© 2013 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 044/13 Kultur- und medienpolitische Aspekte der transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 2 Kultur- und medienpolitische Aspekte der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft Verfasser: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 044/13 Abschluss der Arbeit: 29. Mai 2013 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA: Die Transatlantische Handels- und Investmentpartnerschaft 4 2. Kulturpolitische Leitplanken: Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen 6 3. Exception culturelle: Analogie zu bisherigen Handelsabkommen 9 4. Der weitere Weg: Aufnahme der Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft 11 5. Literatur 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 4 1. Das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA: Die Transatlantische Handels- und Investmentpartnerschaft Am 13. Februar 2013 kündigten US-Präsident Obama, EU-Ratspräsident van Rompuy und EU- Kommissionspräsident Barroso an, Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP)1 aufzunehmen. Grundlage sind die Empfehlungen, die eine EU- US-Arbeitsgruppe nach über ein Jahr dauernden Beratungen vorgelegt hat. Daraufhin hat die Europäische Kommission am 12. März 2013 einen Entwurf eines Verhandlungsmandats für das Freihandelsabkommen zwischen EU und den Vereinigten Staaten beschlossen. Damit sind Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft in greifbare Nähe gerückt. Das geplante Freihandelsabkommen ist ein bilaterales Abkommen zwischen EU und USA auf dem Gebiet des internationalen Handelsrechts, das Zoll- und Handelsschranken abbauen soll.2 Am 12. März 2013 hat die EU-Kommission den Entwurf eines Verhandlungsmandates für die Aufnahme von Verhandlungen für eine Transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft vorgelegt.3 Dieser Mandatsentwurf sieht vor, die bisher in den internationalen Handelsabkommen festgelegte Ausnahme für die Bereiche Kultur und Medien aufzuheben. Der Rat wird dem Verhandlungsmandat voraussichtlich bis Juni 2013 zustimmen. Am 20. März teilte der Handelsbeauftragte der USA dem Kongress mit, dass die Regierung Obama beabsichtige, die Verhandlungen über die TTIP aufzunehmen.4 In den USA hatte Präsident Obama zuvor angekündigt, ebenfalls die notwendigen Schritte für einen offiziellen Verhandlungsbeginn einzuleiten. Das schnelle Vorgehen auf beiden Seiten wird von der Analyse einer High Level Working Group (HLWG) befeuert, die auf dem EU-US Gipfel Ende 2011 von EU-Handelskommissar Karel De Gucht und dem US-Handelsbeauftragten Ron Kirk ins Leben gerufen worden war.5 In ihrem Schlussbericht vom 11. Februar 2013 empfiehlt die HLWG ausdrücklich den Beginn von Verhandlungen über ein möglichst umfassendes, ehrgeiziges Freihandelsabkommen. Die Europäische Kommission hofft, mit den Verhandlungen in drei Bereichen ehrgeizige Ergebnisse zu erzielen: a) Marktzugang, b) Regulierungsfragen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse, und c) Regeln, Prinzipien und neue Formen der Zusammenarbeit, um sowohl globale Chancen als auch Herausforderungen im Handel gemeinsam zu begegnen. Ein Freihandelsabkommen zwischen zwei der größten Wirtschaftsregionen der Welt könnte auf diese Weise wichtige Wachstumsimpulse setzen. Die 1 Die englische Bezeichnung lautet „Trans-Atlantic Free Trade Agreement" (TAFTA) bzw. „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP). 2 Vgl. http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/united-states. Darüber hinaus begannen die EU und Kanada im Oktober 2009 Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen. Die Verhandlungen mit Kanada laufen weiter, ein Abschluss im Jahre 2013 wird angestrebt. Wie sich die beabsichtigten Verhandlungen der EU mit den USA hier auswirken werden, ist offen. Vgl. dazu http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/canada. 3 Vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=869. 4 Das von der Kommission vorgeschlagene Verhandlungsmandat (COM(2013)136) umfasst den Zugang zum Markt, Regulierungsstandards und nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen (Non-Tariff Barriers – NTBs) sowie Vorschriften für den Welthandel. Vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/february/tradoc_150571.pdf. 5 Vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/february/tradoc_150519.