© 2018 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 047/18 Lage des Zeitungsmarktes in Frankreich und Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 2 Lage des Zeitungsmarktes in Frankreich und Deutschland Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 047/18 Abschluss der Arbeit: 3. Juli 2018 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Lage des französischen Zeitungsmarktes 4 2.1. Strukturelle Entwicklung 4 2.2. Online-Strategie von „Le Monde“ und „Le Figaro“ 7 3. Lage des deutschen Zeitungsmarktes 9 3.1. Strukturelle Entwicklung 9 3.2. Online-Strategie der „Ibbenbürener Volkszeitung“ 19 4. Ergebnis 20 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand enthält einen überblicksartigen Vergleich des deutschen und französischen Zeitungsmarktes unter besonderer Beachtung aktueller Veränderungen. Dabei steht das Zeitungswesen vor besonderen Herausforderungen. So befinden sich Mediensysteme in westlichen Demokratien in einem strukturell und konjunkturell bedingten Umbruch. Einer der Gründe hierfür ist, dass zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer zu neuen medialen Angeboten im Internet abwandern. Außerdem haben sich die für die Zeitungsbranche relevanten Werbeeinnahmen vielfach auf Internetangebote verlagert. Damit schwinden zahlreiche für die Pressebranche wichtige Ressourcen. Die traditionellen Finanzierungsformen vieler Medienorganisationen über Anzeigen und Verkaufserlöse scheinen aller Voraussicht nach nicht ausreichend zu sein, um zukünftig die Medienlandschaft wie bisher mit Kapital zu versorgen, wenn u. a. Google, Facebook und neue Anbieter auf dem digitalen Werbemarkt mit den etablierten Verlagshäusern konkurrieren. 2. Lage des französischen Zeitungsmarktes 2.1. Strukturelle Entwicklung Laut Munzinger Online1 ging seit dem Zweiten Weltkrieg die Zahl der Zeitungen wie auch deren Auflagenhöhe stark zurück.2 „Zwischen 1990 und 2014 sanken die Auflagen der überregionalen Tageszeitungen (2013: 107 Titel) von 2,8 auf 1,4 Mio. und die der Lokalzeitungen (446 Titel) von 7,0 auf 5,0 Mio., während die seit 2002 verbreiteten Gratiszeitungen (179 Titel) 2014 rund 2,6 Mio. Exemplare erreichten. Frankreichs Tageszeitungen hatten 2015 eine Gesamtauflage von 7,4 Mio. (2008: 8,0 Mio.) Exemplaren, jedoch lasen 2008 nur 45 % der über 14-Jährigen regelmäßig Zeitung. Von den 175 Regionalzeitungen der unmittelbaren Nachkriegszeit existieren heute nur noch 73. Im Jahr 2015 wurden von den einst 28 großen überregionalen Blättern nur noch 13 angeboten .3 „Die überregionale Tagespresse ist auf Paris konzentriert und wird von dort gesteuert; sie ist – im Gegensatz zur deutschen – damit eine reine Hauptstadtpresse, was auch eine Verstärkung des politischen Zentralismus bewirkte. Selbst wenn sie weitgehend auf Berichte aus der Provinz verzichtet und dort auch nur in den seltensten Fällen mit eigenen Redaktionen präsent ist, werden die ‚Großen‘ wie ‚Le Monde‘ und ‚Le Figaro‘ trotzdem in ganz Frankreich gelesen. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass ihre tägliche Auflage etwa je zur Hälfte in Paris und in der Provinz zugestellt wird.“4 1 Munzinger Online/Länder - Internationales Handbuch: Frankreich – gesamt; URL: http://www.munzinger .de/document/03000FRA000 (Zugriff: 14.06.2018). 2 Dies bedingt auch durch den Rückgang der Zahl der Kioske (im letzten Jahrzehnt allein in Paris von 450 auf 300); diese müssen lt. einem Gesetz von 1947 von der Presse angebotene Ware abnehmen (ebenda). 3 Kempf, Udo: Das politische System Frankreichs; Wiesbaden 2017; S. 277. 4 Ebenda, S. 280. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 5 Frankreich besitzt im Hinblick auf Vielfalt und Auflagenstärke von Zeitungen und Zeitschriften weltweit einen Spitzenplatz, „trotzdem sprechen die meisten Beobachter der französischen Medienlandschaft schon seit geraumer Zeit von einer nachhaltigen Krise5 der überregionalen Tageszeitungen . Erfolgreicher sind dagegen (häufig neue) Publikationszeitschriften sowie (bereits eingeführte ) Wochenzeitungen, die trotz relativ hoher Verkaufspreise ihren Absatz noch erhöhen konnten. […] Für die Hauptstadtpresse ist die neue Konkurrenz in Form von Gratisblättern hinzugekommen . Von den etwa acht Millionen Tagespresse-Exemplaren (in Deutschland sind es 22,5 Millionen) entfallen nur 2,2 Millionen auf die nationalen Zeitungen. Besonders dramatisch ist die Situation im Großraum Paris. Während dort die Bevölkerung um ein Drittel wuchs, schrumpfte die Auflage der Tageszeitungen um 34 Prozent. Nur etwa jeder fünfte Franzose kauft regelmäßig eine Zeitung.“6 Durch die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten kam es auch in Frankreich in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem Konzentrationsprozess der Tagespresse.7 Um einer weiteren Konzentration auf immer weniger Verlagseigner vorzubeugen, „verabschiedete das Parlament 1984 ein Gesetz, welches die Anteile von Einzeleigentümern in der Branche auf 15 % begrenzte. Im Mittelpunkt der Konflikte stand die Verlagsgruppe Hersant (2004 vom Rüstungsindustriellen Serge Dassault übernommen; heute Groupe Figaro), die damals 26 % der regionalen Presse und 38 % der Presse auf nationaler Ebene kontrollierte.