Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im 21. Jahrhundert - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 10- 029/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im 21. Jahrhundert Ausarbeitung WD 10- 029/06 Abschluss der Arbeit: 27.06.2006 Fachbereich WD 10: Kultur und Medien Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhalt 1. Einleitung 4 2. Grundsätzliche Rahmenbedingungen des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland 5 2.1 Das Duale Rundfunksystem 6 2.1.1. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 7 2.1.2. Die Finanzierung des privaten Rundfunks 10 2.2. Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die neuen Medien 10 2.2.1. Medienkonzerne und globale Konzerne, die im Medienbereich tätig werden 11 2.2.1.1. Die „Telekom-Bundesliga“ 13 2.2.2. Die Digitalisierung des Rundfunks 15 2.2.2.1. DVB-T 16 2.2.2.2. Digitale Angebote der Öffentlich-Rechtlichen 17 2.3. Regelungen der EU im Bereich der audiovisuellen Medien 19 2.3.1. Die europäische Fernsehrichtlinie 20 2.3.2. Der Einfluss des GATS auf den audiovisuellen Sektor 24 2.3.3. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie 25 2.3.4. Die europäische Transparenzrichtlinie und ihr Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 26 2.4. Zugangsregelungen zu den Übertragungskapazitäten 31 3. Schlussbetrachtung und Ausblick 33 4. Literaturverzeichnis 35 5. Anlagen 37 - 4 - 1. Einleitung Die Ausarbeitung liefert einen Überblick über die aktuellen rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Nach einem kurzen Abriss über den Aufbau und die Geschichte des nationalen Rundfunksystems unter Einbeziehung der einschlägigen Normen wird der Fokus insbesondere auf die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinsichtlich der zunehmenden Digitalisierung der Medien gerichtet. Aufgrund des technischen Fortschritts werden immer mehr Verbreitungsmöglichkeiten entwickelt, die eine völlig neue Wettbewerbssituation in der Medienlandschaft schaffen. Hierauf müssen auch die öffentlichrechtlichen Sender, sowohl in inhaltlicher als auch in technischer Hinsicht, reagieren. Dargestellt wird auch das System der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gebühren und die dadurch in Bezug auf die Digitalisierung und den Wettbewerb mit privaten Sendern auftretenden Probleme. Ferner wird auf die Problematik eingegangen, inwiefern die zunehmende Beteiligung von Wirtschaftsunternehmen im Medienbereich Auswirkungen auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten hat. Dies kann insbesondere bei Fragen hinsichtlich der Übertragungsrechte einzelner Veranstaltungen der Fall sein. Berücksichtigt werden überdies die medienpolitische Entwicklung in der Europäischen Union und ihr Einfluss auf das nationale Rundfunksystem. Auf den Hörfunk wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Situation des öffentlich-rechtlichen Hörfunks mit der der Fernsehveranstalter nahezu übereinstimmt bzw. beide mit ähnlichen rechtlichen und gesellschaftlichen Problemen zurechtkommen müssen. - 5 - 2. Grundsätzliche Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Deutschlands wird veranstaltet von neun zur ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten mit ihrem Hauptprogramm „Das Erste“ sowie dem ZDF, dem Deutschlandradio und der Deutschen Welle als Bundesrundfunkanstalten . Zu den Landesrundfunkanstalten gehören alle Sendeanstalten des öffentlichen Rechts, die für ein oder mehrere Bundesländer Rundfunk- und Fernsehprogramme herstellen. Öffentliche Rundfunkanstalten sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung. Das Rundfunkrecht in Deutschland ist mangels einfachgesetzlicher Vorschriften weitgehend vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit) abgeleitet und ausgestaltet worden (Fechner: 2003, Rd. 812). Träger dieses Grundrechts sind insbesondere die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Bei der Rundfunkfreiheit handelt es sich laut Bundesverfassungsgericht in erster Linie um eine „dienende“ Freiheit. Sie hat der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu dienen.1 Aus dieser Aufgabe folgerte das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem ersten von bisher elf Rundfunkurteilen das Gebot der Staatsferne, d.h., dass Rundfunkanstalten nicht unmittelbar durch Gesetze seitens des Bundes beeinflusst oder reguliert werden dürfen.2 Nur so könne der Grundversorgungsauftrag des Rundfunks gewährleistet werden . Zur Grundversorgung gehören das Anbieten von Programmen für die Gesamtheit der Bevölkerung, das Bereitstellen von Informationen in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags sowie das Sichern der Meinungsvielfalt.3 Wegen dieser großen Bedeutung des Rundfunks für die freie und öffentliche Meinungsbildung und damit für den demokratischen Prozess darf er weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden. Der Gesetzgeber muss jedoch eine positive Ordnung gewährleisten , die sicherstellt, dass die Vielfalt der Meinungen im Rundfunk zum Ausdruck kommt und somit die Rundfunkfreiheit gewahrt werden kann. Im Rahmen des ersten Rundfunkurteils legte das Bundesverfassungsgericht die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Organisation, Aufsicht und Finanzierung der Rundfunkveranstaltung fest, gefolgert aus Art. 30 GG. Der Bund ist lediglich für die Übertragungstechnik zuständig (Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG), nicht aber für die Inhalte. 1 BVerfGE 57, 295, 325; BVerfGE 87, 181, 197 (1992). Seit dem 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (s.u.) wurde in § 11 RStV eine Vorschrift aufgenommen, die die den Auftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks gesetzlich festlegt. 2 BVerfGE 12, 205-264 (1961). 3 BVerfGE 74, 297, 325. - 6 - Eine originäre Zuständigkeit besitzt der Bund nur für den Auslandsrundfunk, er stützt sich dabei auf Art. 32, 73 Abs. 1 Nr. 1 und 87 GG.4 2.1 Das Duale Rundfunksystem In seinem vierten Rundfunkurteil5 hat das Bundesverfassungsgericht die duale Rundfunkordnung , also das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk für zulässig erklärt, solange die Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Sender gesichert bliebe. Der private Rundfunk allein könne nämlich den Rundfunkauftrag nicht erfüllen, da aufgrund dessen Werbefinanzierung die Gefahr eines nur nach Popularitätsgesichtspunkten gestalteten Programms bestünde. Zur einheitlichen Regelung des Rundfunkrechts wurde 1986 zwischen allen Bundesländern der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) geschlossen, welcher heute in der Fassung des achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vorliegt.6 Dieser umfasst neben dem Rundfunkstaatsvertrag , der in §§ 1-10 grundlegende Regelungen für beide Teile des dualen Systems enthält sowie in den §§ 11-19 die Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den ARD-Staatsvertrag, den ZDF-Staatsvertrag, den Deutschlandradio- Staatsvertrag, den Rundfunkgebühren- sowie den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag und als neuste Ergänzungen den Mediendienste- sowie den Jugendmedienschutz- Staatsvertrag. Folglich wird das Bestehen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seit dem Jahre 1986 durch eigene Staatsverträge geregelt, welche die zuvor in jedem Bundesland erlassenen jeweiligen Landesrundfunkgesetze zumindest in inhaltlicher Hinsicht überlagern. Die Landesrundfunkgesetze regeln insbesondere die Organisationsstruktur der Anstalten im Sinne des Binnenpluralismus. Alle öffentlichen Sender verfügen über einen Intendanten, Rundfunk- und Verwaltungsrat . Der Intendant vertritt die Anstalt nach außen und trägt die Verantwortung für Programm und Betrieb. Der Rundfunkrat besteht - binnenplural - aus Vertretern der verschiedensten Bereiche der Gesellschaft (Wirtschaft, Kultur, Bildung, Sport, Kirchen, Politik) und fungiert als Kontroll- und Überwachungsorgan über die gesamte, auch inhaltliche Tätigkeit des Senders. Er vertritt die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks. Überdies wählen die Rundfunkräte den Intendanten. Die Aufgaben des Verwaltungsrates hingegen beziehen sich auf die Kontrolle der Rundfunkanstalt 4 So erklärt sich auch die Finanzierung der Deutschen Welle durch den Bund und nicht durch Gebühren . 5 BVerfGE 73, 118, 152 (1986), durch das dritte Rundfunkurteil wurde diese Entwicklung schon in Gang gesetzt, vgl. BVerfGE 57, 295 (1981). 6 In Kraft seit dem 1. April 2005, zu finden in Media Perspektiven I/ 2005 (Anlage 1). - 7 - außerhalb der Programmgestaltung. Dabei befasst er sich vor allem mit wirtschaftlichen Fragen und Rechtsgeschäften des Intendanten (Altendorfer 2001, Rd. 17). Die Basis des Privatrundfunks bilden die Landesmediengesetze, die in der Folge des dritten Rundfunkurteils zwischen 1980 und 1991 von den Bundesländern erlassen wurden . Zusätzlich wurden 15 Landesmedienanstalten7 geschaffen, die die Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Programmanforderungen bei den privaten Sendern überwachen . Überdies sind sie für die Zulassung (Lizenzvergabe), den Aufbau und die Fortentwicklung des privaten Rundfunks zuständig.8 2.1.1. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Die Rundfunkgebühren sind gemäß § 13 Abs. 1 RStV die vorrangige Finanzierungsquelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, neben Einnahmen aus Werbung und sonstigen Quellen.9 Alle Einnahmen dürfen nur für die Erstellung und Verbreitung von Programmen sowie zum Betrieb der Rundfunkhäuser genutzt werden. Gewinn im privatwirtschaftlichen Sinne darf und kann nicht erwirtschaftet werden: Mögliche Überschüsse werden ebenfalls für die Programmproduktion oder z.B. technische Investitionen verwendet. Des Weiteren werden von der Gebühr die Film- und Kulturförderung sowie Orchester und Chöre bezahlt (Plog 2004). Die Gebühren werden fällig, sobald ein Rundfunkempfangsgerät bereitgehalten wird, § 13 Abs. 2 RStV10. Die Gebührenpflicht wird also durch die bloße Möglichkeit des Empfangs begründet, auf die tatsächliche Nutzung kommt es nicht an. Zur Ermittlung der Höhe der Rundfunkgebühren wurde im Jahre 1975 die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) gegründet, die Gebührenvorschläge erarbeitete, um sie den Ministerpräsidenten der Länder als Empfehlung weiterzugeben. Die KEF ist ein unabhängiges, „politikfreies“ Sachverständigengremium , deren 16 Mitglieder auf fünf Jahre von den Ländern aus den Bereichen Wirtschaft, Medien, Technik und der Rechnungshöfe berufen werden (§ 4 RFinStV).11 1976 wurde durch Verwaltungsvereinbarung der Rundfunkanstalten die Gebühreneinzugszentrale 7 Ihre Rechtsform ist ebenfalls die der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. 8 Vgl. hierzu die Website der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) www.alm.de 9 Diese können insbesondere Sponsoring, Programmverwertung oder Lizenzgeschäfte sein. Die Erträge solcher sonstiger Einnahmen machen bei ARD und ZDF regelmäßig weniger als 20% ihres Gesamtetats aus. Die Fernsehwerbung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist auf 20 Minuten werktäglich zwischen 17.00 und 20.00 Uhr im Jahresdurchschnitt sowie auf die Form der Blockwerbung beschränkt. 