© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 029/21 Umgang mit trans- und intergeschlechtlichen Menschen im Sport Teilnahmebedingungen, Positionierungen und Initiativen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 2 Umgang mit transgeschlechtlichen Menschen im Sport Teilnahmebedingungen, Positionierungen und Initiativen Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 029/21 Abschluss der Arbeit: 6. Juli 2021 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begrifflichkeiten 4 2.1. Transgeschlechtlichkeit 4 2.2. Intergeschlechtlichkeit 5 2.3. Divers 5 3. Regelungen der Teilnahmeberechtigung von trans- und intergeschlechtlichen Sportlern an sportlichen Wettkämpfen 6 3.1. International 6 3.1.1. Transgender Guidelines des Internationalen Olympischen Komitees 6 3.1.2. Transgender Regulations der World Athletics 7 3.1.3. Semenya Urteil 8 3.2. Deutscher Olympischer Sportbund 9 3.3. Geltungsbereiche der dargestellten Gesetze und Regelungen auf nationaler Ebene 10 3.3.1. Breitensport 10 3.3.2. Leistungssport 10 3.4. Wissenschaftliche Grundlagen 11 3.4.1. Transgender Guidelines 11 3.4.2. Transgender Regulations 11 4. Positionierungen und Regelungen von Sportverbänden 12 4.1. Berliner Fußballverband 12 4.2. Deutscher Fußballbund 13 4.3. Deutscher Leichtathletikverband 14 4.4. Deutscher Hockey-Bund 16 4.5. Deutscher Turnerbund 17 4.6. Weitere Deutsche Sportverbände 17 5. Positionierung der Sportministerkonferenz 17 6. Kritische Initiativen zur Teilhabe von transgeschlechtlichen Sportlerinnen an Wettbewerben 18 6.1. Women’s Sports Policy 18 6.2. Women‘s Declaration 18 7. Fazit 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 4 1. Einleitung Die Thematik Trans- und Intergeschlechtlichkeit in Bezug auf sportliche Wettkämpfe hat an Bedeutung gewonnen: Vor Kurzem wurde die voraussichtliche Teilnahme der transgeschlechtlichen Gewichtheberin Laurel Hubbard an den Olympischen Spielen in Tokio diskutiert.1 Problematisiert wird dabei unter anderem, ob transgeschlechtliche Menschen einen körperlichen Vorteil gegenüber ihren weiblichen Konkurrentinnen haben. Außerdem wird u. a., dass Teilnahmebeschränkungen für trans- und intergeschlechtliche Sportlerinnen eine diskriminierende Wirkung haben können.2 Besondere Aufmerksamkeit erregte auch der Fall Caster Semenya: Die intergeschlechtliche Läuferin darf aufgrund ihrer erhöhten Testosteronwerte inzwischen nicht mehr in laufbezogenen Disziplinen antreten.3 Dieser Sachstand geht insbesondere auf die Frage ein, ob und an welche Kriterien die Teilnahmeberechtigung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen an Wettkämpfen geknüpft ist. 2. Begrifflichkeiten Im Folgenden werden die für diesen Sachstand relevanten Begrifflichkeiten erläutert. Die Definitionen orientieren sich an den Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes4. 2.1. Transgeschlechtlichkeit Transgeschlechtlichkeit ist ein Oberbegriff für Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Es gibt transgeschlechtliche Menschen , denen das weibliche Geschlecht bei der Geburt zugewiesen wurde, aber die sich mit dem 1 Brem, Lukas, Heben und Leben, Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2021. Abrufbar unter: https://www.sueddeutsche .de/sport/ioc-olympia-transgender-1.5287789 (diese sowie sämtliche andere in dieser Ausarbeitung angeführten URL wurden zuletzt aufgerufen am 1. Juli 2021). 2 Brem, Lukas, Geschlechtertrennung im Sport - Sie sind im Sport nicht willkommen, Zeit Online, 9. Juli 2020. Abrufbar unter: https://www.zeit.de/sport/2020-07/geschlechtertrennung-sport-aufhebung-fairer-wettbewerbrechtsstreit -connecticut?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F. Siehe auch Ausführungen im Gliederungspunkt 3.1.3. 3 Reinsch, Michael, TESTOSTERON-GRENZWERT - Ein monumentales Urteil für den Frauensport, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Februar 2019. Abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/testosteron -grenzwert-ein-monumentales-urteil-fuer-frauensport-16039659.html. 4 Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Trans*, https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung /diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet/trans/trans-node.html;jsessionid =5F175D23E67A75A688D64923A0600472.intranet221. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 5 männlichen Geschlecht identifizieren und umgekehrt. Denkbar ist aber auch, dass die betroffene Person die Geschlechteridentität nicht genau benennen kann.5 2.2. Intergeschlechtlichkeit Intergeschlechtliche Menschen verfügen von Geburt über Merkmale des männlichen und des weiblichen Geschlechts. Intergeschlechtliche Menschen können insoweit primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale von dem männlichen und weiblichen Geschlecht aufweisen. Primäre Geschlechtsmerkmale sind die inneren und äußere Geschlechtsorgane sowie die chromosomalen und hormonellen Strukturen. Als sekundäre Merkmale kommt insbesondere die Verteilung der Muskelmasse und der Körperhaare in Betracht. Die Geschlechtsmerkmale können sich schon bei der Geburt, aber auch erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter zeigen.6 2.3. Divers Seit dem Jahr 2018 haben intergeschlechtliche Menschen in Deutschland die Möglichkeit, als Eintrag in das Personenstandsregister die Option „divers“ zu wählen.7 Die dritte Eintragungsmöglichkeit nach dem Personenstandsrecht bezieht sich grundsätzlich nur auf intergeschlechtliche Menschen. Voraussetzung für die Eintragung der Option „divers“ ist, dass ein medizinischer Nachweis erbracht wird, der eine sogenannte „Variante der Geschlechtsentwicklung“ attestiert. Ob eine solche „Variante“ vorliegt, wird nicht von der subjektiven Geschlechtsidentität abhängig gemacht, sondern von körperlichen Merkmalen.8 5 Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Trans*. Abrufbar unter: https://www.antidiskriminierungsstelle .de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet /trans/trans-node.html;jsessionid=5F175D23E67A75A688D64923A0600472.intranet221. 