“8 Jedoch bewirkte dieses Anti-Konzentrations -Gesetz letztlich keine Änderung der Presselandschaft. Weiterhin dominieren sechs Medienkonzerne die tägliche Regionalpresse. „Der Meinungspluralismus existiert in vielen Regionen nur noch rudimentär, denn ein einziger Konzern beherrscht weitgehend die jeweilige Regionalpresse; Konkurrenten wurden entweder aufgekauft oder ‚gaben auf‘“.9 5 Vgl. hierzu auch die Darstellung auf: Wikipédia: Crise de la presse quotidienne française; 07.05.2017; URL: https://fr.wikipedia.org/wiki/Crise_de_la_presse_quotidienne_fran%C3%A7aise (Zugriff: 29.06.2018). 6 Kempf, S. 280. 7 Ebenda, S. 283. Zu „Konzentrationsprozess“ s. Kapitel 3.1. Vgl. hierzu auch: Mediapart: dix milliardaires possèdent la presse française !; 07.05.2017; URL: https://blogs.mediapart.fr/morvan56/blog/070517/dix-milliardaires -possedent-la-presse-francaise (Zugriff: 29.06.2018). Sowie: Rousseaux, Agnés: Le pouvoir d’influence délirant des dix milliardaires qui possèdent la presse française; in: basta!; 05.04.2017; URL: https://www.bastamag .net/Le-pouvoir-d-influence-delirant-des-dix-milliardaires-qui-possedent-la-presse (Zugriff: 29.06.2018). 8 Munzinger Online, Frankreich, a.a.O. 9 Kempf, a.a.O., S. 279. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 6 Aktuell wichtigste Pressegruppen:10 – Amaury (L'Équipe, France-Football, Vélo Magazine u.a.); – Bayard Presse (römisch-katholisch; La Croix, Notre Temps u.a.); – Lagardère (Télé 7 Jours, Paris-Match, Le Journal du Dimanche, Elle u.a.); – LVMH (Le Parisien, Aujourd'hui en France, Les Échos u.a.); – Mondadori (bis 2006 Emap, fr. Éditions Mondiales; Auto Plus, Télé Star, Télé Poche, Closer, Nous Deux, Modes et Travaux, Top Santé u.a.). – In Paris gibt es 16 Tageszeitungen (darunter das 1870 gegründete Amtsblatt der Regierung „Le Journal Officiel de la République Française“ und eine Tageszeitung auf Englisch), in der Provinz erscheinen rund 40 größere Tageszeitungen. Wie erwähnt erhalten die überregionalen Zeitungen zunehmend Konkurrenz durch sogenannte Gratisblätter. „‚20 Minutes‘, ‚Métro‘ sowie ‚Plus‘, die vor über zehn Jahren starteten, haben sich mit Auflagen von 750 000 und 550 000 Exemplaren etabliert. Mit ihrer kurz gehaltenen und leicht lesbaren Mischung aus lokalen, überregionalen und internationalen Nachrichten sowie nützlichen Verbraucherinformationen sind sie in eine Lücke gestoßen. Sie finanzieren sich ausschließlich durch Werbeeinnahmen.“11 „Im Gegensatz zur Pariser Tagespresse prosperieren die meisten Blätter der Provinz. Die in Rennes erscheinende ‚Ouest-France‘ ist mit einer Auflage von fast 800 000 Exemplaren zur größten Tageszeitung Frankreichs geworden. Aber auch der Lyoner ‚Progrès‘ oder die in Lille erscheinende ‚La Voix du Nord‘ haben inzwischen die Pariser Blätter zahlenmäßig überrundet.“12 Der Konzentrationsgrad ist wie bereits erwähnt hoch, das Gros der Auflage kommt von sechs regionalen Mediengroßkonzernen. Die Zahl der Vollredaktionen lag 2010 bei 60 (Deutschland: 105).13 „Die presse régionale bedient die Leserschaft außerhalb der französischen Hauptstadt und legt ihren Schwerpunkt fast ausschließlich auf Lokal- und Regionalnachrichten. Verkehrsunfälle, die Wasserqualität im örtlichen Badesee und ein Fest auf der Pferderennbahn werden entschieden prominenter platziert als die große Politik. Sofern letztere überhaupt abgehandelt wird. Dank kleinräumiger Berichterstattung ist die Leser-Blatt-Bindung stärker ausgeprägt – die Marktführer EBRA und Ouest France z.B. haben 101 bzw. 42 Lokalausgaben und verkaufen jeweils gut eine Million Exemplare. Der Auflagenschwund ist insgesamt geringer und da Rubrikanzeigen und Pflichtveröffentlichungen zumindest vor den Konkurrenten aus Fernsehen und Radio sicher 10 Munzinger Online, Frankreich, a.a.O., alphabetische Reihenfolge. Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf: Wikipédia : Presse quotidienne nationale française; URL: https://fr.wikipedia.org/wiki/Presse_quotidienne_nationale _fran%C3%A7aise (Zugriff: 29.06.2018). 11 Kempf, a.a.O., S. 280. 12 Ebenda, S. 283. 13 Wrobel-Leipold, Andreas: Warum gibt es die Bild-Zeitung nicht auf Französisch? Zu Gegenwart und Geschichte der tagesaktuellen Medien in Frankreich; Wiesbaden 2010; S. 129. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 7 sind, ist auch der Anzeigenumsatz stabiler. Zudem haben die meisten Regionalblätter ein eigenes Vertriebssystem.