10 Als solche gelten Fernseher, Radios, Computer mit TV-Karte, demnächst auch Computer mit Internetzugang und fernsehtaugliche Handys (ab 1. Januar 2007), jedoch nicht, wenn sie nur als Zweitgerät neben einem „herkömmlichen“ Empfangsgerät bereitgehalten werden (§ 5 Abs. 1 RGebStV). Gegen diese Regelung hat die neu gegründete Vereinigung der Rundfunkgebührenzahler (VGRZ) soeben Verfassungsbeschwerde eingelegt, mehr Informationen unter www.vgrz.org 11 Informationen zu dieser Einrichtung unter www.kef-online.de - 8 - (GEZ) für die Abwicklung des Rundfunkgebühreneinzugs gegründet.12 Die in Köln ansässige Institution ist eine öffentlich-rechtliche, nicht rechtsfähige Gemeinschaftseinrichtung der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten der ARD sowie des ZDF und des Deutschlandradios. Die Erhebung der Rundfunkgebühren ist eine hoheitliche Tätigkeit. Neben den speziellen rundfunkrechtlichen Vorschriften finden daher auch die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Bundes und der jeweiligen Bundesländer für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens Anwendung. Die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Rundfunkgebühren und für den gesamten Gebühreneinzug ist der Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV). Er regelt allgemeine Fragen wie z.B. die der An- und Abmeldung, Befreiung von der Gebührenpflicht etc. Die Höhe der Rundfunkgebühr ist im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) bestimmt. Beide Staatsverträge wurden durch Ratifizierung in den jeweiligen Länderparlamenten zu geltendem Landesrecht, denn auch die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks liegt in der Kompetenz der Länder. In seinem achten Rundfunkurteil hat das Bundesverfassungsgericht ein neues Verfahren für die Gebühreneinziehung festgelegt.13 Es befasst sich erneut mit der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die auch durch eine unabhängige Finanzierung gesichert werden muss. Die Gebührenfestsetzung sollte also staatsfrei organisiert und somit vor politischer Einflussnahme geschützt werden. Als Folge dieses Urteils wurde das Gebührenfestsetzungsverfahren der KEF neu geregelt. Die Gebührenfestsetzung erfolgt seither in drei Schritten: Zunächst melden die Rundfunkanstalten ihren Bedarf bei der KEF an (§1 RFinStV). Diese überprüft den angemeldeten Bedarf und empfiehlt den Ministerpräsidenten der Länder einen bestimmten Gebührenbetrag. Auf der Grundlage des KEF-Berichts wird die Rundfunkgebühr dann durch Staatsvertrag der Länder festgesetzt , § 7 Abs. 2 RFinStV; Abweichungen von diesem Vorschlag sind zu begründen. Die Gebührenanpassung erfolgt im 4-Jahres-Turnus. So soll eine Finanzierung gewährleistet werden, die es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erlaubt, die ihm zukommende Funktion im Dualen System zu erfüllen und ihn gleichzeitig wirksam davor schützt, dass die Entscheidung über die Finanzausstattung zu politischen Einflussnahmen auf das Programm und die Konkurrenzfähigkeit der Öffentlich-Rechtlichen missbraucht wird. Für die Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühren gelten daher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Grundsätze der Programmneutralität und der Programmakzessorietät (Hesse 2003, Rd. 136). 12 Die Geschichte der GEZ ist auf den Internetseiten der Einrichtung dargestellt: http://www.gez.de/door/institution/institution/index.html 13 vgl. BVerfGE 90, 60, 87ff. vom 22.02.1994. - 9 - Bei der letzten Gebührenfestsetzung zum 1. April 2005 wichen die Ministerpräsidenten erstmals vom Vorschlag der KEF ab – diese hatte eine Gebührenerhöhung von 1,09 € für angemessen gehalten, was schon deutlich unter dem angemeldeten Bedarf der Rundfunkanstalten lag 14, die Ministerpräsidenten beschlossen jedoch eine Erhöhung von lediglich 88 Cent. Somit beträgt die Rundfunkgebühr derzeit monatlich 17,03 €. Der Entscheidung ging eine im Jahr 2003 von den Ministerpräsidenten der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen initiierte Strukturdebatte über den öffentlichrechtlichen Rundfunk voraus. Als Ziel wurde die Entlastung der Gebührenzahler benannt . Auffällig hierbei war jedoch, dass insbesondere in Bayern und Nordrhein- Westfalen die größten Privatrundfunkanstalten ihren Sitz haben.15 Dies zeugt von einem Akzeptanzverlust der Öffentlich-Rechtlichen zugunsten der privaten Fernsehsender. Die Unterschreitung ihres der KEF angemeldeten Bedarfs traf die öffentlich-rechtlichen Anstalten umso mehr, als diese bereits Sparprogramme umgesetzt haben. Für die Jahre 2005-2008 haben die ARD-Anstalten beispielsweise insgesamt 2,25 Milliarden Euro Rationalisierungsmaßnahmen angemeldet (Plog 2004). Die ARD hatte das zurückliegende Gebührenverfahren daher als zu politiknah und wenig staatsfern kritisiert. Alternativ sollte ihrer Auffassung nach ein so genanntes Indexierungsmodell, mit dem die Rundfunkgebühren an die allgemeinen Lebenshaltungskosten gekoppelt würden, eingeführt werden. Die ARD drohte für den Fall, dass es darüber nicht zu Verhandlungen mit den Ländern kommen sollte, mit der Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Die Ministerpräsidenten der Länder sehen jedoch derzeit keine Grundlage, über ein neues Gebührenverfahren zu verhandeln. Das ZDF hatte sich an der Initiative der ARD nicht beteiligt und einen Gang nach Karlsruhe für sich ausgeschlossen.16 Es schlägt einen anderen Weg vor, bei dem ein langwieriges juristisches Verfahren umgangen werden könnte. Das ZDF setzte sich für eine Gebührenfestsetzung nicht mehr per Staatsvertrag, den sämtliche Länder ratifizieren, ein, sondern per Verordnung. Ein solches Verfahren wiederum könnten die Länder in einem Staatsvertrag vereinbaren und dann der Gebührenkommission KEF genauere Vorgaben für die Festlegung der Gebühr machen. Die Entscheidung der KEF hätten die Länder sodann verbindlich zu befolgen. Auf diese Weise werde das KEF-Verfahren gestärkt, staatsfern und auch den Anforderungen des europäischen Beihilferechts gemäß gestaltet (Hanfeld 2005). Im Oktober 2005 beschloss die ARD endgültig, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um Rechtssicherheit hinsichtlich des Gebührenfestsetzungsverfahrens herzustellen und dessen Staatsferne zu sichern. Im März 2006 entschlossen sich dann auch das ZDF sowie der Hörfunksender Deutschlandradio, ebenfalls nach Karlsruhe zu ziehen, 14 ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten eine Erhöhung der Gebühr um 2,01 € als Bedarf angemeldet (v. Wallenberg 2005, 89) 15 In Bayern hat die ProSiebenSat.1 Media AG, in Nordrhein-Westfalen die RTL Group ihren Sitz. 16 Vgl. http://www.epd.de/medien/medien_index_37842.html - 10 - da Verhandlungen mit den Ländern über eine politische Lösung des Gebührenkonflikts nicht stattgefunden hatten.17 Der Ausgang des Verfahrens bleibt abzuwarten. 2.1.2. Die Finanzierung des privaten Rundfunks Der private Rundfunk finanziert sich hingegen ausschließlich privatwirtschaftlich hauptsächlich durch Werbeeinnahmen. Laut § 43 RStV können Privatsender ihre Programme durch „Einnahmen aus Werbung und Teleshopping, durch sonstige Einnahmen, insbesondere durch Entgelte der Teilnehmer (Abonnements oder Einzelentgelte) sowie aus eigenen Mitteln finanzieren.“ Folglich sind auch Pay-TV Programme oder Verkaufsfernsehen sowie Sponsoring ausdrücklich als Finanzquellen erlaubt. Die den Privatrundfunk kontrollierenden Landesmedienanstalten werden hingegen durch einen Anteil von 2 % der Rundfunkgebühr finanziert (Hesse 2003, Rd. 32). 2.2. Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die neuen Medien Im 21. Jahrhundert ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch erheblichen Änderungen unterworfen. Bedingt durch neue technische Entwicklungen, zunehmende wirtschaftliche Interessen und den starken Wettbewerb mit privaten Sendern ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gezwungen, sich weiterzuentwickeln. Allein die Digitalisierung eröffnet den Rundfunkanstalten eine Vielfalt neuer Möglichkeiten, den Zuschauer zu erreichen. Während der private Rundfunk hier fast völlig frei agieren kann, finanziell jedoch vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Programme abhängig ist, unterliegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk, auch aufgrund seiner gesicherten Finanzierung durch Gebühren, dem Rundfunkauftrag und klaren gesetzlichen Vorgaben. In § 19 Abs. 4 RStV wird den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern ausdrücklich erlaubt, ihre Programme auch in digitaler Technik zu verbreiten, jedoch ist die Anzahl der Kanäle sowie deren Schwerpunkte reglementiert. Ebenso ist die Möglichkeit, wirtschaftlich zu agieren, bei den Öffentlich-Rechtlichen begrenzt. Während der Privatrundfunk durch Übernahmen und wirtschaftliche Verflechtungen quer durch alle Medienbereiche seinen Einfluss auf den Verbraucher sowie auch seine Einnahmen steigern kann, sind den öffentlich -rechtlichen Sendern solche wirtschaftlichen Betätigungen untersagt. 17 Vgl. hierzu http://www.presseportal.de/story.htx?nr=794113&search=zdf und http://www.vrff.de/fp/archiv/mediennachrichten/1526.php und http://www.jurablogs.com/meldungen/2006/03/15/36826/ - 11 - 2.2.1. Medienkonzerne und globale Konzerne, die im Medienbereich tätig werden Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht im Wettbewerb mit dem Privatrundfunk, welcher größtenteils an wirtschaftlich starke Medienkonzerne angegliedert ist. In Deutschland handelt es sich dabei insbesondere um die Bertelsmann AG18, den Axel Springer Konzern oder die WAZ-Gruppe. Jeder dieser Konzerne besitzt unter anderem Anteile an mehreren Fernsehkanälen, Hörfunksendern oder Printmedien. Auf dem reinen Fernsehsektor ist die ProSiebenSat.1 Media AG, heute zu 72 % in der Hand amerikanischer Kapitalgeber, vorherrschend.19 Um die unzulässige Überrepräsentation eines einzigen Medienkonzerns zu verhindern und somit die Meinungsvielfalt zu sichern, wurde im Jahre 1997 auf der Grundlage des dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrags die „Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich“ (KEK) gegründet. Ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung der Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen zu überprüfen und die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Bei Zulassungsverfahren zur Programmveranstaltung und bei Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse an Fernsehveranstaltern beurteilt die KEK, ob ein Unternehmen durch die Veranstaltung ihm zurechenbarer Programme oder durch die Veränderung von Beteiligungsverhältnissen oder beides vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Zur Durchführung einer bundeseinheitlichen Konzentrationskontrolle sind ihr diese Aufgaben als Beschlussorgan und Vermittlungsinstanz für alle Landesmedienanstalten zugewiesen worden. Erst kürzlich hatte die KEK die geplante Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Axel Springer Konzern untersagt. Maßgeblich für die Entscheidung war die Einschätzung , dass der Springer-Konzern bei einer Übernahme mit seinen gesamten Medienaktivitäten , insbesondere auch auf dem Zeitungsmarkt, vorherrschende Meinungsmacht erlange (Röper 2006, 115)20. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV vertrat die KEK die Auffassung , dass nach einer Übernahme auf dem Fernsehmarkt ein Zuschaueranteil von 25 % erreicht sei, und zudem auf dem „medienrelevanten verwandten Markt“ der Printmedien der Axel Springer Konzern ohnehin eine marktbeherrschende Stellung innehabe 21. Somit sei eine unzulässige vorherrschende Meinungsmacht gegeben. Mit dieser 18 Der Bertelsmann Konzern ist Haupteigner der RTL Group. Vgl. zu verschiedenen Beteiligungsverhältnissen die Internetseiten der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) : www.kek-online.de . Eine Übersicht der großen Konzerne ist beigefügt (Anlage 2). 19 Haupteigner ist der amerikanische Unternehmer Haim Saban, der jedoch zurzeit u.a. aufgrund von fehlenden guten Aussichten auf dem Werbemarkt einen Verkauf der Sendergruppe anstrebt. 20 Siehe zu den aktuellen Zuschaueranteilen aller Sender Anlage 3. 21 Der Beschluss mit dem Aktenzeichen: KEK 293-1 bis 5 ist zu finden unter http://www.kekonline .de/kek/verfahren/kek293prosieben-sat1.pdf. Im Anschluss an die gescheiterte Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Springer versuchte Haim Saban, die Sendergruppe an NBC Universal zu verkaufen. Der US-Konzern war jedoch nicht an einer Übernahme interessiert. Vgl. hierzu einen Artikel im „Handelsblatt“ unter: http://www.handelsblatt.com/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,201197,1085235/SH/0/d epot/0/verkauf-von-pro-sieben-sat-1-stockt.html - 12 - Entscheidung hat die KEK den so genannten cross-medialen oder diagonalen Verbindungen , die durch die multimediale Betätigung der Konzerne den Privatrundfunk schon seit seinen Anfängen begleiten, Grenzen gesetzt. Cross-mediale Verflechtungen bergen ein Potenzial für multimediale Meinungsmacht, indem sie publizistischen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung durch die Kombination verschiedener Teilmedien wie Zeitungen, Fernseh- und Hörfunksender oder Onlineangebote vervielfältigen22. Hiervon zu unterscheiden ist die vertikale Verflechtung, also die verschiedenen Produktionsstufen des Rundfunks, die durch den direkten Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten u. a. Kostenvorteile und eine größere Risikostreuung erreichen können. Dies kann dann problematisch werden, wenn die horizontale Konzentration auf den vor- und nachgelagerten Märkten so weit fortgeschritten ist, dass der Zugang von konkurrierenden TV-Unternehmen zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten durch eine solche vertikale Verbindung eines Programmveranstalters eingeschränkt oder gefährdet wird. Für private Fernsehveranstalter ist die vertikale Integration ein Mittel, zusätzliche Erlösquellen neben den dominanten Werbeeinnahmen zu schaffen. Des Weiteren ist die Tendenz zu beobachten, die Rentabilität der Privatsender zunehmend auf die Zuschauer abzuwälzen , indem diese über Shopping- oder Call-In-Aufwendungen, Ausgaben für Abonnements oder Merchandisingprodukte zur Finanzierung der Sender erheblich beitragen sollen (Kiefer 2004, 562). Diese Verschärfung der Macht- und Medienkonzentration im privaten Rundfunk und die damit einhergehende publizistische Konzentration bringt dem Zuschauer weniger journalistische Vielfalt, als „more of the same“, wie Medienökonomen eine Erscheinung nennen, bei der Konkurrenten untereinander erfolgreiche Formate kopieren, um die attraktivste Zielgruppe für sich zu gewinnen (Hachmeister/ Rager 2002, 14).23 Diese Entwicklungen auf dem privaten Fernsehmarkt erschweren die Bedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aufgrund des verfassungsgerichtlich festgelegten Rundfunkauftrags kann und darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht im Sinne wirtschaftlicher Interessen handeln. Andererseits muss auch er sich an die neuen Begebenheiten gerade im Technikbereich anpassen und auf die immer erfolgreicher werdenden Privatsender reagieren. Um dies zu finanzieren sind auch die öffentlich-rechtlichen Sender neben den Rundfunkgebühren zunehmend auf ihre Werbeeinnahmen angewiesen . Dies wiederum wird regelmäßig von den kommerziellen Sendern kritisiert, als unlauterer Wettbewerb bezeichnet und sogar eine Abschaffung der Werbung bei ARD und ZDF gefordert. Eine Abschaffung wird jedoch nicht zu realisieren sein, da die Werbe- 22 Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Format „Deutschland sucht den Superstar“ der Bertelsmann AG. Neben der Fernsehsendung beim Sender RTL wurden über konzerneigene Unternehmen Zeitschriften , CDs, Onlineangebote etc. vertrieben. 23 Ein Beispiel hierfür sind Quizshows, die nach dem Erfolg von „Wer wird Millionär“ nun auf fast allen großen – auch öffentlich-rechtlichen - Sendern angeboten werden. - 13 - wirtschaft nicht auf das Qualitätsumfeld des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verzichten will und zudem auch sonst der Gebührenzahler zusätzlich belastet würde 24 (Plog 2004). Aus diesem Grunde setzen die Privatsender für die Zukunft zunehmend auf Pay- TV, welches jedoch nur erfolgreich wäre, wenn eine Beschränkung des frei verfügbaren Angebots stattfände. Hierzu müsste auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden, beispielsweise durch eine Senkung der Rundfunkgebühren. So könnten sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr adäquat finanzieren und dem Zuschauer stünde es frei zu wählen, für welchen Pay-TV- Kanal er sein Geld ausgeben wollte. Die letzte Gebührenerhöhung um lediglich 88 Cent, s.o., könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. 2.2.1.1. Die „Telekom-Bundesliga“ Ein Beispiel für ein Unternehmen, das verstärkt im Mediengeschäft aktiv wird ist die Deutsche Telekom. Dies zeigte sich insbesondere unlängst beim Streit um die Übertragungsrechte der Bundesliga. Die Deutsche Telekom hatte im Dezember 2005 für 45 Millionen Euro die Internet-Übertragungsrechte (Internet Protocol Television - IPTV) für die Fußball-Bundesliga ab der Saison 2006/2007 von der Deutschen Fußball Liga (DFL) zugesprochen bekommen. Das in diesem Sommer startende IPTV-Portal soll den Namen „T-Home“ tragen und neben den Fußballübertragungen rund 100 weitere Sender anbieten. Geplant seien 60 frei empfangbare TV-Sender und entsprechende Pay-TV- Angebote.25 ARD und ZDF stellten ihre Programme der Telekom (noch) nicht zur Verfügung , da die von der Telekom verwendete IPTV-Softwareplattform von Microsoft einige wichtige europäische technische Fernsehstandards 26, zu deren Einhaltung die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Sinne des Rundfunkauftrags verpflichtet sind, nicht unterstütze. Zudem sei sie inkompatibel zu anderen Lösungen. Erst wenn dies behoben sei, wären auch die Öffentlich-Rechtlichen zu einer Zusammenarbeit bereit. Die Programme sollen durch die Telefonleitung über das neue Hochgeschwindigkeits- Breitbandnetz VDSL übertragen werden. Die Telekom will mit dem neuen VDSL-Netz sowohl Internetzugang, Internettelefonie als auch Internet-Fernsehen (IPTV) parallel anbieten. Diese Konvergenz der Medien ist eine Folge des technischen Fortschritts und 24 Die Werbeeinnahmen verringern die Rundfunkgebühr um ca. 1,50 € im Monat. 25 Vgl. hierzu einen Artikel des Magazins „Stern“ unter http://www.stern.de/computertechnik /internet/:Internet-Fernsehen-T-Home--/562780.html 26 Dies ist z.B. der TV-Standard DVB-IPI (Digital Video Broadcasting Internet Protocol Infrastructure ). DVB-IPI ist, genauso wie das Framework DVB, ein offener, herstellerunabhängiger ETSI- Standard (European Telecommunications Standards Institute), der sich nahtlos sowohl in die Architektur der Rundfunksender, als auch in die des Internets integriert. - 14 - ermöglicht erneut die Ausbreitung von cross-medialen Effekten.27 Bezüglich der Bundesligaübertragung , die als Zugpferd des neuen IPTV fungieren soll, ist die Telekom neben der ARD, die weiterhin die Free-TV-Rechte nutzen darf, und der Kabelfirmatochter Arena 28, die die Pay-TV-Rechte zur alleinigen Liveübertragung der Spiele für ca. 700 Millionen Euro erworben hatte, der dritte große Lizenznehmer. Die ARD hatte für die Ausstrahlung im gebührenfinanzierten Fernsehen ca. 100 Millionen Euro pro Saison bezahlt, das ZDF erhielt die Zweitverwertungsrechte. Die starke Preiserhöhung insbesondere bei den Sportübertragungsrechten ist darauf zurückzuführen, dass die Konkurrenzbedingungen sich geändert haben und zunehmend Rechtehändler auftreten, die sich zwischen die Sport- und die Rundfunkveranstalter stellen. Um beim Rechtehandel wirtschaftlich mitagieren zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben, haben ARD und ZDF die Sportrechte- und Marketing-Agentur GmbH „SportA“ gegründet. Die 1995 ins Leben gerufene Agentur mit Sitz in München ist eine 100-prozentige Tochter der Landesrundfunkanstalten der ARD und des ZDF. Sie erwirbt Fernsehrechte und andere mediale Verwertungsrechte nationaler und internationaler Sportveranstaltungen zur Vermarktung innerhalb Deutschlands und zur internationalen Vermarktung .29 Dies zeigt, dass sich auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verstärkt privatwirtschaftlich in Form von Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften betätigen müssen , da die öffentlich-rechtliche Form hierfür ungeeignet ist und nicht konkurrenzfähig wäre. Da sich Öffentlich-Rechtliche jedoch nicht, anders als Privatrechtsubjekte, auf den Grundsatz der Privatautonomie berufen können, ist ihnen die Gründung von bzw. die Beteiligung an Privatrechtsgesellschaften nur gestattet, wenn dies im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben erfolgt.30 Dabei muss berücksichtigt werden, dass zum Tätigkeitsbereich der Rundfunkanstalten nicht nur die Programmveranstaltung zählt, sondern sie auch in vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen tätig werden dürfen, solange dies nicht ausschließlich erwerbswirtschaftlichen Zwecken, sondern der Erfüllung des Rundfunkauftrags dient. Zum Teil werden die Anstalten – wie beim Rechtehandel – erst durch die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft in die Lage versetzt, in Bereichen , in denen sie sich zuvor weniger haben behaupten können, erfolgreich zu agieren (Link 2005, 51). Auch der Rechtehandel ist ein Mittel zur Erfüllung des Rundfunkauftrags , da er dem Zuschauer den freien Zugriff auf Informationen erst ermöglicht. Die Telekom und ihr Vertragspartner, der Pay-TV-Sender Premiere, interpretierten den Vertrag mit der DFL jedoch dahingehend, dass sie berechtigt seien, die Bilder nicht nur im Internet, sondern auch via Premiere über Kabel oder Satellit auszustrahlen. Dies grif- 27 Siehe oben unter Punkt 2.2.1, S. 10/11. 