Deutscher Bundestag Gesetzlicher Rahmen für ein Parlamentsfernsehen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 10 - 3000 - 038/11 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 2 Gesetzlicher Rahmen für ein Parlamentsfernsehen Verfasserin: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 038/11 Abschluss der Arbeit: 14.09.11 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 3 Zusammenfassung Die Direkt-Übertragungen des Parlamentsfernsehens sind nicht als Rundfunk zulassungsbedürftig , da keine journalistisch-redaktionelle Gestaltung der übertragenen Inhalte vorgenommen wird. Auch der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird mangels redaktioneller Gestaltung durch die Direktübertragungen nicht erfüllt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist weiterhin umstritten, ob die sogenannten Zugriffsund Abrufdienste vom verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff erfasst werden können. Das vorliegende Gutachten folgt den Autoren, die dies verneinen. Das hat zur Folge, dass das Angebot der Mediathek des Parlamentsfernsehens nicht als Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen wird. Das gesamte derzeitige Angebot des Parlamentsfernsehens ist daher nicht als Rundfunk einzuordnen . Die Sendung darüber hinausgehender gestalteter Inhalte durch ein Parlamentsfernsehen des Bundestages würde als Rundfunk gegen das aus der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne verstoßen. Das Recht des Bundestages zur Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung kann die sich aus der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen, insbesondere das Gebot der Staatsferne des Rundfunks, nicht verdrängen. Das Angebot der Mediathek stellt nach der hier vertretenen Auffassung zulässige Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages dar. Hierbei hat der Bundestag den aus der Gleichheit der Statusrechte im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Grundsatz der Chancengleichheit zu wahren. Für die Wahrung dieses Grundsatzes sollte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der in Form einer Richtlinie durch den Ältestenrat beschlossen in der Geschäftsordnung des Bundes-tages oder einer Anlage hierzu untergebracht werden könnte. Die Aufgabe, die Einhaltung dieser Richtlinien zu überwachen, könnte einem Gremium übertragen werden, das nach dem Vorbild des Ältestenrates für diese Aufgabe zu bilden wäre. Der Bundestag kann mit der Veranstaltung eines auch redaktionelle Beiträge umfassenden Parlamentsfernsehens einen privaten Rundfunkveranstalter beauftragen. Um das Gebot der Staatsferne aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu wahren, dürfte der Bundestag aber keinen bestimmenden Einfluss auf das Rundfunkunternehmen haben. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter könnten umfassend und redaktionell gestaltete Sitzungen übertragen und über die Arbeit des Bundestages berichten. Eine Verpflichtung hierzu durch den Bundestag würde gegen das Gebot der Staatsfreiheit verstoßen. Alle Ausführungen des Gutachtens sind auf ein Parlamentsfernsehen des Bundesrates übertragbar . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 6 2. Das derzeitige Angebot des Parlamentsfernsehens 6 3. Zulässigkeit nach den Regelungen des Rundfunk- und des Medienstaatsvertrags 7 3.1. Das Zulassungserfordernis für Rundfunkveranstaltungen 7 3.2. Der Rundfunkbegriff der Staatsverträge 7 3.2.1. Allgemeinheit 8 3.2.2. Gleichzeitigkeit des Empfangs 8 3.2.3. Entlang eines Sendeplans 8 3.2.4. Die Ausnahmen des § 2 Absatz 3 RStV 9 4. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff 9 4.1. Verhältnis zum einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff 10 4.2. Die Merkmale des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG11 4.2.1. Bestimmung für die Allgemeinheit 11 4.2.2. Fernmeldetechnische Verbreitung 11 4.2.3. Darbietung 11 5. Konsequenzen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für ein Parlamentsfernsehen 15 5.1. Gesetzgebungskompetenz und Gesetzesvorbehalt 15 5.2. Gebot der Staatsfreiheit 15 6. Gebot der Sitzungsöffentlichkeit als Ermächtigungsgrundlage für Parlamentsfernsehen 17 7. Parlamentsfernsehen als zulässige Öffentlichkeitsarbeit 18 7.1. Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit 18 7.2. Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit durch Parlamentsfernsehen 19 7.2.1. Die Auffassung von Gersdorf 19 7.2.2. Gegenmeinungen in der Literatur 20 7.2.3. Bewertung 21 8. Zusammenfassung der Ergebnisse 22 8.1. Direktübertragungen aus dem Plenum und den Ausschüssen bzw. von Anhörungen 22 8.2. Das Angebot der Mediathek 22 8.3. Einfachgesetzliche Regelung eines umfassenderen Parlamentsfernsehens 22 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 5 9. Rechtliche Grundlagen für die Mediathek des Parlamentsfernsehens 23 10. Fernsehübertragungen des Bundesrates 24 11. Übertragung der Aufgabe Parlamentsfernsehen an einen privaten Rundfunkveranstalter 25 11.1. Anforderungen aus dem Gebot der Staatsfreiheit 25 11.2. Gesetzlicher Rahmen für einen privaten Parlamentsrundfunk 26 12. Wahrnehmung der Aufgabe durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 28 13. Trägerschaft durch die Landesmedienanstalten 30 14. Literaturverzeichnis 30 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 6 1. Einführung Erste Überlegungen zur Einrichtung eines bundesweiten Parlamentsfernsehens in Deutschland gab es bereits im Jahre 1985.1 Seit 1990 veranstaltet der Deutsche Bundestag ein „Bundestagsfernsehen “, das zunächst nur hausintern, später verschlüsselt im digitalen Kabel in Berlin und dann auch, ebenfalls verschlüsselt, bundesweit über Satellit ausgestrahlt wurde. Das Programm, das im Wesentlichen aus Live-Übertragungen von Plenar- und Ausschusssitzungen bestand, erhielt 1999 eine Erlaubnis der mabb – Medienanstalt Berlin-Brandenburg - für die Einspeisung in die digitalisierten Kabelanlagen in Berlin, aber keine rundfunkrechtliche Lizenz. Diese Erlaubnis wurde im September 2006 für weitere sieben Jahre verlängert. Seit Mitte Januar 2011 ist das Parlamentsfernsehen über Astra auf 23,5 Grad Ost und im Berliner Kabelnetz unverschlüsselt zu empfangen. Darüber hinaus enthielt das Programm mit Diskussionen und Interviews vermehrt auch redaktionell gestaltete Beiträge.2 Die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) erkannte daher in dem Parlamentsfernsehen ein zulassungsbedürftiges Rundfunkangebot. Eine Zulassung hierfür könne der Programmanbieter Deutscher Bundestag als Verfassungsorgan jedoch nicht bekommen.3 Der Bundestag änderte daraufhin sein Programmangebot ab dem 19. April 2011 den Anforderungen der ZAK entsprechend.4 Deren Vorsitzender teilte sodann mit Schreiben vom 24. Mai 2011 an den Direktor beim Deutschen Bundestag mit, „dass der Standbildcharakter und der Verzicht auf redaktionelle Mittel und journalistische Beiträge eine Bewertung als (lineares) Rundfunkprogramm i.S.v. § 2 RStV nicht mehr zulassen.“ Die redaktionellen Inhalte seien nunmehr als Abrufdienste über die Mediathek des Internetdienstes nutzbar und unterlägen insofern nicht dem Rundfunkregime.5 2. Das derzeitige Angebot des Parlamentsfernsehens Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages überträgt alle Plenardebatten live sowie öffentliche Ausschusssitzungen und Anhörungen unkommentiert und in voller Länge. Alle Live- Übertragungen können auch im Internet verfolgt werden. Die Mediathek bietet zudem das vollständige Videoangebot seit Beginn der 17. Wahlperiode im Oktober 2009 unter www.bundestag .de/mediathek auf Abruf zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Hier können auch die vom Parla- 1 Schindler, Datenhandbuch, Kapitel 23.3, S. 3495, sowie ausführlich zur weiteren Entwicklung dieses Vorhabens . 2 epd medien Nr. 10, S. 13. 3 ZAK-Pressemitteilung 08/2011, http://www.die-medienanstalten.de/pressecenter/pressemitteilungen/detailansicht /article/zak-pressemitteilung-082011-derzeitige-rechtslage-laesst-parlamentsfernsehen-des-deutschen-bundest .html (Stand: 30.06.2011). 4 Deutscher Bundestag, Pressemeldung – 21.04.2011, Parlamentsfernsehen Deutscher Bundestag: Plenardebatten im Fernsehen, Reportagen im Internet, http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen /2011/pm_1104211.html (Stand: 30.06.2011). 5 Schreiben des Vorsitzenden der ZAK vom 24. Mai 2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 7 mentsfernsehen produzierten Interviews und Reportagen angesehen oder heruntergeladen werden . Ältere Aufzeichnungen aus der Zeit vor Oktober 2009 sind im Videoarchiv abrufbar.6 3. Zulässigkeit nach den Regelungen des Rundfunk- und des Medienstaatsvertrags 3.1. Das Zulassungserfordernis für Rundfunkveranstaltungen Als Veranstalter privaten Rundfunks bedürfte der Bundestag einer Zulassung. Bei bundesweit verbreitetem Rundfunk richtet sich die Zulassung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV)7 nach § 20a RStV; im Übrigen richtet sich die Zulassung nach Landesrecht. Für Sendungen im Bereich Berlin und Brandenburg sind die Vorschriften des Staatsvertrags über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (Medienstaatsvertrag – MStV)8 heranzuziehen. Der Bundestag dürfte für die Veranstaltung von bundesweit verbreitetem Rundfunk nach § 20a Abs. 3 Satz 2 RStV als juristische Person des öffentlichen Rechts keine Zulassung erhalten; eine Ausnahme gilt nur für Kirchen und Hochschulen. Für eine Sendeerlaubnis im Bereich Berlin /Brandenburg schließt § 27 Abs. 3 MStV die Erteilung einer Sendeerlaubnis an den Bundestag ebenfalls aus, da staatliche Stellen hiernach keine Sendeerlaubnis erhalten können. Für die Zulässigkeit des Parlamentsfernsehens kommt es daher darauf an, ob das Angebot als Rundfunk im Sinne der Staatsverträge anzusehen ist. 3.2. Der Rundfunkbegriff der Staatsverträge Der Medienstaatsvertrag enthält keine Definition des Rundfunks mehr. Es ist daher auf die Begriffsbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags zurückzugreifen. In Umsetzung der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste9 definiert § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV Rundfunk als einen linearen Informations- und Kommunikationsdienst. Er ist die für die Allgemeinheit 6 http://www.bundestag.de/Mediathek/parlamentstv/parlamentstv/index.html (Stand: 6.6.2011). 