“14 2.2. Online-Strategie von „Le Monde“ und „Le Figaro“ In einem aktuellen Presseartikel wird auf die besondere Entwicklung des französischen Pressemarktes Bezug genommen:15 Es gebe kaum einen Verlag, der nicht verkauft worden sei, dabei seien Konzentrationstendenzen festzustellen. Seit Jahren schrumpfe die Presse um 4 bis 6%. Ausnahmen seien Tageszeitungen, die besonders zulegten, besonders „Qualitätszeitungen“ wie „Le Monde“ oder „Figaro“. Motor sei hierbei die Digitalisierung: Beim „Figaro“ mache die Zahl der Online-Abos 25% der Gesamtauflage aus, „Les Echos“ ähnlich. „Le Monde“ hätte sich besonders gut entwickelt: 130.000 Non-paper-Abonnenten, ein Anstieg innerhalb eines Jahres um 40%. Nachdem bis 2010 jährlich 10 Mio. Euro Verluste gemacht worden seien, schreibe das Blatt seit 2015 wieder schwarze Zahlen. Im Jahr 2017 seien es 17 Mio. Euro Gewinn. Nach Entlassungen der letzten Jahre, würden nun wieder Redakteure eingestellt (310 auf 430).16 Altwegg berichtet, dass bei „Le Monde“ das Konzept lt. Chefredakteur Jérôme Fénoglio in mehreren Maßnahmen liege: – Ausweitung der Geschäftsfelder (Modell der umfassenden Tageszeitung, die über alle Bereiche informiert). – Spektakuläre Preissenkung, Online-Abo koste nur 9,90 Euro pro Monat. Zuvor doppelt so teuer. – Das Abonnement würde nicht auf den üblichen Online-Kiosken angeboten. Ein Teil der Inhalte würde gratis oder als Zusatzleistung im Netz vertrieben.17 Auch Kehnscherper stellt bereits 2014 fest18, dass „Le Monde“ mit einem Maßnahmenmix, der Online- und Printinhalte miteinander ergänzt, reagiert hat. „Zu den zwei zentralen Abonnementen -Angeboten von Le Monde gehör[en] das ‚Formule 100% Numerique‘ und das ‚Formule Intégrale‘. Während das erste Modell die Nutzung des Paid Content auf der Internetpräsenz, sowie der Smartphone-Applikation ‚Le Monde.fr‘ und E-Paper Ausgabe für Tablet-PCs umfasst, kommt für den Käufer des zweiten Modells auch die Printausgabe hinzu. Das reine Online-Abonnement , welches mindestens über drei Monate abgeschlossen werden muss, kostet im ersten Monat 1€, danach 17,90€. Das gesamte Print- und Online-Abonnement kostet insgesamt 19€ im Monat , was ebenso mindestens drei Monate lang andauert, bis der Abonnent kündigen darf. 14 Ebenda. 15 Altwegg, Jürg: Die Zukunft beginnt jetzt; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung; 05.06.2018; S. 13. 16 Ebenda. 17 Ebenda. 18 Kehnscherper, Leonhard: Online-Strategien deutscher und französischer Qualitätszeitungen; Norderstedt 2014; S. 10 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 8 Neben dem ‚Formule Week-end‘, welches ein reines Print-Angebot ist, gibt es ein besonderes Angebot für die ‚Jeunes‘ im Alter von 18 bis 25 Jahren. Dieses ausschließlich digitale Abonnement umfasst dieselben Leistungen wie das ‚Formule 100% Numerique‘ und kostet ebenso 1€, diesmal allerdings für die ersten sechs Monate.19 […] In etwa zur gleichen Zeit wie Le Monde begann auch Le Figaro, eine Paid-Content-Strategie zu verfolgen. Seit 2010 bietet Le Figaro seinerseits ein Abonnement-Modell an, das bestimmte Artikel auf lefigaro.fr nur seinen Abonnenten zugänglich macht. Die ‚Edition Abonnés‘ umfasst verschiedene Artikel des Tages, Dossiers, Analysen und Hintergrundberichte zu politischen Prozessen mit den Titeln ‚Vertrauliches‘ (‚Confidentiels‘) und ‚Die Entscheider‘ (‚Les Décideurs‘). Diese zusätzlichen Inhalte stammen von eigens eingestellten Redakteuren und dienen neben den Werbeerlösen als zweite Einnahmequelle. Offensichtlich von hochwertigem Journalismus überzeugt, setzt Le Figaros Strategie eindeutig auf den vermeintlich guten Ruf des Blattes, welches einer zahlenden Leserschaft auch online exklusive Inhalte zur Verfügung stellt.“20 Print-Zeitungen und -Magazine könnten lt. Altwegg heute ohne eine Online-Ausgabe nicht mehr bestehen. Als besondere Maßnahme seien also die Kosten der Online-Abos gesenkt worden, wobei ein Teil der Inhalte weiterhin kostenlos bliebe. „Le Monde“ zähle 22 Mio. Leser pro Monat, „Le Figaro“ 30 Mio. Beide Zeitungen hätten eine Werbeallianz gegründet und deckten 85% des französischen Marktes ab. Somit funktioniere das Modell der umfassend informierenden Tageszeitung weiterhin, die anspruchsvoll und redaktionell verlässlich berichte. Angesichts von Beliebigkeit , Vulgarität und Fake News im Internet sei dabei eine neue Wertschätzung sowohl bei Lesern als auch Werbekunden entstanden. 52% der Franzosen sprächen 2018 der Tageszeitung als Informationsmedium ihr Vertrauen aus. Dies sei kein guter Wert, im Jahr 2017 seien dies aber noch 44% gewesen. Die traditionellen Medien würden wieder als verlässlicher wahrgenommen und gewännen Vertrauen zurück.21 Gleichzeitig bliebe die Zahl der Online-Leser hoch. Der Online-Bereich würde zudem auch im weiteren Sinne als komplementär zur Printausgabe verstanden: Jugendlichen würde an Schulen erklärt, wie Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden könnten; „Le Monde“ hätte eine Abteilung für „Fakten-Checking“ aufgebaut, die erfolgreich online kostenlose Artikel veröffentliche ; ebenso die frei zugängliche Suchmaschine „Decodes“, mit der man sich über die Qualität von Portalen informieren könne. Dies sei bereits vor der Debatte über Fake