Medienpolitik in Deutschland Übersicht über die föderale Kompetenzverteilung einschließlich der europäischen Medienkompetenzen - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 10 - 047/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Medienpolitik in Deutschland Übersicht über die föderale Kompetenzverteilung einschließlich der europäischen Medienkompetenzen Ausarbeitung WD 10 - 047/07 Abschluss der Arbeit: 12. Juli 2007 Fachbereich WD 10: Kultur und Medien Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhalt 1. Zu den Begriffen "Medienpolitik", "Medienrecht" und "Rundfunk" 4 2. Zuständigkeit der Länder für den Rundfunk und die inhaltsbezogene Regulierung der neuen Medien – Wirtschaftsbezogene Regulierung der neuen Medien durch den Bund 6 2.1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage seit dem Ersten Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts 6 2.2. Materielle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkrecht 7 2.3. Reform der Medienordnung durch Vereinheitlichung der den Ländern vorbehaltenen inhaltsbezogenen Regulierung und der vom Bund beanspruchten wirtschaftsbezogenen Regulierung der neuen Medien 8 2.4. Rundfunk- und sonstiges Medienrecht der Länder 10 2.4.1. Rundfunkstaatsvertrag 10 2.4.2. ARD-Staatsvertrag 11 2.4.3. ZDF-Staatsvertrag 11 2.4.4. Deutschlandradio-Staatsvertrag 11 2.4.5. Rundfunkgebührenstaatsvertrag 12 2.4.6. Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag 12 2.4.7. Jugendmedienschutz-Staatsvertrag 12 2.5. Rechtspolitische Argumente für eine Länderzuständigkeit für den Rundfunk 13 2.6. Medienrecht des Bundes 14 3. Europarecht 14 3.1. Gemeinschaftsrecht 14 3.2. Europarat 18 4. Literaturverzeichnis 19 - 4 - 1. Zu den Begriffen "Medienpolitik", "Medienrecht" und "Rundfunk" Unter Medienpolitik wird jener Sektor der Politik verstanden, der die Ordnung und Kontrolle der Medien betrifft. Er ist ein Teil der Kommunikationspolitik, und zwar der in der politischen Praxis wichtigste, oft allein in Erscheinung tretende Teil. Historisch wird in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass schon die Volksversammlungen in antiken Stadtrepubliken Regeln über Teilnahme, Einberufung, Tagesordnung, Redeund Antwortrechte folgten. In der Geschichte wird deutlich, dass Medienpolitik in enger Beziehung zum jeweiligen Herrschaftssystem steht. So können sich autoritäre Regierungen zwar eine relativ liberale Wirtschaftspolitik leisten (z.B. Franco-Spanien), gefährden aber ihre Existenz, sobald sie eine Lockerung im Bereich der öffentlichen Meinung und der Medien zulassen. Neben der offen deklarierten Medienpolitik, die sich in Verfassungen, Gesetzen, Staatsverträgen und in der Besetzung von Leitungspositionen und Aufsichtsgremien kund tut, gibt es noch eine andere, verborgenere Art, die Medien und ihre Botschaften zu beeinflussen. 1 Dies gilt vor allem für Entscheidungen über die Festsetzung der Höhe der jeweiligen "Mediengebühr". Im Hinblick auf die Festsetzung der Rundfunkgebühr führt das Bundesverfassungsgericht hierzu folgendes aus:2 "Der Grundsatz der Trennung zwischen allgemeinen medienpolitischen Entscheidungen und Entscheidungen über die Rundfunkgebühr ist allerdings aus sich heraus nicht hinreichend effektiv. Das hängt damit zusammen , dass zweckwidrige Erwägungen rundfunkpolitischer oder programmlenkender Art bei der Gebührenfestsetzung in der Regel nach außen nicht zutage treten. In einem System staatsvertraglicher Übereinkunft aller Länder kann bereits ein einzelner Regierungschef aus zweckwidrigen Erwägungen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung nehmen, ohne dass ein solcher Fehler normalerweise aufgedeckt und nachgewiesen werden könnte." Das Medienrecht ist kein einheitliches Rechtsgebiet. Es werden darunter diejenigen Rechtssätze verstanden, die für den Bereich der Medien relevant sind. Sie ergeben sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Gesetze. Einschlägig sind u.a. das Grundgesetz, die Presse- und Rundfunkgesetze, die Rundfunkstaatsverträge, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Urheberrechtsgesetz und das Telemediengesetz.3 Von zentraler Bedeutung sowohl für die Medienpolitik als auch für das Medienrecht ist der Begriff des Rundfunks. Entgegen einem weit verbreiteten Verständnis von Rundfunk umfasst dieser Begriff rechtlich nicht nur den Hörfunk, sondern auch das Fernse- 1 Staatslexikon, Medien, I 2; Lexikon der Politik, Band 7, Politische Begriffe, Medienpolitik. 