Deutscher Bundestag Das Verfahren zur Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten in Australien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 10 – 3000/049/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 2 Das Verfahren zur Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten in Australien Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 10 – 3000/049/10 Abschluss der Arbeit: 7. Mai 2010 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Das australische System der Regulierung von Medieninhalten 4 2. Die Regulierung von Online-Inhalten 4 3. Neues Gesetzesvorhaben 6 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 4 1. Das australische System der Regulierung von Medieninhalten Australien hat im Medienbereich bereits zu Beginn der 1990er Jahre ein umfassendes System zur Inhalteregulierung eingeführt. Mit dem zunächst auf den Rundfunk bezogenen Gesetz „Broadcasting Services Act“ wurde eine staatliche Regulierungsstelle1 errichtet, die im Zusammenwirken mit den im Rundfunkbereich tätigen Unternehmen („Co-Regulierung“) in erster Linie dem Jugendschutz dienen soll. Das System sieht seitens der Unternehmen die Entwicklung von Verhaltenskodizes vor, die von der staatlichen Regulierungsstelle zugelassen werden müssen. Darüber hinaus verwaltet die Regulierungsbehörde eine öffentliche Beschwerdestelle (HANS-BREDOW- INSTITUT 2006: 97). Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor für sie als ungeeignet angesehenen Sendungen wird in diesem System vor allem durch die Klassifizierung von Rundfunkprogrammen erreicht, aus der wiederum bestimmte Sendezeitbeschränkungen resultieren. Auch in anderen Medien gibt es ein Klassifizierungssystem zum Schutz der Jugend. Auf der Grundlage des „Classification Act“ von 1995 werden Inhalte in Printmedien, Filmen und Computerspielen mit bestimmten Altersbeschränkungen belegt, wenn es sich um Abbildungen oder Beschreibungen sexueller Inhalte , Drogen, Nacktheit, Gewalt oder eine Anstoß erregende Sprache handelt. (HITCHENS 2009: 793)2. Solche Publikationen bzw. Filme dürfen nicht uneingeschränkt verkauft werden. Veröffentlichungen , denen eine Klassifizierung verweigert wurde, dürfen nicht nach Australien importiert oder dort verkauft werden. Folgende Kategorien sind vorgesehen: A. „ohne Einschränkung“ (nicht empfohlen für unter 15-jährige) B. Kategorie 1 (ab 18 Jahre, Verkauf in versiegelten Verpackungen) C. Kategorie 2 (ab 18 Jahre, Verkauf nur in Erwachsenen vorbehaltenen Räumen) D. Kategorie 3 (Klassifizierung abgelehnt)3.4 Vorgenommen wird die Klassifizierung des Materials von einem hierzu eingerichteten Ausschuss („Classification Board“), der dem australischen Justizminister untersteht.5 2. Die Regulierung von Online-Inhalten Im Jahr 1999 wurde für den Bereich der Internetdienste ebenfalls ein co-regulatorisches System unter Einbeziehung nichtstaatlicher und staatlicher Akteure eingerichtet. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich im „Broadcasting Services Amendment (Online Services) Bill 1999“. Die 1 Sie hieß zunächst „Australian Broadcasting Authority“ (ABA) und wurde im Jahr 2005 mit der „Australian Communications Authority“ zusammengeführt und in „Australian Communications and Media Authority“ (ACMA) umbenannt. 2 Im Jahr 2007 wurde auch die Darstellung oder Befürwortung von terroristischen Handlungen in die Aufzählung der gesetzlichen Klassifizierungsgründe aufgenommen. HITCHENS 2009: 795. 3 Innerhalb der Kategorien gibt es weitere Spezifizierungen. Details hierzu siehe „CENSORSHIP IN AUSTRALIA“ 2010. 4 Vgl. auch „Prohibited Online Content“ auf der Website der Regulierungsbehörde ACMA. Im Internet unter http://www.acma.gov.au/WEB/STANDARD/pc=PC_90102 (Stand 22.4.2010). 5 Informationen zum Klassifizierungssystem im Internet unter http://www.classification.gov.au/ (Stand:6.5.2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 5 auf nichtstaatlicher Seite beteiligten Unternehmen haben sich in der „Internet Industry Association “ (IIA) zusammengeschlossen. Die durch die IIA in verschiedenen Kodizes niedergelegte Selbstverpflichtung zielt vor allem darauf , dass Minderjährige nicht über einen eigenständigen Internet-Account verfügen können. Darüber hinaus verpflichten sich Inhalteanbieter dazu, jugendgefährdende Inhalte zu kennzeichnen und (erwachsene) Internetnutzer über Aufsicht und Kontrolle von Minderjährigen zu informieren . Für die Überwachung der Ausführung und Wirksamkeit der