6 Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Inter*. Abrufbar unter: https://www.antidiskriminierungsstelle .de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet/inter/inter -node.html. 7 Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I Seite 2635. Abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*%5B@attr_id=%27bgbl118s2635.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27 bgbl118s2635.pdf%27%5D__1624267488811. 8 Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Geschlecht und Geschlechtsidentität, https://www.antidiskriminierungsstelle .de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet /dritte-option/dritte-option-node.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 6 3. Regelungen der Teilnahmeberechtigung von trans- und intergeschlechtlichen Sportlern an sportlichen Wettkämpfen 3.1. International 3.1.1. Transgender Guidelines des Internationalen Olympischen Komitees Das Internationale Olympische Komitee hat im Jahr 2015 in den Transgender Guidelines9 geregelt , welche Voraussetzungen transgeschlechtliche Menschen für die Teilnahme in der jeweils angestrebten Geschlechterkategorie erfüllen müssen. Die Transgender Guidelines wurden im Rahmen des „Consensus Meeting on Sex Reassignment and Hyperandrogenism“10 entwickelt. In Punkt C der Transgender Guidelines statuiert das Internationale Olympische Komitee, dass transgeschlechtlichen Menschen ein Recht darauf haben, an sportlichen Wettbewerben teilzunehmen . Demgegenüber benennt der Punkt D der Transgender Guidelines die sportliche Fairness als Grundsatz von höchster Priorität. Demnach können Ausschlüsse aus sportlichen Wettbewerben gerechtfertigt sein, wenn die sportliche Fairness gefährdet ist. Der Punkt E der Transgender Guidelines regelt, dass transgeschlechtliche Menschen keine chirurgisch -anatomische Geschlechtsumwandlung mehr durchführen müssen, um an einem sportlichen Wettkampf in der jeweils anderen Geschlechterkategorie teilzunehmen. Die Transgender Guidelines sehen keine besonderen Regularien für Menschen vor, die mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden und an sportlichen Wettbewerben in der Geschlechterkategorie der Männer teilnehmen möchten. Grund dafür dürfte sein, dass keine körperlichen Vorteile (z.B. stärker ausgeprägte Muskulatur) zu erwarten sind. Demgegenüber ist die Teilnahme von Menschen, die mit männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden und an sportlichen Wettbewerben in der Geschlechterkategorie der Frauen teilnehmen möchten, an Voraussetzungen gebunden. Folgende Voraussetzungen sind zu erfüllen:11 Die Person muss ihr Geschlecht als weiblich erklärt haben. Wird die Erklärung innerhalb von vier Jahren dahingehend verändert, dass die Person ihr Geschlecht wieder als männlich erklärt, erlischt die Teilnahmeberechtigung. Die Entscheidung für das weibliche Geschlecht muss also aufrechterhalten werden. 9 International Olympic Committee. Consensus Meeting on Sex Reassignment and Hyperandrogenism. Stand: November 2015. https://stillmed.olympic.org/Documents/Commissions_PDFfiles/Medical_commission/2015- 11_ioc_consensus_meeting_on_sex_reassignment_and_hyperandrogenism-en.pdf. 10 Consensus Meeting on Sex Reassignment and Hyperandrogenism: Konsensorientiertes Treffen zu der Thematik Geschlechtsumwandlung und Hyperandrogenismus. 11 International Olympic Committee. Consensus Meeting on Sex Reassignment and Hyperandrogenism. Stand: November 2015, a.a.O., S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 7 Weiterhin muss der Testosteronwert der transgeschlechtlichen Person in einem Zeitraum von 12 Monaten vor dem ersten Wettkampf kontinuierlich unter 10 nmol/l liegen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Testosteron u.a. den Aufbau von Muskelmasse fördert.12 Der Testosteronnormwert bei Frauen liegt bei 0,5-2,0 nmol/l und bei Männern bei 12-40 nmol/l.13 3.1.2. Transgender Regulations der World Athletics Am 1. November 2018 führte der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) die Richtlinie „Transgender Regulations“ ein.14 Inzwischen hat diese Richtlinie keine Geltung mehr, da sie durch die Transgender Regulations der World Athletics ersetzt wurde. Bei den World Athletics handelt es sich um den Internationalen Leichtathletikverband, der seit Juni 2019 unter seinem neuen Namen firmiert.15 Die Transgender Regulations16 der World Athletics gelten seit dem 1. Oktober 2019 und sind der Vorgängerrichtlinie der IAAF im Wesentlichen sehr ähnlich. Bei Vergleich beider Richtlinien fällt auf, dass sich die Transgender Regulations des IAAF nur auf „restricted events“ beziehen. Mit „restricted events“ war gemeint, dass die Richtlinie sich nur auf abgrenzbare Laufdisziplinen bezog. Der Punkt 2.2. der Richtlinie führte beispielsweise 400 Meterläufe, 800 Meterläufe, Hürdenläufe und Meilenläufe als laufbezogene Disziplinen auf. Die Richtlinie der World Athletics enthält keine disziplinbezogene Differenzierung. Die Richtlinie der World Athletics enthält u.a. folgende Regelungen: Nach Punkt 1.2.1. der Transgender Regulations sollen die nachfolgend beschriebenen Vorkehrungen die Sicherheit der Wettkampfteilnehmer und die sportliche Fairness gewährleisten. Sportliche Wettbewerbe hätten in getrennten Geschlechterkategorien stattzufinden. Die Trennung rechtfertige sich dadurch, dass Sportler ab dem Eintritt der männlichen Pubertät wettkampfrelevante Vorteile gegenüber Sportlerinnen haben können. 