2 BVerfGE 90, 60, 94 f. 3 Fechner, Medienrecht, Rn. 5; einen umfassenden Überblick über das Medienrecht und das medienrelevante Recht bietet die Übersicht von Petersen, Medienrecht, S.VII ff. - 5 - hen. Auf die Form der Darbietung (Wort, Ton oder Bild) kommt es ebenso wenig an wie auf die physikalische Art der Übertragung. Entscheidend für den Rundfunkbegriff ist vielmehr, dass Darbietungen aller Art für eine unbestimmte Allgemeinheit durchgeführt oder verbreitet werden und dass die Verbreitung durch funktechnische Mittel erfolgt . Dementsprechend ist in § 2 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages folgender einfachgesetzlicher Rundfunkbegriff niedergelegt: "Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen, ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind." Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff geht hierüber wiederum hinaus und erfasst auch neue Dienste. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz verwendete Begriff "Rundfunk" nicht in einer ein für alle Mal gültigen Definition erfassen. Der Begriff ist vielmehr für neue technische Entwicklungen flexibel und offen. Es kommt daher weniger auf die Begrifflichkeit als solche an, sondern es geht darum, Schutzwirkungen und Gewährleistungen der Verfassung dort zur Geltung zu bringen, wo es erforderlich ist, um freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung sicher zu stellen.4 Die angeführte, einfachgesetzliche Begriffsbestimmung kann die verfassungsrechtlich gebotene funktionale Betrachtungsweise nicht ersetzen. Nach dieser Betrachtungsweise kommt es insbesondere nicht auf die technische Art der Übertragung oder Verbreitung , sondern auf den Normzweck des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz an. Das Bundesverfassungsgericht führt zu dem dynamisch zu verstehenden verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff folgendes aus: "Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz verwendete Begriff 'Rundfunk' lässt sich nicht in einer ein für alle Mal gültigen Definition erfassen. (...) Soll die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte. Zur Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung bedarf es vielmehr der oben darge- 4 Hochstein, NJW 1997, 2978. - 6 - stellten Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz auch bei den rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten." 5 2. Zuständigkeit der Länder für den Rundfunk und die inhaltsbezogene Regulierung der neuen Medien – Wirtschaftsbezogene Regulierung der neuen Medien durch den Bund 2.1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage seit dem Ersten Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts Das Rundfunkwesen ist nach den Artikeln 30 und 70 des Grundgesetzes Sache der Länder. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Ersten Fernsehurteil vom Februar 1961,6 das als "Magna Charta des Rundfunks" in die Geschichte einging und die weitere Entwicklung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik entscheidend geprägt hat, klargestellt. Damit wurde vor allem die seit der Weimarer Republik offen gebliebene Frage der Kompetenzverteilung zwischen Zentralgewalt und Gliedstaaten geklärt . Das Bundesverfassungsgericht ging von der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder nach Artikel 30 Grundgesetz aus, sofern das Grundgesetz nicht eine ausdrückliche Zuweisung an den Bund enthält. Zum Bereich des dem Bund gemäß Artikel 73 Nr. 7 GG zustehenden Fernmeldewesens (heute "Telekommunikation") rechnete es nur die Übertragungstechnik des Rundfunks. Alle anderen Bereiche des Rundfunks sind demgemäß Sache der Länder. Dazu gehören insbesondere die publizistische Seite wie Programmfragen , die gesamte Organisation des Rundfunks einschließlich der Studiotechnik 7. Das in seiner politischen und kulturellen Bedeutung kaum zu überschätzende Massenkommunikationsmittel Rundfunk ist nicht Teil, sondern Benutzer der Einrichtungen der Telekommunikation, denen nur eine untergeordnete, dienende Funktion zukommt. Nach dieser grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Bund aufgrund seiner Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für auswärtige Angelegenheiten und gesamtdeutsche Fragen allerdings nicht das Recht bestritten, Rundfunkanstalten zu errichten, deren Programme "ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland oder die Deutschen bestimmt sind, die außerhalb der (Anm.: alten ) Bundesrepublik Deutschland in deutschen Gebieten wohnen."8 Dieses Recht hatte der Bund wahrgenommen, indem er die Rundfunkanstalten Deutschlandfunk und Deutsche Welle errichtete. Angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung wurde der 5 BVerfGE 74,297 (350 ff). 6 BVerfGE 12, 205 ff. 7 BVerfGE 12, 205; Hesse, Rundfunkrecht, 1 Rnr. 52. 8 BVerfGE 12, 205, 250. - 7 - Deutschlandfunk zum 1. Januar 1994 als Teil des Deutschlandradios in Länderhoheit überführt. 