreich sein. Letzteres erfordert ein konformes Verhalten und begründet die Furcht, eigene Charakterzüge oder außergewöhnliches Empfinden könnten sanktioniert oder verurteilt werden. Doch trotz dieses enormen Einflusses ist der Staat aufgrund der konkurrierenden Grundrechte nicht autorisiert, pauschal Verbote oder Restriktionen auszusprechen. Zwar wiegt in besonders schwerwiegenden Situationen der verfassungsrechtlich verankerte Schutzauftrag schwerer als die Grundrechte Dritter, eine generelle Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen kann dennoch nicht angenommen werden. Eine normative Lösung angelehnt an die Regelungen in Frankreich 154 „Aus der Tatbestandslosigkeit des Suizids folgt, dass niemand nach einem Teilnahmetatbestand der „Anstiftung zum Suizid“ oder der „Beihilfe zum Suizid“ verurteilt werden kann. Es fehlt an der Voraussetzung einer rechtswidrigen , also notwendig tatbestandsmäßigen (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) Haupttat i.S.d. §§ 26, 27. Daraus, dass eine „Anstiftung“ (§ 26) und eine „Beihilfe“ (§ 27) zum Suizid nicht in Betracht kommen, folgt aber noch nicht, dass die Veranlassung oder Unterstützung eines Suizids notwendigerweise straflos ist. Denn die Beteiligung an einer tatbestandslosen Selbstverletzung fällt von vornherein nicht in den Regelungsbereich der auf die Beteiligung an der Verletzung von Rechtsgütern Dritter zugeschnittenen Teilnahmebestimmungen.“ Vgl. näher dazu: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen/Neumann, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, Vorbemerkungen zu § 211, Rn. 47-49. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 36 und Israel, die neben einem Beschäftigungsverbot, die Kennzeichnung von retuschierten Fotografien verlangen und einen Straftatbestand „Anstiftung zur Magersucht“ ins Leben riefen, gibt es nicht in Deutschland. Auch liegen noch keine Hinweise zur Wirkung der gesetzlichen Maßnahmen auf die damit angestrebten Zielsetzungen vor. 2012 sprach sich die damalige Regierung unter Kanzlerin Merkel gegen ein parlamentarisches Handeln aus und hob die Bedeutung von staatlicher Aufklärung und Informationshandeln hervor. Daher blieb es bei Einzelfallentscheidungen anhand der bestehenden Rechtslage sowie einer Einflussnahme durch positive Verpflichtungen. Eine Ausnahme stellt der Jugendschutz dar, der dem Gesetzgeber einen weiteren Einschätzungsund Handlungsspielraum zuspricht. So wird bei der Beschäftigung von Jugendlichen und Kindern unter 18 Jahren ein Gesundheitszeugnis eingefordert. Im Rahmen des Jugendmedienschutzrechts setzt der Staat vor allem auf das Prinzip der regulierten Selbstregulierung und Selbstbindung der Medienunternehmen. Letztes trifft zudem auf den Umgang mit Schönheitsbildern in der Modewelt zu. Durch Selbstbindung mit Hilfe von einem erarbeiteten Kodex, Richtlinien und Kooperationen haben sich einschlägige Unternehmen in Deutschland, Italien, Großbritannien und Spanien gegen die Beschäftigung von zu mageren Models auf Laufstegen oder in der Werbung ausgesprochen. Spanien ist Vorreiter in der Prävention von durch künstliche Schönheitsbilder verursachten Essstörungen . Hauptsächlich durch Verbandsarbeit, teilweise in Kooperation mit lokalen Behörden, wurden verschiedene Projekte ins Leben gerufen: angefangen von einer Anpassung der Konfektionsgrößen , über das Verbot von zu mageren Models auf Laufstegen bis hin zur Bekämpfung von sogenannten ProAna/ProMia-Webseiten. Die IZI- Studie zeigt, dass trotz einer wiederholten Überprüfung durch den Jugendmedienschutz eine Einflussnahme auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nicht vollständig abgewendet werden kann. Nicht alle Inhalte, die Einfluss auf einzelne Personen ausüben, können grundsätzlich verboten werden. In den Vordergrund rückt daher die Förderung der Medienpädagogik und Medienkompetenz, insbesondere der jüngeren Generationen. Neben dem Aufbau eines stärkeren Selbstbewusstseins wird ein kritischer Umgang mit den Medien obligatorisch. Nicht außer Betracht darf jedoch die Rolle der Medien gelassen werden. Obgleich es Auftrag des Staates ist, den Einzelnen zu schützen, sollten die einschlägigen Medien stärker in die Verantwortung mit einbezogen werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 049/15 Seite 37 9. 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