Kodizes ist die IIA selbst verantwortlich . Die Regulierung der Online-Inhalte orientiert sich an den Klassifizierungskriterien des Classification Act für den Filmbereich. Im Internet sind Inhalte verboten, die unter Kategorie 3 (Klassifizierung abgelehnt) oder als R18+ / X 18+ (Kategorie 2, sexuelle Inhalte) fallen. Auch Inhalte der Kategorie „ohne Einschränkung“ können verboten sein, wenn sie auf Endgeräten ohne Zugangsbeschränkungen gezeigt werden.6 Umgesetzt werden diese Regelungen zum einen durch die freiwillige Selbstkontrolle der in der IIA zusammen geschlossenen Internetdienste. Zum anderen bietet die Regulierungsbehörde ACMA eine Beschwerdehotline für Online-Inhalte an. Hierbei können verdächtige Websites an den „Content Assessment Hotline Manager“ bei der australischen Kommunikations- und Medienbehörde ACMA gemeldet werden, der dann eine entsprechende Klassifizierung prüft.7 Die Anbieter von Webseiten, die nach dem Klassifizierungssystem als verboten eingestuft wurden , werden durch die ACMA zur Löschung der Seiten aufgefordert, sofern es sich um australische Anbieter handelt. Entsprechende Webseiten ausländischer Anbieter werden auf eine Sperrliste gesetzt und den Betreibern von geprüften Internet-Content-Filtern gemeldet, die die Seiten dann sperren (HANS-BREDOW-INSTITUT 2006: 100). Seit 2007 sind Internet Service Provider in Australien dazu verpflichtet, allen Endverbrauchern Filtersysteme zum kostenlosen Download anzubieten, mit denen als ungeeignet eingestufte Webseiten blockiert werden können. Diese Maßnahme war ein Ergebnis der seit Ende der 1990er Jahre verfolgten Absicht des damaligen liberalen Premierministers Howard und seiner Regierung, das Internet für Kinder und Jugendliche „sicherer“ zu machen. Zu diesem Zweck wurde im Dezember 1999 die Gründung der Organisation „Net Alert“ bekannt gegeben, die damit beauftragt wurde, diesem Ziel dienliche Filter - und anderen Technologien zu erforschen und entwickeln. Die Sicherheit des Internets war schon damals Gegenstand einer breiten gesellschaftlichen Debatte in Australien, so dass sich auch die Opposition das Ziel der Regierung zu Eigen machte. Im Jahr 2007 gaben Premierminister Howard und der damalige Oppositionsführer Rudd8 bekannt, dass Net Alert für die Erfüllung seiner Aufgaben Mittel in Höhe von 189 Mio. $ zugewiesen bekäme, wovon allein 84,8 Mio $ für die Bereitstellung freier Filter Software für öffentliche Bibliotheken und private Endverbraucher vorgesehen seien. Das bereits damals ins Auge gefasste Vorhaben, Filtersysteme auf der Ebene 6 Eine genaue Aufzählung der verbotenen Kategorien für Online-Inhalte findet sich im Kodex der Internet Industrie . INTERNET INDUSTRY CODE OF PRACTICE 2008: 12. 7 Vgl. http://www.acma.gov.au/WEB/STANDARD/pc=PC_90102 (Stand 22.4.2010). 8 Kevin Rudd von der Labor Party ist seit Dezember 2007 australischer Premierminister. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 6 der Service Provider zu installieren, ließ sich zu diesem Zeitpunkt technisch noch nicht realisieren (WIKIPEDIA 2010: 3). Jedoch wurden die mit Net Alert verbundenen Ziele nicht erreicht. Die den Endverbrauchern auf freiwilliger Basis angebotenen Filter wurden nur von wenigen Internetnutzern heruntergeladen, so dass der seit Dezember 2007 amtierende Kommunikationsminister Conroy von der Labor Party bereits Ende 2008 bekannt gab, dass die Maßnahme vorzeitig beendet werde und die Filter ab 2009 nicht mehr angeboten würden. Dennoch waren Forderungen nach Internetfiltern gegen ethisch unerwünschte Internetseiten von ausländischen Servern während der 2000er Jahre ein gesellschaftlich breit diskutiertes Thema in Australien, wobei familienorientierte Verbände und Parteien immer wieder für verpflichtende Filtersysteme auf Provider-Ebene eintraten.9 Im März 2006 gab die damals noch oppositionelle Labor-Party bekannt, dass auch sie fortan für verpflichtende Filter-Systeme auf Provider-Ebene eintrete (WIKIPEDIA 2010: 3). Seit dem Regierungswechsel im Dezember 2007 hat die amtierende Labor-Party dieses Vorhaben, das in die Ressort-Zuständigkeit des Ministers für Breitband, Kommunikation und Digitalisierung Stephen Conroy fällt, verfolgt. 