2.2. Materielle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkrecht Das Rundfunkrecht wird maßgeblich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG ("Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.") geprägt. Zu den wesentlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, gehört der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks. Dieser Grundsatz, dessen Kernpunkt die Programmfreiheit der Veranstalter darstellt, verbietet dem Staat jede Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme. Darüber hinaus bedarf es einer positiven Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichst breitem und vollständigem Umfang Ausdruck findet, um freie und umfassende Meinungsbildung durch Rundfunk zu ermöglichen. Zu den Fragen, welche der Gesetzgeber zu regeln hat, gehört die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung. Damit lag es im Ermessen des Gesetzgebers, neben der Errichtung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auch private Rundfunkveranstalter zuzulassen. Der Gesetzgeber hat sich für eine in diesem Sinne duale Rundfunkordnung entschieden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber im Rahmen des von ihm zugrunde gelegten Ordnungsmodells "dafür Sorge zu tragen, dass das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt im Wesentlichen entspricht, dass der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird und dass die in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogrammangebot zu Wort kommen können"; er hat darüber hinaus "Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit , Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten."9 Außerdem muss er eine begrenzte Staatsaufsicht vorsehen, den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen regeln und, solange dieser nicht jedem Bewerber eröffnet werden kann, Auswahlregelungen treffen, die den Bewerbern gleiche Chancen eröffnen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber insbesondere die verfassungsrechtliche Pflicht auferlegt, Vorkehrungen gegen die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht zu treffen.10 Darüber hinaus hat es hervorgehoben, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung freier Meinungsbildung auch gesetzliche Vorkehrungen da- 9 BVerfGE 73, 118, 153. 10 BVerfGE 73, 172. - 8 - gegen erfordere, dass sich vorherrschende Meinungsmacht aus einer Kombination der Einflüsse in Rundfunk und Presse ergibt. Weitere grundlegende Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkrecht betreffen den Begriff der Grundversorgung. Dieser Begriff bezeichnet keine Mindestversorgung und nimmt auch keine Grenzziehung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern in dem Sinne vor, dass jene für den informierenden und bildenden , diese für den unterhaltenden Teil des Programmangebots zuständig wären. Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeutet vielmehr, dass sichergestellt werden muss, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anbieten, die umfassend sind und in der vollen Breite dem klassischen Auftrag des Rundfunks (Bildung, Information und Unterhaltung ) entsprechen. Der sich hieraus ergebende Grundversorgungsauftrag lässt sich im dualen System unter den bestehenden Bedingungen nur erfüllen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht allein in seinem gegenwärtigen Bestand, sondern auch in seiner zukünftigen Entwicklung gesichert ist. 2.3. Reform der Medienordnung durch Vereinheitlichung der den Ländern vorbehaltenen inhaltsbezogenen Regulierung und der vom Bund beanspruchten wirtschaftsbezogenen Regulierung der neuen Medien Anknüpfend an Artikel 30, 70 GG und der oben skizzierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Fernsehurteil11 liegt die inhaltsbezogene Regulierung der neuen Medien in der Kompetenz der Länder.12 Für die neuen multimedialen Dienste kann eine Bundeskompetenz nur dann begründet sein, wenn sie im Schwerpunkt dem Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG oder einer anderen Kompetenz zugeordnet werden können, die dem Zugriff des Bundes offensteht. Dies bedeutet zugleich, dass die kommunikativen Inhalte praktisch auf null reduziert sein müssen oder vom Gesamtcharakter her eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Nach geltendem Verfassungsrecht ist über Art. 30, 70 GG auch das Recht der Individualkommunikation der Gesetzgebungskompetenz der Länder zugehörig, woran andere in diesem Zusammenhang vom Bund neben Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 GG geltend gemachte Kompetenzen wie Art. 73 Nr. 9 GG (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht), 11 BVerfGE 12, 205 ff. 12 So auch Stettner, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Art. 73 Rn. 32. - 9 - Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Strafrecht) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (Jugendschutz) nichts ändern.13 Bund und Länder haben sich auf pragmatischem Wege auf eine