12 Deutschlandfunkkultur. Streit um diskriminierende Regeln im Sport. Stand: 2. Mai. 2015. Abrufbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/testosteron-und-sportliche-leistung-streit-um.976.de.html?dram:article _id=447742. 13 Hormonspezialisten. Testosteron im Überblick. Abrufbar unter: https://www.hormonspezialisten.de/sexualhormone /testosteron/ueberblick/. 14 Offizielle Bezeichnung: Eiligibilty Regulations for the female classification. (Athletes with differences of sex development. Herunterladbar unter: https://www.worldathletics.org/news/press-release/eligibility-regulationsfor -female-classifica. 15 World Atheltics ist seit Juni 2019 der neue Name der IAAF. Vgl. WORLD ATHLETICS, IAAF unveils new name and logo, Press Release, 09.06.2019: https://www.worldathletics.org/news/press-release/iaaf-unveils-new-nameand -logo. 16 Offizielle Bezeichnung: Eligibility Regulations for Transgender Athletes. Abrufbar unter: https://www.worldathletics .org/download/download?filename=63067c17-1ab4-4a08-a132-5e36bda5fc61.pdf&urlslug=eligibility %20regulations%20for%20transgender%20athletes%2c%20in%20force%20from%201%20october %202019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 8 Nach Punkt 1.2.2. der Transgender Regulations sei es zwar wünschenswert, dass transgeschlechtliche Sportler ungehindert in der jeweiligen Geschlechterkategorie, der sie sich zugehörig fühlen, teilnehmen dürfen. Im Hinblick auf die sportliche Fairness könnten Einschränkungen des Teilnahmerechtes jedoch gerechtfertigt sein. Nach Punkt 3.1. der Transgender Regulations ist eine transgeschlechtliche Person, die an Wettbewerben in der Geschlechterkategorie der Männer teilnehmen möchte, lediglich dazu verpflichtet, ihr Geschlecht schriftlich als männlich zu erklären. Darüberhinausgehende Voraussetzungen gibt es nicht. Der Teilnahme von transgeschlechtlichen Menschen an Wettkämpfen in der Geschlechterkategorie der Frauen ist an höhere Voraussetzungen geknüpft. Neben einer schriftlichen Erklärung zu dem weiblichen Geschlecht müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: Punkt 3.2.2. der Transgender Regulations legt fest, dass der Testosteronwert einer transgeschlechtlichen Person nicht über 5 nmol/l liegen darf. Dieser Wert muss kontinuierlich seit 12 Monaten vor dem ersten Wettkampf eingehalten worden sein. Nach Punkt 3.2.3. der Transgender Regulations muss der oben genannte Wert so lange eingehalten werden, wie diese Person an Wettkämpfen teilnehmen will. Die Regelungen der Transgender Regulations sind gemäß des Punktes 1.4. bindend für Athleten, nationale Verbände, Mitgliedern der Verbände und allen anderen Personen, auf die die Regelungen Anwendung finden. 3.1.3. Semenya Urteil Die südafrikanische Leichtathletin Caster Semenya hatte gegen den Internationalen Leichtathletikverband bei dem Internationalen Sportgerichtshof17 eine Schiedsklage erhoben. Ziel der Klage war die Aufhebung des Testosterongrenzwerts von 5 nmol/l. Als intergeschlechtlicher Mensch trug Semenya vor, dass der Grenzwert sie diskriminiere und nicht verhältnismäßig sei. Im Mai 2019 wies der Internationale Sportgerichtshof die Klage zurück. Das Gericht erkannte, dass die Teilnahmebeschränkung diskriminierend sei, hielt sie aber für verhältnismäßig. Als Begründung führte das Gericht insbesondere an, dass die Integrität der Frauen-Leichtathletik bewahrt werden soll.18 17 Court of Arbitration for Sport. 18 Aktuell dazu: SPIEGEL Sport, Streit über Testosteron-Regel - Semenya zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, 25.02.2021; https://www.spiegel.de/sport/leichtathletik-caster-semenya-zieht-vor-europaeischen -gerichtshof-fuer-menschenrechte-a-408beb0c-ae25-4305-8679-1f912a0b2f1a. Vgl. auch Queer.de, Südafrikanische Läuferin wehrt sich - Schweiz muss Menschenrechtsgericht Antworten zu Fall Semenya geben; https://www.queer.de/detail.php?article_id=38888; sowie Court of Arbitration for Sport. Media Release: Caster Semenya/IAAF, Lausanne 01.05.2019. Abrufbar: https://cdn.dosb.de/user_upload/Frauen_und_Gleichstellung /1_May_2019_CAS_Media_Release_Semenya_ASA_IAAF_decision.pdf. Hierbei geht es um die Anwendbarkeit der “IAAF Eligibility Regulations for Female Classification (Athletes with Differences of Sex Development)” im Falle von Semenya. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 9 3.2. Deutscher Olympischer Sportbund Der Deutsche Olympische Sportbund hat keine Regularien geschaffen, die festlegen, unter welchen Gesichtspunkten trans- und intergeschlechtlichen Menschen eine Teilnahmeberechtigung in den einzelnen Geschlechterkategorien zu erteilen ist. Auf der offiziellen Webpräsenz des Deutschen Olympischen Sportbundes wird auf relevante Gesetze und juristische Entscheidungen bezüglich der Geschlechteridentität im Sport hingewiesen :19 Nach Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Nach dem Personenstandsgesetz (PStG)20 haben intergeschlechtliche Menschen seit dem Jahr 2018 in Deutschland die Möglichkeit in dem Personenstandsregister neben den Geschlechtsangaben „männlich“ oder „weiblich“ die Angabe „divers“ zu wählen. Nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)21 sollen Benachteiligungen aus Gründen (…) des Geschlechts, (…) und der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden. Nach § 1 des Transsexuellengesetzes (TSG)22 gilt, dass eine transgeschlechtliche Person ihren Vornamen auf Antrag ändern kann. Dafür ist unter anderem erforderlich, dass die Person sich nicht dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht zugehörig fühlt und seit mindestens drei Jahren nach ihren Vorstellungen zur Geschlechtszugehörigkeit lebt. Weiterhin muss mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass sich dieses Zugehörigkeitsgefühl nicht mehr ändern wird. Nach § 5 TSG gilt das Offenbarungsverbot. Demnach darf der alte Vorname einer transgeschlechtlichen Person nur dann offenbart werden, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. 