7 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) vom 31.08.1991 in der Fassung des Dreizehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 10.03.2010 (vgl. GBl. S. 307), in Kraft getreten am 01.04.2010, http://www.telemedicus.info/uploads/Dokumente/RStV_13-RAeStV_Lesefassung.pdf (Stand: 22.6.2011). 8 Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (MStV) vom 29. Februar 1992 (Berlin GVBl. 1992, S. 150; Brandenburg GVBl. 1992, S. 142) in der Fassung des Vierten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 6./22. Januar 2009 (Berlin GVBl. S. 251; Brandenburg GVBl. S. 67), http://www.rbb-online.de/unternehmen/organisation/grundlagen/medienstaatsvertrag.file.pdf (Stand: 22.6.2011). 9 Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007, Amtsblatt der EU v. 18.12.2007 L 332/27. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:332:0027:0045:DE:PDF (Stand: 22.6.2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 8 und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten von Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen . Die Kriterien des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs sind somit die Verbreitung an die Allgemeinheit, die zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist und entlang eines Sendeplans zu erfolgen hat. Mit der Umsetzung der Richtlinie in dem zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde eine Neubestimmung des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs vorgenommen. Er orientiert sich seither an den Kategorien der EU-Richtlinie, die zwischen linearen audiovisuellen Mediendiensten (Fernsehprogrammen) und nicht linearen audiovisuellen Mediendiensten (Abrufdiensten ) unterscheidet. Rundfunk sind danach nur lineare Angebote, während Abrufdienste aus dem Rundfunkbegriff ausgeklammert werden.10 3.2.1. Allgemeinheit Mit dem Begriff der Allgemeinheit wird bewirkt, dass nur Massenkommunikation als Rundfunk gewertet werden kann. Dabei ist es gleichgültig, wie viele Rezipienten die Ausstrahlung tatsächlich empfangen; entscheidend ist, dass er an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet ist. Das ist auch dann der Fall, wenn der Sender nur einen eingeschränkten Rezipientenkreis im Auge hat. Neben dem herkömmlichen Rundfunk fallen auch Live-Streaming (zusätzliche parallele /zeitgleiche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) und Web- Casting (ausschließliche Übertragung von Rundfunkprogrammen über das Internet) unter den Rundfunkbegriff.11 Auch sonstige Zugriffs- und Abrufdienste richten sich aber an eine unbestimmte Vielzahl, so dass auch bei den Angeboten der Mediathek das Merkmal der Allgemeinheit erfüllt ist.12 Damit ist der Begriff der Allgemeinheit bei allen derzeitigen Angeboten des Parlamentsfernsehens erfüllt. 3.2.2. Gleichzeitigkeit des Empfangs Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags liegt nur vor, wenn Inhalte zum zeitgleichen Empfang (also im Wege einer Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung) an die Allgemeinheit verbreitet werden.13 Nicht unter den Rundfunkbegriff fallen damit nicht-lineare Angebote wie beispielsweise Video-on-Demand. Mediatheken sind daher vom (einfachgesetzlichen) Rundfunkbegriff ausgenommen. Nur die Live-Übertragungen des Parlamentsfernsehens könnten danach noch als Rundfunk im Sinne der Staatsverträge anzusehen sein. 3.2.3. Entlang eines Sendeplans Rundfunk kann nur vorliegen, wenn Bewegtbilder oder Töne entlang eines Sendeplans verbreitet werden. Die Inhalte müssen in zeitlich geordneter Folge nach einem Plan gesendet werden. Das ist dann der Fall, wenn der Rundfunkanbieter die einzelnen inhaltlichen Elemente seines Programms in einer gewissen Reihenfolge zusammenstellt und sie für die Nutzer nur so verfügbar 10 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 § 2 Rn. 18 f. 11 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 § 2 Rn. 13. 12 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 § 2 Rn. 13. 13 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 9 sind, wie sie der Anbieter vorgegeben hat.14 Die Live-Übertragungen des Parlamentsfernsehens orientieren sich an den Tagesordnungen des Plenums und der Ausschüsse. Es gibt einen festgelegten Programmablauf für Sitzungswochen wie für sitzungsfreie Wochen. Das Parlamentsfernsehen folgt mit seinem Übertragungsangebot einem Sendeplan. 3.2.4. Die Ausnahmen des § 2 Absatz 3 RStV § 2 Absatz 3 RStV nimmt bestimmte Angebote, die nach den vorgenannten Kriterien Rundfunk im Sinne des Staatsvertrages darstellen, wieder aus dem Rundfunkbegriff heraus. Es handelt sich dabei um solche Angebote, denen aus Sicht des Gesetzgebers Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft fehlen. Das vollständige Fehlen aber des Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung muss dazu führen, solche Angebote aus der strengen Rundfunkregulierung herauszunehmen .15 Für die unkommentierten Direktübertragungen des Parlamentsfernsehens ist die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV heranzuziehen, die nicht journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote vom Rundfunk ausnimmt. Es muss hierfür jegliche journalistisch-redaktionelle Gestaltung fehlen, so dass von der Ausnahme Webcams erfasst werden, die laufend Bewegtbilder einer fest installierten Kamera übertragen, beispielsweise um Wetter- oder Verkehrsinformationen zu übermitteln.16 Wegen ihres Standbildcharakters und des Verzichts auf redaktionelle Mittel erfüllen die Aufnahmen des Parlamentsfernsehens die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV und sind daher nicht als Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags anzusehen.17 Als Ergebnis ist festzuhalten: Die Live-Übertragungen des Parlamentsfernsehens sind auf Grund des Fehlens journalistisch-redaktioneller Gestaltung nicht als Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages anzusehen (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV). Das journalistisch-redaktionell bearbeitete Angebot des Parlamentsfernsehens in der Mediathek des Bundestages ist als nicht-lineares Angebot vom Rundfunkbegriff ausgenommen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 RStV). Um den gesetzgeberischen Spielraum für die Veranstaltung eines umfassenderen Parlamentsfernsehens auszuloten, ist ein Blick auf die Anforderungen unserer Verfassung geboten (nachfolgend unter 4.). 4. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film wird durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt. Die Verfassung enthält jedoch keine Definition des Rundfunkbegriffs.18 Auch das Bun- 14 Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 43 f. 15 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 26. 16 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 27. 17 So der Vorsitzende der ZAK im Schreiben vom 24.Mai 2011. 18 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 90. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 10 desverfassungsgericht hat in seinen zahlreichen Entscheidungen zum Rundfunk bisher keine abschließende Begriffsbestimmung formuliert.19 Sein Inhalt sei vielmehr aus einer am Normzweck orientierten Betrachtungsweise zu erschließen.20 Dabei geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass der Begriff „Rundfunk“ dynamisch zu interpretieren und damit für neue technische Entwicklungen flexibel und offen sei. Auf die physikalische Art der Übertragung soll es danach nicht ankommen.21 Entscheidend ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht die publizistische Wirkung für die öffentliche Meinungsbildung. Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft sind danach die Charakteristika des Rundfunks.22 4.1. Verhältnis zum einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff als die zentrale Voraussetzung für die Anwendung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht einfach nach Maßgabe des einfachen Gesetzesrechts auszulegen. Der Gesetzgeber kann vielmehr bestimmte Erscheinungsformen aus dem weiten verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff ausnehmen und wegen geringerer publizistischer Relevanz einer weniger strengen Regelung unterwerfen.23 Vor dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag24 orientierte sich die einfachgesetzliche Definition des Rundfunks an dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff. Mit dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurden die Kategorien der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 25 übernommen, die zwischen linearen audiovisuellen Mediendiensten und nicht linearen audiovisuellen Mediendiensten unterscheiden. Nur lineare Angebote sind danach Rundfunk, während Abrufdienste aus dem Rundfunkbegriff herausgenommen sind.26 Damit ist der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff weiter als der des Rundfunkstaatsvertrags und kann Programmangebote erfassen, die den einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff nicht erfüllen. 19 Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV§ 2 Rn. 13. 20 BVerfG 73, 118 (154). 21 BVerfG 73, 118 (154). Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 13. 22 So wörtlich Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 9. 23 Jarass, AfP 1998, 133 (133f); Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 8. Schulz, in: Han/Vesting , RStV § 2 Rn. 10; vgl. auch Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 21. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 9oa. 24 Siehe oben Fn. 7. 25 Siehe oben Fn. 9. 