Reform der Medienordnung verständigt, die Kompetenzstreitigkeiten und damit einhergehende verfassungsgerichtliche Auseinandersetzungen vermeidet. Ein erster Schritt hierzu war die Neugestaltung des Jugendschutzes, die im April 2003 in Kraft getreten ist. Damals erfolgte eine einheitliche Regelung der Anforderungen im Bereich der elektronischen Medien (Rundfunk , Tele- und Mediendienste) über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder sowie über das Jugendschutzgesetz des Bundes. Wie bereits im Jugendmedienschutz- Staatsvertrag und im Jugendschutzgesetz geschehen, sollen die Regelungen für Teledienste und Mediendienste bereichsspezifisch weiter vereinheitlicht werden. Teledienste und Mediendienste werden daher nunmehr unter dem einheitlichen Begriff "Telemedien " zusammengefasst. Infolge dieser Neuregelung enthält das Telemediengesetz des Bundes die wirtschaftsbezogenen Bestimmungen für Telemedien (Herkunftslandprinzip , Zulassungsfreiheit, Informationspflichten, Verantwortlichkeit, Datenschutz ). Dieses Bundesgesetz ist zeitgleich mit dem Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag der Länder am 1. März 2007 in Kraft getreten. Die inhaltsspezifischen Bestimmungen für Telemedien sind nunmehr im Rundfunkstaatsvertrag der Länder geregelt. Sie gelten für alle Telemedien, d.h. für Dienste, die weder der Telekommunikation noch dem Rundfunk zuzuordnen sind. Damit sind die Regelungsbereiche von Bund und Ländern klar getrennt. Die bisherige oft schwierige Grenzziehung zwischen Telediensten und Mediendiensten entfällt. Da die Bestimmungen des Mediendienste- Staatsvertrages in den Rundfunkstaatsvertrag überführt wurden, bedurfte es des Mediendienste -Staatsvertrages nicht mehr, so dass er außer Kraft treten konnte. Zum Teil wird – wohl nicht zu Unrecht – die Frage aufgeworfen, inwieweit nach der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern entsprechende politische Vereinbarungen über Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern überhaupt zulässig sind.14 Die Frage dürfte dahingehend zu beantworten sein, dass sich die Gesetzgebungskompetenzen allein aus dem Grundgesetz ergeben; sie stehen nicht zur Disposition von politischen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. Entscheidend ist also, dass entsprechende politische Vereinbarungen unter Beachtung der sich aus der Verfassung ergebenden Zuständigkeitsverteilung getroffen werden. 13 Stettner, s. Fußnote 12. 14 Stettner, s. Fußnote 12, Art. 73 Rn. 33. - 10 - 2.4. Rundfunk- und sonstiges Medienrecht der Länder Die Regierungschefs der Länder haben am 31. August 1991 Einvernehmen über den Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland erzielt. Die Landesparlamente haben diesem Staatsvertrag in der Regel durch Landesgesetz oder durch einen anderen Zustimmungsakt zugestimmt. Ziel dieses Staatsvertrages ist es, ein in den alten und den neuen Ländern gleichermaßen geltendes staatsvertragliches Rundfunkrecht zu schaffen; dabei wurden wesentliche Teile aus den Staatsverträgen der alten Länder übernommen. Die Ländergrenzen überschreitenden Funktionen des Rundfunks, zunächst in öffentlich -rechtlicher Organisationsform, seit Mitte der achtziger Jahre auch in privatrechtlicher Organisationsform, haben dazu geführt, jenseits der Landesrundfunkgesetze für übergeordnete Aufgabenstellungen Staatsverträge aller Länder abzuschließen. Hierbei handelt es sich um folgende rundfunkrechtliche Staatsverträge: - Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag), - ARD-Staatsvertrag, - ZDF-Staatsvertrag, - Deutschlandradio-Staatsvertrag, - Rundfunkgebührenstaatsvertrag, - Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, - Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. 2.4.1. Rundfunkstaatsvertrag Wie in seiner Präambel hervorgehoben, enthält der Rundfunkstaatsvertrag grundlegende Regelungen für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk in einem dualen Rundfunksystem der Länder. Weiterhin sollen danach öffentlich-rechtlicher Rundfunk und privater Rundfunk der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpflichtet sein. Hiernach sind für den öffentlichrechtlichen Rundfunk Bestand und Entwicklung – einschließlich seiner Teilhabe an allen neuen technischen Möglichkeiten – zu gewährleisten; den privaten Veranstaltern werden Ausbau und Fortentwicklung eines privaten Rundfunksystems ermöglicht. Für den Bereich des bundesweit verbreiteten privaten Fernsehens sind insbesondere die in der Vorschrift des § 26 des Rundfunkstaatsvertrages enthaltenen Regelungen hervorzuheben , die der Entstehung vorherrschender Meinungsmacht im Rundfunk und der Gefahr von Medienkonzentration entgegenwirken sollen. Zudem ist hier festgelegt (§ 26 Abs. 6), dass die Landesmedienanstalten gemeinsam alle drei Jahre oder auf Anforderung der Länder einen Bericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im - 11 - Medienbereich (KEK) über die Entwicklung der Konzentration und über Maßnahmen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk veröffentlichen. Der Bericht soll die Bereiche des intramediären und des intermediären Wettbewerbs sowie die internationalen Verflechtungen im Medienbereich umfassen. Hiervon werden insbesondere auch Verflechtungen zwischen Rundfunk und Presse erfasst. 