News eingerichtet worden. „Le Monde“ setze dabei zusätzlich auf die Jugend: Die Zeitung sei auf Facebook, Twitter und sogar Snapchat aktiv. Auf letzterem erreiche sie täglich 900.000 Jugendliche. Mit einem Sonderangebot i.H.v. 6 Euro pro Monat seien 10.000 Abonnenten im Alter von 18-25 Jahren gewonnen worden. Bei „Figaro“ seien 20% der Online-Abonnenten jünger als 35 Jahre.22 19 Kehnscherper (ebenda) führt hierzu aus: „Dieses Angebot war zeitlich begrenzt und galt vom 1. bis zum 31. März 2014. Für Studierende gibt es dauerhafte Angebote, die alle Leistungen des ‚Formule Intégrale‘ umfassen und etwas ein Viertel des normalen Preises entsprechen. Darüber hinaus bietet Le Monde noch preislich unterschiedliche Abo-Modelle für 200 Länder, sowie Unternehmen und Verwaltungen an – stets digitale Inhalte und die Printausgabe kombinierend.“ 20 Ebenda, S. 11f. 21 Altwegg, a.a.O., S. 13. 22 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 9 3. Lage des deutschen Zeitungsmarktes 3.1. Strukturelle Entwicklung Durch die deutsche Geschichte ist der deutsche Zeitungsmarkt sehr regional geprägt. „Zwar gibt es auch überregionale Zeitungen, die meist aber einen regionalen Ursprung oder sogar einen regionalen Ableger haben. Das ist zum Beispiel bei der Süddeutschen Zeitung der Fall, die den Großteil ihres Umsatzes in München und Umgebung mit im Vergleich zur überregionalen Version deutlich erweiterten Regionalteil macht. Anders sieht es bei den europäischen Nachbarn aus: Die politische Zentralisierung Frankreichs spiegelt sich auch auf dem Zeitungsmarkt wider. Es gibt wenig bis gar keine französische Lokalpresse, allenfalls eine Regionalpresse. […] Die deutsche Presse ist durch ihre privaten Eigentümer geprägt. Es gibt so gut wie keine Zeitungen, die nicht Privatpersonen, Familien oder Unternehmen gehören.“23 Überdies nehmen die privatisierten ehem. SED-Bezirkszeitungen auf dem ostdeutschen Pressemarkt eine dominante, häufig monopolistische Stellung ein. Das politische Spektrum der Zeitungen ist groß.24 Als wichtigste überregionale meinungsbildende Tageszeitungen gelten die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Welt“. Abbildung 1 zeigt die zehn größten deutschen Verlagsgruppen im Tageszeitungsmarkt sowie deren Marktanteile. 23 Medien-Wiki: Deutscher Zeitungsmarkt; 30.01.2018; URL: https://medien-wiki.de/zeitungsmarkt (Zugriff: 18.06.2018). 24 Munzinger Online, Deutschland, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 10 Abbildung 125 In der Bundesrepublik entwickelte sich nach 1945 schnell ein vielfältiges Pressewesen, das jedoch seit den 1970er Jahren starken Konzentrationsprozessen unterworfen ist. „Viele Zeitungen wurden aufgrund des steigenden Kostendrucks eingestellt oder von Großverlagen übernommen. Kennzeichnend für die heutige deutsche Presselandschaft ist die hohe Zahl von Zeitungstiteln, die lokale Bindung vieler Tageszeitungen, die geringe Zahl überregionaler Zeitungen, ein hoher Konzentrationsgrad, die Abhängigkeit von Anzeigeneinnahmen sowie eine schwach entwickelte 25 Statista: Marktanteile der Verlagsgruppen an der Auflage im Tageszeitungsmarkt in Deutschland im 1. Quartal 2016 und 2018; URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/175477/umfrage/anteile-der-groessten-verlage -am-tageszeitungsmarkt/ (Zugriff: 19.06.2018). Quellen: Media Perspektiven, Formatt Institut. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 11 Parteipresse.“26 So erreichten, wie untenstehende Tabelle 1 zeigt, die zehn auflagenstärksten Verlagsgruppen im ersten Quartal des Jahres 2018 zusammen einen Marktanteil an der insgesamt verkauften Auflage von über 60 Prozent. Die horizontale Konzentration27 in der Branche bleibt damit hoch und beschleunigt ihr Wachstum laut Röper insbesondere in den Jahren 2016-2018 rasant.28 Röper führt aus: „Die Verschiebungen bei der Kostenstruktur der Verlagsbranche […] zeigen Reaktionen auf die Marktveränderungen. Bei nachlassenden Anzeigenbuchungen und reduziertem Umfang vieler Titel sowie sinkenden Auflagen verringern sich die Ausgaben für Papier und die technische Herstellung. Auch die Kosten für die Anzeigenakquisition sind rückläufig . Die Verwaltungskosten steigen hingegen leicht, die Vertriebskosten deutlich. Letzteres verursacht insbesondere der gesetzliche Mindestlohn, der inzwischen auch den Zeitungszustellern gezahlt wird. Auch der Anteil der Redaktionskosten ist gesunken. Darin spiegelt sich der Abbau von Redaktionsstellen auf allen Ebenen wider. Die großen Verlagsgruppen haben Personal in ihren titelbezogenen Hauptredaktionen abgebaut und lassen stattdessen vermehrt von Zentralredaktionen die Seiten für ganze Ressorts einheitlich für alle Titel produzieren. Auch externe Redaktionen kaufen inzwischen Produktionen dieser Zentralredaktionen. Die dadurch entstehende betriebswirtschaftliche Entlastung führt auf der anderen Seite zur Vereinheitlichung von Inhalten auch solcher Zeitungen, die zuvor das Produkt in eigener Regie und mit eigenen Redaktionen erstellt hatten. Der publizistische Einfluss der noch jungen Zentralredaktionen einzelner Verlagsgruppen ist bereits groß und wächst weiter, weil immer mehr Zeitungsverlage den relativ kostengünstigen Einkauf redaktioneller Produkte praktizieren. Auch für die lokale Berichterstattung nutzen immer mehr Verlage das Prinzip des Einkaufs redaktioneller Leistungen als Ersatz für die eigene Produktion. Lokalredaktionen werden personell abgebaut oder komplett aufgegeben . Lokale Berichterstattung oder gar der komplette Lokalteil werden von jenen Wettbewerbern übernommen, mit denen zuvor auch über die redaktionellen Leistungen der Wettbewerb ausgetragen wurde.