26 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 11 4.2. Die Merkmale des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff wird durch die Merkmale der Bestimmung für die Allgemeinheit, der fernmeldetechnischen Verbreitung und der Darbietung geprägt.27 4.2.1. Bestimmung für die Allgemeinheit Das Merkmal der Bestimmung für die Allgemeinheit ergibt sich aus der systematischen Stellung der Rundfunkfreiheit innerhalb des Art. 5 GG. Während von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG die Individualkommunikation erfasst wird, schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Massenkommunikation.28 Die Inhalte müssen an eine beliebige Öffentlichkeit gerichtet sein. Zur Unterscheidung ist zu klären, ob jedermann Zugang zu dem Angebot hat, oder ob der Empfängerkreis von vornherein genau bestimmt ist.29 Auch für die sogenannten Zugriffs- und Abrufdienste hat das Bundesverfassungsgericht einen Allgemeinbezug ausdrücklich bejaht und klargestellt, dass eine größere Dispositionsfreiheit auf Seiten der Nutzer für die Einstufung eines Dienstes als Rundfunk nicht entscheidend sein könne.30 Auch das Angebot des Parlamentsfernsehens in der Mediathek des Bundestages ist in diesem Sinne für die Allgemeinheit bestimmt. 4.2.2. Fernmeldetechnische Verbreitung Durch das Merkmal der fernmeldetechnischen Verbreitung wird der Rundfunk von den gegenständlichen Medien Presse und Film abgegrenzt. Dabei kommt es auf die verwendete Übertragungstechnik (analog oder digital) und die Übertragungsmedien (Satellit, Kabel, Terrestrik) nicht an.31 Das gesamte Angebot des Parlamentsfernsehens erfüllt diese Voraussetzung. 4.2.3. Darbietung Das Tatbestandsmerkmal der Darbietung ist das Kernstück des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs , weil der Rundfunk durch die von ihm verbreiteten Kommunikationsinhalte als Faktor und Medium an dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt.32 Unter den Begriff der 27 Allg. Auffassung, vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 12. Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 17. Grundlegend zur Entwicklung der Interpretation des Rundfunkbegriffs Brand. 28 So wörtlich Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV§ 2 Rn. 18. Ausführlich Brand S. 124 ff. 29 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 13. 30 BVerfG 74, 297 (350 ff); 83, 238 (302 f). 31 BVerfG 74, 297(350 ff); Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2 Rn. 19; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 67. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 14. 32 So Gersdorf, Gutachten S. 41 unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit BVerfGE 12, 205 (260). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 12 Darbietung fallen Inhalte jeglicher Art und Form, also die Präsentation von Fakten wie von Meinungen in allen Themenfeldern.33 Darüber hinaus aber gehen die Meinungen, welche Anforderungen an die Erfüllung des Begriffs der Darbietung zu stellen sind, auseinander.34 Während zahlreiche Autoren nur solche Angebote vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasst sehen, denen jegliche meinungsbildende Wirkung fehlt35, verlangen andere eine besondere publizistische Relevanz36 oder redaktionelle Bearbeitung.37 Nach eingehender Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meinungen gelangt Brand zu folgender Definition der Darbietung: „Als Darbietung kommen Inhalte jeder Art in Betracht. Ausreichend ist, dass der Kommunikator aus dem unendlichen Fundus möglicher Informationseinheiten eine Auswahl getroffen hat. Auf eine publizistische Relevanz, das Fehlen besonderer zeitlicher oder inhaltlicher Rezeptionsoptionen, die Abwesenheit von Interaktivität, die Periodizität, die dezidiert redaktionelle Aufbereitung oder die Universalität des Angebots kommt es für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht an.“38 Daran gemessen erfüllt das gesamte Angebot des Parlamentsfernsehens den Rundfunkbegriff. Zu diesem Ergebnis gelangt auch Gersdorf, in seinem im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellten Gutachten.39 Mit der weiteren Anforderung der „redaktionellen Bearbeitung“ wird jedoch eine begriffliche Kongruenz zum einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff hergestellt, was dafür spricht, dieses Merkmal heranzuziehen.40 Verlangt man eine redaktionelle Bearbeitung als Voraussetzung für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkbegriff nicht erfüllt ist, denn die Direkt-Übertragungen sind eine bloße Abbildung des öffentlichen Geschehens . Eine redaktionelle Bearbeitung wird nicht vorgenommen. Da alle öffentlichen Sitzungen von Anfang bis Ende übertragen werden, findet auch keine Auswahl statt. Die Sendung von Interviews, Gesprächsrunden und sonstigen redaktionellen Beiträgen wäre jedoch als Rundfunk einzuordnen. Dieses Angebot wird derzeit nur in der Mediathek des Deutschen Bundestages auf Abruf bereitgehalten . Da es aufgrund fehlender Linearität von dem einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff nicht mehr erfasst wird, ist es nicht zulassungsbedürftig. Gleichwohl könnte hier der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt sein. Ob die sogenannten Zugriffs- und 33 Jarass, AfP 1998, 133 (134). 34 Kurz zum Meinungsstand Schulz, in: Hahn/Vesting, RStV § 2 Rn. 21.Vgl. ausführlich hierzu Brand, S. 63 ff. sowie Zusammenfassung hierzu S. 118 – 120. 35 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 90a. Schulz, in: Hahn/Vesting, RStV § 2 Rn. 21 f. Hartstein /Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 15. 36 Vgl. hierzu Brand, S. 64 ff mit zahlreichen Nachweisen, ablehnend S. 118 f; Holznagel/Kibele, in: Spindler /Schuster, RStV § 2 Rn. 20; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (480 f). 37 Jarass, AfP 1998, 133 (135); zustimmend Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 69. 38 Brand, S. 153. 39 Gersdorf, Gutachten, S. 43 ff, 50. 40 Degenhart, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff/Graßhof (Hrsg.), GG Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 690c. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 13 Abrufdienste vom verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff erfasst werden, ist nach wie vor umstritten . Bereits in seinem Baden-Württemberg-Beschluss im Jahr 1987 hat das Bundesverfassungsgericht für die Beurteilung „rundfunkähnlicher Kommunikationsdienste“ einen dynamischen, weiten Rundfunkbegriff zugrunde gelegt, der sich an der Funktion des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG orientiert und hieraus seine Gehalte bezieht.41 In einer weiteren Entscheidung im Jahr 1991 führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Rundfunkfreiheit unter den Bedingungen raschen technischen Wandels ihre normative Kraft nur bewahren könne, wenn bei der Bestimmung von Rundfunk nicht nur an eine bereits eingeführte Technik angeknüpft werde. Andernfalls könne sich die grundrechtliche Gewährleistung nicht auf Bereiche erstrecken, in denen gleichfalls die Funktion des Rundfunks, wenn auch mit anderen Mitteln, erfüllt werde.42 Der Umstand, dass bei den Zugriffs - und Abrufdiensten der Zeitpunkt des Empfangs durch den Nutzer selbst bestimmt werde, sei für die Bestimmung des Rundfunks im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht von Bedeutung .43 In der Literatur ist die Frage, ob die sog. Zugriffs- und Abrufdienste Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sein können, ausgiebig erörtert worden.44 Nach verbreiteter Meinung sind auch für diese Angebote zur Abgrenzung die für das Merkmal der Darbietung relevanten Kriterien heranzuziehen.45 Indiz hierfür ist das Vorliegen einer programmähnlichen Struktur, da die programmlich-redaktionelle Aufbereitung der Inhalte auf eine gewisse publizistische/meinungsbildende Relevanz hinweist.46 Entscheidend sei, ob die Onlineangebote die rundfunkgleiche Aktualität , Breitenwirkung und Suggestivkraft aufweisen.47 Da die Inhalte der Mediathek mit ihren redaktionellen Beiträgen, Hintergrundinformationen und Bearbeitungen ganz zweifellos den Begriff der Darbietung im oben genannten Sinne erfüllen, fällt das Angebot der Mediathek des Parlamentsfernsehens hiernach in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit . Zu einem anderen Ergebnis gelangt Lent.48 Nach seiner Auffassung ist für die rundfunkspezifische Wirkungskraft (auch) der Öffentlichkeitseffekt zeitgleich ausgestrahlter Darbietungen von 41 BVerfGE 74, 297 (350 f). 42 BVerfGE 83, 238 (302). 43 BVerfGE 74, 297- 357; zitiert nach Juris Rn. 132, 135ff; vgl. hierzu auch Gersdorf, Gutachten, S. 48 f. 44 Vgl. Brand, S. 172 ff mit zahlreichen Nachweisen zum Meinungsstand in Fn. 101. 45 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 90b; Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2, Rn. 20; Hartstein /Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole B 5 RStV § 2 Rn. 15; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG Art. 5 Rn. 99; Gersdorf, Gutachten, S. 48 f, sowie die Nachweise bei Brand, S. 172 Fn. 101. 46 So Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster, RStV § 2, Rn. 20. Vgl. auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner /Cole B 5 RStV § 2 Rn. 15. 47 Degenhart, AfP 2010, 324 (330). 