19 Deutscher Olympischer Sportbund. Relevante Gesetze und juristische Entscheidungen zur Geschlechtsidentität- Abrufbar unter: https://gleichstellung.dosb.de/themen/wir-fuer-vielfalt/geschlechtsidentitaet. 20 Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Mai 2021 (BGBl. I S. 882). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/pstg/index .html#BJNR012210007BJNE000114116. 21 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/agg/. 22 Transsexuellengesetz vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/tsg/BJNR016540980.html#BJNR016540980BJNG000100311. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 10 3.3. Geltungsbereiche der dargestellten Gesetze und Regelungen auf nationaler Ebene Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat auf seiner offiziellen Webpräsenz dargestellt, welche Gesetze und Regelungen auf den Breiten- und Leistungssport Anwendung finden. 3.3.1. Breitensport Im Rahmen des Breitensportes gelten nach dem DOSB für transgeschlechtliche Sportler das AGG und das TSG. Für intergeschlechtliche und als divers eingetragene Sportler richtet sich der Zugang zu sportlichen Wettkämpfen nach dem AGG.23 3.3.2. Leistungssport Im Rahmen des Leistungssports wird der Zugang von transgeschlechtlichen Sportlern zu sportlichen Wettkämpfen von dem TSG, AGG und nach den Regularien des Internationalen Olympischen Komitees geregelt. Demnach finden die Transgender Guidelines auch im deutschen Leistungssport Anwendung. 24 Für intergeschlechtliche Sportler gelten nach dem DOSB die Transgender Guidelines des Internationalen Olympischen Komitees. 25 Für Sportler, deren Geschlecht im Personenstand als „divers“ eingetragen ist, gelten dem DOSB zufolge darüber hinaus keine weiteren Regelungen für die Teilnahme am Leistungssport.26 Der Deutsche Olympische Sportbund hat sich zu dem „Semenya Urteil“ positioniert:27 „Grundsätzlich ist es verständlich, dass der Leichtathletik-Weltverband IAAF Rechtssicherheit sucht für das Startrecht von Sportlerinnen mit von der Norm abweichenden Hormonspiegeln , die ggf. zu einem Wettbewerbungsvorteil führen können. Wie schwierig die Entscheidung des CAS war, ist daran abzulesen, dass die Richter*innen explizit darauf hinweisen, dass die Regel diskriminierend sei, aber argumentierten, dass sie notwendig sei, um die Chancengleichheit im Frauensport zu erhalten. Auch der DOSB denkt seit geraumer Zeit unter Einbeziehung der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) sowie des Bundesverbandes Intersexuelle Menschen über Möglichkeiten nach, sowohl Sportlerinnen wie Caster Semenya gerecht zu 23 Deutscher Olympischer Sportbund. Relevante Gesetze und juristische Entscheidungen zur Geschlechtsidentität- Abrufbar unter: https://gleichstellung.dosb.de/themen/wir-fuer-vielfalt/geschlechtsidentitaet. 24 Ebd. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Deutscher Olympischer Sportbund. Relevante Gesetze und juristische Entscheidungen zur Geschlechtsidentität- Abrufbar unter: https://gleichstellung.dosb.de/themen/wir-fuer-vielfalt/geschlechtsidentitaet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 11 werden, zugleich aber auch anderen Sportlerinnen, die ihre Chancengleichheit nicht gewährleistet sehen. Hier gilt es auch, mit den jeweiligen Sportverbänden nach praktikablen und fairen Lösungen zu suchen.“ 3.4. Wissenschaftliche Grundlagen 3.4.1. Transgender Guidelines Die Transgender Guidelines des Internationalen Olympischen Komitees sind wie oben angegeben im Rahmen des „IOC28 Consensus Meeting on Sex Reassignment and Hyperandrogenism“ entwickelt worden. Zwanzig Teilnehmer haben an der Richtlinie mitgewirkt, u.a.: Mitglieder der medizinischen und wissenschaftlichen Kommission des Internationalen Olympische Komitees, Dr. Stéphane Bermon29 als medizinischer und wissenschaftlicher Berater des Internationalen Leichtathletikverbandes, Professoren der Medizin, Sportwissenschaften, Genetik und Biologie, Juristen der Wirtschaftskanzlei „Bird & Bird“30. 3.4.2. Transgender Regulations Die Transgender Regulations des Internationalen Leichtathletikverbandes basieren auf einer im Jahr 2017 veröffentlichten Studie von Dr. Stéphane Bermon (IAAF Medical and Scientific Senior Consultant) und Pierre-Yves Garnier (Director of the IAAF Health and Science Department).31 Die Studie wurde von der IAAF and der World Anti-Doping Agency finanziert und hat die Serum- Androgen-Konzentration32 von 2127 Spitzensportlern während der IAAF World Championships der Jahre 2011 und 2013 untersucht. Darunter waren 1332 Sportlerinnen und 795 Sportler.33 28 OIC - International Olympic Committee. 29 Zur Person Dr. Stéphane Bermon vgl. Dr. Stéphane Bermon, https://www.medicine-and-sports.com/speaker/drstephane -bermon/?v=3a52f3c22ed6. 30 Zum Unternehmen vgl. Bird & Bird, Über uns, https://www.twobirds.com/de/about-us. 31 World Athletics. IAAF introduces new eligibility regulations for female classification. Abrufbar unter: https://www.worldathletics.org/news/press-release/eligibility-regulations-for-female-classifica. 32 Androgene sind Sexualhormone wie Testosteron, „die die Ausbildung der männlichen Geschlechtsorgane und der sekundären Geschlechtsmerkmale sowie die Prägung des ‘psychischen‘ Geschlechts bewirken.“ Vgl. Spektrum .de, LEXIKON DER BIOLOGIE; Androgenene; https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/androgene/3403. 