“29 26 Munzinger Online, Deutschland, a.a.O. Dort verwendetete Quellen: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.; KEK – Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich; IVW (Alle Auflagenzahlen soweit nicht anders angegeben: verkaufte Auflage Montag-Samstag im 2. Quartal 2015). 27 Der Begriff „Medienkonzentration“ bezeichnet den Prozess und im Ergebnis das Ausmaß, in dem Medienunternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Die Medienkonzentration ist ein Indikator für die Wettbewerbsintensität auf dem Markt. Die horizontale Konzentration bezeichnet dabei den Zusammenschluss von Unternehmen auf der gleichen Produktionsstufe (z.B. zwei Zeitungsverlage). Unter vertikaler Konzentration wird die Zusammenfassung mehrerer Produktionsstufen (z.B. ein Fernsehveranstalter kauft einen Kabelnetzbetreiber ; eine Zeitung kauft eine Druckerei) verstanden, während die diagonale Konzentration entweder medienübergreifende Beteiligungen (z.B. ein Presseverlag fusioniert mit einem Fernsehveranstalter) oder branchenübergreifende Zusammenschlüsse umfasst (z.B. die Fusion eines Getränkekonzern mit einem Medienunternehmen). (Puppis, Manuel: Einführung in die Medienpolitik; Konstanz 2010, 2. Auflage; S. 84ff.). 28 Röper, Horst: Zeitungsmarkt 2018: Pressekonzentration steigt rasant. Daten zur Konzentration der Tagespresse in Deutschland im I. Quartal 2018; in: Intendant des Hessischen Rundfunks: Media Perspektiven 5/2018; Frankfurt am Main 2018; S. 216, 233. 29 Ebenda, S. 219. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 12 Diese Marktkonzentration und der damit verbundenen Marktmacht weniger Verlage werden derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung von einer stark steigenden publizistischen Konzentration überlagert. Hatten Verlage nach dem „Stuttgarter Weg“ oder dem „WAZ-Modell“ zunächst benachbarte Zeitungen in einem Verlag zu führen versucht, die Redaktionen jedoch unabhängig voneinander bestehen lassen, so werden mittlerweile die Redaktionen unterschiedlicher Zeitungen zunehmend zusammengefasst. „Dieser Umstand bedeutet die teilweise oder vollständige Aufgabe der redaktionellen Eigenständigkeit einzelner Titel. Das Modell, mit einer Zentralredaktion die Kosten im redaktionellen Bereich zu senken, indem diese Redaktion immer stärker die Aufgaben von zuvor eigenständigen Hauptredaktionen mit den klassischen Ressorts übernimmt, wird inzwischen von mehreren Verlagsgruppen beschritten. Neben dem Funke-Konzern auch von Madsack in Hannover, DuMont in Köln und nicht zuletzt von Springer in Berlin.“30 Neben Inhalten für Printprodukte beliefern die Zentralredaktionen auch Digitalangebote, wie Webportale oder Handy-Apps. Der Springer-Konzern richtete sogar ein crossmediales Projekt ein, indem er die Redaktionen von „Die Welt“ und „Die Welt am Sonntag“ mit jener des Nachrichtenprogramms „N24“ zusammenlegte.31 Ebenso bietet mittlerweile die Deutsche Presse-Agentur (dpa) sogenannte Fertigseiten an, die auf Wunsch „nach den Bedürfnisse des Auftraggebers angepasst und im exakten Layout der Zeitung“32 erstellt werden. Damit steigt die publizistische Bedeutung der größten Nachrichtenagentur Deutschlands zusätzlich, die so noch größeren Einfluss auf die redaktionellen Inhalte nehmen kann. „2014 wurden in Deutschland 329 Tageszeitungen (313 regionale und lokale Abonnementzeitungen , 8 überregionale Zeitungen, 8 Straßenverkaufszeitungen) mit einer Gesamtauflage von 17,54 Mio. herausgegeben; hinzu kamen 20 Wochen- und 6 Sonntagszeitungen (Auflage rd. 5 Mio.). Zahlreiche Verlage bringen ihre Tageszeitungen auch als E-Paper heraus.“33 Seit Jahren ist der Tageszeitungsmarkt jedoch von Anzeigen- und Auflagenverlusten sowie damit verbundenen sinkenden Werbeeinnahmen gekennzeichnet, wie Abbildung 2 sowie die Tabellen 2 und 3 veranschaulichen. Der Auflagenrückgang beträgt im Zeitraum 2005-2015 rund 25%. Der Gesamtumsatz der Branche ist von 9,4 Mrd. Euro 2001 auf 7,2 Mrd. Euro 2016 zurückgegangen.34 30 Röper, Horst: Zeitungsmarkt 2016: Pressekonzentration erneut leicht gestiegen. Daten zur Konzentration der Tagespresse in Deutschland im I. Quartal 2016; in: Intendant des Hessischen Rundfunks: Media Perspektiven 5/2016; Frankfurt am Main 2016; S. 254. 