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 5 Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft wird über das Abbauen der Zolltarife hinausgehen und die Öffnung der Märkte für Investitionen, Dienstleistungen und öffentliches Vergabewesen beinhalten. Darüber hinaus werden Regelungen und technische Produktstandards aufeinander abgestimmt, denn dies sind derzeit die größten Hindernisse für den transatlantischen Handel.6 Kultur- und medienpolitische Akteure haben vielfach betont, dass ein künftiges Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA Ausnahmeregelungen für den Kultur- und Mediensektor vorsehen soll. So richteten etwa die Kulturminister einiger EU-Mitgliedstaaten auf Initiative von Frankreichs Kulturministerin Aurélie Filippetti ein gemeinsames Schreiben an die irische EU-Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission, in dem die Herausnahme des Kulturund Mediensektors aus dem Verhandlungsmandat gefordert wird. Es sei immer EU-Position gewesen, dass der Bereich des Audiovisuellen bei Abkommen zu einer Liberalisierung des Handels ausgeschlossen werde, heißt es in dem Schreiben. Diese Haltung müsse vollständig beibehalten werden. Ansonsten sei die Kulturpolitik der Europäischen Union und der EU- Mitgliedsstaaten gefährdet.7 Betroffen ist das Urheberrecht, das nicht etwa durch USamerikanische Fair-Use-Regelungen relativiert werden soll; auch die Stellung der Verwertungsgesellschaften und des öffentlichen Rundfunks soll durch ein solches Abkommen nicht geschwächt werden. Angesprochen ist auch die Buchpreisbindung. Das gleiche gilt für die Schutzmaßnahmen und Subventionen, die die Filmwirtschaft in Deutschland und anderen europäischen Ländern unterstützen. Vielfach wird auch gefordert, dass öffentliche Dienstleistungen aus den Verhandlungen mit den USA ausgenommen werden sollen. Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitsversorgung, soziale Dienste, aber auch audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen, Wasserversorgung, Postdienstleistungen oder der öffentliche Nahverkehr sollen demgemäß nicht Gegenstand der Verhandlungen werden. Das wesentliche Ziel ist die Sicherung des vorhandenen Schutzniveaus der bisherigen horizontalen Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen (z.B. „Public Utility-Klausel“ und „Subventionsvorbehalt“).8 In einer Entschließung hat das Europäische Parlament am 23. Mai 2013 wurde die Aufnahme von Verhandlungen unter Festlegung einer Reihe von Bedingungen befürwortet. Zwar sind die EU-Abgeordneten nicht direkt in die Vertragsverhandlungen eingebunden, aber seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon müssen alle internationalen Verträge der EU vom EU- Parlament akzeptiert werden. Die Wirtschaftsminister der Europäischen Union hatten zunächst beabsichtigt, das Verhandlungsmandat am 17. und 18. April 2013 zu beschließen. Nach 6 Vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/february/tradoc_150571.pdf. Vgl. dazu auch eine Studie, die vom ifo-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie Anfang 2013 erstellt wurde (FELBERMAYER et al. 2013); eine Kurzfassung findet sich unter http://www.cesifogroup .de/DocBase/download/11012013006001/19081450/fip/ifosd_2013_06_1.pdf. Kritisch dazu etwa MILDNER/SCHMUCKER (2013). 7 Vgl. http://proxy-pubminefi.diffusion.finances.gouv.fr/pub/document/18/14823.pdf. 8 Vgl. dazu die vielfältigen Stellungnahmen und Positionspapiere zum Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), abrufbar unter http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=2531&rubrik=142. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 6 Intervention des Europäischen Parlaments steht die Entscheidung der Wirtschaftsminister nun für den 14. Juni 2013 an.9 2. Kulturpolitische Leitplanken: Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen Mit dem Übereinkommen soll eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage für das Recht aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik geschaffen werden. Sie wendet sich gegen Bestrebungen, die Märkte der Kulturindustrie wie andere Dienstleistungen zu liberalisieren. Mit der Konvention soll eine Handhabe dafür geschaffen werden, dass jeder Staat im Rahmen seiner nationalen Kulturpolitik Maßnahmen zur Herstellung, Verbreitung und zum Schutz vielfältiger kultureller Dienstleistungen und Güter setzen kann. Dabei soll zugleich ein Ausgleich zwischen der Autonomie nationaler Politiken und den Regelungen für die internationale Zusammenarbeit gefunden werden. Deutschland hat das UNESCO-Übereinkommen 2007 ratifiziert und ist seither aktiv an der Erarbeitung der operativen Richtlinien beteiligt. Insbesondere Kulturschaffende und ihre Organisationen haben politische Handlungsempfehlungen zur Umsetzung des UNESCO- Übereinkommens diskutiert (Deutsche UNESCO-Kommission 2007; 2009). Das UNESCO- Übereinkommen soll sicherstellen, dass auch im Rahmen offener Märkte weiterhin die bisherigen