48 Lent, S. 100 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 14 nicht zu unterschätzender Bedeutung: Jeder Rezipient wisse, dass eine Vielzahl anderer Rezipienten die mediale Botschaft zu derselben Zeit sehen bzw. hören kann. In engem Zusammenhang damit stehe, dass die besondere Breitenwirkung des Rundfunks gerade dadurch zustande komme, dass für identische Sendeinhalte ein hoher Multiplikatorfaktor eintrete, da eine Vielzahl von Menschen zeitgleich mobilisierbar sei, was erhebliche Auswirkungen auf den öffentlichen Prozess der Meinungsbildung haben könne.49 Neben der rundfunkspezifischen Wirkungskraft und Breitenwirkung zeitgleicher Übertragungen dürfe schließlich nicht übersehen werden, dass eine zeitliche Individualisierung der Empfangssituation, wie sie bei Zugriff- und Abrufdiensten der Fall sei, sich auch auf die Auswahl der Informationsinhalte auswirke. Aus den genannten Gründen sei der zeitgleiche Empfang, bzw. genauer: die vom Veranstalter eröffnete Option des gleichzeitigen Empfangs, ein wesentliches Merkmal der besonders hohen Meinungsrelevanz von Rundfunkdiensten. Da bei den sog. Abruf- und Zugriffsdiensten überhaupt keine „zeitliche Steuerung “ des Rezeptionsvorganges durch den Kommunikator erfolge, fehle ihnen der rundfunkspezifische Multiplikator- und Öffentlichkeitseffekt. Sie seien daher nicht vom verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff erfasst.50 Beim Bundesverfassungsgericht finden sich in einer Entscheidung Ausführungen, die durch die Betonung der Zeitgleichheit diese Einschätzung stützen können. Nach dem Hinweis darauf, dass Anlass der gesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung die herausgehobene Bedeutung sei, die dem Rundfunk unter den Medien wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukomme, heißt es dort, die Aktualität des Hör- und Fernsehfunks folge daraus, dass Inhalte schnell, sogar zeitgleich (Hervorhebungen durch die Verfasserin) an die Rezipienten übertragen werden können.51 Auch Bullinger kommt zu dem Schluss, dass die rundfunkspezifische Meinungsmacht bei Abruf- und Zugriffsdiensten üblicherweise fehle, weil das Angebot nicht in ein zeitlich ablaufendes Gesamtprogramm eingebunden sei.52 In der Tatsache, dass die genannten Abruf-Dienste aus dem einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff des § 2 RStV herausgenommen wurden und seither keiner rundfunkrechtlichen Zulassungspflicht mehr unterliegen, kommt ebenfalls die Einschätzung zum Ausdruck, dass diesen Diensten in der Regel nicht die publizistische Relevanz zukommt, die eine Zulassungspflicht verlangt. Danach fällt das Angebot der Mediathek aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG heraus und bleibt von den nachfolgend dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen aus der Rundfunkfreiheit unberührt. Würde das gleiche Angebot jedoch von einem Bundestagsfernsehen in Eigenregie direkt übertragen, wäre es an den nachfolgend aufgezeichneten Anforderungen der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen. 49 Lent, S. 103. 50 Lent, S. 104. Zustimmend Degenhart, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff/Graßhof (Hrsg.), GG Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 683 ff und 695. Im Ergebnis auch Bullinger, AfP 1996, 1 (8). 51 BVerfGE 119, 181-246; zitiert nach Juris Rn. 123. 52 Bullinger, AfP 1996, 1 (7 f). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 15 5. Konsequenzen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für ein Parlamentsfernsehen 5.1. Gesetzgebungskompetenz und Gesetzesvorbehalt Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für die Materie Rundfunk folgt aus Art. 30, 70 GG. Das ist seit dem ersten Rundfunkurteil des Bundverfassungsgerichts nicht mehr umstritten.53 Das Bundesverfassungsgericht hat den Länderparlamenten aufgegeben, eine Rundfunkordnung zu schaffen, in der die Vielfalt der bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet.54 Diese Ausgestaltungsverpflichtung gilt nur für den Rundfunk. Daraus folgt, dass alle strukturprägenden rundfunkpolitischen Entscheidungen vom zuständigen Landesgesetzgeber zu treffen sind.55 5.2. Gebot der Staatsfreiheit Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit bedeutet in erster Linie Staatsfreiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk.56 Dieser Grundsatz wurzelt in der dienenden Funktion des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rundfunkfreiheit dient nicht in erster Linie als Abwehrrecht des Grundrechtsträgers, also des Rundfunkveranstalters, sondern soll primär die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung gewährleisten.57 Daraus leitet das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung den Auftrag an den Gesetzgeber ab, eine positive Ordnung zu gewährleisten , die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet.58 Zugleich folgert das Bundesverfassungsgericht hieraus auch die Freiheit des Rundfunks vor staatlicher Beherrschung und Einflussnahme. Die Staatsfreiheit des Rundfunks schließt aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar einen Rundfunkveranstalter beherrscht.59 Weder darf der Staat selbst als Rundfunkveranstalter auftreten noch darf er unmittelbar oder mittelbar ein Unternehmen beherrschen, das Rundfunk veranstaltet .60 Ausgeschlossen werden soll durch diesen nur vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem NS-Regime verständlichen Verfassungsgrundsatz61 jede politische Instrumentalisierung und alle auch mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates.62 53 BVerGE 12, 205 ff. 54 BVerfG, Beschluss v. 31.7.2007, zitiert nach Juris Rn. 14; BVerfGE 57, 295 (321 f, 325 f). 55 BVerfG, Beschluss v. 31.7.2007, zitiert nach Juris Rn. 18. 56 Std. Rspr. des BVerfG seit dem ersten Rundfunkurteil, BVerfGE 12, 205 (262 f). 57 Std. Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 74, 297 (323 f). BVerfGE 83, 238 ff; zitiert nach Juris Rn. 455. 58 BVerfGE 121, 30 ff; zitiert nach Juris Rn. 88 mit zahlreichen Nachweisen aus der eigenen Rechtsprechung. 59 BVerfGE 121, 30 ff; zitiert nach Juris Rn. 92. 60 So bereits BVerfGE 12, 205 ff; zitiert nach Juris Rn. 186 f; BVerfGE 121, 30 ff; zitiert nach Juris Rn. 95 und 96. 61 So Huber, in: FS für Bethge S. 497. 62 BVerfGE 121, 30 ff; zitiert nach Juris Rn. 96 mit weiteren Nachweisen zur eigenen Rechtsprechung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 16 Auch der Gesetzgeber ist Teil der Staatsgewalt. Er unterliegt als solcher der öffentlichen Kritik und Kontrolle, die wesentlich von der Freiheit der Medien abhängt. Auch dem Parlament und seinen Unterorganen darf aufgrund von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kein beherrschender Einfluss auf die Programme von Rundfunkveranstaltern eingeräumt werden und er darf selbst keinen Rundfunk veranstalten.63 Tatsächlich, so Degenhart unter direktem Bezug auf einen eigenen Fernsehkanal des Bundestages, müsste es durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn der Bundestag als Objekt der Medienöffentlichkeit Akteur der Medienberichterstattung wird, wenn also das zu kontrollierende Verfassungsorgan eben jene Berichterstattungsfunktionen an sich ziehen will, die erst seine Kontrolle ermöglichen.64 An dieser Einschätzung ändert auch die Erweiterung der Übertragungskapazitäten nichts. So wurde zwar die Auffassung vertreten, dass wenn nur ausreichend viele Rundfunkkanäle technisch möglich seien, gegen die Nutzung eines Fernseh- und/oder Hörfunkkanals durch den „Staat“ wohl keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen würden, sofern der Staat nur solche Aussagen verbreite, deren Publikation ihm durch die allgemeinen Aufgabenund Zuständigkeitsregelungen erlaubt sei.65 Dem liegt die Überlegung zugrunde, eine entsprechende Vielzahl von Rundfunkprogrammen reduziere faktisch den Einfluss eines Staatssenders.66 Dieser Sichtweise hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Beteiligung von Parteien an privatem Rundfunk eine deutliche Absage erteilt.67 Angesichts der Erweiterung der Übertragungskapazitäten aufgrund der neueren technischen Entwicklungen sowie der weitreichenden Verknüpfung der Medien untereinander, insbesondere auch der Verbreitung von Rundfunkprogrammen über das Internet, hält das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an den Anforderungen fest, die es bisher an die gesetzliche Ausgestaltung der Rundordnung zur Sicherung der Rundfunkfreiheit gestellt hat.68 Es bleibe weiterhin Aufgabe des Gesetzgebers, nicht nur im öffentlich-rechtlichen, sondern auch im privaten Rundfunk für Meinungsvielfalt und Staatsfreiheit zu sorgen.69 63 BVerfG 83, 238 ff; zitiert nach Juris Rn. 474. Vgl. Gersdorf, Gutachten, S. 25 f. 64 Degenhart, AfP 2010, 324 (329). 65 So Herrmann/Lausen, § 7 Rn. 82. 66 In diesem Sinne Kolbe, Die rechtlichen Grundlagen des Parlamentsfunks und –fernsehens, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Fachbereich III – 143/88. 67 BVerfG, Urt. v. 12.03.2008, BVerfGE 121, 30-69; vgl. auch Fechner, 10. Kapitel: Rundfunkrecht, Rn. 14. 68 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 91. 69 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 88 ff. Holznagel, MMR 2008, 587 (597). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 17 Es wird allerdings kein absolutes Trennungsgebot zwischen Staat und Rundfunk aufgestellt, vielmehr sei eine weit gehende Staatsferne zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben .70 Staatsfreiheit bedeute, dass der Staat weder selbst Rundfunkveranstalter sein noch bestimmenden Einfluss auf das Programm von ihm unabhängiger Veranstalter gewinnen dürfe.71 Jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks solle so verhindert werden. Als Ergebnis kann festgehalten werden: Redaktionell gestaltete Beiträge, wie sie derzeit in der Mediathek des Bundestages auf Abruf bereitgehalten werden, dürften nicht von einem parlamentseigenen Sender in Eigenregie gesendet werden. Mit einem solchen Parlamentskanal würde der Bundestag zum Rundfunkveranstalter. Das verbietet ihm das Gebot der Staatsferne aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Nachfolgend soll untersucht werden, ob die Zulässigkeit eines umfassenderen Parlamentsfernsehens als Maßnahme zur Herstellung von Öffentlichkeit im Sinne von Art. 42 GG (hierzu unter 6.) oder zulässige staatliche Öffentlichkeitsarbeit (unter 7.) begründet werden kann. 6. Gebot der Sitzungsöffentlichkeit als Ermächtigungsgrundlage für Parlamentsfernsehen Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG gebietet Öffentlichkeit der Verhandlungen des Bundestages. Da die parlamentarische Demokratie auf dem Vertrauen des Volkes beruht, setzt sie Transparenz des politischen Geschehens voraus.72 Wird im Zeichen der Volkssouveränität Herrschaft durch Vertreter ausgeübt, so haben die Vertretenen Anspruch darauf, über deren Aktivitäten und ihre Gründe informiert zu sein. Die Parlamentsöffentlichkeit ist damit notwendige Voraussetzung der Kontrollrechte des Volkes als Souverän.73 Die Öffentlichkeit der parlamentarischen Auseinandersetzung und Entscheidungssuche ist ein wesentliches Element der staatlichen Demokratie sowie des Parlamentarismus und als solches auch vor Verfassungsänderungen geschützt.74 Das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit besteht nur für die Verhandlungen des Bundestagsplenums, nicht auch die der Ausschüsse. Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Gegenüberstellung des Bundestages und seiner Ausschüsse in Art. 42 Abs. 3 GG.75 Öffentlichkeit bedeutet, dass für jedermann einschließlich der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens im Rahmen der räumlichen Verhältnisse gleichberechtigte Zutrittsmöglichkeiten zu 70 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 97. 71 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 119. 72 BVerfGE 40, 296-352. Zitiert nach Juris Rn. 61. 73 So Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Art. 42 Rn. 20. 74 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Art. 42 Rn. 20, 45. Ebenso Magiera, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 42 Rn. 1. 75 Ganz überwiegende Auffassung, vgl. Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG Art.42 Rn. 3. Magiera, in: Sachs (Hrsg.), GG Art. 42 Rn. 2. Kritisch Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Art. 42 Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 18 den Sitzungen bestehen.76 Unzweifelhaft müssen Vertreter von Presse und Rundfunk Zugang zu den Plenarsitzungen haben, um darüber in Presse bzw. Rundfunk berichten zu können. Dies ergibt sich aus dem Öffentlichkeitsgebot des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Ein strikter Zugangsanspruch ergibt sich hieraus für die Presse zwar nicht77, aber die „grundrechtliche Fundierung dieses Zugangsanspruchs hat zur Folge, dass die Verweigerung des Zugangs von Presse und Rundfunk zu Verhandlungen des Deutschen Bundestages auf sachlich rechtfertigende Gründe gestützt werden muss, die vor dem Grundrecht der Informationsfreiheit Bestand haben .“78 Da jeweils nur wenig Menschen tatsächlich den Sitzungen des Bundestages beiwohnen können, erweitert eine Direktübertragung den Kreis der Öffentlichkeit erheblich. Eindrücke von der Arbeit im Parlament und Informiertheit über die Probleme der dort zu entscheidenden Fragen sind von überragender Bedeutung für das Funktionieren einer Demokratie. Direktübertragungen aus dem Parlament sind daher wünschenswert. Der Bundestag darf diese Übertragungen unter Berufung auf Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG auch selbst vornehmen, sofern er sich dabei innerhalb des Rahmens hält, den die Verfassung vorgibt: Keine Veranstaltung von Rundfunk, sondern reine Dokumentation . Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch die Direktübertragung öffentlicher Ausschusssitzungen und Anhörungen zulässig. Eine darüber hinausgehende Ermächtigung zu umfassenderen Sendungen kann dem Öffentlichkeitsgebot nicht entnommen werden. 7. Parlamentsfernsehen als zulässige Öffentlichkeitsarbeit 7.1. Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit Staatliche Öffentlichkeitsarbeit79 ist in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch geboten. In seinem grundlegenden Urteil zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung leitet das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebender Körperschaft aus dem Demokratieprinzip ab.80 Zum Gelingen repräsentativer Demokratie bedarf es der Teilhabe der Bürger an ihren Entscheidungsprozessen. Dabei vollzieht sich der Prozess der politischen Willensbildung nicht einseitig vom Volk hin zu den Staatsorganen, sondern erfordert eine ständige Rückkopplung zwischen Staatsorganen und Volk.81 Auch die gesetzgebenden Körperschaften haben daher die Aufgabe, der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darzulegen 76 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.),GG Art. 42 Rn. 3. 77 So Klein, in: Maunz/Dürig, GG Art. 42 Rn. 35. 78 So Gersdorf, Gutachten, S. 36. 79 Zur Definition des Begriffes Schürmann, S. 73 f. 80 BVerfGE 44, 125-197; zitiert nach Juris Rn. 63. 81 RhPfVerfGH, NVwZ 2007, 200 (201). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 19 und zu erläutern, denn eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politische Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.82 Auch diese, der Rechtfertigung , Vermittlung und Selbstdarstellung dienende Öffentlichkeitsarbeit83 ist staatliches Handeln, bei dem sich das Parlament im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgaben – und Zuständigkeitsbereichs zu halten hat.84 Die Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages darf sich mithin nur zu den Materien äußern, für die die Regelungskompetenz beim Bund liegt. Fraglich ist, ob sie sich dabei auch der Mittel des Rundfunks bedienen darf. 7.2. Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit durch Parlamentsfernsehen 7.2.1. Die Auffassung von Gersdorf In seinem im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellten Gutachten zu einem Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages geht Gersdorf zwar davon aus, dass es sich bei dem Parlamentsfernsehen um Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG handelt.85 Zugleich stehe aber auch die staatliche Legitimation und Legitimität staatlicher Öffentlichkeitsarbeit außer Frage.86 Auch Staatspresse sei von Verfassung wegen verboten. Die vom Deutschen Bundestag herausgegebene Zeitschrift „Das Parlament“ und sonstige legislative Druckschriften seien publizistisch gestaltete, für die Allgemeinheit bestimmte verkörperte Kommunikationsinhalte; gleichwohl liege insoweit keine verbotene Staatspresse, sondern zulässige Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages vor.87 Daher sei eine funktionale Abgrenzung von unzulässigem Staatsrundfunk und zulässiger Öffentlichkeitsarbeit vorzunehmen: Immer dann, wenn es sich funktional um staatliche Öffentlichkeitsarbeit handle, liege keine Rundfunkbetätigung (bzw. Pressetätigkeit) vor.88 Eingeschränkt werde die Befugnis zur Selbstdarstellung lediglich durch die sachliche Legitimation: Die Sendeinhalte des Parlamentsfernsehens müssten einen (unmittelbaren) Bezug zum Funktionskreis des Deutschen Bundestages aufweisen.89 Dies sei auch dann der Fall, wenn sich der Bundestag nicht auf die Übertragung der vorhandenen parlamentarischen Arbeit beschränke, sondern auch Interviews mit Abgeordneten aus der Lobby, Informationssendungen zu Gesetzesvorhaben und zu bundespolitischen Themen, Gesprächsrunden mit Abgeordneten des Bundestages oder Bundespolitikern zu bundespolitischen Themen sende. Entsprechende Berichterstattungselemente wiesen den erforderlichen unmittelbaren Sachbezug zum Funktionskreis des 82 BVerfGE 44, 125-197; zitiert nach Juris Rn. 64. 83 Zur Typologie der staatlichen Informationshandelns vgl. Schoch, in: Isensee/Kirchhoff, HStR § 37, Rn. 76 ff. 84 BVerfGE 44, 125-197; zitiert nach Juris Rn. 68. 85 Gersdorf, Gutachten, S. 50. 86 Gersdorf, Gutachten, S. 29 et passim. 87 Gersdorf, Gutachten, S. 51 f. 88 Gersdorf, Gutachten, S. 52. 89 Gersdorf, Gutachten, S. 53 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 20 Deutschen Bundestages auf und wären als Formen legislativer Öffentlichkeitsarbeit verfassungsrechtlich zulässig.90 7.2.2. Gegenmeinungen in der Literatur Diese Begründung ist im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen.91 So führen Goerlich und Laier zwar ebenfalls aus, dass dem Bundestag als Ort der demokratischen Repräsentation auch nach außen das Feld der Öffentlichkeitsarbeit als Teil eigener Darstellung seiner Tätigkeit gegenüber dem Bürger zustehen müsse. Wo wie hier die Öffentlichkeitsarbeit nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Politikvermittlung gegenüber dem Bürger diene, sei jedoch der Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis, hierfür ein Parlamentsfernsehen einzurichten, unzulässig.92 Die Materie des Rundfunks sei von der Verfassung den Ländern überlassen, und auch der Bundestag als erstes Verfassungsorgan sei in diese Funktions- und Kompetenzordnung eingebettet.93 Darüber hinaus verbiete auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Schluss von der Aufgabe des Deutschen Bundestages , Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, auf die Befugnis, dies mittels eines Parlamentsfernsehens zu tun.94 Nach Darstellung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit , die in erster Linie Staatsfreiheit bedeutet, erläutern die Autoren, den Unterschied zur Presse, der darin bestehe, dass der Rundfunk eine suggestive Kraft besitze, die sich zur massensuggestiven Macht mit besonderer Breitenwirkung steigern könne. In dieser Wirkkraft unterscheide sich Rundfunk von Presse grundsätzlich. Presseerzeugnisse bedürften der individuellen Anstrengung des Zugriffs und der Lektüre. Schon dadurch vermittelten und besäßen sie Distanz. Der besondere gesetzliche Ausgestaltungauftrag, der den Rundfunk dazu verpflichte, in „ausgewogener Vielfalt“ zu berichten, gelte daher eben auch nur für diesen.95 Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes sowie gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verstoße und daher rechtswidrig sei.96 Auch für Degenhart bestehen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einrichtung eines eigenen Fernsehkanals durch den Bundestag.97 Zulässigkeit von Selbstdarstellung und Information der Öffentlichkeit bedeute nicht notwendig die Zulässigkeit auch der Wahrnehmung staatlicher Informationsfunktionen mittels staatlicher Medien. Es mache einen Unterschied, ob staatliche Informationstätigkeit durch unabhängige und staatsfreie Medien vermittelt werde, oder 90 Gersdorf, Gutachten, S. 53 f. 91 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 ff; Degenhart, AfP 2010, 324 (328 ff); Huber, in: FS für Bethge, S. 498 f; kritisch auch Pernak, in: Pernak/Zimmermann, S. 10 f. 92 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (478). 93 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (479). 94 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (480). 95 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (481). 96 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (484); ebenso Huber, in: FS für Bethge, S. 502. 97 Degenhart, AfP 2010, 324 (329); als offenkundig rechtswidriges Vorhaben bezeichnet Huber das Parlamentsfernsehen , Huber, in: FS für Bethge, S. 502. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 21 ob staatliche Stellen sich hierfür eigener Medien bedienten. Dann nämlich entfiele die medientypische Vermittlungsfunktion, um staatlichen Einfluss abzufedern. Bereits staatseigene Presse sei daher nur in sehr eingeschränktem Maße verfassungsrechtlich zulässig;98 staatseigener Rundfunk aber sei ausgeschlossen, wie die rigide Haltung des Bundesverfassungsgerichts zur Beteiligung politscher Parteien an Rundfunkunternehmen deutlich gemacht habe.99 Bei einem eigenen Fernsehkanal des Bundestages gehe es nicht nur um eine gleichsam erweiterte Sitzungsöffentlichkeit des Bundestages und seiner Ausschüsse. Denn jede Übertragung von der Tätigkeit des Bundestages sei stets auch Medienberichterstattung, die nicht frei sein könne von programmlichen Elementen . Diese lägen in der Regie der Sendungen, in Bildführung und Wiedergabe, bei zeitlich konkurrierenden Veranstaltungen in der Auswahlentscheidung, in der redaktionellen Bearbeitung , der Ankündigung und Erläuterung des Gesehenen. Die Suggestivkraft des bewegten Bildes entfalte sich auch und gerade in einem Parlamentskanal in hohem Maße. Auch wegen der damit verbundenen Meinungsmacht dürfe es kein Staatsfernsehen geben.100 Unter der Überschrift „Staat und Onlinemedien“ führt Degenhart sodann aus, dass staatliche Stellen befugt sein müssen, ihre Öffentlichkeitsarbeit und Informationstätigkeit dem Mediennutzungsverhalten der Bürger anzupassen . Die Frage nach der Rolle des Staates, wie sie für die herkömmlichen Printmedien im Sinn einer grundsätzlichen Staatsfreiheit zu beantworten war, stelle sich nicht weniger aktuell für Informationsangebote im Internet als eines zentralen Informations- und Kommunikationsmittels einer Informationsgesellschaft und müsse hier tendenziell gleichlautend im Sinn einer Begrenzung staatlichen Informationsflusses beantwortet werden. Daher sei das für den Rundfunk geltende Funktionsverbot für staatliche Medientätigkeit jedenfalls auf solche Telemedien zu erstrecken , die rundfunkgleiche Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft aufweisen.101 7.2.3. Bewertung Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung seit seinem ersten Rundfunkurteil das unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Gebot der Staatsferne des Rundfunks. Auch in seinem letzten Rundfunkurteil aus dem Jahre 2008102 zur Beteiligung von Parteien am privaten Rundfunkfunk unterstreicht es wieder die Bedeutung dieses Prinzips. Mit den gegen das Gutachten von Gersdorf gerichteten Stimmen in der Literatur ist daher zu dem Schluss zu kommen, dass das unbestrittene Recht staatlicher Stellen zur Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung das grundlegende Verfassungsprinzip der Staatsferne nicht verdrängen kann: Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist zulässig und geboten, aber nicht mit den Mitteln des Rundfunks. 98 Degenhart, AfP 2010, 324 (328). 99 Degenhart, AfP 2010, 324 (329). 100 Degenhart, AfP 2010, 324 (329). 101 Degenhart, AfP 2010, 324 (330). 102 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 119. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 22 8. Zusammenfassung der Ergebnisse 8.1. Direktübertragungen aus dem Plenum und den Ausschüssen bzw. von Anhörungen Unkommentierte Live-Übertragungen des Parlamentsfernsehens aus dem Plenum und aus öffentlichen Ausschusssitzungen erfüllen den Rundfunkbegriff des § 2 RStV nicht. Auch der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der hier vertretenen engeren Auslegung der Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt. Danach setzt auch dieser Rundfunkbegriff eine redaktionelle Bearbeitung der Inhalte voraus. Art. 42 Abs. 1 GG gebietet die Öffentlichkeit der Sitzungen des Bundestagsplenums. Der Bundestag kann hieraus das Recht ableiten, die Sitzungen aufzuzeichnen und durch zeitgleiche Sendung die Öffentlichkeit gewissermaßen zu erweitern. Dieses Recht kann er auch für öffentliche Ausschusssitzungen und Anhörungen in Anspruch nehmen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass jede redaktionelle Bearbeitung - auch durch Auswahl - entfällt. Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne, verbietet es dem Bundestag als Teil der Staatsgewalt, selbst Rundfunk zu veranstalten. Das Recht des Bundestages zur Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung kann die sich aus der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen, insbesondere das Gebot der Staatsferne des Rundfunks, nicht verdrängen. 8.2. Das Angebot der Mediathek Als nicht lineares Angebot bedarf die Mediathek des Parlamentsfernsehens keiner landesrechtlichen Zulassung. Ob diese Abrufdienste unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff fallen, wenn sie die hierfür erforderlichen Kriterien erfüllen, ist umstritten. Nach hier vertretener Auffassung ist der zeitgleiche Empfang Voraussetzung für die Erfüllung des Rundfunkbegriffs. Da die Mediathek des Parlamentsfernsehens als Abrufdienst diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann ihr Angebot als zulässige Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung des Bundestages angesehen werden. 8.3. Einfachgesetzliche Regelung eines umfassenderen Parlamentsfernsehens Eine Regelung im Rundfunkstaatsvertrag, die dem Bundestag die Veranstaltung von Rundfunk mit eigenen redaktionellen Beiträgen erlauben würde, verstieße gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und wäre daher nichtig. Ein Gesetz des Bundestages mit diesem Inhalt würde darüber hinaus gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung verstoßen, die die Materie des Rundfunks den Ländern überlässt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 23 9. Rechtliche Grundlagen für die Mediathek des Parlamentsfernsehens Das Angebot der Mediathek des Parlamentsfernsehens ist als zulässige parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit zu verstehen. Das Parlament hat danach die Aufgabe, seine Maßnahmen, Vorhaben und anstehende Fragen darzulegen und zu erläutern und den Prozess der parlamentarischen Willensbildung zu offenbaren.103 Dabei hat es sich im Rahmen der föderalen Kompetenzordnung wie auch seiner Organkompetenz als gesetzgebende Körperschaft zu halten.104 Daraus folgt, dass der Bundestag auch in der Mediathek nur über die seiner eigenen Gesetzgebungs- und Befassungskompetenz unterliegenden Themen berichten darf. Bei seiner Öffentlichkeitsarbeit hat der Bundestag das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot im Sinne des Grundsatzes der Chancengleichheit zu wahren. Dieser Grundsatz leitet sich aus der Gleichheit der Statusrechte im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ab und verlangt gleiche Mitwirkungsrechte aller, der Fraktionen, der parlamentarischen Gruppen und der (fraktionslosen) Abgeordneten.105 Da das Parlamentsfernsehen in seiner Mediathek Interviews mit Abgeordneten und Gesprächsrunden überträgt, ist hier der Schutzbereich der Chancengleichheit der Abgeordneten und Fraktionen betroffen. Notwendig erscheint es daher, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die Wahrung der Chancengleichheit gewährleistet. Entsprechende „Richtlinien für die Öffentlichkeitsarbeit“ könnten in der Geschäftsordnung bzw. einer Anlage zur Geschäftsordnung untergebracht werden. Die durch Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG gewährte Geschäftsordnungsautonomie ist nicht auf die traditionellen hierunter gefassten Bereiche „Geschäftsgang“ und „Disziplin“ beschränkt, sondern bezeichnet die allgemeine Befugnis des Parlaments, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, um so seine Aufgaben erfüllen zu können.106 Zu diesen Aufgaben gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit. Auch sofern durch diese Richtlinien die Rechte der Abgeordneten betroffen sind, bietet die Geschäftsordnung eine ausreichende Rechtsgrundlage; eine formell-gesetzlichen Grundlage ist daher nicht erforderlich.107 Wie für die Rededauer im Plenum und die Besetzung der Ausschüsse sollte das Prinzip der Chancengleichheit auch für die Beiträge der Mediathek gewährleisten, dass alle Abgeordneten und Fraktionen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit gleichermaßen berücksichtigt werden. Es würde aber auf eine Überfrachtung des Ältestenrates herauslaufen, sollte er, wie nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GeschOBT, auch über jeden Beitrag der Mediathek im Einvernehmen mit den Fraktionen entscheiden. Es könnte für die Arbeit der Mediathek ein Gremium geschaffen werden, das vergleichbar besetzt ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 i V. m. § 12 GeschOBT). § 6 Abs. 4 GeschOBT sieht die 103 RhPfVerfGH, NVwZ 2003, 75 (78); RhPfVerfGH, NVwZ 2007, 200 (201). 104 BVerfGE 44, 125-197; zitiert nach Juris, Rn. 68 ff; vgl. auch Gersdorf, Gutachten, S. 57. 105 BVerfGE 80, 188-244; zitiert nach Juris, Rn. 103; Gersdorf, Gutachten, S. 58. 106 BVerfGE 102, 224-245; zitiert nach Juris, Rn. 45. RhPfVerfGH, NVwZ 2003, 75 (76). 