33 Bermon S., Serum; Garnier, P., in: British Journal of Sports Medicine 2017, Androgen Levels and their relation to performance in track and field: Mass spectrometry results from 2127 obervations in male and female elite athletes . Herunterladbar unter: https://www.researchgate.net/publication/318195723_Serum_androgen_levels _and_their_relation_to_performance_in_track_and_field_Mass_spectrometry_results_from_2127_observations _in_male_and_female_elite_athletes. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 12 Ziel der Studie war es herauszufinden, welchen Einfluss die Serum-Androgen-Konzentration auf die sportlichen Leistungen von Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen hat. Als Ergebnis stellte die Studie u.a. fest, dass Athletinnen mit erhöhten Testosteronwerten (abweichend von den Normwerten) einen wettbewerblichen Vorteil von 1,8 bis 4,5% im Vergleich zu Athletinnen mit niedrigeren Testosteronwerten hatten. Diese Vorteile zeigten sich in den Kategorien : 400 Meterlauf, 400 Meter Hürdenlauf, 800 Meterlauf, Hammerwerfen und Stabhochsprung .34 Die Studie ist kritisiert worden. Unter anderem haben die Wissenschaftler Roger Pielke (University of Colorado Boulder, USA), Ross Tucker (University of Cape Town, South Africa) und Erik Boye (Oslo University Hospital, Norway) die Studie untersucht und dabei Mängel in der Datenerhebung festgestellt. Demnach seien die Ergebnisse der Studie unzuverlässig.35 In die Auswertung der Studie sollen Datendopplungen eingeflossen sein, aber auch sogenannte „Phantomzeiten“, also solche, die keinen Athleten zugewiesen werden konnten. Dr. Bermon räumte im Rahmen eines Diskussionspapieres im British Journal of Sports Medicine ein, dass 17,3 % der Athleten zwei Mal untersucht wurden und zwar im Jahr 2011 und dann wieder im Jahr 2013. Daraufhin habe Dr. Bermon nach eigenen Angaben 230 Daten von der Studie ausgeschlossen, Daten korrigiert , Fehler gefunden und eine Datenanalyse mit 1102 Athletinnen durchgeführt.36 Es wird außerdem kritisiert, dass die Studie durch die IAAF durchgeführt wurde und nicht durch unabhängige Wissenschaftler. 37 4. Positionierungen und Regelungen von Sportverbänden 4.1. Berliner Fußballverband Der Berliner Fußballverband hat im Rahmen seiner Meldeordnung eine Regelung geschaffen, die festlegt, unter welchen Voraussetzungen trans- und intergeschlechtliche Spieler eine Spielberechtigung erhalten können. 34 Bermon S., Serum; Garnier, P., in: British Journal of Sports Medicine 2017, Androgen Levels and their relation to performance in track and field: Mass spectrometry results from 2127 obervations in male and female elite athletes . Herunterladbar unter: https://www.researchgate.net/publication/318195723_Serum_androgen_levels _and_their_relation_to_performance_in_track_and_field_Mass_spectrometry_results_from_2127_observations _in_male_and_female_elite_athletes. 35 Pielke, R., Tucker, R. & Boye, E., Scientific integrity and the IAAF testosterone regulations. The International Sports Law Journal, 2019, Pages 18–26 (2019), Springer Link. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/s40318- 019-00143-w. 36 Bermon S., Hirschberg A.L., Kowalksi J. British Journal of Sports Medicine, Dezember 2018, Vol. 52, S. 1521- 1532. Abrufbar unter: https://bjsm.bmj.com/content/52/23/1531. 37 Pielke, R., Tucker, R. & Boye, E., Scientific integrity and the IAAF testosterone regulations. The International Sports Law Journal, 2019, Pages 18–26 (2019), Springer Link. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/s40318- 019-00143-w. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 13 Seit dem 1. Juli 2020 regelt § 3 der Meldeordnung des Berliner Fußballverbandes: „Ist im Personenstandseintrag kein Geschlecht angegeben, die Angabe „divers“ oder eine andere Bezeichnung des Geschlechts als die Bezeichnungen „weiblich“ oder „männlich“ eingetragen, so kann die Person selbstständig entscheiden, ob die Spielberechtigung für die Frauen- bzw. Herrenmannschaft oder für die Mädchen- bzw. Jungenmannschaft erteilt werden soll. Gleiches gilt für den Fall, dass kein deutscher Personenstandseintrag vorliegt und die Person gegenüber dem Standesamt eine Erklärung unter den Voraussetzungen des § 45b Abs. 1 S. 2 PStG abgegeben hat.“ Nach § 45 b Abs. 1 S. 2 PStG können Personen, bei denen kein deutscher Personenstandseintrag vorliegt, erklären, welche Geschlechtsbezeichnung für sie maßgeblich ist oder auf eine Angabe verzichten. § 45 b Abs. 1 S. 2 PStG bezieht sich ausschließlich auf Fälle des § 22 Abs. 3 PStG. Nach § 22 Abs. 3 PStG kann bei Kindern, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, divers als Geschlecht in den Personenstand eingetragen werden oder auf einen Personenstandseintrag verzichtet werden. Weiterhin regelt § 3 der Meldeordnung des Berliner Fußballverbandes in Bezug auf transgeschlechtliche Personen, deren Vorname auf Grundlage des TSG geändert wurde: „Die Person erhält auf Antrag während dieser Zeit die Spielberechtigung für eine Mannschaft desjenigen Geschlechts , in der sie bislang nicht gespielt hat und dessen Angleichung angestrebt wird, ohne dass Warte- oder Wechselfristen einzuhalten sind.“ Nach § 3 der Meldeordnung des Berliner Fußballverbandes ist die transgeschlechtliche Person verpflichtet, eine neue Spielberechtigung für die jeweils andere Geschlechterkategorie zu beantragen – spätestens dann, wenn die Angleichung ihren Abschluss gefunden hat. Aus der Meldeordnung ergibt sich jedoch nicht, wann die Geschlechterangleichung abgeschlossen ist, sondern nennt beispielshaft die Einnahme von Geschlechtshormonen, hormonblockierenden Medikamenten oder operative Eingriffe als geschlechtsangleichende Maßnahmen. Weiterhin regelt § 3 der Meldeordnung einschränkend: „Innerhalb eines Pflichtspiels darf nicht mehr als eine genannte Person aufseiten einer Mannschaft in einem Spiel – egal ob gleichzeitig oder nacheinander – eingesetzt werden; dies gilt auch für Hallenturniere der Spielklassen. Im Falle eines Verstoßes ist dieses Spiel gegen die Mannschaft der betreffenden Person zu werten.