28 Arena ist eine hundertprozentige Tochterfirma des Kölner Kabelnetzbetreibers Unity Media, hinter dem wiederum ausländische Finanzinvestoren wie Apollo, BC Partners und Golden Tree stehen. 29 Siehe hierzu auf den Internetseiten der ARD http://db.ard.de/abc/main.index_abc 30 BVerfGE 83, 238, 304. - 15 - fe jedoch in die Rechte der Firma Arena ein, die die exklusiven Live-TV-Rechte erworben hatte.31 Sehr bald könnte sich aber offenbar eine Einigung in Form eines Kompromisses ergeben, die Telekom verzichte auf eine Ausweitung der Übertragung über Kabel und Satellit, erhalte dafür aber im Gegenzug die Rechte für die Übertragung auf das Handy und die Namensrechte für die Bundesliga zu günstigeren Bedingungen. Somit könnte die Bundesliga demnächst als „Telekom-Bundesliga“ oder „T-Com-Liga“ bekannt werden. Ein solches Namenssponsoring würde der Telekom erhebliche Werbemöglichkeiten bringen, wie z.B. eine Einbindung in das DFL-Logo oder Werbung auf den Trikots aller Bundesligavereine. Für die öffentlich-rechtlichen Sender hätte ein solches Ligasponsoring der Telekom zur Folge, dass auch in den Sportsendungen von ARD und ZDF immer von einer „Telekom -Liga“ gesprochen werden würde. In einzelnen Gremien der ARD, beispielsweise im Verwaltungsrat des WDR, wurden bereits Vorbehalte gegen dieses Vorgehen laut – es wurde kritisiert, dass die Sportschau somit zum kommerziellen Transporteur würde und dabei Werbung für einen Konkurrenten mache (Jakobs 2006). Problematisch ist weiter, dass die Live-Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga nun in Händen einer Kabelfirma liegen, diese also nicht mehr nur für die reinen Übertragungswege von Programmen verantwortlich ist, sondern nun auch für die Inhalte. Dies wurde bisher strikt getrennt. Aufgrund der dadurch entstehenden Möglichkeiten zur Begünstigung eigener Geschäftsbereiche wird teilweise eine stärkere Beaufsichtigung bzw. Regulierung dieses Bereichs gefordert (Gäbler 2005), ausführlich dazu später unter Punkt 2.4. 2.2.2. Die Digitalisierung des Rundfunks Ende des Jahres 1993 einigten sich zwölf europäische Länder darauf, möglichst rasch eine Spezifikation für die Übertragung digitaler Fernsehsignale über Satellit und Kabel zu erstellen; die Einführung war bereits für 1995 geplant. Ab 1997 begannen beinahe alle überregionalen deutschen Sender, privat wie öffentlich-rechtlich, vorwiegend über die Astra-Satelliten des luxemburgischen Betreibers SES parallel zur analogen mit der digitalen Ausstrahlung. Die Digitalisierung des Fernsehbildes ermöglicht es, mehr Programme über das Kabel, den Satelliten oder die Antenne zu senden als bisher. Das Bild wird dabei in winzig kleine Teile zerlegt und in komprimierter Form gesendet. Die Übertragungsbandbreite ist größer als bei analogem Fernsehen, da nur die tatsächlichen Bildveränderungen über- 31 Vgl. hierzu http://www.wams.de/data/2006/05/21/890150.html - 16 - tragen werden. So können über einen analogen Kanal bis zu vier digitale Programme ausgestrahlt werden und Kapazitätsengpässe beseitigt werden. Der international vereinbarte Standard für die digitale Übertragung von Fernsehprogrammen und Multimediadiensten nennt sich Digital Video Broadcasting (DVB), wobei die Abkürzung DVB-S für die Übertragung via Satellit steht, DVB-C für eine Übertragung via Kabel und DVB-T beschreibt die Ausstrahlung der digitalen Bilder über terrestrische Sendeanlagen. Alle drei Übertragungswege haben unterschiedliche Stärken. Während der Satellit bei großen Entfernungen erfolgreich ist, kann das digitale Kabel einen Rückkanal und schnelle Internetleistungen liefern. DVB-T bietet gerade in den Ballungsräumen völlig neue Nutzungsformen , da es den Fernsehempfang mobil macht. Nach Planungen der Bundesregierung vom August 1998 sollen ab 2010 alle Fernsehprogramme nur noch digital ausgestrahlt werden. Die analogen Übertragungen laufen dann aus und werden von der Digitaltechnik abgelöst, die mehr Programme in einer besseren Qualität verspricht.32 Über die Zuordnung und Nutzung der Übertragungskapazitäten, also den Zugang zu den Medien , entscheiden die Länder; die Rahmenbedingungen sind im IV. Abschnitt (§§ 50- 53a) des RStV geregelt33. 2.2.2.1. DVB-T Der Umstieg auf die DVB-T-Technik („ÜberallFernsehen“) schafft eine völlig neue Konvergenz der Medien: Rundfunk, Mobilfunk und Internet verbinden Inhalte fast beliebig miteinander und bieten so dem Verbraucher individuelle Mehrwertdienste. Konnten Rundfunk und Telekommunikation in der Vergangenheit durch die Unterscheidung von Inhalt und Technik voneinander abgegrenzt werden, wird die Grenze zwischen Programm und Verbreitungstechnologie durch die neuen digitalen Möglichkeiten nun für wechselseitige Verknüpfungen und Übertritte geöffnet (Vesting/Hahn 2003, Rd. 18). DVB-T ist der digitale Standard der so genannten Multimedia Home Platform (MHP), die es dem Nutzer ermöglicht, sowohl rundfunkbasierte (z.B. Informationsseiten, Spiele , Programmübersichten) als auch interaktive Dienste, die per zusätzlichem Rückkanal zum Sender „zurückübertragen“ werden (z.B. Abstimmungen, Quizfragen, Homeshopping ) mit Hilfe einer so genannten Set-Top-Box (Dekoder) in Anspruch zu nehmen. Somit können digitalisierte Inhalte auf verschiedenen Vertriebswegen multimedial genutzt werden. Die MHP-Plattform bietet eine einheitliche, offene Schnittstelle für alle Beteiligten zur Entwicklung von interaktiven, multimedialen Mehrwertdiensten für digitale TV-Programme und Dienste. „Intelligente“ elektronische Programmzeitschriften (Electronic Program Guides – EPG) können zudem den Nutzer individuell nach seinen 32 Siehe hierzu umfassend http://www.alm.de/index.php?id=37 33 Hierzu im Folgenden mehr unter Punkt 2.4. - 17 - Wünschen bedienen (Altendorfer 2001, Rd. 110).34 Mit Hilfe dieses elektronischen Navigationssystems soll der problemlose Zugang zu jedem einzelnen Inhalt in der Vielzahl der angebotenen Programme gewährleistet werden. Da kein fester Antennenanschluss mehr benötigt wird, ist DVB-T mit den entsprechenden Zusatzgeräten nahezu überall funktionsfähig. In Bezug auf das Fernsehen ist durch die digitale Technik - Bild- und Tonsignale werden vor der Übertragung so verdichtet, dass sie nur einen Bruchteil der Frequenzstärke eines analogen Programms benötigen ("MPEG"-Verfahren) – die Übertragung von bis zu 30 Programmen über eine Frequenz per Antenne mit DVB-T möglich . Die digitalisierten Daten müssen bei den meisten Fernsehgeräten durch einen Digitalreceiver , der Set-Top-Box, entschlüsselt und in analoge Signale umgewandelt werden . Anfang 2003 begann etwas später als in anderen europäischen Ländern (Großbritannien: 1996) die Einführung von DVB-T im Großraum Berlin. Mit der vollständigen Abschaltung des analogen terrestrischen Fernsehens in diesem Gebiet bereits im August desselben Jahres nahm Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle ein. Hierauf folgte die Umstellung auf DVB-T in weiteren deutschen Ballungsgebieten. In manchen Regionen sind jedoch nur die öffentlich-rechtlichen Kanäle über DVB-T zu empfangen, die privaten Sender verzichten aus Kostengründen (noch) auf eine Verbreitung via DVB-T.35 Der Ausbau des digitalen Antennenfernsehens soll laut ARD und ZDF auch in ländlichen Regionen zügig von Statten gehen. Bis 2008 soll die flächendeckende Umstellung abgeschlossen sein. 2.2.2.2. Digitale Angebote der Öffentlich-Rechtlichen Gemäß § 19 Abs. 4, 5 RStV sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausdrücklich berechtigt, ihre Programme in digitaler Technik zu verbreiten. Dies vollzieht sich im Rahmen der Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das digitale Fernsehbouquet der ARD nennt sich ARD digital. Hierüber werden sämtliche gleichzeitig auch analog gesendete regionale Programme der Landesrundfunkanstalten sowie das Hauptprogramm „Das Erste“ ausgestrahlt, welches so z.B. auch zeitversetzt gesehen werden kann. Hinzu kommen die drei ausschließlich digitalen Programmangebote EinsPlus, EinsExtra und EinsFestival. Auch inhaltlich gesehen erfüllt die ARD somit den Auftrag des Gesetzgebers, indem sie die Programminhalte auf die 34 In der „Mainzer Erklärung“ im Jahre 2001 haben sich alle TV-Anbieter auf eine neutrale, offene Digitalfernsehen-Plattform nach dem MHP-Standard geeinigt. 35 Übersichtskarte zum DVB-T-Empfangsbereich unter http://www.ueberallfernsehen.de/; vgl. auch die Regelung in § 52a Abs. 2 RStV. - 18 - Bereiche Information, Kultur, Unterhaltung und Dokumentation beschränkt. Darüber hinaus werden die interaktiven Angebote des TV-Portals (Programminfos und aktuelle Nachrichten) und des ARD-Online-Kanals angeboten. Gemeinsam mit dem ZDF veranstaltet die ARD den Kinderkanal KI.KA, den Ereignis- und Dokumentationskanal PHOENIX und zusammen mit der französischen Fernsehproduktionsgesellschaft ARTE-France das Europäische Kulturprogramm ARTE. Der deutschsprachige Kultursender 3sat wird gemeinsam vom ZDF, SRG, SSR idée suisse und der ARD veranstaltet . Das ZDF nennt sein digitales Angebot ZDF vision. Es umfasst neben dem gleichzeitig analog ausgestrahlten Hauptprogramm des ZDF drei digitale Sender, nämlich den ZDF- Dokukanal, den Infokanal und den Theaterkanal. Auch diese Digitalprogramme sind inhaltlich also vom Rundfunkauftrag erfasst. Die Sendezeiten werden teilweise unter den verschiedenen Programmangeboten aufgeteilt. So teilen sich beispielsweise der KI.KA, der Dokukanal sowie das digitale Programm von 3sat eine Frequenz. ARD und ZDF nutzen zur Programminformation ebenfalls die Möglichkeit, EPGs anzubieten , um individuell auf die Wünsche des Zuschauers eingehen zu können. Mit Hilfe dieser elektronischen Programmführer wollen sie die Vorgaben der Europäischen Kommission erfüllen. Folglich wird die Nutzung der Programme durch die digitale Technik immer weiter individualisiert. Der Zuschauer kann Sendungen zeitversetzt anschauen , sich interaktiv einbringen und sogar unterwegs fernsehen. Letzteres wird möglich durch die Entwicklung des so genannten Handy-TV, welches die asynchrone Nutzung noch weiter vorantreibt. Eine Auffächerung in immer speziellere Spartenkanäle, perfekt abgestimmt auf einzelne Situationen ist im Zuge der digitalen Technik kein Problem mehr. Bezüglich des Handy-TV werden in der Zukunft von den Sendern eigens auf die kurzen Zeitspannen der Nutzung abgestimmte Formate gesendet werden. Hiervon möchten auch die öffentlich-rechtlichen Sender profitieren. Das ZDF beispielsweise hat sein Programm dem Handy-TV zur Verfügung gestellt, das gerade von der Firma Mobiles Fernsehen Deutschland (MFD) in einigen deutschen Städten gestartet worden ist. Hierbei werden zunächst vier Programme über den Mobilfunkbetreiber Debitel im DMB-Standard (Digital Multimedia Broadcasting) gesendet36. In Japan und Korea läuft dieser Standard bereits im Regelbetrieb. Die Programme werden nicht - wie die damals wenig erfolgreichen