31 Ebenda. 32 Deutsche Presse-Agentur: dpa-Fertigseiten: Ganze Seiten produzieren lassen; URL: https://www.dpa.com/de/produkte-services/content-on-demand/fertigseiten/ (Zugriff: 27.06.2018). 33 Munzinger Online, Deutschland, a.a.O. 34 Röper, 2018, a.a.O, S. 216. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 13 Tabelle 135 35 Röper, 2018, a.a.O., S. 217. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 14 Abbildung 236 Tabelle 237 36 Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW): Auflagenliste; Berlin 2015; S. 10. 37 Röper, 2018, a.a.O., S. 221. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 15 Tabelle 338 Auf den Auflagenschwund haben die Verlage verschiedentlich reagiert. „Die Digitalstrategien der großen Verlagsgruppen lassen sich wie folgt charakterisieren: Konzerne, die das Digitalgeschäft heute als zweite Umsatzsäule anstreben, sind bereit, sich erheblich in den verlagsfernen Sektoren E-Commerce, Venture Capital und Internettechnologien zu bewegen und sich hier auch transnational aufzustellen. Springer, Burda sowie Georg von Holtzbrinck sind auf diesem Weg. Eine zweite Gruppe möchte in erster Linie Inhalteanbieter bleiben. Dem Rückgang der Printumsätze begegnet sie mit dem Ausbau des Kerngeschäfts und mit dem teilweisen Umbau hin zur Multichannel -Produktion. […] Zu dieser Gruppe gehören Gruner+Jahr, Dieter von Holtzbrinck, Bauer, DuMont und Madsack. Eindeutig dem Kerngeschäft Print untergeordnet ist das Digitalgeschäft bei den eher regional aufgestellten Zeitungsgruppen. Sie sehen zwar auch die Notwendigkeit, sich in digitale Geschäftsfelder zu begeben. Dies geschieht aber ohne größere Umgestaltungen der Verlagsstrukturen und ohne die Beteiligung an verlagsfernen digitalen Geschäften. Zu dieser Gruppe gehören WAZ Me- 38 Ebenda, S. 218. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 16 diengruppe, der SWMH-Verbund, die Ippen-Gruppe und die FAZ-Gruppe. Kleinere sonstige Verlagsgruppen haben keine Chance, den Strategien der großen Verlagskonzerne zu folgen: Ihnen fehlen schlicht die Ressourcen, um in ganz neue digitale Geschäftsfelder wirksam einzusteigen .“39 „Ein Großteil der Verlage veröffentlicht Informationen auf verschiedenen Channels: in Form von Videos, Audiodateien, als E-Paper, über eine mobile Version oder im Social-Media-Bereich. Verlage beschreiben sich selbst zunehmend nicht mehr als Zeitungs-, sondern als Medienhäuser. Auf Konferenzen diskutieren Zeitungsverleger über Crossmedia-Strategien [… und] vernetzen ihr Mediengattungen zunehmend […].“40 Daher ist bei der Ermittlung der Reichweite von Zeitungstiteln heute nicht allein die Auflagenhöhe ausschlaggebend, sondern der Online-Leserkreis einzubeziehen . „Neben den die Zeitungsbranche beherrschenden Sparstrategien zeigen sich in den beiden Problemfeldern Auflagen- und Werbeumsatzentwicklung aber auch einige positive Tendenzen. In der von der IVW ausgewiesenen Verkaufsauflage der Tageszeitungen werden seit 2012 auch die Verkäufe der E-Paper berücksichtigt.“41 In den ersten Jahren erreichten diese nur eine marginale Größe, das Wachstum ist inzwischen jedoch groß: „Die einzige nicht von Rückgängen geprägte Entwicklung bei den Tageszeitungen ist der Verkauf von E-Papern. Im ersten Quartal 2018 erreichte die Auflage mit 1,28 Millionen Exemplaren erneut einen Rekordwert. Die Steigerung hat im Vergleich zu früheren Jahren zwar an Tempo verloren, die Zugewinne waren aber mit absolut rund 200 000 Exemplaren pro Jahr zuletzt sehr stabil. Viele Verlage sehen im Verkauf der digitalen Zeitungen inzwischen ihre Zukunft . E-Papers werden daher niedrigschwellig angeboten, also mit relativ geringen Bezugspreisen insbesondere für das Abonnement. Wenn das E-Paper parallel zum Printprodukt bestellt wird, stellen die Verlage oft nur einen Aufpreis von wenigen Euro in Rechnung. Zudem werden den Kunden im Digitalbereich häufig zusätzliche Features angeboten, wie etwa der Zugriff auf archivierte Zeitungen oder sogar eine digitale Sonntagszeitung. Solche digitalen Sonntagsblätter als siebte Ausgabe pro Woche werden inzwischen von einer Reihe von Verlagen angeboten, zum Beispiel von der Funke-Gruppe für die Titel Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr Zeitung , Westfalen Post und Westfälische Rundschau, von den Ruhr Nachrichten und vom Hellweger Anzeiger. Diese digitalen Sonntagszeitungen werden teilweise eigenständig für das Abo angeboten und dienen den Verlagen mit geringen Bezugspreisen auch zur Akquise von Neukunden.“42 Die Zeitungsunternehmen bemühen sich darüber hinaus vielfältig, mit ihren Onlineaktivitäten den Umsatz zu steigern. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) haben bis 2016 120 Zeitungsunternehmen Bezahlschranken bei ihren Onlineportalen eingeführt. „Eine wachsende Zahl von Verlagen stellt sogenannte Instant Articles, besonders schnell ladende Einzelbeiträge, bei Facebook ein, um mit ihnen Werbeerlöse zu erzielen. Ein Onlinekiosk wie 39 Vogel, Andreas: Online als Geschäftsfeld und Vertriebskanal der Pressewirtschaft. Auf dem Weg zum zweiten Standbein?; in: Intendant des Hessischen Rundfunks: Media Perspektiven 3/2012; Frankfurt am Main 2012; S. 170 f. 40 Thomä, Manuel: Der Zerfall des Publikums; Wiesbaden 2014; S. 22 (Klammerbemerkungen ausgelassen). 