Schutzvorkehrungen für die nationalen Besonderheiten auf dem Feld des Kulturellen (und der Bildung) erhalten bleiben.10 Die Europäische Union hat am 18. Dezember 2006 das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ratifiziert. Zeitgleich haben auch diejenigen EU-Mitgliedstaaten, deren innerstaatliche Ratifizierungsverfahren bereits abgeschlossen sind, ihre Urkunden bei der UNESCO hinterlegt (in zwei Staaten dauert der Ratifizierungsprozess derzeit noch an). Ein wesentlicher Grund für die Beteiligung der EU liegt darin, dass die vom UNESCO-Übereinkommen betroffenen Bereiche teils in die Zuständigkeit der Gemeinschaft , teils in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen (KLAMERT 2009). Deshalb werden sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten Vertragsparteien, um den in dem UNESCO-Übereinkommen festgelegten Verpflichtungen gemeinsam nachzukommen und im Falle geteilter Zuständigkeiten die durch das UNESCO-Übereinkommen gewährleisteten Rechte auszuüben.11 9 Vgl. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Handelspolitik/eu-bilateralehandelsbeziehungen .html. Der Ausschuss Internationaler Handel im Europäischen Parlament hat sich bereits im April 2013 mehrheitlich für Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA ausgesprochen (23 Ja-, 5 Nein-Stimmen, eine Enthaltung). Eine knappe Mehrheit (14 Ja, 11 Nein, 5 Enthaltungen) will jedoch audiovisuelle Dienste samt Onlinediensten ausschließen. 10 Vgl. http://www.unesco.de/kulturelle-vielfalt.html. 11 Vgl. dazu http://ec.europa.eu/culture/portal/action/diversity/unesco_en.htm, wo auch der Beschluss des Rates über den Abschluss des Übereinkommens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen enthalten ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 7 Die Konvention ist von der Überzeugung geprägt, dass die Globalisierungsprozesse eine Bedrohung der Vielfalt darstellen und zu einer Verarmung kultureller Ausdrucksformen führen können .12 Das wesentliche Ziel der Konvention ist es vor diesem Hintergrund, „die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern“ (Art 1 lit a). Diese Zielsetzung verbindet sich mit der Annahme einer „besonderen Natur von kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen als Träger von Identität, Werten und Sinn“ (Art 1 lit g). Hinzu kommt die Proklamation des souveränen Rechts der Staaten „die Politik und die Maßnahmen beizubehalten, zu beschließen und umzusetzen, die sie für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet für angemessen erachten“ (Art 1 lit h). Die mit den genannten Zielbestimmungen korrespondierenden substantiellen Regelungen der Konvention sind in den Artikeln 5 bis 8 enthalten. Diese gewähren unter anderem das Recht, schützende oder fördernde regulatorische Maßnahmen vorzunehmen. Die UNESCO Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt gilt für viele kulturpolitische Akteure als ein Grundpfeiler der Kulturpolitik. Die Konvention postuliert, dass kulturelle Waren und Dienstleistungen besonders schutzwürdig sind und nicht allein in ihrer ökonomischen Funktion betrachtet werden sollen. Die Konvention, die eine Reihe nationaler und internationaler Rechte und Pflichten zum Schutz und zur Förderung kultureller Vielfalt festlegt, will sicherstellen, dass die Staaten auch weiterhin die Möglichkeit haben, aktive Politik zur Förderung der kulturellen Vielfalt zu betreiben (z. B. Quotenvorgaben, Filmförderung) und wendet sich gegen Bestrebungen, die Märkte der Kulturindustrie wie andere Dienstleistungen zu liberalisieren. Die Konvention bekräftigt außerdem in Artikel 6 die besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hinzu kommen Maßnahmen, Non-Profit-Organisationen und Einrichtungen des öffentlichen Medien- und Kulturbereiches zu fördern und zu unterstützen.13 Daneben steht gleichzeitig die Verpflichtung, die kulturelle Vielfalt auch auf globaler Ebene zu schützen und zu fördern. Entwicklungshilfe wird in der Konvention als ein Mittel angeführt, um die genannten Hauptziele zu erreichen und findet sich auch an zahlreichen Stellen der Präambel erwähnt. Die damit korrespondierenden, substantiellen Bestimmungen finden sich in den Artikeln 12 bis 16 der Konvention. In diesem Kontext wurde offensichtlich die Terminologie der WTO übernommen, indem die Vertragsparteien sich verpflichten, Künstlern, Kulturschaffenden und anderen im Kulturbereich Tätigen sowie kulturellen Gütern und Dienstleistungen aus Entwicklungsländern eine Vorzugsbehandlung zu gewähren („Preferential treatment“). Die Konvention erfasst somit grundsätzlich alle Formen des Schutzes und der Förderung von Ausdrucksformen kultureller Vielfalt, einschließlich Waren wie Bücher und Schmuck, sowie Dienstleistungen wie etwa im audiovisuellen Bereich. 