107 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG Art. 40, Rn. 53 sowie zum Streit über die Rechtsnatur der Geschäftsordnung ebenda Rn. 55 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 24 Einsetzung eines Unterausschusses für die Angelegenheiten der Bibliothek, des Archivs und anderer Dokumentationen vor. Ein Unterausschuss für die Arbeit der Mediathek könnte dem hinzugefügt werden, der die Aufgabe übernimmt, die mit der Programmgestaltung befasste Verwaltung des Bundestags zu beraten und zu beaufsichtigen. Da es bereits eine auf Grund von § 6 Abs. 4 Gesch OBT eingesetzte Kommission für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und –medien gibt108, könnte die Aufsichtsaufgabe möglicherweise hier angesiedelt werden. Ob das Parlament sich bei seiner Öffentlichkeitsarbeit in der Mediathek im Interesse einer Reichweitensteigerung auch „unterhaltender Elemente“ bedienen dürfe, wie Gersdorf in seinem Gutachten meint109, erscheint fraglich. In diese Richtung gehen aber die Ausführungen des Rheinland -Pfälzischen Verfassungsgerichtshofs. Unter Hinweis auf das Stichwort „Mediatisierung der Politik“ weist das Gericht darauf hin, dass die Vielfalt des Informations- und Unterhaltungsangebots es zunehmend schwieriger mache, Aufmerksamkeit für politische Inhalte zu erlangen. Dies führe häufig zu einer Verkürzung der öffentlichen Debatte mit dem Zwang, politische Botschaften so knapp, einfach und pointiert wie möglich zu formulieren. Zudem steige der Einfluss politischer Marketing-Konzepte und der „kommunikativen Verpackung“. Es komme zur Personalisierung der politischen Debatte bis hin zur „Entertainisierung“.110 Diese Bedingungen moderner Politikdarstellung müsse derjenige bedenken, der an einer effektiven Vermittlung politischer Inhalte interessiert sei. Da die Öffentlichkeitsarbeit potenziell an alle Bürger adressiert sei, müsse sie auch die unterschiedlichen Wahrnehmungsmuster der Menschen berücksichtigen. Verfassungsrechtlich vorgesehene Grenzen des Inhalts und der äußeren Form zulässiger Öffentlichkeitsarbeit stünden der notwendigen Anpassung an Kommunikationsformen heutiger „Mediendemokratie “ nicht entgegen.111 Zustimmen kann man jedenfalls dem Schluss der Ausführungen, wo es heißt, die Grundlagen sachbezogener Information im Rahmen der Organzuständigkeit dürften nicht verlassen werden und die Rationalität des Informationsprozesses müsse gewahrt bleiben .112 10. Fernsehübertragungen des Bundesrates Der Bundesrat ist das Verfassungsorgan des Bundes, durch das die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken, Art. 50 Satz 1 GG. Die Einberufung der Bundesratssitzungen obliegt dem Bundesratspräsidenten (Art. 51 Abs. 1 Satz 2 GG). In der Praxis finden die Sitzungen alle drei Wochen am Freitag statt.113 Wie der Bundestag so verhandelt auch der Bundesrat öffentlich (Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GG). Der Begriff der Öffentlichkeit in Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GG entspricht dem des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 GG für den Bundestag und umfasst daher die rechtliche Möglich- 108 Ritzel/Bücker, HdbPP, § 6 IV. zu Abs. 4. 109 Gersdorf, Gutachten, S. 54 unten. 110 So RhPfVerfGH, NVwZ 2003, 75 (79); ebenso RhPfVerfGH, NVwZ 2007, 200 (201). 111 RhPfVerfGH, NVwZ 2007, 200 (201). 112 RhPfVerfGH, NVwZ 2007, 200 (201). 113 Dörr, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG Art. 52 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 25 keit freien Zutritts für jedermann zum Zuhörerraum sowie für jede als Presseberichterstatter ausgewiesene Person zur Pressetribüne.114 Der Bundesrat gibt sich eine Geschäftsordnung115 (Art. 52 Abs. 3 Satz 2). Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Geschäftsordnung des Bundesrates (GO BR)116 sind die Sitzungen der Ausschüsse nicht öffentlich. Für die Übertragungen von Bundesratssitzungen durch einen eigenen Sender des Bundesrates gilt das Gleiche wie für die Fernsehübertragungen durch den Bundestag: Es entspricht dem Transparenzgebot durch Direktübertragungen den Kreis der Öffentlichkeit technisch zu erweitern . Auch als Öffentlichkeitsarbeit zur Darstellung der eigenen Arbeit kann der Bundesrat seine Sitzungen selbst übertragen. Als Staatsorgan ist er dabei den gleichen rechtlichen Beschränkungen unterworfen wie der Bundestag, d.h. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und das darauf abgeleitete Gebot der Staatsferne verbieten es ihm, mit der Sendung eigener redaktioneller Beiträge Rundfunk zu veranstalten. 11. Übertragung der Aufgabe Parlamentsfernsehen an einen privaten Rundfunkveranstalter 11.1. Anforderungen aus dem Gebot der Staatsfreiheit Der Bundestag könnte zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens mit redaktionell gestaltetem Angebot mit einem privaten Rundfunkveranstalter kooperieren. In einer Zusammenarbeit des Bundestages mit einem privaten Rundfunkveranstalter wäre keine Umgehung des Gebots der Staatsferne zu erkennen, sofern der staatliche Einfluss des Parlaments nicht bestimmend ist. Dies lässt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ableiten, das in seinem Urteil zum nordrhein-westfälischen Landesrundfunkgesetz eine 25-prozentige Beteiligung von Gemeinden an privaten Rundfunkveranstaltern erlaubte117, sowie aus seiner Entscheidung zur Beteiligung von politischen Parteien an privaten Rundfunkveranstaltungen.118 In der erstgenannten Entscheidung führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Entsendung von zwei nicht weisungsgebundenen Personen durch die Gemeinde in das zuständige Aufsichtsgremium und ihre Beteiligung mit höchstens 25 Prozent der Kapital- und Stimmrechtsanteile an der Betriebsgesellschaft nicht gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.119 Zwar dürfe der Staat - wozu auch die Gemeinden zählten - weder selbst Veranstalter von Rundfunk sein noch bestimmenden Einfluss auf das Programm der von ihm unabhängigen Veranstalter gewinnen. In den Kontrollgremien dürften jedoch auch 114 Maunz/Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG Art. 52 Rn. 25. 115 http://www.bundesrat.de/cln_179/nn_9548/DE/struktur/recht/go/go-node.html?__nnn=true. 116 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. November 1993 (BGBl Teil I S. 2007), zuletzt geändert durch Beschluss des Bundesrates vom 8. Juni 2007 (BGBl Teil I Seite 1057) (Bundesrats-Drucksache 310/07 (Beschluss). 117 BVerfG, Urt. v. 05.02.1991, BVerfGE 83, 238-341; zitiert nach Juris, insbesondere Rn. 491 ff. 118 BVerfG, Urt. v. 12.03.2008, BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris, insbesondere Rn. 118 ff. 119 BVerfGE 83, 238-341; zitiert nach Juris, insbesondere Rn. 491. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 26 Staatsvertreter mitwirken.120 Die Gemeindequote in dem Aufsichtsgremium für den privaten Lokalfunk sei ebenso zu behandeln, wie die Staatsquote in den Rundfunkräten und lasse mit zwei Gemeindevertretern keinen bestimmenden Einfluss befürchten.121 Die Gefahr, dass durch die finanzielle Minderheitsbeteiligung der Gemeinden Druck auf den Veranstalter ausgeübt werden könnte, wird als gering angesehen. Die Minderheitsbeteiligung der Gemeinden finde ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass sie ein Gegengewicht gegen die Gefahr eines vorwiegend kommerziellen Interesses an der Rundfunkveranstaltung schaffe und dazu beitragen könne, die lokalen Belange im Rundfunk angemessen zur Geltung zu bringen.122 Dieser Gedanke ließe sich auch für die Beteiligung des Bundestages an einem privaten Parlamentsfernsehveranstalter nutzen. In seiner Entscheidung zur Beteiligung von Parteien an privatem Rundfunk betont das Bundesverfassungsgericht nochmals, dass sich die Garantie der Rundfunkfreiheit gegenüber dem Staat nicht in dem Beherrschungsverbot erschöpfe, sondern jede Instrumentalisierung des Rundfunks ausgeschlossen werden solle und der Staat daher auch keinen bestimmenden Einfluss auf das Programm der von ihm unabhängigen Veranstalter gewinnen dürfe.123 Entscheidend hierfür sei nicht allein der nominale Anteil am Kapital oder an Stimmrechten, sondern der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte. Dem Gesetzgeber obliege es, hierfür geeignete und nachvollziehbare Kriterien zu entwickeln.124 Die Entscheidung hat besondere Beachtung gefunden, weil das Bundesverfassungsgericht mit diesem Urteil aus dem Jahr 2008, dem neunten Rundfunkurteil (mit Gesetzeskraft), trotz der Entwicklung in der Kommunikationstechnologie und auf den Medienmärkten, an seiner Rechtsprechung zur Gewährleistung der Meinungsvielfalt und Staatsfreiheit auch beim privaten Rundfunk festhält.125 11.2. Gesetzlicher Rahmen für einen privaten Parlamentsrundfunk Ein privates Unternehmen zur Veranstaltung von Parlamentsfernsehen müsste die Voraussetzungen erfüllen, die nach dem Rundfunkstaatsvertrag und den Landesmediengesetzen für private Rundfunkveranstalter gelten. Wer ein Rundfunkunternehmen privatautonom gründen und betreiben will, bedarf einer rundfunkrechtlichen Zulassung, die von mehreren medienrechtlichen Voraussetzungen abhängig ist, die in den Landesmediengesetzen zur Sicherung eines verfassungsrechtlich einwandfreien und funktionierenden Rundfunks normiert sind. Dabei gehen die meisten Landesmediengesetze vom Typ eines Privatunternehmens aus, das in freier Wahl der Unternehmensform nach den allgemeinen handelsrechtlichen Regelungen durch privatautonomen Ge- 120 BVerfGE 83, 238-341; zitiert nach Juris, insbesondere Rn. 492. 121 BVerfGE 83, 238-341; zitiert nach Juris, insbesondere Rn. 493. 122 BVerfGE 83, 238-341; zitiert nach Juris, insbesondere Rn. 494. 123 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 119. 124 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 125. 125 Z. B. Holznagel, MMR 2008, 596 (596). Müller, AfP 2009, 433 (438). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 27 staltungsakt gegründet wird und in unternehmerischer Freiheit unter Beachtung der mediengesetzlichen Rahmenbedingungen Rundfunk veranstaltet: d.h. Programm gestaltet, produziert oder produzieren lässt und schließlich ausstrahlt oder ausstrahlen lässt.126 Wer Rundfunk veranstalten will, bedarf einer Zulassung (§ 20 Abs. 1 RStV), die sich für die Zulassung von bundesweit verbreitetem Rundfunk nach § 20 a RStV richtet. Zuständig ist hierfür bei bundesweit verbreiteten Programmen die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK). In der Zulassung für Veranstalter bundesweiter Programme ist die Programmkategorie Vollprogramm oder Spartenprogramm festzulegen (§ 20 Abs. 1 Satz 3 RStV). Bei einem Parlamentsfernsehen würde es sich wohl um ein Spartenprogramm handeln, nach der Begriffsdefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 4 RStV ein Programm mit im Wesentlichen gleichartigen Inhalten im Gegensatz zum Vollprogramm mit vielfältigen Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 RStV). Eine Beteiligung des Bundestages an einem privaten Parlamentsfernsehveranstalter in Höhe von 25 Prozent wäre nach der soeben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als unbedenklich anzusehen, wenn durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung sichergestellt ist, dass der Bundestag keinen „beherrschenden“ Einfluss auf das Rundfunkunternehmen hat.127 Dementsprechend sieht § 28 Abs. 1 Satz 1 RStV vor, dass eine medienrechtliche Zurechnung sämtlicher Programme zu erfolgen hat, die ein Unternehmen selbst veranstaltet oder die von einem anderen Unternehmen veranstaltet werden, an dem es unmittelbar mit 