© 2018 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 038/18 Einwilligung bei Fotografien minderjähriger Besuchergruppen im Bundestag Welche Änderungen bringt die Datenschutzgrundverordnung im Verhältnis zum Kunsturhebergesetz? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 2 Einwilligung bei Fotografien minderjähriger Besuchergruppen im Bundestag Welche Änderung bringt die Datenschutzgrundverordnung im Verhältnis zum Kunsturhebergesetz ? Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 038/18 Abschluss der Arbeit: 19.09.2018 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Problemstellung 4 2. Bisherige Rechtslage 4 3. Änderungen durch die Datenschutzgrundverordnung 6 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 4 1. Problemstellung Die vorliegende Ausarbeitung dient zur Klärung, welche Änderungen die Datenschutzgrundverordnung im Verhältnis zum Kunsturhebergesetz beinhaltet. Beschränkt wird sich hierbei auf die rechtliche Beurteilung der von Minderjährigen bzw. den gesetzlichen Vertretern erteilten Einwilligung hinsichtlich der Veröffentlichung von die Minderjährigen abbildenden Fotografien als auch die Möglichkeit des Widerrufs derselben. 2. Bisherige Rechtslage Nach bisheriger Rechtslage bestimmt sich das Recht am eigenen Bild nach dem Kunsturhebergesetz 1 (KUG). Die §§ 22-24 KUG regeln dabei die Rechte des jeweils Betroffenen und die entsprechenden Ausnahmen. § 22 KUG konstatiert zunächst Folgendes: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten . Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.“ Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Einwilligung um eine rechtsgeschäftliche Erklärung und erfordert bei Minderjährigen aufgrund ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit die Zustimmung Ihres gesetzlichen Vertreters.2 Dies gilt zunächst jedenfalls für den vermögensrechtlichen Teil eines Bildes. Mit seiner Zustimmung zur Veröffentlichung würde der Minderjährige eine vermögenswerte Rechtsposition in Form des Verwertungsrechtes an seinem Bild verlieren. Die Zustimmung wäre demnach rechtlich nachteilhaft und fällt damit gerade in den Schutzbereich des Minderjährigenrechts, welches rechtlich nachteilige Willenserklärungen seitens des beschränkt Geschäftsfähigen unter den Zustimmungsvorbehalt der gesetzlichen Vertreter stellt.3 Im Hinblick auf die persönlichkeitsrechtliche Komponente des Bildes entsteht mit einer entsprechenden Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen – diese wird im Regelfall mit Vollendung des 14. 1 KunstUrhG - Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 440-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 3 § 31 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist. 2 BGH NJW 1974, 1947; OLG München, AfP 1983, 276; LG Hannover ZUM 2000, 970; BeckOK InfoMedien R/Herrmann, 19. Ed. 1.11.2016, KunstUrhG § 22 Rn. 17; BeckOK UrhR/Engels, 20. Ed. 20.4.2018, Kunst UrhG § 22 Rn. 42. 3 Dreier/Schulze/Specht, 5. Aufl. 2015, KUG § 22 Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 5 Lebensjahres angenommen4 - in Bezug auf die Einwilligung eine Doppelzuständigkeit.5 Demnach können weder die Eltern ihre Einwilligung gegen den Willen des Minderjährigen erteilen, noch umgekehrt. Es erhöhen sich somit die Anforderungen an die Einwilligung mit dem Erreichen der entsprechenden Einsichtsfähigkeit des beschränkt Geschäftsfähigen.6 Vereinzelt gesteht die Rechtsprechung dem Minderjährigen zwar die alleinige Entscheidungsgewalt zu, solange nur der persönlichkeitsrechtliche Teil betroffen ist7, dies erscheint aber vor dem Hintergrund der starken Wertung, die das BGB mit der Ausgestaltung des Minderjährigenschutzes getroffen hat, im Hinblick auf den Verlust der Verfügungsberechtigung über die Fotografie als außerordentlich bedenklich .8 Grundsätzlich ist die Einwilligung zur Verbreitung und Veröffentlichung unwiderruflich.9 In der Rechtsprechung haben sich jedoch Ausnahmen herausgebildet, bei denen die Rechtssicherheit als tragendes Prinzip für die Unwiderruflichkeit im Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Betroffenen das Nachsehen hat. Zum einen bedarf es eines wichtigen Grundes10, beziehungsweise mehrerer gewichtiger Gründe.11 Nach anderer Ansicht muss sich in Anlehnung an § 42 Abs. 1 UrhG12 und an den Gedanken der gewandelten Überzeugung die innere Einstellung des Betroffenen im Hinblick auf die Bildaufnahme nachweislich geändert haben.13 Die künftige Veröffentlichung des Bildes müsse demnach aufgrund eines nachvollziehbaren Persönlichkeitswandels des Abgebildeten eine Rechtsverletzung darstellen.14 Dies sei gegeben, wenn ein grundlegender Überzeugungswandel seitens des Betroffenen stattgefunden habe und sich seine innere Überzeugung 4 So beispielsweise LG Bielefeld, ZUM 2008, 528; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, 19. Ed. 1.11.2016, KunstUrhG § 22 Rn. 17; BeckOK UrhR/Engels, 20. Ed. 20.4.2018, KunstUrhG § 22 Rn. 42. 5 BGH GRUR 2005, 74 (75) – Charlotte Casiraghi II; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, 19. Ed. 1.11.2016, KustUrhG § 22 Rn. 17;. BGH GRUR 1975, 561. 