12 Zur rechtlichen Würdigung und begrifflichen Klärung ausführlich BOGDANDY (2007); in globaler Perspektive vgl. auch GRANT (2011). 13 Vgl. dazu auch zwei Studien des EU-Parlaments (AVOCATS 2010; BURRI 2010), die Auskunft über verschiedene Ansätze zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens unter rechtlichen und praktischen Gesichtspunkten geben und Aufgaben und Maßnahmen benennen, die zur Erfüllung der Zielsetzungen der Konvention beitragen können. Vgl. dazu auch die Internetseite http://www.diversitystudy.eu/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 8 Die Stellung der Konvention bezüglich des Regelwerks der WTO war bereits in den Verhandlungen über die Schaffung des UNESCO-Regelwerks äußerst umstritten.14 Der seinerzeit nach langen Verhandlungen erreichte Kompromiss sieht vor, dass eine widerspruchsfreie Eingliederung der Konvention in bestehende Regelungen angestrebt wird und die Vertragsstaaten aufgefordert werden, die Konvention zu berücksichtigen, wenn sie andere internationale Verträge interpretieren bzw. anwenden. Mit dieser Formel wurde eine Blockade der Konvention durch wichtige Staaten verhindert; zugleich bleibt damit aber der grundsätzliche Konflikt mit der WTO bestehen. Schon während der Verhandlungen zur Doha-Runde ist deutlich geworden, dass zahlreiche Delegationen zunehmend für die Anliegen der Konvention sensibilisiert sind. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, welche Wirkungen die in ihren Formulierungen recht allgemein gehaltene Konvention entfalten kann (GLASZE/MAYER 2009: 194).15 In Anbetracht der Tatsache, dass die Konvention vornehmlich Rechte einräumt, deren Wahrnehmung vor allem im Belieben der Vertragsparteien verbleibt, erscheint es zweifelhaft, dass die Konvention die insbesondere von nationalen Kulturschaffenden erwartete rechtliche Schutzfunktion – auch im Hinblick auf die geplanten Handelsvereinbarungen zwischen der EU und den USA – in der handelspolitischen Praxis erfüllen kann.16 Festzuhalten ist insbesondere, dass die USA die Konvention weder unterzeichnet noch ratifiziert haben. Darüber hinaus sind die USA aktiv bemüht, der Konvention keinen Platz als Gegengewicht zum Freihandel zukommen zu lassen.17 So wurde auch in einem Streitschlichtungsfall, in sich dem China - das die Konvention im Jahr 2007 angenommen hat - auf die Regelungen der UNESCO-Konvention berufen hat, die Position der USA, wonach die Konvention keine Änderung der WTO-Verträge impliziere, im Wesentlichen bestätigt.18 WOUTERS und DE MEESTER 14 Zum Konfliktpotential zwischen den Regelungen des UNESCO-Übereinkommens und dem WTO-Regelsystem vgl. insbesondere UIBELEISEN (2012), WOUTERS/DE MEESTER (2008) sowie BOSSCHE (2007). 15 Graber fasst dies in folgender Weise zusammen: “Although the Convention does not impose enforceable responsibilities on the Contracting Parties, it may be seen as a first step towards the achievement of a more coherent international legal order, where not only economic but also other societal values, such as cultural diversity, are taken seriously. There is an opportunity for the Convention to be used as a point of reference when the definition of boundaries between trade and culture is discussed in future WTO trade negotiations or dispute settlement procedures. This potential is however not a given but needs to be developed and strengthened, both by affirmative action of the CCD Parties and within the WTO structure.” (GRABER 2006: 574) 16 Der Deutsche Kulturrat hat in diesem Zusammenhang in einem Hintergrundgespräch Abgeordnete des Deutschen Bundestags und den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, MdB, über die Bedenken zum Verhandlungsmandat der EU-Kommission beim Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA informiert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die EU und auch Deutschland mit der Ratifizierung der Konvention Kulturelle Vielfalt die Verpflichtung eingegangen seien, dieses Übereinkommen gerade auch bei internationalen Handelsabkommen zu berücksichtigen. Zeigen müsse sich aber, ob sich nun die UNESCO-Konvention in der kulturpolitischen Praxis als wirksames Instrument erweise. Vgl. dazu http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=2532&rubrik=142. 17 So wurde bereits im Rahmen der Doha-Runde die Liberalisierung des Kultursektors gefordert, gleichzeitig wurden Argumente abgewehrt, die die UNESCO-Konvention als Referenz für kulturelle Ausnahmen in WTO-Regelungen erscheinen ließen (UIBELEISEN 2012: 161; UYTSEL 2012). 