“ Mit „genannte Personen“ sind trans- und intergeschlechtliche Personen und solche gemeint, deren Geschlecht im Personenstand als „divers“ eingetragen ist. 4.2. Deutscher Fußballbund Die Spielordnung des Deutschen Fußballbundes (DFB) beinhaltet keine Regelung, die festlegt, welche Spielberechtigungen für diverse oder transgeschlechtliche Menschen auszustellen sind. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 14 Die Diversity Managerin des Deutschen Fußballbundes Claudia Krobitzsch äußerte sich dahingehend , dass es begrüßenswert wäre, wenn mehr Landesverbände solche Regelungen wie der Berliner Fußballverband umsetzen würden.38 Der DFB stellt klar, dass es bei den einzelnen Landesverbänden noch Unsicherheiten gebe, für welche Geschlechterklasse eine Spielberechtigung auszustellen sei, wenn transgeschlechtliche Personen sich noch im Prozess der Geschlechtsangleichen befänden. Unklarheit herrsche außerdem , in welcher Geschlechterklasse eine Person mit dem Personenstandseintrag "divers" antreten darf.39 4.3. Deutscher Leichtathletikverband Der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) Jürgen Kessing begrüßte das Semenya Urteil als ein „klares Bekenntnis für den Frauensport in seiner bisherigen Klassifizierung innerhalb der Sportart Leichtathletik." Er erachtet den Beschluss als richtungsweisend für den gesamten Leistungssport.40 Die Deutsche Leichtathletikverordnung41 normiert nicht, unter welchen Gesichtspunkten transund intergeschlechtliche Menschen und solche, deren Geschlecht als divers in den Personenstand eingetragen ist, in den jeweiligen Geschlechterklassen teilnehmen dürfen. Dementsprechend gelten die Transgender Regulations der World Athletics. Der DLV hat im Februar 2021 eine „Wettkampfausschreibung für Laufwettbewerbe im Amateurbereich in Hinblick auf die Teilnahme von inter* und trans* Personen“ verfasst.42 38 Vgl. Brems, Lukas, Sie sind im Sport nicht willkommen, Zeit Online, 09.07.2020. Abrufbar unter: https://www.zeit.de/sport/2020-07/geschlechtertrennung-sport-aufhebung-fairer-wettbewerb-rechtsstreitconnecticut /komplettansicht. 39 Deutscher Fußballbund. Geschlechtliche Vielfalt. Stand: 17. Februar 2021. Abrufbar unter: https://www.dfb.de/vielfaltanti-diskriminierung/geschlecht/geschlechtliche-vielfalt/. 40 Bernhart, Silke, Sportgerichtshof CAS lehnt Einspruch von Caster Semenya ab, LEICHTATHLETIK.DE, Deutscher Leichtathletikverband - DLV, 01.05.2019. Abrufbar unter: https://www.leichtathletik.de/news/news/detail /sportgerichtshof-cas-lehnt-einspruch-von-caster-semenya-ab. 41 Deutsche Leichtathletikordnung des Deutschen Leichtathletikverbandes. Abrufbar unter: https://www.leichtathletik .de/fileadmin/user_upload/12_Service/Wettkampforganisation/01_Bestimmungen_Satzung_Vordrucke /DLV-Satzungen_Ordn/DLO.pdf. 42 Deutscher Leichtathletikverband, Wettkampfausschreibung für Laufwettbewerbe im Amateurbereich in Hinblick auf die Teilnahme von inter* und trans* Personen, Februar 2021; https://www.leichtathletik.de/fileadmin /user_upload/08_Laufen/2021_Wettkampfausschreibung_Laufveranstaltungen_Amateursport_trans_inter _Teilnehmer.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 15 Eine Ausschreibung hat die Funktion, Einzelheiten zu den jeweiligen Spielordnungen zu regeln .43 Die oben genannte Wettkampfausschreibung stellt jedoch klar, dass sie nur einen rein empfehlenden Charakter hat. Eine bindende Regelung enthält die Ausschreibung demnach nicht. Die oben genannte Ausschreibung erfolgte auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes , des Beschlusses „Drittes Geschlecht“ des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 201744 und einer Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Wettkampfsauschreibung empfiehlt45: Im Rahmen von Laufveranstaltungen, die nach einem internationalen oder nationalen Regelwerk ausgeschrieben werden, ist die eindeutige Zuordnung des Athleten zu dem weiblichen oder männlichen Geschlecht von Bedeutung. Als Grund wird angeführt, dass die Zuordnung des Geschlechts für die Vorgaben der Nationalen und der Internationalen Antidoping Agentur eine Rolle spiele. Im Rahmen von Laufveranstaltungen, die eher einen Eventcharakter aufweisen, sollen die Geschlechterkategorien für inter- und transgeschlechtliche Menschen geöffnet werden. Eine Ausnahme bilden Veranstaltungen, bei denen Dopingtests der Antidoping Agentur durchgeführt werden. Veranstaltungen, die einen Eventcharakter haben, sind solche, die nicht durch die nationalen oder internationalen Wettkampfregeln ausgeschrieben werden.46 Daraus lässt sich ableiten, dass die eindeutige Zuordnung zu dem weiblichen oder männlichen Geschlecht dann für den Leichtathletikverband entscheidend ist, wenn Dopingtests durch den Veranstalter durchgeführt werden . Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat auf Anfrage47 des Deutschen Leichtathletikverbandes ausgeführt, dass Bedenken bezüglich eines „unerwünschten Genderdopings“48 hinter dem Schutz vor Diskriminierungen zurücktreten müsste. So sei es nicht akzeptabel, dass trans- und 43 vgl. § 10 der Deutschen Leichtathletik Ordnung. Abrufbar unter: https://www.leichtathletik.de/fileadmin/user _upload/12_Service/Wettkampforganisation/01_Bestimmungen_Satzung_Vordrucke/DLV-Satzungen _Ordn/DLO.pdf. 44 BVerfG, Beschl. vom 10. Juli 2017, AZ: 1 BvR 2019/16, BVerfGE 147, 1-31. Leitsatz: „Menschen, die sich weder nicht weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zuordnen lassen sind in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG und dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn sie trotzdem als weiblich oder männlich eingetragen werden.