2.4.2. ARD-Staatsvertrag Der ARD-Staatsvertrag beschränkt sich auf einige wesentliche Vorschriften für die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten zur Veranstaltung des Ersten Fernsehprogramms. Entsprechend der Organisation der ARD als nicht rechtsfähige Arbeitsgemeinschaft der Landesrundfunkanstalten enthält der Staatsvertrag im Hinblick auf den Programmdirektor, den Programmbeirat und die Konferenz der Gremiumsvorsitzenden organisationsrechtliche Bestimmungen. Für diesen Bereich sind in erster Linie die jeweiligen Landesgesetze bzw. Staatsverträge über die Landesrundfunkanstalten heranzuziehen. Die näheren Anforderungen an die Veranstaltung des Programms sind den für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geltenden Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages zu entnehmen. Der ARD-Staatsvertrag enthält die Verpflichtung zur Veranstaltung des gemeinsamen Ersten Fernsehprogramms. 2.4.3. ZDF-Staatsvertrag Das Zweite Deutsche Fernsehen wurde durch Staatsvertrag vom 6. Juni 1961 als Fernsehanstalt in Trägerschaft der Länder errichtet. Nach der Vereinigung Deutschlands sind durch den ZDF-Staatsvertrag alle Länder Träger des ZDF geworden. Ein weiteres Ziel der damaligen Novellierung bestand darin, die für die Programmveranstaltung geltenden wesentlichen Vorschriften systematisch neu zu ordnen und zusammenzufassen. Gleichzeitig wurden Änderungen aufgenommen, die sich aufgrund der Erfahrungen der Praxis und der Rechtsprechung als notwendig erwiesen. 2.4.4. Deutschlandradio-Staatsvertrag Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 haben die Länder die gemeinnützige rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts "Deutschlandradio" errichtet. Mit dem "Deutschlandfunk " und "Deutschlandradio Kultur" veranstaltet das Deutschlandradio zwei werbefreie Hörfunkprogramme, die ihre Schwerpunkte in den Bereichen Information und - 12 - Kultur haben. Zudem kann die Körperschaft programmbegleitend Telemedien mit programmbezogenem Inhalt anbieten. 2.4.5. Rundfunkgebührenstaatsvertrag Im Rundfunkgebührenstaatsvertrag haben die Länder den Begriff des Rundfunkempfangsgerätes , die Zusammensetzung der Rundfunkgebühr sowie Beginn, Ende und Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht geregelt. Hiernach besteht die Rundfunkgebühr aus einer Grundgebühr und einer Fernsehgebühr, deren Höhe durch einen besonderen Staatsvertrag (Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag) festgesetzt wird. Die Gebührenpflicht beginnt, sobald ein Rundfunkempfangsgerät bereitgehalten wird. Nach Maßgabe eines Katalogs von Befreiungstatbeständen, die ihrerseits an sozialrechtliche Tatbestände anknüpfen, werden Rundfunkteilnehmer auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. 2.4.6. Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag regelt das Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühr , deren Höhe, die Finanzierung der Landesmedienanstalten durch die Rundfunkgebühr sowie den Finanzausgleich zwischen den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten. 2.4.7. Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und dem Jugendschutzgesetz des Bundes vom 23. Juli 2002 wurden die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Jugendschutz neu justiert. Der Bund hat seine Regelung für den Jugendschutz in Telemedien zurückgenommen, so dass die Länder den wieder eröffneten Spielraum für eine einheitliche Jugendschutzregelung aller elektronischen Medien unter Einbeziehung sowohl des Rundfunks als auch des Online-Bereichs (Telemedien) nutzen konnten. Der Bund bleibt hierbei weiterhin zuständig für den Jugendschutz bei Trägermedien (Filme, Videokassetten , CD-Roms, etc.), während die Länder den Jugendschutz im Bereich der elektronischen Medien ausgestalten. Auf der Grundlage der Neuordnung wurden auch die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern verzahnt. So kann die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Bundesprüfstelle) weiterhin Offline- und auch Online- Angebote indizieren. Ausgenommen ist lediglich der Rundfunk. Allerdings ist die Bundesprüfstelle hierbei an Wertungsentscheidungen der Kommission für Jugendmedien- - 13 - schutz (KJM) als des zuständigen Organs der Medienaufsicht der Länder gebunden. Der Staatsvertrag stärkt ferner Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Anbieter. Anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle wird ein Entscheidungsrahmen zugebilligt, der durch die Medienaufsicht nur begrenzt überprüfbar ist. Dem Medienrecht der Länder unterfallen darüber hinaus die Landespressegesetze. 