18 Vgl. den Bericht „China – Measures Affecting Trading Rights and Distribution Services for Certain Publications and Audiovisual Entertainment Products” (WT/DS363/AB/R, 21. 12. 09, Rn. 4.207) das Dokument ist abrufbar unter www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/363r_e.pdf; Vgl. dazu auch BURRI (2013: 6ff.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 9 (2008: 48) betonen deshalb wohl zu Recht: “It seems unlikely that the Convention on Cultural Diversity can be applied to interpret WTO provisions in a dispute between, e.g., the United States (who will arguably be the main challenger of measures that protect cultural diversity) and another WTO Member. Indeed, the United States has not ratified the Convention, and will most likely not do so in the future. Not all WTO Members are Party to this Convention and hence the Convention could not be used to interpret the WTO Agreements. The only opening that is still left for the Convention as a tool of interpretation, even if not all WTO Members are Party to it, is to use it to define the ordinary meaning of some terms in the WTO Agreements.” Nach überwiegender Einschätzung bewirkt die UNESCO-Konvention nach überwiegender Einschätzung keine Änderung anderer Abkommen (z. B. WTO-Abkommen), sie soll aber die Unterzeichnerstaaten verpflichten, die Ziele der kulturellen Vielfalt und die Bestimmungen der Konvention auch bei Handelsregelungen zu berücksichtigen. Angesprochen ist insbesondere Artikel 20 der Konvention, der Aussagen macht über das Verhältnis zu anderen Verträgen: „(1) Die Vertragsparteien erkennen an, dass sie ihre Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen und allen anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind, nach Treu und Glauben zu erfüllen haben. Ohne dieses Übereinkommen anderen Verträgen unterzuordnen , a) fördern sie daher die wechselseitige Unterstützung zwischen diesem Übereinkommen und anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind; b) berücksichtigen die Vertragsparteien bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge, deren Vertragsparteien sie sind, oder bei Eingehen anderer internationaler Verpflichtungen die einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens. (2) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als verändere es die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind.“19 3. Exception culturelle: Analogie zu bisherigen Handelsabkommen Deutlich wird im diesem neuen Verfahren eine Analogie zu den Verhandlungen über ein Handelsabkommen für Dienstleistungen (GATS). Die EU, unter hohem politischem Druck Frankreichs und Belgiens, forderte eine kulturelle Ausnahmeklausel („exception culturelle“) im GATS, um ihre kulturellen Besonderheiten zu schützen, aber auch um ihre Filmindustrie vor dem amerikanischen Wettbewerb abzuschirmen. Insbesondere Vertreter der europäischen Filmund Fernsehindustrie forderten, dass der gesamte audiovisuelle Bereich vom GATS-Abkommen ausgeschlossen bleiben sollte, um Kultur und kreative Produktion der einzelnen Länder zu schützen. Andere befürworteten eine Ausnahmeregelung für bestimmte Bereiche in 19 BOSSCHE (2007) resümiert: „It is also clear that it would not have been possible to achieve agreement on the UNESCO Convention without the inclusion of a provision such as Article 20 that leaves WTO rights and obligations fully applicable. For some countries, and in particular and most problematically, the United States, the UNESCO Convention was not ‘acceptable’, even with inclusion of Article 20. To the extent that countries choose this policy option, namely the adoption of international rules for the protection of cultural values outside the WTO context, the result may well be a puzzling and highly uncertain legal situation in which conflicting international norms apply simultaneously. Moreover, the United States currently is, and may remain in the future, unwilling to choose this policy option.” Vgl. auch GRABER (2006; 2010) SOWIE HAHN (2006). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 10 Anerkennung der kulturellen Besonderheiten dieses Sektors. Demgegenüber drängten die USA stark auf Marktöffnung in Europa.20 Der Rat hatte der Kommission in diesem Zusammenhang das Mandat übertragen, bei den WTO- Verhandlungen wie schon in der Uruguay-Runde darauf zu achten, die Sonderrolle des Kulturbereiches aufrechtzuerhalten und die kulturelle Vielfalt zu wahren. Grundlage der Verhandlungen der Kommission war das Verhandlungsmandat, das die Mitgliedstaaten ihr erteilt haben: Die EU-Mitgliedstaaten hatten mit der EU-Kommission im Oktober 1999 eine gemeinsame handelspolitische Position erarbeitet, die in den „Schlussfolgerungen vom 26.10.1999 des Rates für