© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 036/19 Die Stellung der Bundesregierung in Gesetzgebungsverfahren mit medienrechtlichem Bezug Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 036/19 Seite 2 Die Stellung der Bundesregierung in Gesetzgebungsverfahren mit medienrechtlichem Bezug Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 036/19 Abschluss der Arbeit: 04.07.2019 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 036/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Gesetzgebungsverfahren 4 3. Einfluss der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren 5 4. Gesetzgebungskompetenz bei medienrechtlichen Bezügen 6 5. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 036/19 Seite 4 1. Vorbemerkung Dieser Sachstand gibt einen kursorischen Überblick über die Stellung der Bundesregierung in Gesetzgebungsverfahren mit medienrechtlichem Bezug. Im Fokus dieser Arbeit steht die Frage, welche Funktion die Bundesregierung im förmlichen Gesetzgebungsverfahren hat und unter welchen Voraussetzungen sie Rechtsverordnungen erlassen darf. In diesem Zusammenhang wird die Möglichkeit der Regulierung von Online-Plattformen durch die Bundesregierung erläutert. 2. Gesetzgebungsverfahren Das Gesetzgebungsverfahren ist durch die Art. 70 ff. Grundgesetz1 (GG), die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages2 und die Geschäftsordnung des Bundesrates3 determiniert.4 Das Verfahren selbst ist dabei in drei Stufen gegliedert: das Einleitungsverfahren (Art. 76 GG), das Hauptverfahren (Art. 77 bis 81 GG) und das Abschlussverfahren (Art. 82 GG). In der Staatspraxis werden die meisten Gesetzentwürfe von der Bundesregierung eingebracht.5 Gesetzesentwürfe können auch vom Bundesrat und den Abgeordneten initiiert werden. Das Einbringen von Gesetzesentwürfen der Bundesregierung beruht auf dem sogenannten Initiativrecht, das sich aus Art. 76 I GG ergibt. Die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zur Stellungnahme zuzuleiten. Sie werden anschließend zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates und einer Gegenäußerung der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht . Im Rahmen dieses Beschlussverfahrens sind der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und gegebenenfalls der Vermittlungsausschuss beteiligt. Hat der Bundesrat einem Gesetz zugestimmt oder darauf verzichtet, Einspruch einzulegen oder wurde der Einspruch des Bundesrates vom Bundestag überstimmt, ist das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen.6 An den parlamentarischen Gesetzesbeschluss schließen sich die Gegenzeichnung des zuständigen Ministers und der Bundeskanzlerin sowie die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung im Bundesgesetzblatt an. 1 Grundgesetz vom 25.05.1949, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.03.2019 (BGBl. I S. 404). 2 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, zuletzt geändert am 01.03.2019 (BGBl. I S. 197). 3 Geschäftsordnung des Bundesrates, zuletzt geändert am 8. 06.2007 (BGBl. I S. 1057). 4 Vgl. für vertiefende Informationen: Deutscher Bundestag, Weg der Gesetzgebung, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/gesetzgebung_neu/gesetzgebung/weg-255468; Bundeszentrale für politische Bildung: Gesetzgebungsverfahren, abrufbar unter: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/rechta -z/22287/gesetzgebungsverfahren. 5 BMI, Gesetzgebungsverfahren, abrufbar unter; https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/gesetzgebung /gesetzgebungsverfahren/gesetzgebungsverfahren-node.html. 6 Vgl. zum Ablauf des Verfahrens, Bundesrat: Der Ablauf des Verfahrens, abrufbar unter: https://www.bundesrat .de/DE/aufgaben/gesetzgebung/verfahren/verfahren.html;jsessionid =885D6B3DC71B621B8AA03156708416B6.2_cid391?nn=4353668#doc4353670bodyText1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 036/19 Seite 5 3. Einfluss der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren Wie aufgezeigt, beschränkt sich die Rolle der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren auf das Initiativrecht aus Art. 76 I GG und den formalen Akt der Gegenzeichnung. Eine besondere Beteiligung der Bundesregierung bei der Gesetzesbeschlussfassung ist in ihrer Funktion als Organ der Exekutive verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. Dennoch ist der Einfluss der Bundesregierung auf die Legislative nicht unerheblich. In der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (2009 bis 2013) gingen mehr als die Hälfte der Gesetzesvorhaben von der Bundesregierung aus. Von diesen wurden etwa 80 % in Gesetze überführt.7 Es wird deutlich, dass die Bundesregierung auch ohne an der parlamentarischen Abstimmung beteiligt zu sein, nicht unerheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung ausübt. Das gilt auch, wenn nahezu jeder Gesetzesentwurf der Bundesregierung im parlamentarischen Beratungsverfahren geändert wird. Eigenständig legislativ tätig werden darf die Bundesregierung hingegen mit dem Instrument der Rechtsverordnung. Art. 80 I S. 1 GG gestattet unter anderem der Bundesregierung eigenständig abstrakte und generelle Normen auf der Grundlage eines Parlamentsgesetzes zu erlassen. Voraussetzung ist gem. Art. 80 I S. 2 GG, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung durch ein formelles Gesetz bestimmt werden.8 Das Bundesverfassungsgericht9 konkretisiert diese Vorgaben und verlangt, dass der parlamentarische Gesetzgeber • den sachlichen Regelungsbereich der Verordnung umgrenzt, • den Zweck der Verordnung festlegt und • die möglichen Rechtsfolgen hinreichend vorherbestimmt. Darüber hinaus markiert die vom Bundesverfassungsgericht10 entwickelte Wesentlichkeitsschranke 11 die Grenze der sachlichen Reichweite von Rechtsverordnungen. 7 Deutscher Bundestag: Stichwort Gesetzgebung - Von der Idee zum Gesetz, abrufbar unter: https://www.btg-bestellservice .de/pdf/20264000.pdf. 8 Man spricht dabei auch von Ermächtigungsgesetzen. 9 BVerfGE 58, 257 ff. 10 Vgl. etwa BVerfGE 47, 46; BVerfGE 98, 218. 11 Die vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Vorbehalt des Gesetzes entwickelte Auffassung, dass der Gesetzgeber aufgrund des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips verpflichtet ist, alle wesentlichen Entscheidungen für einen Regelungsbereich selbst zu treffen und nicht der Exekutive zu überlassen (Bundeszentrale für politische Bildung, Wesentlichkeitslehre, abrufbar unter: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika /recht-a-z/23245/wesentlichkeitslehre). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 036/19 Seite 6 4. Gesetzgebungskompetenz bei medienrechtlichen Bezügen Die Abgrenzung der hier in Frage stehenden Gesetzgebungskompetenz betrefflich der Regulierung von Online-Plattformen12 ist kompliziert und umstritten.13 Das deutsche Medienrecht wird von Bund und Ländern gemeinsam gestaltet. Die wichtigste Abgrenzung zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten ergibt sich aus dem Verhältnis von Telekommunikationsrecht14 und Rundfunkrecht.15 Der Kompetenzordnung des Grundgesetzes folgend steht dem Bund eine Gesetzgebungszuständigkeit nur dann zu, wenn er sich auf einen einschlägigen Kompetenztitel der Art. 72 ff. GG berufen kann. Hier könnte sich die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes aus Art. 73 I Nr. 7 Alt. 2 GG ergeben. Dieser Kompentenztitel umfasst nach herrschender Auffassung16 die technische Ausgestaltung der Telekommunikation, nicht aber die Regulierung inhaltlicher Aspekte. Bezüglich einer etwaigen Regulierung von z. B. YouTube bedeutet dies, dass der Bund gemäß Art. 73 I Nr. 7 Alt. 2 GG die Belange rund um die Übertragungstechniken der Online-Plattform regeln dürfte. Darüber hinaus kann der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung bei wirtschaftlichen Fragen nach Art. 74 I Nr. 11 GG tätig werden. Alle sonstigen Angelegenheiten zum Rundfunk fallen nach der Grundregel des Art. 30 GG in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder.17 Dazu gehören die Organisation der Rundfunkveranstaltungen und der Inhalt der Sendungen. Das Bundesverfassungsgericht stellte insoweit fest, dass „Die von Art. 5 GG geforderte gesetzliche Normierung der in ihm zur Sicherung von Rundfunkfreiheit enthaltenen Leitgrundsätze, und zwar sowohl in materiellrechtlicher als auch in organisatorischer Hinsicht […] in die Gesetzgebungskompetenz der Länder [fallen], in die des Bundes allenfalls, soweit er ausnahmsweise die Befugnis zur Veranstaltung von Rundfunksendungen besonderer Art haben sollte“.18 12 Vgl. zum Begriff der Online-Plattform: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Regulierung von Online-Plattformen in ausgewählten Ländern und auf EU-Ebene – Medien- und wettbewerbsrechtliche Ansätze, 28.09.2018, WD 10 - 3000 - 061/18, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/591828/7120bc3f59b6c897c9372b3a5b97029f/WD-10-061-18-pdf-data.pdf. 13 Beck RundfunkR/Schulz/Wagner RStV § 52c Rn. 18. 14 Unter Telekommunikation versteht man die Übermittlung, den Empfang und die Wiedergabe von Informationen auf fernmeldetechnischem Weg (Maunz/Dürig/Uhle GG Art. 73 Rn. 164). 15 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zuständigkeiten von Bund, Ländern und der EU im Medien und Telekommunikationsrecht, WD 10 – 029/07, 30.03.2007, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/414758/56625ce3f32429cedc2ca5def04f87a1/wd-10-029-07-pdf-data.pdf. 16 Maunz/Dürig/Uhle GG Art. 73 Rn. 165. 17 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zuständigkeiten von Bund, Ländern und der EU im Medien und Telekommunikationsrecht, a.a.O. 18 BVerGE 12, 205, 225. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 036/19 Seite 7 An diese kompetenzrechtliche Annahme knüpft der Rundfunkstaatsvertrag19 an und verleiht den Ländern die Möglichkeit einer weitgehenden inhaltlichen Ausgestaltung des Rundfunkrechts.20 In Einzelfällen könnte die gesetzgeberische Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern wegen der diffizilen Abgrenzung von wirtschaftlichen (dann konkurrierende Gesetzgebung, Art. 74 I Nr. 11 GG) und kulturellen Fragen (dann Gesetzgebung durch die Länder, Art. 70 I GG) Schwierigkeiten bereiten. Die herrschende Meinung geht von einer substantiellen Verschiedenheit von Kultur und Wirtschaft aus, sodass eine verfassungswidrige21 „Mischzuständigkeit“ von Bund und Ländern zu vermeiden ist. Auf Grund der verfassungsgerichtlichen Priorisierung des Landesgesetzgebers in Bezug auf die Rundfunkgesetzgebung, dürfte in Zweifelsfällen zu Gunsten der Länder entschieden werden. 5. Fazit Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Bundesregierung grundsätzlich in besonderem Maße von ihrem Initiativrecht aus Art. 76 I GG Gebrauch macht und damit tatsächlichen Einfluss auf die Gesetzgebung hat. In Bezug auf die Regulierung von Online-Plattformen kommt den Ländern ein großer Gestaltungsspielraum zu. Die Beteiligung des Bundes beschränkt sich auf die (wenigen ) oben genannten Aspekte. Die übrigen Fragen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Landesgesetzgebers . Die Ausgestaltung der Rundfunkstaatsverträge geschieht durch die Landesregierungen , die diesbezüglichen Zustimmungsgesetze werden von den Landesparlamenten beschlossen .22 **** 19 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag - RStV) vom 31. August 1991 in der Fassung des Zweiundzwanzigsten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Zweiundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Kraft seit 1. Mai 2019. 20 Beck RundfunkR/Vesting RStV § 1 Rn. 9. 21 Vgl. Beck RundfunkR/Schuler-Harms RStV § 35 Rn. 25. 22 Zum innerstaatlichen Verfahren der Parlamentsbeteiligung vgl. z. B. Menzenbach, Steffi und Lämmerzahl, Torsten, Staatsverträge zwischen den Bundesländern, Aktueller Begriff, Nr. 48/07, Wissenschaftliche Dienste, 19.09.2007, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/190052/424c9d512ff446a6aeadebf 8a60725ee/staatsvertraege_zwischen_den_bundeslaendern-data.pdf.