UMTS-Lizenzen - über das Mobilfunknetz empfangen, sondern von terrestrischen Antennen ausgestrahlt und sind verschlüsselt. Der Nutzer muss eine monatliche Gebühr entrichten sowie vor allem eines der wenigen „fernsehtauglichen“ teuren Mobiltelefone besitzen. Das Unternehmen MFD hat für fast alle Bundesländer 36 Neben dem ZDF sendet auch N24 sein Hauptprogramm, ProSiebenSat1 und MTV bieten eigens konzipierte Sendungen an. - 19 - von den Landesmedienanstalten Lizenzen erhalten. Da es sich um klassischen Rundfunk handelt, sind diese für die Zulassung zuständig. Für die konkurrierende Technik DVB-H (Digital Video Broadcasting- Handheld), eine Variation des terrestrischen Antennenfernsehens DVB-T, gibt es noch keine Ausschreibung . Die großen Mobilfunkanbieter T-Mobile, Vodafone, O2 und Eplus haben jedoch gemeinsam mit ARD und ZDF in einigen deutschen Städten mit einer zweimonatigen Testphase begonnen, bei der 16 Fernsehkanäle über das Mobiltelefon angeboten werden .37 Über DVB-H können bis zu 30 Programme inklusive eines Rückkanals verbreitet werden. Der Nachteil von DVB-H liegt jedoch darin, dass es bis 2010 nicht flächendeckend empfangbar sein wird, da erst dann, mit der endgültigen Einstellung der analogen Kanäle, wieder Frequenzen in großem Umfang frei werden. Die ARD verfügt bereits über eigene Frequenzen für Handy-TV, da sie einen Zwischenhandel über die Mobilfirmen vermeiden will. ARD und ZDF möchten gewährleisten, dass ihre Programme auch über Handy weiterhin kostenfrei und im Sinne des Rundfunkauftrags zu empfangen sind.38 Mobilfunkbetreiber, die im Bereich Handy-TV eine der letzten Wachstumsbranchen sehen, möchten entsprechende Angebote hingegen mit Aufpreisen verbinden. Mitte 2007 soll DVB-H auf den Markt kommen und erst dann wird wohl eine Entscheidung fallen, welcher der beiden Standards der vorherrschende sein wird. Alles in allem ist jedoch anzunehmen, dass das mobile Fernsehen die herkömmlichen Fernsehgeräte auf keinen Fall ersetzen wird. 2.3. Regelungen der EU im Bereich der audiovisuellen Medien Der Bereich der audiovisuellen Medien ist im Art. 151 Abs. 4 des Amsterdamer Vertrags ausdrücklich erwähnt. Darin ist festgelegt, dass die Gemeinschaft die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und erforderlichenfalls deren Tätigkeit in den Bereichen künstlerisches und literarisches Schaffen, einschließlich im audiovisuellen Bereich, unterstützt und ergänzt (Dörr 2005, 334). Ferner wird festgehalten, dass die EU bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen des Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen hat. Zusätzlich wurde dem Amsterdamer Vertrag ein Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angefügt.39 Dies soll den Willen der Mitgliedstaaten bekunden, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu kräftigen. Er sei unmittelbar mit den demokratischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnissen einer 37 Vgl. hierzu http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/510/77433/ 38 Ein fernsehtaugliches Mobiltelefon gilt jedoch ebenfalls als Empfangsgerät im Sinne von § 1 RGebStV. Wenn es sich nicht um ein Zweitgerät handelt, müssen folglich auch für das Handy GEZ- Gebühren gezahlt werden. 39 Siehe Anlage 4. - 20 - jeden Gesellschaft sowie mit der Notwendigkeit der Erhaltung einer pluralistischen Medienlandschaft verbunden. Zudem sei es Aufgabe der Mitgliedstaaten, die geeigneten Voraussetzungen für ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaffen und ihm seinen Auftrag zuzuweisen. Originär fällt Rundfunk nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EGV.40 Sie bildet den Ausgangspunkt der Entwicklung des gesamten EU-Medienrechts. Kritisiert wurde diese Entscheidung insbesondere wegen der Einstufung des Rundfunks als rein wirtschaftlich verstandene Dienstleistung (Betz 1989, 677, 683). In seinen jüngeren Entscheidungen legt das Gericht den Akzent jedoch nicht mehr ausschließlich auf die wirtschaftliche Freiheit, sondern berücksichtigt es als anerkennenswertes Ziel nationaler Rundfunkpolitik , Fernsehen mit pluralistischen und nicht-kommerziellen Programminhalten zu erhalten .41 Deswegen hindert die Dienstleistungsfreiheit die Mitgliedstaaten nicht daran, aus öffentlichem Interesse bestimmte Fernsehsendungen dem Wettbewerb zu entziehen. Hierbei stellt der EuGH die Verbindung zu Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) her, der die Wahrung der Meinungsvielfalt und der freien Meinungsäußerung schützt. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei gerechtfertigt , weil die Aufrechterhaltung des Pluralismus die Meinungsvielfalt bewahre. Damit wurde der Konflikt zwischen dem Gemeinschaftsrecht mit seiner wirtschaftlichen Ausrichtung und deutschem Verfassungsrecht, welches dem Prozess der Meinungsbildung Vorrang einräumt, erheblich entschärft (Hesse 2003, 346). Eine neuere Schranke für Maßnahmen der EU auf wirtschaftlichem Gebiet stellt auch Art. 11 der Europäischen Grundrechtecharta aus dem Jahr 2000 dar, der die Freiheit und Pluralität der Medien zum Thema hat. Der Pluralismus der Medien wird als wichtiger Gemeinschaftswert anerkannt und als in den Mitgliedstaaten bestehend vorausgesetzt (Stock 2000). 2.3.1. Die europäische Fernsehrichtlinie Die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“42 bildet den Eckpfeiler des Sekundärrechts der EU-Politik im audiovisuellen Bereich. Die im Jahr 1989 angenommene und erstmals im Jahr 1997 überarbeitete Richtlinie stützt sich auf zwei Grundprinzipien: den freien Empfang europäischer Fernsehsendungen innerhalb des Binnenmarkts ; 40 EuGH Slg. 1974, S. 411, 428. 41 EuGH-Urteil vom 18.6.1991, in JZ 1992, S. 682. Dies zeigt sich auch im o.g. Zusatzprotokoll des EGV über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in Art. 151 EGV und im Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 EGV. 42 Richtlinie 89/552/EEC. - 21 - die Verpflichtung der Fernsehveranstalter, im Rahmen des praktisch Durchführbaren den Hauptanteil ihrer Sendezeit europäischen Werken vorzubehalten („Sendequoten“). Neben diesen Grundprinzipien soll die Fernsehrichtlinie wichtige Anliegen des öffentlichen Interesses wie etwa die kulturelle Vielfalt, den Jugendschutz (Maßnahmen gegen Programme, die Gewalttätigkeiten oder Pornographie zeigen) und das Recht auf Gegendarstellung bewahren. Ferner enthält sie detaillierte Vorschriften über Inhalt und Häufigkeit von Fernsehwerbung.43 Sie schreibt den Mindeststandard fest, den die mitgliedstaatliche Regulierung der Inhalte von Fernsehsendungen gewährleisten muss. 1992 wurde zudem die Gründung der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle beschlossen . Mit dem Auftrag der Verbesserung des Informationsflusses und Förderung der Markttransparenz wurde die Informationsstelle mit Sitz in Strassburg als ein so genanntes „Erweitertes Teilabkommen“ dem Europarat angegliedert. Die Informationsstelle zählt heute 36 europäische Staaten und die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Europäische Kommission, als Mitglieder. Sie finanziert sich zu einem Teil über direkte Beiträge der Mitglieder zum anderen Teil aus den Erlösen des Verkaufs ihrer Produkte und Dienstleistungen.44 Bei der Überarbeitung der Fernsehrichtlinie im Jahr 1997 sollte insbesondere die Anwendung einiger Vorschriften der Richtlinie auch auf internetbasierte Dienstleistungen festgelegt werden. Im Jahre 2002 kam die Kommission zu der Auffassung, dass eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie wohl in der Zukunft geboten sei, um den technologischen Entwicklungen und strukturellen Veränderungen des audiovisuellen Marktes Rechnung zu tragen. Zuvor fielen insbesondere individuelle Abrufdienste nicht unter die Fernsehrichtlinie, sondern unter den Anwendungsbereich der so genannten „E- Commerce“-Richtlinie.45 Diese Trennung von Fernsehen und anderen Mediendiensten scheint jedoch im Sinne der rapide fortschreitenden Konvergenz nicht mehr gerechtfertigt , da teils identische Inhalte damit unterschiedlichen Regulierungsanforderungen unterliegen . Am 13. Dezember 2005 hat die Kommission unter der Federführung von EU- Kommissarin Viviane Reding dann einen Richtlinienentwurf zur Änderung der Fernsehrichtlinie vorgestellt46, um sicherzustellen, dass für alle Arten von audiovisuellen Diensten , unabhängig vom Übertragungsweg, die gleichen Grundregeln gelten. Hierbei werden folgende Änderungen vorgeschlagen: 43 Vgl. hierzu http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l24101.htm 44 Die Geschichte der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle ist dargestellt unter http://www.obs.coe.int/about/oea/org/mission.html 45 Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.2000 46 Dieser ist in der englischen Originalsprache zu finden unter http://europa.eu.int/information_society/services/doc_temp/i05_1573en.pdf - 22 - - Herkunftslandprinzip: Das Herkunftslandprinzip oder auch Sendestaatsprinzip genannt, legt fest, dass sich die Zulässigkeit eines Programms grundsätzlich nach dem Recht des Sitzstaates des Veranstalters beurteilt. Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet. Mit dem Herkunftslandprinzip soll angesichts der zunehmend grenzüberschreitenden Dimension des Rundfunks Rechtssicherheit geschaffen werden. Nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundstandards kann die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten beschränkt werden (Thaenert 2005, 280). - Neue Regelungen für Werbung und Produktplatzierung: Mit der Digitalisierung des Fernsehens werden moderne Videorecorder mit eingebauter Festplatte immer populärer. Mit diesen Geräten ist es möglich, Werbepausen eines aufgenommenen Programms zu überspringen. Durch die Verbreitung dieser Technologie wird Werbung immer unattraktiver und günstiger werden. Hierdurch wird die große Einnahmequelle vieler privater Fernsehkanäle sowie öffentlicher Sender sich immer weiter verringern. Nach Ansicht der Kommission könnte auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen Produktplatzierung - eine zu bezahlende Platzierung von Produkten in Kinofilmen, TV-Sendungen und Nachrichten - eine Lösung sein. Die Kommission möchte diese Entscheidung den Mitgliedstaaten überlassen. Allerdings heißt es in dem Vorschlag auch, dass es diesbezüglich einige verbindliche Auflagen geben sollte, wie z.B.: Die Produktplatzierung sollte vor Beginn des betreffenden Programms genannt werden, die Produkte dürfen nur platziert, nicht aber gepriesen werden, Produktplatzierungen dürfen nicht in Kindersendungen eingebaut werden und einige Produkte, wie beispielsweise Zigaretten oder rezeptpflichtige Medikamente dürfen gar nicht platziert werden. Die unlängst in Deutschland geführte Diskussion, als Produktplatzierung in einigen Sendungen der ARD stattgefunden hatte, zeigte jedoch, dass die deutsche Regierung einer Legalisierung von Produktplatzierung auf europäischer Seite weiterhin ablehnend gegenüber steht. Die Trennung von Werbung und