Allgemeine Angelegenheiten der EU“ festgehalten ist: Danach „achtet die Union bei den nächsten WTO-Verhandlungen wie bereits bei der Uruguay-Runde darauf, dass der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten bleibt, ihre Befugnis zur Bestimmung und Umsetzung ihrer Politik im kulturellen und audiovisuellen Bereich zu wahren und auszubauen, um so die kulturelle Vielfalt zu erhalten“.21 Damit ist das Prinzip der kulturellen Vielfalt auch zur Leitschnur für die Europäische Kommission in den WTO-Verhandlungen geworden.22 Der Kultur- und Bildungsbereich, der Bereich Gesundheit und Soziales sowie öffentliche Versorgungsunternehmen zählten deshalb nicht zu den im Rahmen der GATS-Verhandlungen zur Liberalisierung von Dienstleistungen vorgeschlagenen Sektoren; Liberalisierungen bleiben dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten. Zwar ist der audiovisuelle wie auch der kulturelle Bereich grundsätzlich vom GATS-Übereinkommen erfasst, die Europäischen Union (EU) hat jedoch 1994 beim Abschluss des Übereinkommens keine spezifischen Verpflichtungen zur Liberalisierung übernommen und darüber hinaus eine Reihe von Ausnahmen durchgesetzt. Auch wenn es den Europäern in der Uruguay-Runde nicht gelungen ist, eine „exception culturelle“ durchzusetzen und den audiovisuellen Sektor gänzlich aus GATS herauszuhalten, scheint die Strategie der EU aufgegangen zu sein, über bestimmte Einschränkungen bei der Anwendung von GATS einen Status quo für den kulturellen und audiovisuellen Bereich zu halten. In der Uruguay-Runde war es ihnen gelungen, einen Ausnahmestatus in Bezug auf das so genannte 20 Hinsichtlich des Unterschiedes von WTO-Regelungen und bilateralen Handelsverträgen vgl. beispielsweise MILDNER/SCHMUCKER (2013), die auch auf die Notwendigkeit der WTO-Kompatibilität des transatlantischen Abkommen verweisen: Bilaterale Abkommen seien nur dann sinnvoll, wenn sie einen Zwischenschritt für multilaterale Liberalisierung bildeten. Daher sollten sich die transatlantischen Partner parallel zu den TTIP- Verhandlungen weiter für einen Abschluss der Doha-Runde einsetzen. Zudem solle die TTIP so gestaltet werden, dass sie mit WTO-Recht kompatibel sei. Noch deutlicher wird LANGHAMMER (2013): „In summa ist der Einstieg in eine TAFTA in meiner Sicht nicht allein der Sargnagel für die Doha-Runde. Er ist auch gleichbedeutend mit einem endgültigen Ansehensverlust der WTO und eine weitere Degradierung von ´global governance´.“ 21 Vgl. http://ec.europa.eu/culture/our-policy-development/culture-and-external-relations/culture-andtrade _de.htm. 22 Das Vertragswerk findet sich unter http://www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/gatsqa_e.htm. Das GATS- Abkommen wurde am Ende der Uruguay-Runde unterzeichnet und trat am 1. Januar 1995 in Kraft. Zugleich wurde damals beschlossen, den Vertrag nach fünf Jahren zu überarbeiten. So wird das GATS seit Beginn 2000 neu verhandelt. Die Verhandlungen sollten bis zum Ende der „Doha Runde“ abgeschlossen sein. Zu einem Verhandlungsabschluss kam es aber aufgrund unterschiedlicher Ansichten der WTO-Mitglieder bisher nicht. Zum Fortgang der Verhandlungen vgl. http://www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/s_negs_e.htm. Vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeines_Abkommen_%C3%BCber_den_Handel_mit_Dienstleistungen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 11 Meistbegünstigungsprinzip zu erreichen. Außerdem konnte verhindert werden, dass für den Film- und Fernsehsektor Verpflichtungen zu einer Liberalisierung eingegangen werden mussten. Die einzige Auflage, die Europa seitdem zu erfüllen hat, ist die Transparenz der Regulierung im audiovisuellen Bereich. Die Mitgliedstaaten der EU haben weiterhin freie Hand, Förder- und Schutzmaßnahmen für ihren jeweiligen kulturellen und audiovisuellen Sektor aufrechtzuerhalten (PAUWELS/LOISEN 2004). In gleicher Weise haben sich kulturelle Ausnahmebereiche auch in der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie niedergeschlagen. Am 12. Dezember 2006 wurde die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt verabschiedet (EU-ABl. L 376/36, 27.12.2006).23 Ihre Bestimmungen mussten bis zum 28.12.2009 von allen zuständigen Behörden in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. In (11) der Richtlinie heißt es zum kulturpolitischen Bereich: „Diese Richtlinie greift nicht in die Maßnahmen ein, die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht treffen, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt sowie den Medienpluralismus zu schützen oder zu fördern; dies gilt auch für deren Finanzierung. Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre Grundregeln und Prinzipien für die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung anzuwenden. In (24) heißt es zum audiovisuellen Bereich: „Audiovisuelle Dienste, auch in Kinos, sollten unabhängig von der Art ihrer Ausstrahlung ebenfalls vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sein. Ebenso wenig sollte diese Richtlinie für Beihilfen gelten, die von den Mitgliedstaaten im audiovisuellen Sektor gewährt werden und die unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften fallen.“24 4. Der weitere Weg: Aufnahme der Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft In ähnlicher Weise findet sich dies – jedoch ohne Bezugnahme auf die UNESCO-Konvention – im Entschließungsantrag des Europäischen Parlament: In der Abstimmung vom 23. Mai 2013 zum Verhandlungsmandat der EU für das EU-USA-Freihandelsabkommen wurde mit 460 Stimmen gegen 105 Stimmen (die vor allem für einen Entwurf der Vert/ALE-Fraktion votierten)25 23 Der Text der RICHTLINIE 2006/123/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_376/l_37620061227de00360068.pdf. 24 Vgl. www.dienstleisten-leicht-gemacht.de. 25 Der Entschließungsantrag der Vert/ALE-Fraktion (B7-0195/2013) findet sich unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+MOTION+B7-2013- 0195+0+DOC+XML+V0//DE. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 12 und bei 28 Enthaltungen eine Ausnahme für den Kultur- und Mediensektor beschlossen (B7- 0187/2013).26 In kulturpolitischer Hinsicht vertritt das EU-Parlament „die Auffassung, dass das Abkommen die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Union unter anderem im audiovisuellen Bereich und im Bereich der kulturellen Dienstleistungen nicht gefährden sollte“ und „hält es für unerlässlich, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Möglichkeit wahren, ihre Politik im kulturellen und audiovisuellen Bereich zu erhalten und weiterzuentwickeln, und zwar im Rahmen ihres Besitzstandes an Rechtsvorschriften, Normen und Übereinkommen; fordert daher, dass die Ausklammerung von Diensten mit kulturellen oder audiovisuellen Inhalten, auch online, im Verhandlungsmandat eindeutig festgehalten wird“. Aus netzpolitischer Sicht wird insbesondere befürchtet, dass auch Regelungen zum sogenannten “geistigen Eigentum”, etwa Patente, Urheberrechte, Marken und geografische Angaben “harmonisiert” werden könnten.27 In der Entschließung betont das Parlament, „dass das geistige Eigentum eine der Antriebskräfte für Innovation und Kreativität sowie ein Stützpfeiler der wissensbasierten Wirtschaft ist und dass das Abkommen einen starken Schutz genau und eindeutig festgelegter Bereiche der Rechte des geistigen Eigentums (IPR) beinhalten und mit bestehenden internationalen Abkommen in Einklang stehen sollte; vertritt die Auffassung, dass andere Unterschiede im IPR-Bereich gemäß internationalen Schutznormen behoben werden sollten.“28 Die EU-Kommission29 wird nun voraussichtlich mit den USA Verhandlungen über ein umfangreiches Handels- und Investitionsabkommen aufnehmen, das den transatlantischen Handel mit Waren und Dienstleistungen liberalisieren und unterschiedliche Regularien harmonisieren soll. Befürchtet wird nun auf europäischer Seite, dass die USA in den kommenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen den Kultursektor einem stärkeren Wettbewerbsdruck aussetzen möchte. Die Erwartung ist, dass die USA in diesem Kontext Druck auf die EU und die Mitgliedstaaten ausüben werden, um den bestehenden Schutzumfang zu 26 Der Entschließungsantrag des EU-Parlaments 23. Mai 2013 zum Verhandlungsmandat der EU findet sich unter www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+MOTION+B7-2013- 0187+0+DOC+XML+V0//DE. Vgl. außerdem „EU trade and investment agreement negotiations with the US“ unter www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference=2013/2558%28RSP%29. Zum Verlauf der Plenarsitzung des EU-Parlaments vgl. auch Ratsdokument 10029/13 vom 23. Mai 2013, abrufbar unter www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXIV/EU/11/53/EU_115360/imfname_10403990.pdf. 27 Bereits im März 2013 hatten 38 europäische und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen gefordert, dass „geistiges Eigentum” nicht Teil von TAFTA werden soll. Vgl. dazu die Informationen des Vereins Digitale Gesellschaft e.V. unter https://digitalegesellschaft.de/2013/03/geistiges-eigentum-in-tafta-ausklammern. Weitere Argumente der netzpolitischen Kritiker finden sich unter https://netzpolitik.org/2013/transatlantischesfreihandelsabkommen -tafta-eu-parlament-segnet-verhandlungsmandat-fur-neues-acta-ab/. 28 In wirtschaftspolitischer Perspektive wird hingegen ein Modell des Freihandels ohne regulative Ausnahmen bevorzugt (LANGE/BUSCH-STEINFORT 2013). 