6 Frömming/Peters NJW 1996, 958; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, 19. Ed. 1.11.2016, KunstUrhG § 22 Rn. 17; BeckOK UrhR/Engels, 20. Ed. 20.4.2018, KunstUrhG § 22 Rn. 42. 7 OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 742. 8 Dreier/Schulze/Specht, 5. Aufl. 2015, KUG § 22 Rn. 26. 9 OLG München NJW-RR 1990, 999; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, 19. Ed. 1.11.2016, KunstUrhG § 22 Rn. 20. 10 OLG München NJW-RR 1990, 999; LG Köln AfP 1989, 766. 11 Löffler-Steffen, § 6 Rn. 127; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, 19. Ed. 1.11.2016, KunstUrhG § 22 Rn. 20. 12 Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. September 2017 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist. 13 Frömming/Peters NJW 1996, 958; OLG Frankfurt a. M. Urt.v. 24.2.2011 – 16 U 172/10. 14 BeckOK InfoMedienR/Herrmann, 20. Ed. 01.05.2018 KunstUrhG § 22 Rn. 20; n.w.M.Wenzel ÄußerungsR- HdB/v. Strobl-Albeg Kap. 7 Rn. 85. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 6 im Verhältnis zum Zeitpunkt der Einwilligung spürbar geändert habe.15 Für diesen Umstand ist der Betroffene beweispflichtig.16 Liegen diese Voraussetzungen vor und möchte ein Minderjähriger seine Einwilligung daraufhin widerrufen, so bedarf er dazu vor Erreichen der Volljährigkeit angesichts des damit verbundenen rechtlichen Nachteils der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, § 107 BGB. Will umgekehrt der gesetzliche Vertreter die Einwilligung widerrufen, so bedarf er dazu in Anbetracht der Höchstpersönlichkeit des Widerrufs in Bezug auf den persönlichkeitsrechtlichen Teil der Fotografie der Zustimmung des Minderjährigen, sofern er die entsprechende Einsichtsfähigkeit aufweist .17 Die Ausnahmeregelungen der §§ 23, 24 KUG gelten grundsätzlich auch für Minderjährige18. Indes ist unter Berücksichtigung einer im Vergleich zu Erwachsenen erhöhten Störanfälligkeit von Minderjährigen durch Medienberichterstattungen, eine kindergerechten Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten. Daher ist angesichts dieser besonderen Schutzbedürftigkeit und des allgemeinen gesetzgeberisch geforderten Minderjährigenschutzes19 zu empfehlen, im Falle der in Rede stehenden Fotografien stets eine Einwilligung der Minderjährigen bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter einzuholen. 3. Änderungen durch die Datenschutzgrundverordnung Durch das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung20 (DSGVO) ändert sich angesichts der einzuholenden Einwilligung zunächst nichts. Das Einwilligungserfordernis statuiert Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO: „Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: 15 OLG München NJW-RR 1990, 999 (1000); LG Köln AfP 1996, 186 (187); Frömming/Peters NJW 1996, 958. 16 LG Köln AfP 1996, 186. 17 Dreier/Schulze/Specht, 5. Aufl. 2015, KUG § 22 Rn. 35. 18 Vgl. AG Schwerin Az: 14 C424/11. 19 Vgl. auch Erwägungsgrund 38 der Datenschutzgrundverordnung. 20 Verordnung (EU) 2016/679 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), Amtsblatt der Europäischen Union, L 119/1 4.5.2016, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0679. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 7 a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben; Hinzu kommt eine gesetzliche Nachweispflicht sowie ein Verständlichkeitserfordernis für die erteilte Einwilligung aus Art. 7 Abs. 1 und 2 DSGVO. Die Ausnahmevorschriften des Art. 6 Abs. 1 b-f DSGVO finden Anwendung. Allerdings ist auch hier, insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO, der Minderjährigenschutz zu berücksichtigen.21 Diesem kommt nämlich innerhalb der nach Art.6 Abs. 1 f) DSGVO vorzunehmenden Interessensabwägung ein besonderes Gewicht zu. Eine Änderung ergibt sich allerdings für den Widerruf. Während unter dem Regime des KUG ein Widerruf nur in sehr engen Grenzen zugelassen wurde, ermöglicht Art. 7 Abs. 3 DSGVO den jederzeitigen Widerruf ohne Angabe von Gründen: „Die betroffene Person hat das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Durch den Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt. Die betroffene Person wird vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis gesetzt. Der Widerruf der Einwilligung muss so einfach wie die Erteilung der Einwilligung sein.“ Dennoch gilt auch für den Widerruf im Hinblick auf den Minderjährigen das oben bereits dargelegte . Bisher nicht einheitlich beantwortet ist die Frage nach dem Verhältnis des KUG zur DSGVO. Von einer völligen Verdrängung des KUG bis zu einer parallelen Anwendbarkeit wird alles vertreten. Diese Streitfrage bedarf aber angesichts der marginalen Änderungen im Hinblick auf den spezifischen Fall der Einwilligung bei Personenbildern von Minderjährigen, der ja ohnehin durch den allgemeinen Teil des BGB geregelt wird, keiner Entscheidung. **** 21 Vgl. Erwägungsgrund 38 der Datenschutzgrundverordnung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/18 Seite 8