Programm sei eine Frage der Glaubwürdigkeit der Medien, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe.47 In Bezug auf „herkömmliche“ Werbung setzt die EU auf Deregulierung und Eigenverantwortung der Sender. Die Regelung zur täglichen Höchstdauer von Werbung wird aufgehoben, die stündliche Begrenzung von zwölf Minuten bleibt bestehen. Einige Eckpfeiler, wie das Blockwerbegebot, sollen jedoch erhalten bleiben - Werbung muss also weiterhin gebündelt gesendet werden. Eine Ausnahme hierzu bilden Sportveran- 47 So Kulturstaatsminister Bernd Neumann, siehe unter http://www.bundesregierung.de/Bundesregierung/Beauftragter-fuer-Kultur-und-M-,13006/EU- Fernsehrichtlinie.htm - 23 - staltungen - kleine Unterbrechungen im Spiel können künftig für Werbespots genutzt werden. Die Bundesregierung begrüßt die Flexibilisierung der Werbebeschränkungen und hält sogar weitere Deregulierung in diesem Bereich für nötig.48 - Audiovisuelle Mediendienste: Die Kommission erwägt eine Umbenennung der Fernsehrichtlinie in „Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“. Hiermit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass viele das Internet betreffende Regelungen in die Richtlinie aufgenommen wurden. Diese Ausweitung betrifft hauptsächlich auf Abruf bereitgestellte Shows, Filme, Serien, Sportereignisse und Nachrichtenberichte. Folglich soll die E-Commerce-Richtlinie in die Fernsehrichtlinie eingegliedert werden. Es wird nun unterschieden zwischen „linearen “ und „nicht-linearen“ Diensten. Mit linear sind alle frei ausgestrahlten Dienste gemeint , die nur zu einem festen Zeitpunkt vom Nutzer in Anspruch genommen werden können, wie z.B. alle regulären Fernsehprogramme oder auch IPTV. Nicht-linear sind digitale nachfrageorientierte Dienste, die jederzeit individuell vom Nutzer abgerufen werden können (z.B. Video-on-demand). Anpassungen sind besonders im Bereich der nicht-linearen Dienste erforderlich, der bisher nicht von der Richtlinie erfasst wurde. Die Verpflichtungen für digitales nicht-lineares Fernsehen, sei es über das Internet oder mit Hilfe von Set-Top-Boxen, unterscheiden sich von jenen für herkömmliches Fernsehen , da es - auch aufgrund der individuellen Sendezeiten - nicht so leicht kontrolliert werden kann. Verschlüsselte Programme bedürfen nach Ansicht der EU weniger Kontrolle als unverschlüsselte.49 Hier soll das Prinzip der Ko- und Selbstregulierung gelten. Dem inhaltlichen Angebot sind durch folgende Beschränkungen Grenzen gesetzt: Die Mindeststandards für den Jugend- und Verbraucherschutz sollen auch für die nicht-linearen Dienste gelten Keine Aufstachelung zu (Fremden-) Hass und Gewalt Der Name des Mediendienstanbieters muss verfügbar sein (Impressumspflicht) Audiovisuelle „kommerzielle Kommunikation“ muss klar als solche erkennbar sein, d.h., Schleichwerbung ist ebenso verboten wie der Einsatz anderer versteckter Werbetechniken Achtung der Gesetze zur Produktplatzierung und Sponsoring 48 Siehe ebd. 49 Vgl. zusammenfassend auch - 24 - Achtung bestimmter Beschränkungen (z.B. keine Alkoholwerbung in Kinderprogrammen , keine Tabakwerbung) Ferner sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass auch die Anbieter nicht-linearer Dienste die Produktion und den Zugang zu europäischen Werken fördern.50 Folglich wird durch die neue Richtlinie versucht, das Medienrecht nicht vollkommen unter das Wirtschaftsrecht fallen zu lassen, sondern auch inhaltliche Bestimmungen europaweit zu regeln. Die Bundesregierung steht einer Revision der Fernsehrichtlinie, bis auf die Regelungen zur Produktplatzierung, zustimmend gegenüber. Es sei sinnvoll, Regelungen an den Inhalten und nicht am Übertragungsweg zu orientieren. So würden Wettbewerbsverzerrungen beendet und Rechtssicherheit geschaffen. Die endgültige Entscheidung über die Neufassung der Richtlinie wird voraussichtlich in den Zeitraum der EU- Präsidentschaft Deutschlands Anfang 2007 fallen. 2.3.2. Der Einfluss des GATS auf den audiovisuellen Sektor Das im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO abgeschlossene „General Agreement on Trades in Services“ (GATS) aus dem Jahre 1994 regelt den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und hat dessen fortschreitende Liberalisierung zum Ziel. Zu den wesentlichen Prinzipien des GATS gehören die Meistbegünstigung und die Inländerbehandlung. Das Prinzip der Meistbegünstigung bedeutet, dass es nicht möglich ist, Handelsvergünstigungen nur einzelnen Staaten zu gewähren, sondern dass sie stets allen WTO-Staaten zugestanden werden müssen. Einige allgemeine Ausnahmen von der Meistbegünstigung gibt es für regionale Integrationsabkommen, so dass beispielsweise die EU Handelsvorteile ihres Binnenmarkts nicht auch Drittstaaten gewähren muss. Das Prinzip der Inländerbehandlung verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ausländische Anbieter inländischen gleichzustellen. Staatliche Aufwendungen müssen auch privaten Anbietern zur Verfügung stehen. Prinzipiell erstreckt sich der Anwendungsbereich des GATS auf alle Dienstleistungen mit Ausnahme jener, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Kanada, Frankreich und andere EU-Staaten konnten sich mit ihrer Forderung nach einer kulturellen Ausnahmeklausel („exception culturelle“) nicht durchsetzen. Eine solche Übereinkunft hätte kulturelle Güter und Dienste grundsätzlich dem Zugriff der WTO entzogen. 50 Vgl. hierzu http://www.bundesregierung.de/Bundesregierung/Beauftragter-fuer-Kultur-und-M- ,13006/EU-Fernsehrichtlinie.htm - 25 - Nach einem Kompromiss wurde der audiovisuelle Sektor zwar in das GATS aufgenommen , die EU übernahm aber keine Liberalisierungsverpflichtungen. Der EU und ihren Mitgliedsstaaten wurde somit für den audiovisuellen Sektor eine Freistellung von der Anwendung der Meistbegünstigungsklausel und der Inländerbehandlung eingeräumt (Hesse 2003, 356). Die der EU gewährten Freiräume werden jedoch insbesondere von den USA in Frage gestellt, deren Forderungen auf einen leichteren Zugang der amerikanischen Filmindustrie zum europäischen Markt zielen und die auf eine Liberalisierung des audiovisuellen Sektors der EU pochen (Wiedemann 2002, 5). Eine Anwendung von Meistbegünstigungsklausel und Inländerbehandlung auf dem audiovisuellen Sektor hätte jedoch weitreichende Folgen sowohl für die europäische Filmwirtschaft, als auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Gebührenfinanzierung würde sich unter Umständen als unzulässige Subventionierung darstellen; der öffentliche Auftrag müsste am Markt ausgeschrieben und demjenigen erteilt werden, der die wirtschaftlich günstigsten Bedingungen bietet (Hesse 2003, 356), ansonsten läge eine Wettbewerbsverzerrung vor. Eine adäquate Umsetzung des Grundversorgungsauftrags wäre dann kaum mehr zu realisieren . Staatliche Förderprogramme müssten im gleichen Maße auch ausländischen Anbietern zur Verfügung stehen, eine gezielte Förderung europäischer Produktionen wäre nicht mehr möglich - sie würde eine „Diskriminierung“ der amerikanischen Filmindustrie darstellen. Die Quotenregelung der Fernsehrichtlinie zugunsten europäischer Produktionen müsste abgeschafft werden. Zwar ist die EU bislang keine spezifischen Verpflichtungen für audiovisuelle Dienste im Rahmen des GATS eingegangen, dies ist jedoch für die Zukunft nicht ausgeschlossen , da zwar die EU selbst keine Forderungen zur Liberalisierung audiovisueller Dienstleistungen gestellt, umgekehrt aber umfassende Liberalisierungsanforderungen von anderen Mitgliedern der WTO erhalten hat.51 2.3.3. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie Die wegen der Angst um Lohn- und Sozialdumping sehr umstrittene EU- Dienstleistungsrichtlinie, deren Ziel es ist, bürokratische Barrieren abzubauen, grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen zu fördern und damit letztendlich zur Realisierung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes beizutragen, wurde am 29. Mai 2006 von den Wirtschaftsministern der 25 EU-Staaten auf den Weg gebracht 52. 51 Es heißt, dass unter diesen Mitgliedern die USA, Japan, Brasilien, Mexiko, China und Taiwan seien. Vgl. Wiedemann 2002, S. 5. 52 Vgl. hierzu die Pressemitteilung des Rates http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/06/222&format=HTML&aged=0 &language=EN&guiLanguage=en. Der Text des Richtlinienvorschlags ist zu finden unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2006:0160:FIN:DE:HTML - 26 - Die Bundesregierung hat die Verhandlungen dahingehend geprägt, dass einige besonders „sensible“ Bereiche aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausgenommen wurden. Hierzu zählt auch der audiovisuelle Sektor. In einem im März dieses Jahres veröffentlichten Positionspapier der Bundesregierung wird ausdrücklich darauf hingewiesen , dass das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Zwecke der kulturellen Vielfalt gewahrt bleiben muss. Es wird klargestellt, dass die Richtlinie Maßnahmen zum Schutz oder zur Förderung der kulturellen Vielfalt und des Medienpluralismus nicht berührt.53 Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten vorher befürchtet, durch die Richtlinie würde die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten für den Rundfunk ausgehöhlt werden. Medienkonzerne hätten ihre Firmensitze in Länder verlegen können, die bereit wären, auf medienspezifische Regulierungen zu verzichten. Die Konzerne hätten ihre – insbesondere neuen - Dienste dann ungehindert in alle EU-Staaten exportieren können, ohne an grundlegende Mindeststandards für Jugendschutz und Schutz der Menschenwürde gebunden zu sein54. Die Konsequenz der EU, auch die audiovisuellen Dienste aus der Richtlinie herauszunehmen, deckt sich zudem mit ihrer Position zum GATS-Abkommen. Nach Ansicht der Öffentlich-Rechtlichen könne ohnehin nur so die nötige Handlungsflexibilität der EU und der Mitgliedstaaten erhalten bleiben, audiovisuelle Dienste zu regulieren und zu fördern. Dies diene dem Ziel, die kulturelle Vielfalt und den Medienpluralismus zu bewahren und zu stärken. Mit der erwarteten Zustimmung des Europäischen Parlamentes wird das EU-Gesetzgebungsverfahren wahrscheinlich noch Ende dieses Jahres abgeschlossen. Für die Umsetzung in nationales Recht haben die Mitgliedstaaten dann bis zum Jahr 2009 Zeit. 2.3.4. Die europäische Transparenzrichtlinie und ihr Einfluss auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk Im Juli 2000 wurde von der EU-Kommission die dritte Änderung der Richtlinie über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und öffentlichen Unternehmen („Transparenzrichtlinie“) angenommen.55 Ihr Kernstück ist die Einführung einer Pflicht zur getrennten Buchführung für Unternehmen, denen von einem Mitgliedstaat besondere oder ausschließliche Rechte gewährt werden oder die mit der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, für welche sie staatliche Beihilfen erhalten, sofern sie in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind. Mit der Richtlinie wird bezweckt, über die Pflicht zur getrennten 53 Dies beruhte auf einem Vorschlag des EU-Parlaments. Siehe den Text des Positionspapiers auf der Seite http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/positionspapoer-der-bundesregierung-zur-eudienstleistungsrichtlinie -eckpunkte,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf 54 Vgl. hierzu den Artikel unter http://www.netzeitung.de/medien/329952.html 55 Richtlinie 200/52/EG vom 26.Juli 2000. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 193/75 vom 29.07.2004. - 27 - Buchführung Aufschluss über potenzielle Quersubventionierungen von Tätigkeiten der betroffenen Unternehmen durch öffentliche Mittel zu gewinnen (Hain 2001, 219). Zu der Frage, ob die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland einer staatlichen Beihilfe gleichkommt und somit unter den Anwendungsbereich des EU-Beihilferechts (Art. 87 ff. EGV) und der Transparenzrichtlinie fallen würde, hat der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) im April 2003 bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission offiziell Beschwerde eingelegt. Insbesondere die – auch durch Gebühren finanzierten - Online- Aktivitäten56 oder die Erweiterung der mobilen Dienste der Öffentlich-Rechtlichen werden vom VPRT kritisiert, da sie nicht nur der Erfüllung des öffentlichen Auftrages dienten, sondern auch privatwirtschaftlichen Interessen. Damit würde eine „unzulässige Inanspruchnahme öffentlicher Mittel“ stattfinden. Die Folge sei Wettbewerbsverzerrung gegenüber den privaten Sendern, die ihre Angebote im Wettbewerb um Nutzer und Werbung refinanzieren müssten, um auf dem Markt mithalten zu können. Es wird daher vom VPRT gefordert, die Aufwendungen von ARD und ZDF im Online-Bereich auf 0,3 Prozent der Anstaltsaufwendungen zu beschränken und volle Transparenz über den Einsatz von Gebührenmitteln für kommerzielle Aktivitäten in diesem Bereich zu schaffen .57 Über die Anwendung der Richtlinie auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben ARD und ZDF jedoch bereits im Jahre 2001 in einer Gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf zur Änderung der Transparenzrichtlinie deutlich gemacht, dass ihrer Ansicht nach keine Geltung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beansprucht werden könnte .58 Hierbei berufen sie sich auf das Amsterdamer Protokoll über den öffentlichrechtlichen Rundfunk59, welches festhält, dass die Bestimmungen des EG-Vertrages wie z.B. Art. 87 EGV, nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten berühren, „den öffentlichrechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, (…), dient, und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.“ Für ARD und ZDF handelt es sich beim Amsterdamer Protokoll daher um eine gemeinschaftliche Sonderregelung, die die Anwendung der Transparenzrichtlinie ausschließt. Zudem stelle die Gebührenfinanzierung keine staatliche Beihilfe dar. Bezüglich der Onlinedienste betonen die Anstalten, dass diese vom Rundfunkauftrag gedeckt seien und sogar seit dem Jahr 2000 im vierten Rundfunkände- 56 Insbesondere geht es beispielsweise um den Verkauf von Merchandising-Artikeln, Partnerbörsen o.ä. 57 Siehe dazu die Pressemitteilungen des VPRT unter www.vprt.de 58 Abzurufen unter http://www.ard.de/-/id=155902/property=download/ksn8dg/index.pdf. 59 Siehe oben unter Punkt 2.3 sowie in Anlage 2. - 28 - rungsstaatsvertrag Erwähnung fänden. Dort heißt es, dass öffentlich-rechtliche Anstalten im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung Mediendienste mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt anbieten könnten (Held/Schulz 2004, 19). Zudem seien ohne Investitionen in neue audiovisuelle Dienste die Öffentlich-Rechtlichen keinesfalls fähig, im Wettbewerb mitzuhalten, auch sie müssten sich technisch weiterentwickeln, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass Rundfunkgebühren dem europäischen Beihilferecht gemäß Art. 87 EGV unterliegen.60 Um eine Wettbewerbsverzerrung auszuschließen will die Kommission eine klare Trennung zwischen gemeinwirtschaftlichen und anderen Aktivitäten sehen. Staatliche Beihilfen dürfen nicht die Nettokosten überschreiten, die aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag erwachsen, bei Berücksichtigung der anderen direkten oder indirekten Einnahmen aus diesem Auftrag. Dies möchte die Kommission gegebenenfalls mit der Transparenzrichtlinie überprüfen. Falls eine Wettbewerbsverzerrung vorläge, müsste diese durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, den öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er vom Mitgliedstaat definiert wurde, zu erfüllen und zu finanzieren. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission im Juli 2004 die Bundesregierung zur vollständigen Umsetzung der Transparenzrichtlinie aufgefordert. In ihrem Antwortschreiben vom September 2004 hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass die Richtlinie im Jahr 2001 durch das Transparenzrichtliniengesetz bereits vollständig umgesetzt sei und im Übrigen der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland keine Beihilfen erhalte , da die Rundfunkteilnehmer die Gebühren aufgrund staatsvertraglicher Verpflichtung unmittelbar selbst an die Anstalten entrichten und diese somit in einem staatsfernen Verfahren erhoben werden. Das Verfahren zur Festsetzung der Gebühren durch die KEF sei wie in der Transparenzrichtlinie gefordert „offen, transparent und nicht diskriminierend “. Im Jahre 2005 gab es ein erneutes Auskunftsersuchen der Europäischen Kommission im Rahmen des Beihilfeverfahrens 61. Die Finanzierung der öffentlichen Rundfunkanstalten sollte offengelegt und klargestellt werden. Dabei wurden z.B. die Online-Dienste der Anstalten nicht prinzipiell in Frage gestellt, wohl aber ihr Umfang sowie ihre Finanzierung durch öffentliche Mittel. Eine Änderung des Finanzierungssystems sollte nicht ausgeschlossen werden. Im Einzelnen forderte die niederländische EU- Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes folgende Maßnahmen: eine eindeutige Definition des Grundversorgungsauftrags 60 Siehe die Positionen der Europäischen Kommission http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l26099.htm 61 Neben Deutschland wurden auch Irland und die Niederlande dazu aufgefordert. Vgl. den Artikel auf http://www.golem.de/0503/36668.html - 29 - Führung getrennter Bücher, so dass zwischen den öffentlich-rechtlichen und sonstigen Tätigkeiten unterschieden werden kann geeignete Mechanismen, um eine Überkompensation der öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten zu verhindern Gründung einer Aufsichtsbehörde, die diese Grundsätze überwacht Die Bundesregierung sowie die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich in einem Antwortschreiben, das in enger Abstimmung mit den für die Medienpolitik zuständigen Bundesländern entstanden ist, zu erheblichen Zugeständnissen bereiterklärt.62 Das Internetangebot von ARD und ZDF wurde bereits dahingehend verändert, dass ausschließlich Programmbegleitung angeboten wird, E-Commerce-Aktivitäten finden nicht mehr statt. Seit dem siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus dem Jahr 2004 ist nämlich die Regelung des Angebots von Onlinediensten durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten erheblich eingegrenzt worden. In § 11 Abs. 1 RStV heißt es nun, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk an freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung mitzuwirken hat und „programmbegleitend Druckwerke und Mediendienste mit programmbezogenem Inhalt“ anbieten kann. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber als Folge der Anfrage der Kommission den Aktionsradius der Onlinetätigkeiten der Öffentlich-Rechtlichen eingrenzen wollte (Held/Schulz 2004, 19). Die Forderung nach mehr Transparenz läge auch im Interesse der Sender und solle baldmöglichst umgesetzt werden. Die Voraussetzung der Bundesregierung und der Anstalten ist jedoch, dass die Gebührenfinanzierung der Sender nicht grundsätzlich angetastet wird. Wenn das Verfahren der Kommission hinsichtlich einer möglichen Beihilfevergabe eingestellt werden würde, käme die Bundesregierung dem Wunsch nach einer Optimierung des dualen Systems nach. Das Rundfunkgebührensystem an sich müsse zur Wahrung des Grundversorgungsauftrags und Medienpluralismus jedoch bestehen bleiben, wie es auch durch das Amsterdamer Protokoll ausdrücklich erlaubt ist. Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung mit der Europäischen Kommission haben Bund und Länder sich im Herbst 2004 auf „Eckpunkte zur Fortentwicklung der nationalen Medienordnung“ geeinigt. So soll das von Bund und Ländern gemeinsam gestaltete Medienrecht transparenter gestaltet und vereinfacht werden. Da der Bund für die gesetzlichen Regelungen in Hinblick auf die technische Infrastruktur der Medien und das Wirtschaftrecht zuständig ist, die Länder aber für die inhaltsbezogene Gesetzgebung , treten häufig, insbesondere wegen der steigenden Konvergenz der Medien, Abgrenzungsprobleme auf. Infolgedessen hat die Bundesregierung am 14. Juni 2006 einen 62 Abrufbar unter http://www.dasganzewerk.de/pdf/20050506-bundesregierung-pressefassungoeffentlich -rechtliche-rundfunkanstalten.pdf - 30 - vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vorgelegten Entwurf des „Elektronischen Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz“ (ElGVG) beschlossen63. Durch dessen Kernstück, das Telemediengesetz, werden die mit der bisherigen Gesetzgebung verbundenen Doppelregulierungen für Teledienste (Bundesrecht, bisher geregelt im Teledienstegesetz, TDG) und Mediendienste (Landesrecht, bisher geregelt in dem RStV angehängten Mediendienstestaatsvertrag, MDStV) durch einen einheitlichen, technikneutralen und damit inhaltsbezogenen Regulierungsansatz ersetzt. Parallel dazu werden die Länder am 22. Juni 2006 den 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag für Rundfunk und Telemedien beschließen, der die weiterhin im Länderrecht zu regelenden inhaltlichen Anforderungen an die neuen Dienste enthalten wird. Er soll unter anderem für eine Stärkung der Rundfunkgremien sowie für eine bessere Kontrolle des ARD- Hauptprogramms (Erstes Deutsches Fernsehen) sorgen.64 Als weitere Reaktion auf die Beschwerde des VPRT soll der 9. RÄStV Regelungen enthalten, dass eine zeitweise Umwidmung ihrer Digitalkanäle zu reinen Sportangeboten unzulässig sei. Dies wurde insbesondere im Lichte der Sportgroßereignisse dieses Jahres wie der Fußball-WM diskutiert . Bei den olympischen Winterspielen in Turin war dies zeitweise geschehen, ARD und ZDF verteidigten diese Übertragung jedoch damit, dass der Programmschwerpunkt durch die zeitweilige Veränderung des Programmschemas nicht verändert werde. Die Gründung einer Aufsichtsbehörde für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält die Bundesregierung jedoch in ihrem Schreiben für nicht notwendig, da die plural besetzten internen Kontrollgremien wie die Rundfunkräte