25 vom Hundert oder mehr an dem Kapital oder an den Stimmrechten beteiligt ist. Die „Beherrschung“ eines Rundfunkveranstalters kann jedoch nicht nur über die Kapitalanteile erfolgen, sondern durch Vertrag, Satzung oder auf sonstige Weise sichergestellt werden.128 Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass nicht der nominale Anteil am Kapital oder an Stimmrechten, sondern der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte maßgeblich sind.129 § 28 Abs. 2 Satz 1 RStV stellt daher klar, dass es einer Beteiligung nach Absatz 1 gleichsteht, wenn ein Unternehmen einen dieser Beteiligung vergleichbaren Einfluss auf einen Veranstalter ausüben kann. Dabei gilt nach § 28 Abs. 2 Satz 2 RStV als vergleichbarer Einfluss, wenn ein Unternehmen 1. regelmäßig einen wesentlichen Teil der Sendezeit eines Veranstalters mit von ihm zugelieferten Programmteilen gestaltet oder 2. aufgrund vertraglicher Vereinbarungen, satzungsrechtlicher Bestimmungen oder in sonstiger Weise eine Stellung innehat, die wesentliche Entscheidungen eines Veranstalters über die Programmgestaltung, den Programmeinkauf oder die Programmproduktion von seiner Zustimmung abhängig macht. Ob die Mitbegründung und Beteiligung an einem privaten Parlamentsfernsehveranstalter angesichts der geringen Einflussmöglichkeiten auf die Programmgestaltung für den Bundestag von Interesse wäre, mag dahin gestellt bleiben. Die finanzielle Beteiligung wäre aus Mitteln des Haushalts für Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und sollte veröffentlicht werden, damit dieser Umstand in die Bewertung des Programmangebots 126 So Herrmann/Laussen, § 18 Rn. 7. 127 BVerfGE 83, 238-341; zitiert nach Juris, Rn. 491. Vgl. auch Huber, in: FS für Bethge, S. 509. 128 Vgl. Huber, in: FS für Bethge, S. 509. 129 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 125. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 28 einfließen kann.130 Die restliche Finanzierung müsste aus Werbung und sonstigen Einnahmen, wie Pay-TV erfolgen (vgl. § 43 RStV). Eine Finanzierung durch Werbung würde aufgrund der Würde des Parlaments allenfalls eingeschränkt in Frage kommen.131 Die Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens als Pay-TV wäre zwar grundsätzlich denkbar, würde aber dem Interesse des Bundestages zuwiderlaufen, ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Eine Spendenfinanzierung aus verfassungsrechtlich unbedenklichen Quellen erscheint auf Dauer gesehen als wenig tragfähige Grundlage.132 12. Wahrnehmung der Aufgabe durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Die Aufgabe eines umfassenderen Parlamentsfernsehens, das Übertragungen mit Aufzeichnungsregie und redaktionelle Beiträge enthält, wäre auch aus finanziellen Gründen am besten bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgehoben. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben die Aufgabe der Grundversorgung der Bevölkerung, das heißt, sie haben im Prinzip dafür Sorge zu tragen, dass für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme angeboten werden, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren und dass Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gesichert ist.133 Zwar bezeichnet dieser Begriff keine Mindestversorgung134, gleichwohl würde ein Sender, der sich auf die Berichterstattung aus dem Parlament beschränken würde, nicht mehr unter den Begriff der Grundversorgung fallen. Auch jenseits der Grundversorgung sind jedoch öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramme zuzulassen.135 Als Rechtsgrundlage hierfür ist § 2 Abs. 2 b) RStV heranzuziehen, der den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und dem ZDF die gemeinsame Veranstaltung von zwei Spartenprogrammen erlaubt. Ein Spartenprogramm ist nach der Definition in § 2 Abs. 2 Nr. 4 RStV ein Programm mit im Wesentlichen gleichartigen Inhalten; es unterscheidet sich darin vom Vollprogramm, das nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 RStV ein Programm mit vielfältigen Inhalten ist. Bei einem Parlamentsfernsehen ergäbe sich schon aus dem Namen, dass nicht die Breite des Programmspektrums im Vordergrund steht136, so dass hiermit ohne Zweifel ein Spartenprogramm vorliegen würde.137 Sehr fraglich ist hingegen, ob es für die Errichtung dieses Spartenprogramms eine politische Mehrheit gäbe, nachdem es bereits als Spartensender den Ereignis- und Dokumentationskanal 130 BVerfGE 121, 30-69; zitiert nach Juris Rn. 137 f. 131 So Wagner, S. 26 f. 132 So nahezu wörtlich Wagner, S. 27. 133 BVerfGE 74, 297-325; zitiert nach Juris, Rn. 81. 134 BVerfGE 74, 297-325; zitiert nach Juris, Rn. 81. 135 BVerfGE 74, 297-325; zitiert nach Juris, Rn. 94, 121. 136 Zur Abgrenzung Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), RStV § 2 Rn. 67. 137 Vgl. auch Gersdorf, Gutachten, S. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 29 Phoenix gibt.138 Auch dieses Programm ist werbefrei und richtet sich einschließlich eines eigenständigen Videotext- und Online-Angebots mit seinen Parlamentsübertragungen, Dokumentationen , Berichten und Reportagen zu Politik und Zeitgeschehen bewusst an eine Minderheit, die an weitergehenden und ergänzenden Informationen jenseits der in den Vollprogrammen enthaltenen Basisangebote interessiert ist.139 Phoenix startete am 7. April 1997. Allerdings blieb der Umfang der Übertragungen aus dem Bundestag hinter den Erwartungen zurück. Im Jahr 2008 kam es daher zu einer Vereinbarung zwischen dem Bundestagspräsidenten und den Intendanten von ARD und ZDF, die zusicherten, künftig noch umfassender im gemeinsamen Dokumentationskanal Phoenix aus dem Bundestag zu übertragen.140Darüber hinaus sollen wichtige parlamentarische Ereignisse von ARD und ZDF in den Hauptprogrammen live übertragen werden. Dies geschieht jedoch nicht durchweg zufriedenstellend. Eine gesetzliche Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu umfangreicherer Übertragung und Berichterstattung über die Arbeit des Parlaments, würde einen unzulässigen staatlichen Eingriff in die Programmautonomie des Senders darstellen. Die Länder sind zwar grundsätzlich dazu berechtigt, die Rundfunkordnung gesetzlich bzw. staatsvertraglich auszugestalten . Ziel und Legitimation dieser Ausgestaltung ist es sicherzustellen, dass der Rundfunk insgesamt den verfassungsrechtlich vorausgesetzten Dienst leistet.141 Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zielsetzung und der gesetzlichen Aufgabenzuweisung dürfen die Rundfunkanstalten jedoch frei entscheiden, wie sie ihre Funktion erfüllen. Sie können und dürfen aufgrund ihrer professionellen Maßstäbe allein bestimmen, was der Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt. Dabei erstreckt sich die verfassungsrechtlich gewährleistete Autonomie von der Entscheidung über Art und Umfang der Programmherstellung über die konkrete Produktion und Ausgestaltung bis hin zur Wahl der Verbreitungswege und –modalitäten.142 Der (Landes-) Gesetzgeber kann zwar eine Rundfunkanstalt gründen und ihren Aufgabenbereich bestimmen; er darf ihre Programmgestaltung aber nicht mit gesetzlichen Vorgaben beschränken.143 Eine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder des Spartensenders Phoenix zu vermehrter Berichterstattung über die Arbeit des Deutschen Bundestages ist daher ausgeschlossen. 138 Zu Einordnung von Phoenix als klassische Spartenprogramm Holznagel/Kibele, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), RStV § 2 Rn. 116 ff. 139 So Binder, in: Hahn/Vestung, RStV § 19 Rn. 113. 140 http://www.focus.de/kultur/medien/bundestag-kein-bundesweites-parlamentsfernsehen_aid_306688.html (Stand: 30.8.2011). 141 So Binder, in: Hahn/Vestung, RStV § 19 Rn. 25 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG. 142 So Binder, in: Hahn/Vestung, RStV § 19 Rn. 26. 143 Binder, in: Hahn/Vestung, RStV § 19 Rn. 57. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 038/11 Seite 30 13. Trägerschaft durch die Landesmedienanstalten Im Rahmen seiner Untersuchung des amerikanischen Parlamentssenders C-Span schlägt Wagner vor, die Trägerschaft einer oder mehrerer Medienanstalten für ein Parlamentsfernsehen in Betracht zu ziehen. Hier stünden ausreichend staatsferne Strukturen und dem Rundfunk gewidmete Finanzmittel zur Verfügung. Auch sei die Stellung als Programmveranstalter nicht fernliegend, da die Medienanstalten eine solche Funktion etwa bei der Trägerschaft für offene Kanäle144 ohnehin innehätten. Als Rechtskonstruktion komme beispielsweise eine zu 100 % von einer Medienanstalt getragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Frage.145 Dieser Vorschlag erscheint bedenkenswert. Bei ihrer Aufgabe, Kontrolle über den privaten Rundfunk auszuüben, sind die Landesmedienanstalten Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit und können daher staatlichen Einfluss ausschließen.146 Nachdem der Zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag 2008 zu einer engeren Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten geführt hat, käme für ein bundesweit auszustrahlendes Parlamentsfernsehen nur eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung nach § 39 RStV in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre jedoch eine besondere Aufgabenzuweisung im Rundfunkstaatsvertrag, der hierfür soweit ersichtlich bislang keine Ermächtigungsgrundlage enthält.147 Die bisherigen vier Kommissionen nach § 35 Abs. 2 RStV, die wie die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit bundesweitem Rundfunk wahrnehmen, haben eine abschließende Spezialzuständigkeit inne.148 Zu denken wäre daher an die Schaffung einer weiteren Kommission in § 35 Abs. 2 RStV, die als Trägerin einer Veranstalterin für Parlamentsfernsehen zu fungieren hätte. Über die Zulassung dieses Rundfunkveranstalters hätte dann die ZAK zu entscheiden. Es wäre daher notwendig , bei der Zusammensetzung der Kommission personelle Überschneidungen auszuschließen. 14. Literaturverzeichnis Brand, Torsten, Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, 2002. Bullinger, Martin, Der Rundfunkbegriff in der Differenzierung kommunikativer Dienste, AfP 1996, 1-8. 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