3. Neues Gesetzesvorhaben Im Dezember 2009 gab der Kommunikationsminister bekannt, dass im Zuge eines neuen Gesetzes mit dem Titel „Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit des Internets für Familien“ verpflichtende Filter auf Provider-Ebene – und damit ohne Wahlmöglichkeit für australische Endverbraucher – eingeführt würden. Mit diesen Filtern sollen unerwünschte Webseiten von ausländischen Servern gesperrt werden, die außerhalb des Zugriffs australischer Behörden liegen. Australische Internet-Service-Provider sollen durch dieses Gesetz dazu verpflichtet werden, die auf einer Sperrliste des Ministeriums enthaltenen Webseiten den Endverbrauchern nicht zur Verfügung zu stellen. Die Sperrliste enthält sowohl Einträge aus dem Beschwerdeverfahren sowie von den Strafverfolgungsbehörden zusammengestellte Webseiten. Webseiten australischer Anbieter, die unter die Kriterien eines Verbotes nach dem Klassifizierungssystem fallen, sind bereits verboten und müssen auf Anweisung des Justizministeriums gelöscht werden. Die Ankündigung des neuen Gesetzesvorhabens zur Sperrung bestimmter ausländischer Webseiten hatte eine breite Diskussion innerhalb Australiens und eine Welle von Protesten innerhalb und außerhalb des Landes zur Folge. Hauptkritikpunkte sind dabei der generelle Eingriff in die Freiheit aller Internetnutzer und Befürchtungen, die Filter könnten eine deutliche Verlangsamung des Internetzugangs zur Folge haben. Zudem wird der Umfang der im Kommunikationsministerium erstellten Sperrliste kritisiert. So werden über die allgemein als unerwünscht angesehenen Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten hinaus nun auch die Darstellung extremer Grausamkeit oder sexuelle Gewalt sowie detaillierte Anleitungen für Verbrechen und Drogenmissbrauch als Kriterien für eine Aufnahme in die Sperrliste genannt (GREEN LIGHT 2010). Auch die amerikanische Regierung kritisierte inzwischen die australischen Pläne, den „freien Informationsfluss“ zu blockieren. Auch 9 Vor den Parlamentswahlen im Jahr 2004 trat die Family First Party für dieses Ziel ein und im Dezember 2004 richtete die Australian Family Association eine entsprechende Petition an die australische Regierung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 7 internationale Suchmaschinen wie Google und Yahoo sehen den Umfang des gefilterten Materials als zu weit an (GOOGLE AND YAHOO 2010). Gefordert wird deshalb die Einführung einer „Opt-Out-Möglichkeit“ für die Verbraucher. Da die Pläne offenbar auch innerhalb der regierenden Labor-Party nicht unumstritten sind, wird mit der offiziellen Einbringung des Gesetzes derzeit nicht vor Herbst 2010 gerechnet (LABOR DIVIDED 2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/049/10 Seite 8 Quellen CENSORSHIP IN AUSTRALIA 2010. Im Internet unter: http://en.wikipedia .org/wiki/Censorship_in_Australia (Stand: 23.04.2010). HANS-BREDOW-INSTITUT 2006. Studie über Co-Regulierungsmaßnahmen im Medienbereich (Endbericht ). Studie für die Europäische Kommission, Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien. Juni 2006. Im Internet unter: http://ec.europa.eu/avpolicy/docs/library/studies/coregul /final_rep_de.pdf (Stand: 7.5.2010). INTERNET CENSORSHIP IN AUSTRALIA 2010. Im Internet unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Internet _censorship_in_Australia (Stand: 21.4.2010). INTERNET INDUSTRY CODE OF PRACTICE 2008. Internet Industry Code of Practice, Content Services Code for Industry Co-Regulation in the Area of Content Services pursuant to the requirements of Schedule 7 of the Broadcasting Services Act 1992 as amended. 24 Juni 2008. Im Internet unter: http://www.acma.gov.au/webwr/_assets/main/lib310679/registration_of_content_svces_code.pdf (Stand: 7.5.2010). LESLEY HITCHENS (2009). Das Mediensystem Australiens. In: Internationales Handbuch Medien. Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut. Baden-Baden : Nomos 2009, S. 791 – 810. Presseartikel GREEN LIGHT 2010. Green Light for Laws to block Child Porn, Bestiality Websites. In: Herald Sun vom 16.12.2009. Im Internet unter: http://www.heraldsun.com.au/news/national/green-light-for-laws-to-blockchild -porn-bestiality-websites/story-e6frf7l6-1225810943334 (Stand: 7.5.2010). LABOR DIVIDED 2010. Labor divided on internet filtering plan. In: The Australian, 23. März 2010. Im Internet unter: http://www.theaustralian.com.au/australian-it/labor-divided-on-internet-filtering-plan/storye 6frgakx-1225843981660 (Stand 7.5.2010). GOOGLE AND YAHOO 2010. Google and Yahoo criticise Australia’s ‚heavy handed’ internet filter plans. In: Guardian.co.uk, 29. März 2010. Im Internet unter: http://www.guardian .co.uk/world/2010/mar/29/google-yahoo-australia-internet-filter (Stand: 7.5.2010).