29 Vgl. die Informationen der Kommission unter http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-andregions /countries/united-states. Dabei ist das besondere Verfahren im Rahmen von Art. 207 AEUV (ex-Artikel 133 EGV) über die gemeinsame Handelspolitik zu achten. Die kulturpolitische Besonderheit besteht außerdem darin, dass Abkommen im Bereich des Handels mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen weiterhin der Einstimmigkeit bedürfen, wenn diese die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union beeinträchtigen können (Art. 207, Nr. 4 AEUV). Der Wortlaut findet sich unter http://dejure.org/gesetze/AEUV/207.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 13 nivellieren. Die kulturpolitischen Akteure auf europäischer Ebenen und in den meisten Mitgliedstaaten wollen demgegenüber dazu beitragen, dass der bisherige Schutzumfang für kulturelle Güter und Dienste durch das künftige Freihandelsabkommen nicht angetastet wird. Zu erwarten ist dabei, dass der Ablauf und das Ergebnis der Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen strukturelle Ähnlichkeiten mit den früheren GATS- Verhandlungen aufweisen werden. Anzunehmen ist insbesondere, dass das Verhandlungsmandat der EU-Kommission abweichend vom bisherigen Ausgangspunkt wesentliche Bereiche des Kultur- und Mediensektors von den Verhandlungen ausnehmen möchte.30 In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Mai 2013 wurde diese Position bereits bekräftigt, so dass in der kommenden Entscheidung der Handelsminister am 14. Juni 2013 voraussichtlich auch eine kulturelle Ausnahme enthalten sein dürfte.31 Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft war auch Gegenstand der Tagung des Rates der Europäischen Union Bildung, Jugend, Kultur und Sport am 17. Mai 2013 in Brüssel. Eine Reihe von Mitgliedstaaten bekräftigten die Forderung einer kulturellen Bereichsausnahme im Mandat für das Abkommen (DE, FRA, ITA, HUN, POL, SVK, SVN, ROU, CYP und GRC), zahlreiche andere Mitgliedstaaten lehnten diese hingegen ab (GBR, EST, FIN, BEL, NLD, SWE, HRV und PRT), einige wenige Länder (BGR, DNK, ESP und LUX) blieb ohne klare Festlegung, betonten jedoch die Bedeutung der kulturellen Vielfalt und der Filmförderung. Insgesamt wurde festgehalten, dass der Schutz der kulturellen und audiovisuellen Vielfalt bereits im EU-Recht festgeschrieben sei. Beim Schutz der kulturellen Vielfalt in der EU sei auf drei Aspekte zu achten: Der Schutz der bestehende Ansätze zu Kultur in den Mitgliedstaaten und in der Europäischen Union, der Schutz bestehender Maßnahmen im Bereich der audiovisuellen Medien sowie die Wahrung der Fähigkeit der EU, den kulturellen Wandel eigenständig zu gestalten.32 30 Der EU-Handelsministerrat wird am 14. Juni 2013 in Dublin über das Verhandlungsmandat der EU entscheiden. Dabei werden die Grundlagen für die folgenden Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den USA bestimmt. 31 Vgl. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Handelspolitik/eu-bilateralehandelsbeziehungen .html. Der Ausschuss Internationaler Handel im Europäischen Parlament hat sich bereits im April 2013 mehrheitlich für Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA ausgesprochen (23 Ja-, 5 Nein-Stimmen, eine Enthaltung). Eine knappe Mehrheit (14 Ja, 11 Nein, 5 Enthaltungen) will jedoch audiovisuelle Dienste samt Onlinediensten ausschließen. Ein Überblick zum Verfahren aus der Perspektive des EU-Parlaments findet sich unter http://www.europarl.europa.eu/eplibrary/EU-US-Trade-and-Investment- Partnership-DE.pdf. 32 Vgl. dazu auch die Presseübersicht zur Tagung des Rates der Europäischen Union Bildung, Jugend, Kultur und Sport am 17. Mai 2013 in Brüssel; das Dokument ist abrufbar unter www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/educ/137150.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 044/13 Seite 14 5. Literatur AVOCATS, Germann (2010). Die Umsetzung der UNESCO Konvention von 2005 über die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in der Europäischen Union (Studie im Auftrag des EU-Parlaments, IP/B/CULT/IC/2009_057 05/2010). Brüssel: Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik des Europäischen Parlaments; abrufbar unter http://www.unesco.de/4849.html. BOGDANDY, Armin von (2007). Die Europäische Union und das Völkerrecht kultureller Vielfalt – Aspekte einer wunderbaren Freundschaft (European Diversity and Autonomy Papers, EDAP 1/2007). Bozen: EURAC, abrufbar unter http://aei.pitt.edu/7429/01/2007_edap01.pdf. BOSSCHE, P. Van den (2007). 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