2.5. Rechtspolitische Argumente für eine Länderzuständigkeit für den Rundfunk Anknüpfend an die unter 2.1 dargelegte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sprechen auch rechtspolitische Gründe für eine Zuständigkeit der Länder für den Rundfunk. Diese hat Hesse15 folgendermaßen dargestellt: "Die Zuständigkeitsverteilung, die der Rundfunk im Grundgesetz erfahren hat, beruht zunächst auf der geschichtlichen Erfahrung: Ein zentralistischer Rundfunk nach dem Vorbild der Reichsrundfunkgesellschaft sollte sich nicht wiederholen. Doch ist auch unter heutigen Bedingungen die grundsätzliche Länderzuständigkeit mehr als ein historisches Relikt. Sie hat vielmehr zahlreiche praktische Auswirkungen auf die Organisation des Rundfunks. Die Veranstaltung von Rundfunksendungen bedarf - im Unterschied zur Presse - nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer gesetzlichen Grundlage. Die Entscheidung darüber, wer für die damit verfassungsrechtlich geforderte Leitentscheidung zuständig sein soll, ist nicht nur formaler Natur. Die Bundesländer sind Zentren politischer Willensbildung; in den einzelnen Ländern können sich daher jeweils unterschiedliche politische Mehrheiten an der Regierung befinden. Dies führt - verglichen mit einer zentralen Bundeszuständigkeit - zu einem gewaltenteilenden Effekt. Sollte der Fall eintreten, dass das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht hinreichend beachtet wird, so bleiben die Folgen des Verstoßes auf das Gebiet des betroffenen Landes beschränkt. Auch können sich die Einflüsse in verschiedenen Ländern bis zu einem gewissen Grade gegenseitig kompensieren und so zu einer Balance beitragen. In gleicher Richtung wirkt sich ein weiterer Gesichtspunkt aus: Kann eine Regelung nur ländereinheitlich getroffen werden, erfolgt eine Einigung zwischen den Ländern auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners. Dies bewahrt den Rundfunk in seiner Gesamtheit vor abrupten Kursänderungen der Medienpolitik , wie sie im Gefolge eines Regierungswechsels auf Bundesebene eintreten könnten. Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes im Rundfunk führt so zu einer Verstärkung der Rundfunkfreiheit. Sie bewirkt darüber hinaus auch eine Förderung der Vielfalt, jedenfalls im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, solange jedes Bundesland über eine eigene Rundfunkanstalt verfügt, die die regionalen Besonderheiten in das nationale Programm einzubringen in der Lage ist. Die Entscheidung des Grundgesetzes für eine grundsätzliche Zuständigkeit der Länder ist daher auch unter modernen Verhältnissen sinnvoll." 15 Hesse, Rundfunkrecht, 2 Rn. 5. - 14 - 2.6. Medienrecht des Bundes Eine originäre Zuständigkeit im Bereich des Rundfunks besitzt der Bund nur für den Auslandsrundfunk. Der Bund kann sich dabei auf die Zuständigkeit für die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten gemäß Art. 32, 73 Nr. 1 und 87 GG stützen. Auf dieser Grundlage hat der Bund 1997 das Gesetz über den deutschen Auslandsrundfunk erlassen, das die Rechtsgrundlage für die Bundesrundfunkanstalt Deutsche Welle darstellt .16 Darüber hinaus gehört das unter 2.3 bereits dargestellte Telemediengesetz zum Medienrecht des Bundes, während das dort und unter 2.4.7 ebenfalls genannte Jugendschutzgesetz als medienrelevantes Bundesrecht einzuordnen ist. Man mag darüber streiten, ob das Telekommunikationsgesetz überhaupt dem Medienrecht zuzuordnen ist.17 Das Telekommunikationsgesetz umfasst lediglich den technischen Vorgang der Telekommunikation, der Übermittlung von Daten - unabhängig von deren Inhalt. Die wichtigste Grenzlinie zwischen Bundes- und Länderzuständigkeit ergibt sich aus dem Verhältnis von Telekommunikation und Rundfunk. Für die Telekommunikation besitzt der Bund nach Art. 73 Nr. 7 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz und nach Art. 87 f GG die Zuständigkeit zur Regulierung. Der Begriff der Telekommunikation ist durch die mit der Postreform II verbundene Grundgesetzänderung von 1994 in das Grundgesetz eingefügt worden. Damit war eine Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch bezweckt, aber keine Änderung des Gegenstandsbereichs . Für seine Auslegung kann daher an die zu dem früher verwendeten Begriff des Fernmeldewesens entwickelten Grundsätze angeknüpft werden.18 Demnach kommt der Telekommunikation eine "dienende Funktion" gegenüber dem Rundfunk zu.19 3. Europarecht 3.1. Gemeinschaftsrecht Dem EG-Vertrag (EGV) ist keine ausdrückliche Kompetenz für den Rundfunk zu entnehmen . Der Kulturartikel 151 EGV, der in seinem zweiten Absatz den audiovisuellen Bereich anführt, hat insoweit lediglich eine kompetenzbegrenzende Funktion. Durch Art. 151 Abs. 5 EGV wird die Gemeinschaft bei ihrer Rechtsetzungsbefugnis auf För- 16 Hesse, Rundfunkrecht, 2 Rn. 23. 