41 Röper, 2016, a.a.O., S. 256 und vgl. Abbildung 3. 42 Röper, 2018, a.a.O., S. 217 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 17 Blendle wird genutzt, um einzelne redaktionelle Leistungen für kleine Beträge zu verkaufen. Im Werbemarkt versuchen insbesondere die größeren Verlagsgruppen, sich über Kooperationen besser zu positionieren. [… Im Jahr 2016] haben zahlreiche größere Verlagsunternehmen, darunter sechs der zehn auflagenstärksten Verlagsgruppen, die Score Media GmbH & Co. KG mit Sitz in Düsseldorf gegründet. Die Score Media soll nicht nur für die Printprodukte Werbekunden akquirieren , sondern bietet über eine Kooperation mit dem Vermarkter OMS (Ströer-Gruppe) zugleich crossmediale Werbemöglichkeiten für Print, Onlineportale und Mobilangebote. Beteiligt an der Score Media ist auch der Funke-Konzern in Essen, der zugleich zusammen mit dem Springer- Konzern das konkurrierende Unternehmen Media Impact in Berlin gegründet hat. Auch diese Firma will durch Bündelung der Belegungsmöglichkeiten der beiden Konzerne verstärkt am nationalen Werbemarkt partizipieren.“43 Die Entwicklung der Online-Angebote deutscher Zeitungen sowie der E-Paper-Auflagen zeigen die untenstehenden Abbildungen. 43 Röper, 2016, a.a.O., S. 256 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 18 Abbildung 344 Abbildung 445 44 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV): Die deutschen Zeitungen in Zahlen und Daten 2018; Berlin 2018; S. 19. Abrufbar unter URL: https://www.bdzv.de/fileadmin/bdzv_hauptseite/aktuell/publikationen/2017/ZDF_2017.pdf (Zugriff: 15.06.2018). 45 Ebenda, S. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 19 3.2. Online-Strategie der „Ibbenbürener Volkszeitung“ Die deutschen Zeitungen haben in der Vergangenheit den Weg in das Internet bereits früh gefunden . „Als erste Titel machten 1995 die ‚Schweriner Volkszeitung‘, ‚taz – die tageszeitung‘ (Berlin ), ‚Die Zeit‘ (Hamburg), die ‚Süddeutsche Zeitung‘ (München) und die ‚Rheinische Post‘ (Düsseldorf ) eigene Online-Angebote. Im Sommer 1996 waren nach einer Zählung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) bereits 41 Zeitungen neben der gedruckten Ausgabe auch online aktiv; heute sind es 698 verschiedene Zeitungswebsites. […] Zwei Drittel der Zeitungen bieten ihre gedruckte Ausgabe in faksimilierter oder doch in sehr ähnlicher Form auch als E- Paper an. Die Verkaufszahlen steigen von Quartal zu Quartal. Daneben kommen immer mehr Zeitungs -Apps für mobile Endegeräte auf den Markt. Derzeit können die Nutzer unter mehr als 600 Apps auswählen.“46 Auch in Deutschland lässt sich eine zu verallgemeinernde Reaktion der Zeitungen auf ihre sinkenden Auflagenzahlen derzeit nicht ausmachen. Auf Grund der für den deutschen Markt prägenden Lokal- und Regionalzeitungen, die nach wie vor sinkende Auflagenzahlen zu verzeichnen haben47, beginnen – sogar konkurrierende – Verlage vermehrt Zentralredaktionen für mehrere Lokalzeitungen einzurichten. So gründeten die Verlage Madsack und Dumont im Mai 2018 ein gemeinsames Hauptstadtbüro und beliefern künftig 50 Tageszeitungen mit Texten aus Berlin.48 Dennoch: „Auf die tiefgreifenden und weiter anhaltenden Transformationsprozesse als Folge der Digitalisierung reagieren die Zeitungsverlage mit unterschiedlichen Strategien: Zum einen wird das Geschäft mit gedruckten Produkten weiterentwickelt; Print bleibt ein wichtiger Teil des Unternehmenserfolgs . Ferner erschließen die Verlage offensiv die digitalen Märkte und entwickeln online und mobil zusätzliche Angebote für Leser, Nutzer, Werbekunden. Hinzu kommen Diversifizierungsmodelle , etwa Engagements in der Aus- und Weiterbildung, im Veranstaltungsmanagement , bei der Briefzustellung oder in der B-2-B-Dienstleistung für Unternehmen und Organisationen .“49 Als ein Beispiel für erfolgreiche Anpassung wird die westfälische „Ibbenbürener Volkszeitung“ angeführt.50 Bis dato seien auch hier sinkende Auflagenzahlen festzumachen, derzeit liege die Auflage bei 18.000. Diese habe vor diesem Hintergrund nach mehrjähriger Entwicklungszeit ihren Online-Auftritt entscheidend angepasst und acht „Themenwelten“ entwickelt, die einen bestimmten thematischen Bereich abdecken. Diese seien kostenpflichtig, jedoch preiswerter, als ein Komplettabonnement i.H.v. 38,90 Euro. Das Ziel sei dabei, verschiedene Interessentengruppen zu 46 Ebenda, S. 18 ff. 47 Schröder, Jens: IVW-Analyse der Regionalzeitungen: die Erfolgsbilanz der größten 82 Titel auf einen Blick; in: Meedia.de; 20.10.2017; URL: https://meedia.de/2017/10/20/ivw-analyse-der-regionalzeitungen-die-erfolgsbilanz -der-groessten-82-titel-auf-einen-blick/ (Zugriff: 19.06.2018). 