“ 45 Deutscher Leichtathletikverband, Wettkampfausschreibung für Laufwettbewerbe im Amateurbereich in Hinblick auf die Teilnahme von inter* und trans* Personen, a.a.O., S. 2. 46 Ebd. 47 Die Anfrage war spezifisch auf die Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle in Bezug auf den Breitensport gerichtet. Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich demnach nicht auf den Leistungssport. 48 Damit dürften erhöhte Testosteronwerte in der Kategorie der Frauen gemeint sein. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 16 intergeschlechtliche Menschen kategorisch nur in den Geschlechterkategorien der Männer antreten dürfen.49 Die Anfrage war auf den Breitensport gerichtet. Die von der Antidiskriminierungsstelle getroffene Abwägung bezieht sich demnach nicht auf den Leistungssport. 4.4. Deutscher Hockey-Bund Der Deutsche Hockey-Bund hat die Teilnahmebedingungen von trans- und intergeschlechtlichen Menschen im Rahmen seiner Spielordnung festgelegt.50 Die Spielordnung des Deutschen Hockey-Bundes regelt in § 20 Abs. 5 S. 2 ff.:51 „Ist im behördlichen Personenstandseintrag oder einem vergleichbaren ausländischen Behördenregister kein Geschlecht angegeben, die Angabe ‚divers‘ oder eine andere Bezeichnung des Geschlechts als die Bezeichnungen ‚weiblich‘ oder ‚männlich‘ eingetragen, entscheidet die zuständige Passstelle nach den vom DHB52 veröffentlichten Richtlinien zur Vergabe des Spielrechts für trans- und intergeschlechtliche Menschen, ob die Spielberechtigung für die weiblichen oder die männlichen Altersklassen erteilt wird. Gleiches gilt für den Fall, dass kein deutscher Personenstandseintrag vorliegt und die Person gegenüber dem Standesamt eine Erklärung unter den Voraussetzungen des § 45b Abs. 1 Satz 2 Personenstandsgesetz abgegeben hat. Ebenso gilt dies, wenn eine gerichtliche Entscheidung, durch welche die Vornamen der Person geändert werden, auf der Grundlage des Transsexuellengesetzes ergangen ist.“ Der Deutsche Hockey-Bund hat eine Richtlinie nach § 20 Abs. 5 der Spielordnung des Deutschen Hockeyverbandes geschaffen. Die Richtlinie zur Vergabe des Spielrechts für trans- und intergeschlechtliche Menschen53 ist im Inhalt identisch mit § 3 der Meldeordnung des Berliner Fußballverbandes . Demnach haben Menschen, die im Personenstand kein Geschlecht oder „divers“ als Geschlecht eingetragen haben, die Möglichkeit zu wählen, für welche Geschlechterkategorie eine Spielberechtigung ausgestellt werden soll. Transgeschlechtliche Menschen sind verpflichtet spätestens bei Abschluss der Geschlechtsangleichung die neue Spielberechtigung zu beantragen. 49 Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Berichte aus der Beratungspraxis, 29.03.2021. Offene Startkategorien im Breitensport für eine diskriminierungsfreie Teilnahme von inter* und trans* Personen; https://www.antidiskriminierungsstelle .de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2021/nl_01_2021/nl_01_aus_der_beratungspraxis _1.html;jsessionid=87783FE7CA5053FBE59769D4E14BADC6.intranet242?nn=304718. 50 Deutscher Hockey-Bund e.V., Spielordnung des Deutschen Hockeybundes. https://web.hockey.de/download .php?data%5bfileid%5d=3lmkax4fx0j741hl92emag7w8v2tp2zi. 51 Ebd. 52 DHB - Deutscher Hockey-Bund. 53 Deutscher Hockeybund e.V., Richtlinie zur Vergabe des Spielrechts für trans- und intergeschlechtliche Menschen nach § 20 Abs. 5 SPO DHB. Stand: März 2021. Abrufbar unter: https://hockey.de/VVI-web/Ordnungen /DHB/Richtlinien-20-5.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 17 4.5. Deutscher Turnerbund Die Regularien des Deutschen Turnerbundes legen nicht fest, nach welchen Kriterien trans- und intergeschlechtliche Personen in den jeweiligen Geschlechterklassen teilnehmen können. Der Frauenausschuss des Deutschen Turnerbundes soll sich jedoch mit der dritten Geschlechteroption befassen und Verfahrenswege für Startrechte bei einem Geschlechterwechsel erarbeiten.54 4.6. Weitere Deutsche Sportverbände Der Deutscher Tennisverband, der Deutscher Schwimmverband, der Deutscher Handballbund und der Deutscher Behindertensportverband haben sich nicht durch Ausschreibungen oder Regelwerke zu den Teilnahmebedingungen von trans- oder intergeschlechtlichen Menschen positioniert . 5. Positionierung der Sportministerkonferenz Im November 2020 hat sich die Sportministerkonferenz mit der geschlechtlichen Identität im Sport beschäftigt.55 In der sogenannten „Bremer Erklärung“ beschließen die Sportminister, dass der Sport in Deutschland inklusiv sein soll und die Teilhabe aller Menschen am aktiven Sport und sportlichen Veranstaltungen gewährleisten soll. Der Beschluss regt an, dass Vereine und Verbände ihre Regelwerke so fassen sollen, dass ein diskriminierungsfreier Umgang mit Sporttreibenden gefördert wird. Weiterhin empfiehlt der Beschluss unter anderem, dass Sporteinrichtungen , Verbände und Vereine sich für die Teilnahme aller Menschen an dem sportlichen Leben aussprechen sollen. Dies soll einerseits durch die Bereitstellung von Ansprechpersonen für LSBTI56 -Belange in regionalen Sportbünden und Fachverbänden ermöglicht werden, aber auch durch die Schaffung von Sportangeboten für trans- und intergeschlechtliche Sportreibende. Darüber hinaus empfiehlt die Konferenz einen kontinuierlichen Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und LSBTI-Interessensvertretungen und dem organisierten Sport. So sollen die Empfehlungen der Sportministerkonferenz weiterentwickelt werden. Schon aus der Formulierung der „Bremer Erklärung“ geht hervor, dass diese einen rein empfehlenden Charakter hat. Eine Bindungswirkung geht von der Erklärung nicht aus. 54 Deutscher Turnerbund. Deutscher Turntag am 9. November 2019 in Leipzig. Abrufbar unter: https://www.dtb.de/fileadmin/user_upload/dtb.de/DTB/Der_Verband/PDFs/Turntag_2019/Deutscher_Turntag _2019_Tagungsbrosch%C3%BCre.pdf. 55 Freie Hansestadt Bremen, „Bremer Erklärung“ zu sexueller Vielfalt und geschlechtlicher Identität im Sport, Beschluss der 44. Sportministerkonferenz vom 12. November 2020, abrufbar unter: https://sportministerkonferenz .de/fileadmin/sportministerkonferenz/Downloads/Beschluesse_44.SMK2020_Videokonferenz.pdf. 56 LSBTI - Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgeschlechtlich, Intergeschlechtlich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 18 6. Kritische Initiativen zur Teilhabe von transgeschlechtlichen Sportlerinnen an Wettbewerben 6.1. Women’s Sports Policy Die Initiative „Women’s Sports Policy“ ist von der ehemaligen professionellen Tennisspielerin Martina Navratilova gegründet worden und befasst sich mit der Teilhabe von transgeschlechtlichen Sportlerinnen an sportlichen Wettbewerben.57 Die Initiative befürchtet, dass Frauen im Rahmen von sportlichen Wettkämpfen Nachteile erleiden könnten, wenn transgeschlechtliche Frauen an den Wettbewerben teilnehmen. Als Lösungsvorschlag hat die Initiative ein Modell erarbeitet , wonach transgeschlechtliche Frauen in einer Sonderkategorie gegeneinander antreten sollen, die von der Geschlechterkategorie der Frauen losgelöst ist. Nur so könne gewährleistet werden, dass transgeschlechtliche Menschen einerseits an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen könnten, andererseits aber keine Nachteile für die Konkurrenz entstünden.58 Eine Reaktion des Deutschen Olympischen Sportbundes auf diese Initiative ist nicht bekannt. 6.2. Women‘s Declaration Die „Woman‘s Declaration“ ist eine Initiative der „Woman’s Human Rights Campaign“ (WHRC)59, einer internationalen Frauenrechtsbewegung, die auch in Deutschland aktiv ist. Im Rahmen der „Women‘s Declaration“60 wird der Ausschluss von transgeschlechtlichen Sportlerinnen aus der Geschlechterkategorie der Frauen gefordert. Die Unterstützer der Organisation sind auf der offiziellen Webpräsenz der Frauenrechtsbewegung aufgelistet. Unter den Unterstützern befinden sich auch zehn deutsche Organisationen.61 Die „Women‘s Declaration“ ist in die deutsche Sprache übersetzt worden. In Artikel 10 (g) wird darin gefordert:62 57 Women’s Sports Policy Working Group. Affirming Girls‘ and Woman’s Sport While Including Transgender Athlets . Abrufbar unter: https://womenssportspolicy.org/. 58 Women’s Sports Policy Working Group. Model State Statue for the Inclusion of transgender girls and women in girl’s and women’s Sports. Abrufbar unter: https://womenssportspolicy.org/wp-content/uploads /2021/04/WSPWG-Model-State-Statute.pdf. 59 WHRC, Über die Women's Human Rights Campaign; https://www.womensdeclaration.com/de/about-de/. 60 WHRC, Erklärung über die Rechte von Frauen auf der Grundlage ihres Geschlechts: Volltext; https://www.womensdeclaration.com/de/declaration-womens-sex-based-rights-full-text-de/. 61 WHRC, Unterstützende Organisationen. Abrufbar unter: https://www.womensdeclaration.com/de/#supportingorgs . 62 WHRC, Women’s Declaration - Erklärung über die Rechte von Frauen auf der Grundlage ihres Geschlechts. Herunterladbar unter: https://www.womensdeclaration.com/de/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 029/21 Seite 19 „(…) zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (…), ist sicherzustellen, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten auf aktive Beteiligung im Sport und am Sportunterricht haben wie Männer. Zur Wahrung dieses Rechts erfordern die physiologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern, dass bestimmte sportliche Aktivitäten in gleichgeschlechtlichen Gruppen stattfinden. Wird Männern, die von sich eine weibliche „Genderidentität“ behaupten, die Teilnahme an diesen geschlechtsspezifischen sportlichen Aktivitäten ermöglicht , benachteiligt dies Frauen in unfairer Weise im Wettkampf und setzt sie möglicherweise einem erhöhten Verletzungsrisiko aus. Dies beschränkt Frauen und Mädchen in ihren Möglichkeiten, in gleicher Weise wie Männer am Sport teilzunehmen, und stellt so eine zu beseitigende Form der Diskriminierung von Frauen und Mädchen dar.“ 7. Fazit Auf nationaler Ebene haben sich bisher der Deutsche Hockeybund und der Berliner Fußballverband Regelungen gegeben, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen trans- und intergeschlechtliche Sportler an Wettkämpfen teilnehmen können. Der Deutsche Leichtathletikverband hat im Februar 2021 in einer Wettkampfausschreibung für Laufwettbewerbe im Amateurbereich Angaben im Hinblick auf die Teilnahme von „inter* und trans* Personen“ gemacht. Ansonsten gelten hier die Transgender Regeln der World Athletics. Auf internationaler Ebene (International Olympic Committee und World Athletics) sind „Transgender “- Richtlinien geschaffen worden. Diese Richtlinien knüpfen die Teilnahme von transgeschlechtlichen Menschen in der Geschlechterkategorie der Frauen nicht an geschlechtsangleichende Operationen, sondern maßgeblich an ihre Testosteronwerte. Die Einhaltung von Testosterongrenzwerten soll nach dem Internationalen Olympischen Komitee und der World Athletics die sportliche Fairness schützen. Der internationale Sportgerichtshof hat den Testosterongrenzwert der World Athletics Richtlinie als diskriminierend befunden. Dennoch sei der Grenzwert im Hinblick auf Gesichtspunkte der sportlichen Fairness verhältnismäßig. ****