17 So offenbar Petersen, Medienrecht, § 14 Rn. 1 ff. 18 Hesse, Rundfunkrecht, 2 Rn. 6. 19 Vgl. oben 2.1. - 15 - dermaßnahmen begrenzt. Eine Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften wird durch diese Bestimmung ausdrücklich ausgeschlossen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Maastricht-Entscheidung vom 12. Oktober 199320 den Kulturartikel in diesem kompetenzbegrenzenden und nicht in einem kompetenzausweitenden Sinne interpretiert.21 Dementsprechend liegt nach Auffassung der Länder die Kompetenz, medienspezifisches Recht zu setzen, bei den Mitgliedstaaten. In diesem Sinne hat der Bundesrat, durch den die Länder gem. Art. 23 Abs. 2 GG in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken, zu Vorlagen der Europäischen Kommission Stellung genommen, die den Rundfunk betreffen. Unter Hinweis auf die vorwiegend gesellschaftlichen und kulturellen Funktionen des Rundfunks hatte er hervorgehoben, dass die bestehende Kompetenzverteilung nicht dadurch umgangen werden dürfe, dass die Gemeinschaft ihre Kompetenz für wirtschaftspolitische Regelungen zu gezielten Eingriffen in den Medienbereich benutze. So sind auf der Ebene der Europäischen Union im Hinblick auf audiovisuelle Medien und Dienste insbesondere in den neunziger Jahren eine Vielzahl von Rechtsetzungsvorhaben, Aktionsplänen, Programmen und Grünbüchern zur Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa auf den Weg gebracht worden, die nicht nur die Rundfunkhoheit, sondern auch die Kompetenz der Länder für die inhaltsbezogene Regulierung von neuen Medien betreffen. Weitgehende Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Union im Medienbereich, insbesondere im Bereich des Rundfunks, werden den Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff EGV) entnommen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weist der Rundfunk Elemente einer Dienstleistung auf. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die EU jede Frage regeln darf, die den Rundfunk betrifft.22 Für das Fernsehen von grundlegender Bedeutung ist die Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (EG-Fernsehrichtlinie),23 die 1997 durch eine Änderungslichtlinie modifiziert wurde.24 Die Fernsehrichtlinie geht vom Sendestaatsprinzip aus. Hiernach richtet sich die Zulässigkeit des Programms nach dem Recht des Sitzstaates des Veranstalters. Darüber hinaus enthält die Richtlinie Vorgaben zur Werbung, zum 20 BVerfGE 89, 155. 21 Hartstein/ Ring/ Kreile/ Dörr/ Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, B 4 Rn. 31. 22 Hartstein/ Ring/ Kreile/ Dörr/ Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, B 4 Rn. 22. 23 ABl. EG Nr. L 298 vom 17.10.1989, S. 23 ff, i. d. F. der Berichtigung gem. ABl. EG Nr. L 331 vom 16.11.1989, S. 51. 24 RL 97/36/EG, ABl. EG Nr. L 202 vom 30.07.1997, S. 60 ff. - 16 - Sponsoring und zum Teleshopping, zum Jugendschutz, Quotenregelungen für europäische Werke, zum Gegendarstellungsrecht sowie zur Übertragung von Großereignissen. Eine weitere Novellierung der Richtlinie, die eine weitergehende Liberalisierung und Deregulierung zum Gegenstand hat, steht kurz vor dem Abschluss. In der Ratstagung am 24./25. Mai 2007 ist es unter deutscher Ratspräsidentschaft gelungen, unter den Mitgliedstaaten eine politische Einigung über die neue Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste zu erreichen. In den neunziger Jahren unternahm die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission mehrere Versuche, auf die den Mitgliedstaaten vorbehaltene Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – im Sinne eines "gleichmacherischen" Ansatzes – einzuwirken. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nahmen dies 1997 in ihrer Konferenz in Amsterdam zum Anlass, das "Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten" zu verabschieden. Darin wird klargestellt, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu bestimmen. Das Protokoll, das als Bestandteil des primären Gemeinschaftsrechts anzusehen ist, hat folgenden Wortlaut: "Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten Die Hohen Vertragsparteien – in der Erwägung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft ist, den Pluralismus in den Medien zu wahren – sind über folgende auslegende Bestimmung übereingekommen, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist: Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft berühren nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich -rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und die Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist." Deutschland hat die Beachtung des Amsterdamer Protokolls über den öffentlichrechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten auch in dem EU-Beihilfeverfahren gegen - 17 - die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingefordert. Dieses Verfahren wurde mit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24. April 2007 eingestellt, nachdem Deutschland der Kommission nach langwierigen Verhandlungen ein umfangreiches Maßnahmenpaket angeboten hatte. Nunmehr steht die staatsvertragliche Umsetzung dieses Maßnahmenpaketes durch die Länder an. Deutschland hatte in dem Beihilfeverfahren an seinem Rechtsstandpunkt, dass die deutsche Rundfunkgebühr nicht dem Beihilfetatbestand des Art. 87 Abs. 1 EGV unterfällt, festgehalten. Ein weiterer Konflikt zwischen der Europäischen Kommission und Deutschland in der Medienpolitik zeichnet sich im Hinblick auf die anstehende Überarbeitung der EU- Telekommunikationsrichtlinien ("TK-Review") an. Das sog. TK-Richtlinienpaket umfasst derzeit eine Rahmenrichtlinie25 sowie die Zugangsrichtlinie,26 die Universaldienstrichtlinie ,27 die Genehmigungsrichtlinie,28 und die Datenschutzrichtlinie.29 Für das Fernsehen von besonderer Bedeutung ist Art. 31 der Universaldienstrichtlinie. Die Vorschrift lässt es zu, dass die Mitgliedstaaten Netzbetreibern begrenzte must-carry- Verpflichtungen auferlegen. Deutschland hat sich gegenüber der Europäischen Kommission für den Erhalt und die Erweiterung des Art. 31 der Universaldienstrichtlinie ausgesprochen. So sollte die Bestimmung zusätzlich auf alle Plattformen erstreckt und die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten auch auf Dienste, die der kulturellen Vielfalt und der Sicherung der Meinungspluralität dienen, erweitert werden. Ferner sollten die Bestimmungen der TK-Richtlinien dahingehend ergänzt werden, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, zur Sicherung der genannten Grundprinzipien Vorgaben für elektronische Kommunikationsnetze und Plattformen vorzusehen, insbesondere um dadurch den diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Übertragungskapazitäten für Medienanbieter zu sichern. Nicht zuletzt müssen die Prinzipien der Achtung der Freiheit der Medien, der Sicherung des freien Informationsflusses und der Medienvielfalt auch bei der Frequenzpolitik berücksichtigt werden. Ein reiner Marktansatz darf deshalb bei Rundfunkübertragungskapazitäten grundsätzlich nicht zum Tragen kommen. 25 ABl. EG Nr. L 108 vom 14.02.2002, S. 33. 26 ABl. EG Nr. L 108 vom 14.02.2002, S. 7. 27 ABl. EG Nr. L 108 vom 14.02.2002, S. 51. 28 ABl. EG Nr. L 108 vom 14.02.2002, S. 21. 29 ABl. EG Nr. L 201 vom 16.09.2002, S. 37. - 18 - 3.2. Europarat Neben den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind für den Rundfunk in Europa auch die Aktivitäten des Europarates von Bedeutung. Auch wenn hier eine deutlich weniger rasante Rechtsentwicklung festzustellen ist, darf nicht übersehen werden, dass der Einfluss des Europarates insofern über den der Europäischen Union hinausreicht, als jenem mittlerweile nahezu sämtliche mittel- und osteuropäische Staaten angehören. Medienrechtlich ist insoweit das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen vom 5. Mai 1989, i. d. F. des Protokolls vom 9. September 1998, von Bedeutung. Diese Europaratskonvention stimmt in wesentlichen Teilen mit der EG- Fernsehrichtlinie überein. Darüber hinaus ist die Bestimmung des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) anzuführen, der auch ein Gemeinschaftsgrundrecht der Europäischen Union darstellt.30 30 Hartstein/ Ring/ Kreile/ Dörr/ Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, B 4 Rn. 5. - 19 - 4. Literaturverzeichnis Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 2. Auflage 2006, Tübingen: Mohr Siebek . Fechner, Frank, Medienrecht, 8. Auflage 2007, Tübingen: Mohr Siebeck. Hartstein, Reinhard/ Ring, Wolf-Dieter/ Kreile, Johannes/ Dörr, Dieter/ Stettner, Rupert, Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, Stand: April 2007, München: Rehm. Hesse, Albrecht, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, München: Verlag Franz Vahlen. Hochstein, Reiner, Teledienste, Mediendienste und Rundfunkbegriff – Anmerkungen zur praktischen Abgrenzung multimedialer Erscheinungsformen, NJW 1997, 2977. Lexikon der Politik, hrsg. von Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze und Suzanne S. Schüttemeyer, Band 7, Politische Begriffe, 1998, München: Verlag C.H. Beck. Petersen, Jens, Medienrecht, 3. Auflage 2006, München: Verlag C.H. Beck. Staatslexikon, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage 1987, Freiburg im Breisgau : Verlag Herder.