48 Fromm, Anne: Bericht aus Berlin; in: die tageszeitung; 02.06.2018; S. 18. Sowie: Busse, Caspar: Montagsinterview mit Christopher Bauer. „Wir bieten ein Vertrauensgut“; in: Süddeutsche Zeitung; 04.06.2018; S. 16. 49 Ebenda, S. 38. 50 von Garmissen, Anna: Die Zukunft von Regionalzeitungen. Neue Welten; in: Süddeutsche Zeitung; 12.03.2018; URL: http://www.sueddeutsche.de/medien/die-zukunft-von-regionalzeitungen-neue-welten-1.3901716 (Zugriff: 18.06.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 20 erreichen, die statt des Vollabos z.B. einzelne Themenfelder wie „Blaulicht und Verkehr“, „Lokale Wirtschaft“ oder „Familie und Schule“ abonnieren möchten. Jede Themenwelt werde von einem Ressortleiter geleitet, der angewiesen sei, sich tiefer als bisher in die Fachgebiete einzuarbeiten und z.B. in Form von Aufrufen oder Veranstaltungen stärker die Leser der Zeitung miteinzubeziehen . Die Redaktion bezeichnet diese Strategie derzeit noch als „Experiment“, sei jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass sie mit diesem niedrigschwelligen Preismodell einen Mittelweg zwischen den herkömmlichen teuren Vollabonnements auf der einen Seite und der auf Lokalebene bisher völlig unzureichenden Werbefinanzierung auf der anderen Seite gefunden habe. Dabei gelte die Devise weg vom Generalistentum, hin zu mehr Tiefe. Dies habe im Fall von Ibbenbüren nach Aussage der Redaktion bereits heute zu ersten Erfolgen geführt. Im journalistischen Bereich sei es wieder möglich stärker eigene Ideen zu entwickeln, wobei die Arbeit nicht mehr so stark termingetrieben sei. Auch der Austausch mit lokalen Institutionen habe sich verbessert, die auf die kompetentere Berichterstattung aufmerksam geworden seien.51 4. Ergebnis Der deutsche und französische Zeitungsmarkt „erlebten innerhalb des letzten Jahrzehnts starke Umsatzrückgänge, einmal in den Jahren 2001 bis 2003 und dann im Verlauf der Weltwirtschaftskrise ab 2008. So sanken die Werbeausgaben in Frankreich [allein, Anm. d. Aut.] 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 12,6%, in Deutschland um 9,8%.“52 „Anders als in Deutschland, wo die Verluste der Tageszeitungen hauptsächlich auf soziodemographische Faktoren und digitale Verlagsstrategien zurückzuführen sind, kommt in Frankreich der große Erfolg von werbefinanzierten Gratiszeitungen hinzu, die sich in Deutschland nie durchsetzen konnten. Zudem finanzieren sich französische Tageszeitungen wesentlich stärker aus dem Einzelverkauf am kiosque, während sich deutsche Tageszeitungen wesentlich stärker aus Abonnements finanzieren. So finanzieren sich Le Figaro und Le Monde zu etwa 45% aus Abonnements , SZ und FAZ hingegen zu 65 bzw. 70%. Ebenso ist zu erwähnen, dass sich deutsche Tageszeitungen wesentlich mehr über Anzeigen finanzieren als französische. Der maßgebliche Unterschied zwischen dem deutschen und dem französischen Zeitungsmarkt wird jedoch bei der staatlichen Finanzierung deutlich. Während der französische Staat seine Print- und seit 2010 auch Onlinemedien seit den 1950er Jahren subventioniert, verwehren sich die deutschen Verlage gegen staatliche Finanzierungshilfen. Die direkten und indirekten Subventionen für den französischen Printmarkt betrugen von 2009 bis 2011 insgesamt rund fünf Mrd. 51 Ebenda. 52 Kehnscherper, a.a.O., S. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 047/18 Seite 21 Euro. Le Monde und Le Figaro profitieren 2010 mit 17 bzw. 13. Mio. Euro.“53 In Deutschland gibt es nur eine indirekte Presseförderung in Form eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes.54 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sowohl der deutsche und französische Zeitungsmarkt nach wie vor sinkende Absatzzahlen ihrer Printausgaben zu verzeichnen haben. Steigende Umsätze konnten einzelne Titel, wie beispielhaft gezeigt, erst durch die Umstrukturierung ihres Online- Auftrittes erreichen sowie durch ein ausdifferenziertes und individualisiertes Angebot für verschiedene Kundenkreise. Während das deutsche Beispiel also das Konzept einer stärkeren Regionalisierung bzw. Spezifizierung zeigt, setzten die französischen Beispiele auf das Modell einer umfassenden Tageszeitung. Dieses Entwicklungen und Projekte, die in Frankreich insbesondere den nationalen, und in Deutschland zusätzlich die regionalen Zeitungsmärkte betreffen, sind dabei noch nicht abgeschlossen und daher aktuell nicht generalisierbar. **** 53 Ebenda, S. 3f. Kritisch zur Verteilung der staatlichen Hilfen in Frankreich: Mauduit, Laurent/Huet, Donatien: Presse: l’Etat subventionne d’abord les milliardaires; in: Medipart; 05.10.2016; URL: https://www.mediapart .fr/journal/economie/051016/presse-l-etat-subventionne-d-abord-les-milliardaires?onglet=full (Zugriff: 29.06.2018). 54 § 12 Abs. 2, Nr. 1 Umsatzsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386), das zuletzt durch Artikel 11 Absatz 35 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist.