© 2020 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 035/20 Fremdsprachige Angebote der Deutschen Welle für sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltende Personen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 2 Fremdsprachige Angebote der Deutschen Welle für sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltende Personen Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 035/20 Abschluss der Arbeit: 23. Oktober 2020 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Kompetenzverteilung 5 1.2. Strukturen der Deutschen Welle 6 1.3. Programmauftrag und Ziele der Deutschen Welle 6 2. Auftrag der Deutschen Welle: § 3 DWG 6 2.1. Auslandsbegriff 7 2.1.1. Territorialer Auslandsbegriff 7 2.1.2. Personenbezogener Auslandsbegriff 9 2.1.3. Beurteilung des zu verwendenden Auslandsbegriffs 13 2.2. Programmauftrag als Unterscheidungskriterium zwischen Auslandsrundfunk und Inlandsrundfunk 13 3. Kooperationsvereinbarungen für die gezielte Ausstrahlung im Inland 16 4. Zusammenfassung: 17 5. Anlage 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 4 1. Einleitung Die Deutsche Welle (DW) nahm erstmalig 1953 den Sendebetrieb auf.1 Seit 1960 ist sie eine eigenständige öffentliche Anstalt des Bundesrechts2. Nach dem „Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts3 (Bundesrundfunkgesetz – BRfG) war es damals Auftrag der Deutschen Welle, den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland zu vermitteln und ihnen die deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darzustellen und zu erläutern.4 Seit 1994 bietet die Deutsche Welle Informationen im Internet an.5 Diese multimedialen Inhalte werden sowohl in deutscher Sprache als auch in 29 weiteren Sprachen angeboten.6 Über das Internet besteht die Möglichkeit, DW-Programme über die Sender „DW Deutsch“, „Deutsch+“, „English“, „Español“ und „Arabia“ zu empfangen. Über Satellit strahlt die DW die Sender „DW- TV-Europe“ in deutscher und englischer Sprache und „DW-TV-Arabia“ in arabischer und englischer Sprache aus7, die zum Teil auch in Deutschland über diesen Weg empfangen werden können . Vom 1. März 20168 bis zum 15. Dezember 20179 sprach die Deutsche Welle mit dem Sender „DW-Arabia 2“, der gezielt per Satellit in Deutschland und Europa verbreitet wurde, auch und gerade sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltende arabischsprachige Flüchtlinge an. 1 DW, 1953 – 1960: Drei Stunden via Kurzwelle – auf Deutsch: https://www.dw.com/de/1953-1960-drei-stundenvia -kurzwelle-auf-deutsch/a-16684103 (zuletzt aufgerufen – wie alle URL in dieser Ausarbeitung – am 13. Oktober 2020). 2 DW, 1953 – 1960: Drei Stunden via Kurzwelle – auf Deutsch. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/1953- 1960-drei-stunden-via-kurzwelle-auf-deutsch/a-16684103. 3 Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. November 1960 (BGBl. I S. 862). 4 Entwurf eines Gesetzes über den deutschen Auslandsrundfunk. Bundestags-Drucksache 13/4708, S. 20. Abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/047/1304708.pdf. 5 DW, 1990 – 1999: Internet, Satellitenfernsehen und Befreiung aus Kigali. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/1990-1999-internet-satellitenfernsehen-und-befreiung-aus-kigali/a-16702686. 6 DW, Über uns. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/unternehmen/profil/s-30626. 7 SatExpat, Television Satellite Channels, Germany. Abrufbar unter: https://en.satexpat.com/tv/germany/. 8 DW, Jahresabschlussbericht, Lagebericht für das Geschäftsjahr 2016, S. 3. Abrufbar unter: https://www.dw.com/downloads/50965300/lagebericht2016.pdf (zul. aufgerufen am 27.08.2020). 9 DW, Einstellung des Programms DW Arabia 2. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/einstellung-des-programms -dw-arabia-2/a-41779259. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 5 In dieser Ausarbeitung ist zu prüfen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der gegenwärtigen Rechtslage, insbesondere dem Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts "Deutsche Welle" (Deutsche-Welle-Gesetz - DWG)10, die Deutsche Welle fremdsprachige Inhalte für sich im Inland aufhaltende Personen z.B. durch einen neuen fremdsprachigen Sender ausstrahlen darf. Die aus dem Betrieb der Deutschen Welle als steuerfinanziertem Sender resultierenden verfassungsrechtlichen Probleme werden in dieser Ausarbeitung nur tangiert.11 1.1. Kompetenzverteilung Gem. Art. 32 Abs. 1, 73 Abs. 1 Nr. 1 und 87 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)12 liegt die Kompetenz für den Rundfunk grundsätzlich bei den Ländern. Allerdings wird Rundfunk, der für das Ausland bestimmt ist und dessen Aufgabe die Vermittlung insbesondere der Themen Politik, Kultur und Wirtschaft aus einer deutschen Sichtweise ist, nach herrschender Auffassung in der Literatur zu den auswärtigen Angelegenheiten des Bundes gezählt.13 Diese Frage wurde bisher noch nicht vom das Bundesverfassungsgericht behandelt. Es hat sie im ersten Rundfunkurteil vielmehr offengelassen : „Es kann offen bleiben, ob die Zuständigkeiten des Bundes für auswärtige Angelegenheiten und für gesamtdeutsche Fragen ebenfalls nur erlauben, Teilaspekte des Programms und Einzelfragen des Rundfunks zu regeln, oder ob diese Zuständigkeiten weiter reichen und dem Bund gestatten, umfassendere Regelungen für solche Rundfunksendungen zu erlassen, die für das Ausland oder für die Deutschen bestimmt sind, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in deutschen Gebieten wohnen. Es kann ferner offen bleiben, ob der Bund wegen seiner Zuständigkeiten für auswärtige Angelegenheiten und gesamtdeutsche Fragen durch Gesetz eine Bundesoberbehörde oder Anstalt des öffentlichen Rechts zur Veranstaltung von Rundfunksendungen errichten und für diese Behörde oder Anstalt auch die Leitgrundsätze gesetzlich normieren kann, die sich aus Art. 5 GG für die Veranstaltung und die Veranstalter von Rundfunksendungen ergeben. Denn solche umfassenderen Kompetenzen des Bundes, über die im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden ist, würden sich nur auf die Veranstaltung und die Veranstalter solcher Sendungen beziehen, die ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland oder für die Deutschen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind.“14 10 Deutsche-Welle-Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Januar 2005 (BGBl. I S. 90), das zuletzt durch Artikel 41 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. Abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/dwg/BJNR309410997.html. 11 Einen Überblick über die verfassungsrechtliche Diskussion über die Deutsche Welle findet sich bei: Fechner, Frank: Ist Flüchtlingsfernsehen verfassungswidrig? NVwZ 2016 891ff [893ff]. 12 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/gg/BJNR000010949.html. 13 Hesse, Albrecht: Rundfunkrecht. 3. Auflage, München 2003, 2. Kapitel, Rn. 23; Herrmann, Günter/Lausen, Matthias: Rundfunkrecht. 2. Auflage, München 2004, § 6, Rn. 24 – jeweils mwN. 14 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 – 2 BvG 1/60 – Deutschland-Fernsehen – 1. Rundfunkurteil, juris Rn. 131. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 6 Durch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern beschränkt sich daher das zulässige Angebot der Deutschen Welle auf Programme, die sich an das Ausland richten und dort ausgestrahlt werden. Die Einzelheiten und Begrifflichkeiten sind dabei umstritten und werden im Folgenden dargestellt. 1.2. Strukturen der Deutschen Welle Die Deutsche Welle unterliegt keiner staatlichen Fachaufsicht (§ 61 Abs. 1 DWG). Die Rechtsaufsicht über die Deutsche Welle führt die Bundesregierung (§ 62 Abs. 1 DWG). Allein verantwortlich für die Programmgestaltung und den gesamten Betrieb der Anstalt ist ein vom Rundfunkrat der Deutsche Welle auf jeweils sechs Jahre gewählter Intendant (§§ 42 Abs. 1, 40 Abs. 1 DWG). 1.3. Programmauftrag und Ziele der Deutschen Welle Der Programmauftrag der Deutschen Welle wird in § 3 DWG umrissen: (1) Die Deutsche Welle bietet für das Ausland Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen) und Telemedien an. (2) Die Angebote der Deutschen Welle werden in deutscher Sprache sowie auch in anderen Sprachen verbreitet. Die Ziele des Senders werden in § 4 DWG definiert: „Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik , Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern . Die Deutsche Welle fördert dabei insbesondere die deutsche Sprache.“ Hieraus kann insbesondere ein Auftrag zur Berichterstattung (Berichterstattungsauftrag) sowie ein Auftrag zur Vermittlung von Kultur und Förderung der kulturellen Verständigung (Kulturauftrag ) abgeleitet werden.15 2. Auftrag der Deutschen Welle: § 3 DWG Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird lediglich die Möglichkeit geprüft, ob nach gegenwärtiger Rechtslage die Deutsche Welle fremdsprachige Sendungen für Personen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland befinden, ausstrahlen darf. Daher beschränkt sich die Untersuchung auf einfachgesetzliche Regelungen. 15 Niepalla, Peter: Deutsche-Welle-Gesetz: Kommentar. Baden-Baden 2003, § 4, Rn. 12-14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 7 2.1. Auslandsbegriff Nach § 3 DWG umfasst das Angebot der Deutsche Welle Rundfunk und Telemedien für das Ausland . Entscheidend für die Frage, ob die Deutsche Welle fremdsprachige Inhalte für sich im Inland aufhaltende Personen z.B. durch einen neuen fremdsprachigen Sender ausstrahlen darf, ist, wie der Begriff „Ausland“ in dieser Vorschrift zu verstehen ist. Diskutiert wird neben einem territorialen Auslandsbegriff auch ein personenbezogener Auslandsbegriff . 2.1.1. Territorialer Auslandsbegriff Der territoriale Auslandsbegriff orientiert sich an nationalstaatlichen Grenzen. Schon im ersten Rundfunkurteil – s.o. 1.1 – stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass sich die Bundeskompetenz allenfalls auf Sendungen, die „ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland “ bestimmt sind, erstrecke. Entsprechend wird in der Begründung des DWG ausgeführt, dass die Deutsche Welle aufgrund ihres „auslandsgerichteten Programmauftrages“ in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes falle, da diese gemäß Art. 32, 73 Nr. 1, 87 GG für die „Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten“ zuständig sei.16 Der Begriff „Ausland“ beinhaltet sowohl das europäische als auch das außereuropäische Ausland.17 Nach dem Wortlaut von Art. 32 Abs. 1 GG ist damit die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen „Staaten“ gemeint. Inzwischen versteht man darunter völkerrechtliche Subjekte aller Art.18 Völkerrechtliche Beziehungen zu Privatpersonen ausländischer Nationalität sind schon begrifflich nicht denkbar. Der damalige Verwaltungsleiter der Landesmedienanstalt Saarland Conradt fasst dies sehr prägnant und apodiktisch folgendermaßen zusammen: „Auslandsrundfunk knüpft […] an die staatliche Körperschaft Bundesrepublik an und hat das Ziel, deren gesamtstaatliche Sichtweisen ins Ausland zu transportieren und zu erklären . Im Gegensatz hierzu ist Inlandsrundfunk Teil des innerstaatlichen Meinungsbildungsprozesses mit den Anknüpfungspunkten Individuum und Gesellschaft einerseits und dem Ziel der notwendigen demokratischen Bedürfnisbefriedigung der Gesellschaft andererseits. Der Umstand, dass die Deutsche Welle Mitglied der ARD ist und Programmbeiträge von öffentlich rechtlichen Landesrundfunkanstalten zugeliefert bekommt, ändert am diametralen Gegensatz von Funktion und Auftrag von Auslands-und Inlandsrundfunk ebenso wenig wie 16 Entwurf eines Gesetzes über den deutschen Auslandsrundfunk. Bundestags-Drucksache 13/4708, S. 20. Abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/047/1304708.pdf. 17 Ebd., S. 21. 18 Kempen in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Art. 32 Rn. 24; Wollenschläger in Dreier GG Art. 32 Rn. 20; Streinz in Sachs GG Art. 32 Rn. 14; Rojahn in v. Münch/Kunig GG Art. 32 Rn. 11; kritisch hierzu Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, 2017, § 4 Rn. 16. Jeweils mwN. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 8 technische Entwicklungen, die eine Verbreitung auf dem Gebiet der Bundesrepublik erleichtern . Es gibt keinen rechtlichen Anhaltspunkt, warum die Zusammensetzung der Bevölkerung auf dem Gebiet der Bundesrepublik an Funktion und Auftrag der Deutschen Welle etwas ändern sollte. Wanderungsbewegungen in die Bundesrepublik hat es in den letzten Jahrzehnten immer wieder gegeben – ohne eine Diskussion über einen daraus sich ergebenden Auftrag der Deutschen Welle.“19 Ähnlich sah auch noch im Jahr 2005 der Justiziar der Deutschen Welle die Aufgabe seines Senders : „Es ist somit nach wie vor die zentrale Aufgabe der deutschen Auslandsrundfunkanstalt, in ihren Medien Deutschland, das Geschehen in Deutschland sowie Meinungen und Meinungsströme in Deutschland umfassend darzustellen und für die Rezipienten im Ausland zu erläutern. Wegen der Einbindung in die EU kann die Darstellung Deutschlands in vielen Bereichen nicht mehr ohne den europäischen Kontext verstanden werden, sodass es wichtig ist, dass in den Zielen des § 4 DWG nun auch Europa besonders betont wird. Nach wie vor werden als wesentliche Themen der Berichterstattung »vor allem« Politik, Kultur und Wirtschaft herausgestellt. Durch die Worte »vor allem« hat der Gesetzgeber die bisherige Praxis bestätigt, dass sich die Berichterstattung grundsätzlich auf alle Geschehnisse beziehen kann, an denen ein Interesse der Rezipienten besteht.“20 Für den territorialbezogenen Auslandsbegriff spricht auch – wenn man die Verfassungsmäßigkeit der Deutschen Welle bejaht –, dass die Funktion der Deutschen Welle auch in einer „staatlichen Öffentlichkeitsarbeit nach außen“21 besteht. Sie betreibt dabei nicht Öffentlichkeitsarbeit für die Bundesregierung, sondern für die Bundesrepublik Deutschland außerhalb ihres Staatsterritoriums . Nur dieser Zweck – und damit der territorialbezogene Auslandsbegriff – ist dazu geeignet, die Finanzierung der Deutschen Welle durch Steuergelder – und nicht durch den sogenannten „Rundfunkbeitrag “ – zu rechtfertigen.22 19 Conradt, Uwe: Verfassungsrechtliche Grenzen. Überschreitet das Flüchtlings-TV der DW eine rote Linie? epd medien vom 29. Januar 2016, S. 3ff [4]. Siehe auch Anlage. Erwiderung darauf: Presseerklärung der Deutschen Welle vom 1. Februar 2016: Arabisches TV in Europa: DW überschreitet keine rote Linie. Stellungnahme des Justiziars Peter Niepalla. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/arabisches-tvin -europa-dw-%C3%BCberschreitet-keine-rote-linie/a-19014826. 20 Niepalla, Peter: Die zukunftsweisende Modernisierung des deutschen Auslandsrundfunks. ZUM 2005 532ff [536]. 21 Schmidt-Husson, Frank: Rundfunkfreiheit für die Deutsche Welle? Berlin 2006, S. 151 mit Hinweisen auf den Streitstand. 22 Einen Überblick über die verfassungsrechtliche Diskussion über die Deutsche Welle findet sich bei: Fechner, Frank: Ist Flüchtlingsfernsehen verfassungswidrig? NVwZ 2016 891ff [893ff]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 9 2.1.2. Personenbezogener Auslandsbegriff Daneben wird auch ein personenbezogener Auslandsbegriff vertreten. So kommt der Rechtswissenschaftler Gunnar Folke Schuppert23 in einem von der Deutschen Welle in Auftrag gegebenem – eher kommunikationstheoretisch orientierten – Gutachten zu dem Schluss: „Rundfunk wird für Menschen gemacht und damit in modernen pluralistischen Gesellschaften für bestimmte Zielgruppen.“ 24 Er geht davon aus, dass man „von der Notwendigkeit sprechen müssen [wird – d.V.], die Aufgaben der Kulturpolitik und damit auch des Kulturauftrags des Rundfunks, insbesondere des Auslandrundfunks DW, in einer Gesellschaft neu zu definieren...“25. Wenn man nicht von einem territorialen Auslandsbegriff und damit auch nicht mehr von einem ausländischen Zielgebiet spreche, seien Ausländer als Zielgruppe der Deutschen Welle aufzufassen . Diese müssten nicht mehr unbedingt im geographischen Ausland leben, sondern könnten sich auch als Migrantengemeinschaft im geographischen Inland aufhalten. Die Erreichbarkeit dieser Zielgruppe müsse unter dem Aspekt des Kulturauftrages der Deutschen Welle allerhöchste Priorität genießen.26 Auch in einem Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wird die Auffassung vertreten, dass Flüchtlinge, die sich in Deutschland aufhalten, kein „inländisches Publikum“ seien: „Die arabischsprechenden Flüchtlinge, die das Programm auch in Deutschland erreichen soll, sind aus dem Ausland kommend und nicht einheimisch. Sie sind eher zufällig und nicht unbedingt dauerhaft im Lande. Sie könnten an einem anderen Tag auch in einem anderen europäischen Land von den Sendungen erreicht werden.“27 Konsequent wird daraus gefolgert: „Damit bleibt die Deutsche Welle auch mit ihrem Programm DW Arabia im kompetenzrechtlichen Rahmen für den Auslandsrundfunk. Mit dieser Begründung ließe sich das Programm auch dann kompetenzrechtlich rechtfertigen, wenn es sich ausschließlich an in 23 Siehe Biographie auf der Homepage des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Abrufbar unter: https://www.wzb.eu/de/personen/gunnar-folke-schuppert. 24 Schuppert, Gunnar Folke: Auftrag und Funktion der Deutschen Welle - Auslandsrundfunk unter den Bedingungen von Globalisierung und transnationaler Migration. Frankfurt am Main 2016, S. 32. 25 Ebd. 26 Ebd., S. 35. 27 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Sachstand: Die Deutsche Welle – Umfang der Bundeskompetenz und das Gebot der Staatsferne. WD 10 – 3000 – 098/15 v. 7. Januar 2016, S. 7f. Abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/406622/efa899d31b03a229a4c201e59d36e003/WD-10-098-15-pdfdata .pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 10 Deutschland lebende Flüchtlinge richten würde. Mit diesen Personen ist das Ausland nach Deutschland gekommen. Sie sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls kein inländisches Publikum. Wenn sich dies mit der Zeit und der Stabilisierung des derzeitigen Status ändert, wird die Kompetenz des Bundes in diesem Bereich verdrängt durch die Kompetenz der Landesrundfunkanstalten für die Inlandsversorgung.“28 In dem Papier „Argumente und Aspekte zur verfassungsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Zulässigkeit der Verbreitung von Angeboten der Deutschen Welle im Inland, insbesondere von Angeboten in arabischer Sprache für in Deutschland angekommene Flüchtlinge“ führt der Justiziar der Deutschen Welle nunmehr (im Jahr 2016) verschiedene Argumente für eine Bundeskompetenz für einen Inlandsrundfunk für Ausländer an. Er führt unter anderem aus: „Wenn es um die Beurteilung geht, inwiefern die Auslandsrundfunkanstalt im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bund/Länder-Kompetenzabgrenzungen in begrenztem Umfang Inlandsaktivitäten entfalten darf, so ist wie o.a. nicht nur die technische Entwicklung im Hinblick auf Satelliten, Internet und Neue Medien zu berücksichtigen. Vielmehr ist ganz allgemein die Globalisierung und Internationalisierung aller Lebensbereiche ein die Auslegung und rechtliche Beurteilung wesentlich bestimmender Faktor. Diese Aspekte schlagen sich insbesondere bei den weltweit geradezu explosionsartig angestiegenen Reiseaktivitäten nieder. Wenn sich Ausländer in ihren Heimatländern befinden und sie damit unbestritten zur Zielgruppe der Auslandsrundfunkanstalt gehören, so kann es nicht sein, dass diese die Angebote der DW wegen kompetenzrechtlicher Verbote nicht mehr weiter verfolgen dürfen, wenn sie sich als Urlauber oder Geschäftsreisende vorübergehend in Deutschland aufhalten. Dies tritt umso deutlicher hervor, als intensive Beziehungen und permanenter gegenseitiger Austausch in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft über Ländergrenzen hinweg heutzutage völlig normal sind. Die tatsächlichen Lebensverhältnisse waren diesbezüglich völlig anders, als die Weichen für die verfassungsrechtlichen Kompetenzaufteilungen gestellt worden.“29 Hierzu ist anzumerken, dass ein Verbot30 des Empfangs von Sendungen der Deutschen Welle in Deutschland gar nicht Gegenstand des Diskurses ist. Diskutiert wird vielmehr die Frage, an wen 28 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Sachstand: Die Deutsche Welle – Umfang der Bundeskompetenz und das Gebot der Staatsferne. WD 10 – 3000 – 098/15 v. 7. Januar 2016, S. 8. Abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/406622/efa899d31b03a229a4c201e59d36e003/WD-10-098-15-pdfdata .pdf. 29 Niepalla, Peter: Argumente und Aspekte zur verfassungsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Zulässigkeit der Verbreitung von Angeboten der Deutschen Welle im Inland, insbesondere von Angeboten in arabischer Sprache für in Deutschland angekommene Flüchtlinge. Internes, nicht veröffentlichtes Arbeitspapier des Justiziars der Deutschen Welle v. 11. März 2016, S. 4. 30 Ebd., S. 6: „Darüber hinaus kann es nicht sein, dass ein publizistisches Angebot allein aus kompetenzrechtlichen Gründen im deutschen Inland verboten wird.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 11 sich das Programm der Deutschen Welle richtet. Ferner vermag nicht zu überzeugen, dass faktische Reiseaktivitäten verfassungsrechtlich statuierte Kompetenzzuweisungen verdrängen sollen. Auch die in dem Papier geschilderte Rechtsauffassung des Bundesministeriums des Innern aus dem Jahre 1988, wonach unter Inlandsversorgung nur die Versorgung des Inlandes mit deutschsprachigen Programmen zu verstehen, ein im Hinblick auf die dort residierenden Diplomaten in das Bonner Kabelnetz eingespeistes fremdsprachiges Angebot der Deutschen Welle aber zulässig sei, ist – gerade im Hinblick auf den zunehmenden Anteil nicht muttersprachlicher Personen an der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland – weiter begründungswürdig.31 Zudem ist zu beachten, dass das hier angesprochene Bonner Kabelnetz regional sehr beschränkt und die intendierte Zielgruppe der ausländischen Diplomaten sowohl zahlenmäßig sehr limitiert als auch von ihrer Funktion herausgehoben war, sodass ein Vergleich mit einer Bewegung von mehr als einer Million Flüchtlingen erklärungsbedürftig ist. Die Aussage, dass die Deutsche Welle „in erster Linie entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag Rundfunkprogramme und Telemedien-Angebote für das Ausland zu verbreiten hat“32, erweckt den unzutreffenden Eindruck, dass die Deutsche Welle in erster Linie ein Diffusor ist. Der Auftrag der Deutschen Welle beschränkt sich nicht nur auf die Verbreitung in das Ausland, sondern umfasst auch die redaktionelle Gestaltung von Inhalten für das Ausland. Es ist in der Tat unbestritten „dass Flüchtlinge, die sich im Ausland befinden, zur Zielgruppe der DW-Programme gehören.“33 Zu der Zielgruppe der Deutschen Welle gehören nämlich grundsätzlich alle sich im Ausland befindlichen Menschen. Problematisch erscheint allerdings, daraus den Schluss zu ziehen, dass der mit dem Programmauftrag der Deutschen Welle intendierte Zweck auch dadurch erfüllt werde, „temporär Flüchtlinge mit einem Programm in arabischer Sprache 31 Niepalla, Peter: Argumente und Aspekte zur verfassungsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Zulässigkeit der Verbreitung von Angeboten der Deutschen Welle im Inland, insbesondere von Angeboten in arabischer Sprache für in Deutschland angekommene Flüchtlinge. Internes, nicht veröffentlichtes Arbeitspapier des Justiziars der Deutschen Welle v. 11. März 2016, S. 6: „Bereits 1988 gab es eine Auseinandersetzung der Länder, vertreten durch die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, mit dem Bundesinnenministerium, als es darum ging, fremdsprachige DW-Hörfunkprogramme in das Bonner Kabelnetz einzuspeisen, um die Angehörigen der diplomatischen Vertretungen zu versorgen. In einem der DW vorliegenden Schreiben des BMI vom 10.11.1988 hieß es, die Verbreitung fremdsprachiger Programme im Bonner Kabelnetz stehen nicht im Widerspruch zum Programmauftrag der WW; dies sei nicht einmal ‚Inlandsversorgung ‘, weil darunter nur die Versorgung des Innenlandes mit deutschsprachigem Programm zu verstehen sei. Dies sei eine ‚notwendige Dienstleistung der DW gegenüber ihren ausländischen Hörern im Bundesgebiet‘, die nicht die Rundfunkhoheit der Länder beeinträchtige; es stelle vielmehr einen Beitrag zur Förderung der internationalen Verständigung dar.“ 32 Niepalla, Peter: Argumente und Aspekte zur verfassungsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Zulässigkeit der Verbreitung von Angeboten der Deutschen Welle im Inland, insbesondere von Angeboten in arabischer Sprache für in Deutschland angekommene Flüchtlinge. Internes, nicht veröffentlichtes Arbeitspapier des Justiziars der Deutschen Welle v. 11. März 2016, S. 7. 33 Presseerklärung der Deutschen Welle vom 1. Februar 2016: Arabisches TV in Europa: DW überschreitet keine rote Linie. Stellungnahme des Justiziars Peter Niepalla. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/arabisches-tvin -europa-dw-%C3%BCberschreitet-keine-rote-linie/a-19014826. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 12 zu erreichen, wenn sie deutschen Boden betreten haben.“34 Dies müsste dann logischerweise für alle sich in Deutschland aufhaltenden Menschen gelten, deren Sprachkenntnisse die Information aus deutschsprachigen Medien nicht erlauben. Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Auch die Bekräftigung, dass damit der gesetzliche Programmauftrag der Deutschen Welle verfolgt werde, „‘deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum (zu) geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu finden‘“35 erscheint nicht zwingend. Der hier zitierte § 4 DWG folgt dem § 3 DWG, in dem ausdrücklich das Ausland als Verbreitungsgebiet genannt wird, sodass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber auch in § 4 DWG Europa mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland gesehen hat. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass die Verbreitung von „DW Arabia“ in Deutschland zeitlich begrenzt sei: Die „Verlängerung des auslandsgerichteten Programmauftrages für in Deutschland angekommene Flüchtlinge“ gelte nur solange, „wie diese hier noch nicht integriert sind. Wenn sie Deutsch sprechen, hier arbeiten und hier dauerhaft leben, sind sie als Zielgruppe des Inlandsrundfunks zu betrachten.“36 Dieses Argument ist aus mehreren Gründen zu hinterfragen : Zum einen ändert ein zeitlich begrenzter Verstoß gegen die im Grundgesetz statuierte Kompetenzordnung nichts an dem Verstoß als solchem. Ein – in Wirklichkeit nicht gegebener – auslandsgerichteter Programmauftrag für in Deutschland angekommene Flüchtlinge wird unterstellt. In Deutschland lebende ausländische Personen werden als Zielgruppe der Deutschen Welle bezeichnet. 34 Presseerklärung der Deutschen Welle vom 1. Februar 2016: Arabisches TV in Europa: DW überschreitet keine rote Linie. Stellungnahme des Justiziars Peter Niepalla. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/arabisches-tvin -europa-dw-%C3%BCberschreitet-keine-rote-linie/a-19014826. 35 Ebd. 36 Niepalla, Peter: Argumente und Aspekte zur verfassungsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Zulässigkeit der Verbreitung von Angeboten der Deutschen Welle im Inland, insbesondere von Angeboten in arabischer Sprache für in Deutschland angekommene Flüchtlinge. Internes, nicht veröffentlichtes Arbeitspapier des Justiziars der Deutschen Welle v. 11. März 2016, S. 7. In diesem Sinne auch: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Sachstand: Die Deutsche Welle – Umfang der Bundeskompetenz und das Gebot der Staatsferne. WD 10 – 3000 – 098/15 v. 7. Januar 2016, S. 11 - abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/406622/efa899d31b03a229a4c201e59d36e003/WD-10- 098-15-pdf-data.pdf: „Ferner lässt sich für den gegenwärtigen Zeitpunkt und die nächste Zukunft argumentieren, mit den Flüchtlingen sei das Ausland nach Deutschland gekommen. Für einen vorübergehenden Zeitraum und bis zur Stabilisierung des Status Quo ließe sich vertreten, dass ein Programm der Deutschen Welle für die arabischen Flüchtlinge in Deutschland im Sinne von § 3 TWG für das Ausland bestimmt ist. Eine Änderung von § 3 DWG ist daher jedenfalls für DW Arabia nicht erforderlich.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 13 Diese Auslandseigenschaft der Personen soll erlöschen, wenn diese Deutsch sprechen, in Deutschland arbeiten und in Deutschland dauerhaft leben. Hier stellt sich die Frage, wer das wie und nach welchen Maßstäben beurteilen soll. Auch der – in einem anderen Zusammenhang erfolgte – Hinweis auf „großen Flüchtlingsbewegungen gegebene besondere Ausnahmesituation“37 vermag nicht zu überzeugen: Es ist ein Charakteristikum des Rechtsstaats, dass die Bindung an das Gesetz auch in besonderen historischen Situationen verpflichtend ist. „Tatsächlich besteht die Besonderheit des Rechtsstaats darin, dass er sich gerade in Notzeiten bewähren muss und auch bewähren kann.“38 2.1.3. Beurteilung des zu verwendenden Auslandsbegriffs Trotz der zunehmenden Globalisierung, die in vieler Hinsicht Menschen mehr aneinander annähert , als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war, ist im Interesse einer größeren rechtlichen Klarheit und einer noch immer besseren Abgrenzbarkeit an dem territorialen Auslandsbegriff festzuhalten. 2.2. Programmauftrag als Unterscheidungskriterium zwischen Auslandsrundfunk und Inlandsrundfunk Die aus der Rundfunkfreiheit abgeleitete Programmautonomie findet ihre Grenze in dem gesetzlichen Programmauftrag, hier also § 3 DWG. Danach müssen die Sendungen „ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland“39 bestimmt sein. Außerdem müssen sie die o.a. Ziele des Auslandsrundfunks gem. § 4 DWG erfüllen. Der jetzige Justiziar der Deutschen Welle fasste 2005 den Programmauftrag des Senders noch zutreffend zusammen: „Der neu gefasste Programmauftrag bringt darüber hinaus zum Ausdruck, was das Wesen des öffentlich-rechtlichen Auslandsrundfunks im Gegensatz zu sämtlichen anderen Programmen ausmacht, die aus Deutschland im Ausland verbreitet werden. Es stellt nämlich einen erheblichen Unterschied dar, ob Hörfunk- und Fernsehprogramme sowie Internet- Angebote ursprünglich für ein in Deutschland bzw. Mitteleuropa lebendes Publikum produziert wurden, die dessen Kenntnisse, Erfahrungen und die gesamte Lebenssituation in Mitteleuropa voraussetzen und zur Grundlage haben. Wenn jedoch Programme aus Deutschland die Menschen in fernen Ländern und Kulturen erreichen und auf Verständnis stoßen sollen, müssen sie entsprechend ihrer Horizonte aufbereitet sein. Viele Themen und Inhalte, die hier im Inland wie selbstverständlich behandelt und aufgenommen werden , bedürfen im Ausland der Erklärung und Erläuterung. So müssen in der politischen 37 Presseerklärung der Deutschen Welle vom 1. Februar 2016: Arabisches TV in Europa: DW überschreitet keine rote Linie. Stellungnahme des Justiziars Peter Niepalla. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/arabisches-tvin -europa-dw-%C3%BCberschreitet-keine-rote-linie/a-19014826. 38 Fechner, Frank: Ist Flüchtlingsfernsehen verfassungswidrig? NVwZ 2016 891ff [895]. 39 Dörr, Dieter: Die verfassungsrechtliche Stellung der Deutschen Welle. Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Welle. München 1998, S. 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 14 Berichterstattung Hintergründe und Zusammenhänge viel mehr erklärt werden. Dagegen können viele spezielle Themen, z. B. über die Sicherung der Sozialversicherungssysteme in Deutschland, im außereuropäischen Ausland kaum verstanden werden und finden dort auch wenig Interesse. Entsprechendes gilt für die Berichterstattung aus der Wirtschaft, Gesellschaft sowie für Unterhaltungssendungen. Dies können die für das Inlandspublikum produzierten Programme nicht leisten. Es ist jedoch das besondere Merkmal und die Stärke des Auslandsrundfunks, zum einen die notwendige Fremdsprachenkompetenz in den Redaktionen zu haben und zum anderen durch viele Journalisten aus den Zielgebieten , die hervorragende Kenner dieser Regionen sind, die Berichterstattung bezogen auf die Bedürfnisse der Zielgebiete inhaltlich aufbereiten zu können. Dies meint der Gesetzgeber, wenn es in § 4 DWG heißt, die Angebote sollen Deutschland »verständlich machen« und »das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker fördern«.“40 Insofern ist also grundsätzlich eine räumliche als auch eine inhaltliche Ausrichtung der Sendungen auf das Ausland erforderlich. Problematisch ist dabei, dass beide Kriterien nicht scharf begrenzt werden können: Eine definierte räumliche Begrenzung ist im Zeitalter des Satellitenempfangs und der Übermittlung von Inhalten über das Internet nicht mehr möglich. Es spricht viel dafür, dass es unschädlich ist, dass die Sendungen des Auslandsrundfunks deshalb nicht ausschließlich im Ausland, sondern auch im Inland – oder in Teilen davon – empfangen werden können.41 Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die Grenzen zwischen Inlandsrundfunk und Auslandsrundfunk mit Hinweis auf die Unmöglichkeit der faktischen Abgrenzung der Empfangsmöglichkeiten verschwimmen. Damit würde die Kompetenz der Bundesländer für den Rundfunk theoretisch zwar nicht tangiert, faktisch aber doch ausgehebelt. Insofern bedarf es weiterer Begrenzungen. In dem Lehrbuch zum Rundfunkrecht nennt Hesse drei weitere Kriterien: Inhaltlich dürfen sich die Sendungen/Angebote nicht an ein inländisches Publikum richten . Sie dürfen zahlenmäßig im Inland kein größeres Publikum erreichen als im Ausland. Sie dürfen deswegen keinen nennenswerten Einfluss auf die inländische Meinungsbildung ausüben.42 40 Niepalla, Peter: Die zukunftsweisende Modernisierung des deutschen Auslandsrundfunks. ZUM 2005 532ff [536]. 41 Dörr, Dieter: Die verfassungsrechtliche Stellung der Deutschen Welle. Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Welle. München 1998, S. 54. Hesse, Albrecht: Rundfunkrecht. 3. Auflage, München 2003, 2. Kapitel, Rn. 24. 42 Hesse, Albrecht: Rundfunkrecht. 3. Auflage, München 2003, 2. Kapitel, Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 15 Problematisch dürfte allerdings die praktische Umsetzung dieser Kriterien werden.43 Die inhaltliche Ausrichtung der Sendungen auf ein inländisches oder ausländisches Publikum festzustellen, dürfte im Einzelfall u.U. problematisch, aber doch generell zu definieren sein. So werden praktische Hinweise für das Leben in Deutschland sich eher nicht an ein ausländisches Publikum richten , so z.B. Berichte „über die Sicherung der Sozialversicherungssysteme in Deutschland“44. Informationen über ausländische Staaten können dagegen inhaltlich an alle Menschen, die der Sprache der Sendung mächtig sind, gerichtet sein – egal, ob sie sich in der Bundesrepublik Deutschland oder im Ausland aufhalten. Schließlich ist noch fraglich, wie „das“ Interesse als Ganzes von einer Vielzahl von Individuen unter Berücksichtigung auch von schützenswerten Interessen von Minderheiten innerhalb definierter Gruppen ermittelt werden könnte. Die Feststellung der Reichweite im Inland und im Ausland dagegen wird nicht detailliert erfolgen können, sondern eher eine grobe Schätzung bleiben. Auch das Ausmaß der Beeinflussung der inländischen Meinungsbildung ist sowohl begrifflich als auch quantitativ unscharf. Die räumliche und inhaltliche Ausrichtung einer Sendung dürfte daher in vielen Fällen mangels belastbarer Definitionen und messbarer Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eindeutig zu ermitteln sein. Nach einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts mag dies anders sein. Die aufgrund der zunehmenden Möglichkeiten, die Angebote der Deutschen Welle auch im Inland zu empfangen, faktisch in vielen Fällen kaum noch zu vollziehende Trennung zwischen Auslandsrundfunk und Inlandsrundfunk lässt eine Neujustierung der Deutschen Welle im Verfassungsgefüge als angeraten erscheinen.45 „Perspektivisch betrachtet, werden sich durch die Globalisierung und das Internet strikte Abgrenzungen in Bezug auf Inland und Ausland für den Rundfunk allgemein immer weniger aufrechterhalten lassen.“46 Problematisch ist auch, ob es mit den Vorgaben der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GG vereinbar ist, „wenn ein Rundfunksender nach außen wie eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt auftritt, sich auf die Rundfunkfreiheit beruft und mit einem Rundfunkrat ausgestattet 43 S. dazu auch: Binder, Reinhart/Vesting, Thomas, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4 Auflage, München 2018, RStV § 11 b, Rn. 159. 44 Niepalla, Peter: Die zukunftsweisende Modernisierung des deutschen Auslandsrundfunks. ZUM 2005 532ff [536]. 45 Fechner, Frank: Ist Flüchtlingsfernsehen verfassungswidrig? NVwZ 2016 891ff [895f]. 46 Presseerklärung der Deutschen Welle vom 1. Februar 2016: Arabisches TV in Europa: DW überschreitet keine rote Linie. Stellungnahme des Justiziars Peter Niepalla. Abrufbar unter: https://www.dw.com/de/arabisches-tvin -europa-dw-%C3%BCberschreitet-keine-rote-linie/a-19014826. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 16 ist, tatsächlich aber mindestens in finanzieller Hinsicht der Kontrolle der Bundesregierung untersteht .“47 3. Kooperationsvereinbarungen für die gezielte Ausstrahlung im Inland Es spricht viel dafür, diese Rechtsunsicherheiten durch Kooperationen mit anderen Rundfunksendern zu vermeiden: § 8 DWG sieht solche Kooperationen der DW mit anderen Sendern vor. Im ersten Absatz wird insbesondere die Zusammenarbeit mit den Landesrundfunkanstalten der ARD sowie mit dem ZDF festgelegt. Eine Zusammenarbeit kann sowohl aus der Gestaltung der Programme bestehen als auch in dem Austausch von Produktionen. Kooperationen werden auf Grundlage von Verwaltungsvereinbarungen festgelegt.48 § 8 Abs. 2 DWG sieht die Kooperation mit „anderen Rundfunkanstalten“ vor. Aus der Systematik ergibt sich, dass hiermit jedenfalls nicht, wie in Absatz 1, die inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemeint sind. Vielmehr umfasst Absatz 2 die inländischen privaten sowie die ausländischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten.49 Den Umfang und die Ausgestaltung von gemeinsamen Produktionen zählt § 9 DWG auf. Die Rundfunkanstalten müssen hierbei insbesondere auf die Erfüllung ihrer Funktionen achten50 und ihre redaktionelle Unabhängigkeit bewahren (§ 8 Abs. 3 DWG). Soweit die Kooperation auch mit privatrechtlichen Rundfunkanstalten der Aufgabenerfüllung der Deutschen Welle dient, ist eine solche also grundsätzlich möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Aufgabenwahrnehmung durch den öffentlich-rechtlichen Sender allerdings klar wahrnehm- und abgrenzbar sein.51 Die Möglichkeit eines auf Dauer angelegten gemeinschaftlichen Programms hat das Gericht im Hinblick auf die fehlende Abgrenzbarkeit abgelehnt.52 Demnach sind nur einzelne Kooperationen möglich, deren Zulässigkeit jeweils anhand des Einzelfalls überprüft werden muss.53 47 Fechner, Frank: Ist Flüchtlingsfernsehen verfassungswidrig? NVwZ 2016 891ff [895]. 48 Herrmann, Günter/Lausen, Matthias: Rundfunkrecht. 2. Auflage, München 2004, § 10, Rn. 19. 49 Niepalla, Peter: Deutsche-Welle-Gesetz: Kommentar. Baden-Baden 2003, § 8, Rn. 24. 50 § 9 Abs. 1, 5 S. 2 DWG; Herrmann, Günter/Lausen, Matthias: Rundfunkrecht. 2. Auflage, München 2004, § 10, Rn 21; § 21 Rn. 19-20. 51 BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 – 6. Rundfunkurteil WDR, juist Rn 428-30, 437. 52 BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 – 6. Rundfunkurteil WDR, juris Rn. 438. 53 Herrmann, Günter/Lausen, Matthias: Rundfunkrecht. 2. Auflage, München 2004, § 21, Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 035/20 Seite 17 4. Zusammenfassung: Nach § 3 DWG umfasst das Angebot der Deutsche Welle Rundfunk und Telemedien für das Ausland. Unter dem Begriff „Ausland“ sind dabei alle Nationalstaaten und Völkerrechtssubjekte mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland, nicht aber aus diesen stammende Menschen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, zu verstehen . Nach der bisherigen, allgemein vertretenen Auffassung sind die zunehmenden Empfangsmöglichkeiten für das Angebot der Deutschen Welle (z.B. Internet und Satellit) im Inland mit dem Auftrag der Deutschen Welle als Auslandsrundfunk vereinbar, wenn das Angebot der Deutschen Welle o sich nicht an ein inländisches Publikum richtet, o zahlenmäßig im Inland kein größeres Publikum erreicht als im Ausland und o keinen nennenswerten Einfluss auf die inländische Meinungsbildung ausübt. Die praktische Anwendung dieser Abgrenzungskriterien zwischen Inlandsrundfunk und Auslandsrundfunk stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Ein Angebot der Deutschen Welle, das sich gezielt an Personen richtet, die sich in der Bundesrepublik Deutschland befinden und keine für das Verständnis der deutschen Medien erforderlichen Sprachkenntnisse haben, ist nicht mit dem Auftrag der Deutschen Welle als Auslandsrundfunk vereinbar. Aus praktischen Gründen nicht zu beantworten ist die Frage, inwieweit Angebote der Deutschen Welle, die sich in ihrer Muttersprache an Personen richten, die sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland befinden, aber in der Bundesrepublik Deutschland von Personen empfangen werden können, die dieser Sprache mächtig sind, sich auch an diese richten und ob sie noch dem Auftrag der Deutschen Welle als Auslandsrundfunk entsprechen . Eine gezielte Ansprache von Personen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und keine für das Verständnis der deutschsprachigen Medien erforderlichen Sprachkenntnisse haben, könnte durch eine Kooperation der Deutschen Welle mit in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Sendern unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen . 5. Anlage Conradt, Uwe: Verfassungsrechtliche Grenzen. Überschreitet das Flüchtlings-TV der DW eine rote Linie? epd medien vom 29. Januar 2016, S. 3 - 5. ****