eigens für diese Aufgabe geschaffen und berufen worden seien. Von Seiten einiger Abgeordneter wurde unlängst jedoch der Vorschlag geäußert, ein externes Aufsichtsgremium für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu gründen. Dies sollte nach britischem Vorbild eine gemeinsame Instanz zur Aufsicht und Regulierung des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks sein, die gleichzeitig auch für Telekommunikation und Internet zuständig wäre. Mit einer solchen „Regulierungsinstanz aus einem Guss“ würde zugleich auch der fortschreitenden Konvergenz der Medien Rechnung getragen.65 Nun bleibt abzuwarten, ob die Kommission auf den Vorschlag der Bundesregierung eingehen wird, das Verfahren einzustellen. Der Vorsitzende des VPRT Jürgen Doetz 63 Der Text ist zu finden unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/elgvg-elektronischergesch _C3_A4ftsverkehrvereinheitlichungsgesetz ,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf 64 Vgl. http://www.epd.de/medien/medien_index_37842.html 65 So z.B. der Abgeordnete der FDP-Fraktion und Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien , Hans-Joachim Otto. Vgl. die Pressemitteilung unter http://www.fdp-fraktion.de/files/541/537- Otto-ARD.pdf - 31 - erklärt jedoch, der VPRT würde in diesem Fall den europäischen Rechtsweg beschreiten .66 2.4. Zugangsregelungen zu den Übertragungskapazitäten Der Zugang zu den Übertragungskapazitäten des Rundfunks ist im IV. Abschnitt (§§ 50-55) des RStV geregelt. Auch dieser liegt in der Kompetenz der Länder. § 53 RStV regelt die Zugangsfreiheit und zeigt, dass Rundfunkregulierung nicht nur veranstalterkonzentriert erfolgen kann, wenn sie den Zweck umfassender und freier Meinungsbildung erreichen soll. Zugangsfreiheit ist in hohem Maße von den technischen Gegebenheiten abhängig. Der Gesetzgeber hat es den Landesmedienanstalten in § 53 Abs. 6 RStV überlassen, im Wege von bundesweit einheitlichen Satzungen diesen technisch einheitlichen Sachverhalt zu konkretisieren (Hesse 2003, 293).67 Der wichtigste Transportweg zur Verbreitung der Programme ist derzeit das Kabel, darauf folgen die Verbreitung per Satellit und der traditionelle terrestrische Empfang. Dies könnte sich in der Zukunft, nach bundesweiter Einführung von DVB-T, ändern68. Ein Vorteil von DVB-T wäre dann ein faktisches Ende der Frequenzknappheit und somit eine völlig neue Regulierungsausgangslage. Die Kapazität im Kabel jedoch ist nach wie vor beschränkt, daran ändert auch die Digitalisierung nichts. Ein Ausbau des Kabelnetzes wäre zwar technisch möglich, aber sehr kostspielig und damit nicht rentabel. Folglich muss der Zugangsbereich reguliert werden. Durch die Liberalisierung des Telekommunikationsrechts gilt nun auch bei den Telekommunikations- und Kabelunternehmen der Wettbewerb. Durch den Verkauf der Kabelnetze zu horrenden Summen liegt auf der Hand, dass Unternehmen, die solche Summen investieren, vorrangig an deren Refinanzierung interessiert sind und medienrechtliche, inhaltsbezogene Regelungen , welche Programme sie zu transportieren haben, als hinderlich empfinden (Irion /Schirmbacher 2002). Es besteht also die Gefahr einer Bevorzugung eigener, besonders medienwirksamer Inhalte durch den Netzbetreiber. Von solcher Entwicklung wäre besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk betroffen, da er verpflichtet ist, auch Minderheiten in seinen Programmen zu berücksichtigen. Wegen dieser Gefahr ist jedoch § 52 RStV geschaffen worden, die so genannte „Must-carry-Regelung“. In dessen Absatz 66 Siehe die Pressemittelung des VPRT unter www.vprt.de/start/909.htm 67 Im Zuge dessen wurde von den Landesmedienanstalten auch eine Gemeinsame Stelle Digitaler Zugang geschaffen. 68 Siehe § 52a Abs. 2 RStV, der die Umstellung auf DVB-T festlegt. - 32 - 3 wird festgelegt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme von den Kabelbetreibern in jedem Land zur Verfügung gestellt werden müssen.69 Durch die Einspeisung der Programme ins Kabelnetz haben die Betreiberfirmen erhebliche Einflussmöglichkeiten. Es kann beispielsweise für den Kabelbetreiber interessant sein, bestimmte Programme nur gegen Entgelt zugänglich zu machen und entsprechend zu verschlüsseln. Sofern er damit das Gesamtangebot des Programmveranstalters beeinträchtigt , ist dies unzulässig. Eine generelle Entwicklung hin zum Pay-TV eröffnet dem Kabelbetreiber jedoch vielfältige Möglichkeiten, bei den Verschlüsselungen mitzuwirken . Das jüngste Beispiel hierfür ist der Fußballkanal Arena70, der eine hundertprozentige Tochter der Kabelkonzerns Unity Media ist. So wird die Grenze zwischen Inhalt und Übertragungsweg immer weiter verwischt. § 53 RStV regelt die Zugangsfreiheit. Dies bedeutet, dass die Telekommunikations- und Kabelfirmen verpflichtet sind, die technischen Gegebenheiten zu schaffen, die es jedem Zuschauer ermöglichen, ein vielfältiges Angebot zu nutzen (Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang). Besondere Bedeutung kommt hierbei der Set-Top-Box zu, die der Zuschauer zum Empfang digitaler Signale benötigt. Es muss gewährleistet sein, dass die technische Ausgestaltung überall identisch ist, damit alle Programme auch wirklich zu allen Nutzern gelangen können. Die Programmveranstalter sind auf die Set-Top-Boxen angewiesen, um ihre Sendungen zu verbreiten, Ausweichmöglichkeiten bestehen nicht (Hesse 2003, 299). § 53 Abs. 1 RStV legt daher fest, dass alle Rundfunkanbieter bei der Verbreitung ihrer Programme gleich behandelt werden müssen und eine Diskriminierung jedweder Art nicht stattfinden darf. Insgesamt besteht bei dem Zugang zur digitalen Technik immer die Gefahr von „bottle necks“ (Flaschenhälsen) oder „gatekeepern“ (Torhütern) in Form von Übertragungsunternehmen, die entscheiden können, welche Programme zu welchen Bedingungen zum Zuschauer durchgelassen werden. Zur Verhinderung eines solchen Phänomens und zur Sicherung der Meinungsvielfalt wurde daher der § 53 RStV geschaffen. Ferner sind wichtig zur Nutzung des umfangreichen digitalen Programms elektronische Orientierungshilfen, so genannte Electronic Program Guides (EPGs), die den Zuschauer durch das vielfältige digitale Angebot navigieren sollen. EPGs werden von großer Bedeutung für den Zugang zum Programmangebot, wenn es um die Platzierung der Programme in der Informationshilfe geht. Die Auswahl des Zuschauers wird gezielt gesteuert und durch die Reihenfolge der Programme stark beeinflusst. Aufgrund dessen besagt § 53 Abs. 2 RStV, dass solche EPGs Zugang zu chancengleichen, angemessenen und 69 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die digitale Kabelbelegung des § 52 RStV bundesweit einheitlich gilt, während im analogen Bereich sich die Kabelbelegung gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 3 RStV nach Landesrecht richtet. 70 Siehe oben unter Punkt 2.2.1.1. - 33 - nicht diskriminierenden Bedingungen gewährleisten müssen (Hesse 2003, 303). Z.B. muss das Programm einfach zu bedienen sein, eine Liste aller Kanäle muss vom Nutzer umprogrammiert werden können etc. Auch die Angebote der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung müssen in ausreichendem Umfang im Basisnavigator repräsentiert sein. Nahezu alle Sender haben mittlerweile solche „elektronischen Programmzeitschriften “ eingeführt, auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten wollten auf diese Möglichkeit der Einflussnahme nicht verzichten. EPGs werden auch von der Europäischen Union als besonders wichtig eingestuft, um durch das digitale Umfeld verursachten Zugangsproblemen vorzubeugen.71 3. Schlussbetrachtung und Ausblick Das duale Rundfunksystem durchlebt im digitalen Zeitalter seine bisher größte Wandlung . Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nach überwiegender Auffassung von Politik und Gesellschaft, zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit der Demokratie selbst, unverzichtbar. Allerdings wird verstärkt eine Anpassung des Grundversorgungsauftrags an die neuen technischen Möglichkeiten gefordert, die seinen verfassungsmäßigen Rang sichert. Dies bezwecken ARD, ZDF und Deutschlandradio mit ihrer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe.72 Im Lichte der Entwicklungen in der EU ist es wichtig, eine aktuelle Positionierung des Bundesverfassungsgerichts anzustreben. Der Konflikt zwischen einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise des audiovisuellen Sektors auf der einen Seite und der Betonung seines kulturellen Charakters auf der anderen Seite wurde zwar zwischen den Mitgliedstaaten und der EU weitestgehend entschärft, beispielsweise durch das Amsterdamer Protokoll und die Herausnahme der audiovisellen Dienste aus der Dienstleistungsrichtlinie, er wiederholt sich jedoch zurzeit auf einer höheren Ebene zwischen der EU und der WTO bezüglich der GATS-Verhandlungen. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission dem audiovisuellen Sektor auch weiterhin einen schützenswerten Sonderstatus einräumen wird. Auch das vom VPRT in Gang gesetzte Beihilfeverfahren der EU hinsichtlich der Gebührenfinanzierung der Öffentlich-Rechtlichen beweist die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung des bestehenden Systems. Wettbewerbsfragen nehmen einen immer größeren Stellenwert innerhalb der Mediendiskussion ein. Zudem wird häufig die „föderale Zersplitterung“ der Medienordnung in Deutschland kritisiert, da die Trennung zwischen der Inhaltsregulierung (Länder) und der Zugangs- bzw. Übertragungsregulierung (Bund) der zunehmenden Konvergenz nicht mehr gerecht würde. Ein erster Schritt zur 71 Siehe hierzu http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l24223.htm 72 Siehe unter Punkt 2.1.1. - 34 - Behebung dieses Problems hat sich in der Entwicklung des neuen Elektronischen Geschäftsverkehr -Vereinheitlichungsgesetzes sowie des 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrages gezeigt, die nun auf inhaltsbezogene Regulierung setzen und die durch Übertragungswege verursachte künstliche Trennung zumindest teilweise aufheben. Durch eine solche Vorgehensweise und mehr Rechtsklarheit kann auch der zunehmenden Beteiligung von großen Konzernen am Mediengeschäft besser begegnet werden. Wo sich Kabel- und Telekommunikationsfirmen jahrelang lediglich um Zugangs- und Verbreitungswege gekümmert haben, rücken nun auch verstärkt Inhalte in ihren Blick. Individuelle Abrufprogramme werden ausgebaut, die Konkurrenz um die Zuschauer zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern wächst. Kommerzielle Sender müssen zunehmend auf Bezahlfernsehen setzen, da sie sich durch Werbung allein nicht mehr finanzieren können. Durch die wegen der Digitalisierung steigende Zahl an Kanälen ist für die Werbung eine Platzierung bei einzelnen privaten Sendern nicht mehr so interessant wie zuvor. Eine Zunahme von Pay-TV-Kanälen auf dem privaten Sektor könnte jedoch auch eine Chance für die freiempfangbaren öffentlich-rechtlichen Programme sein. Solange die Bürger bereit sind, Gebühren zu zahlen, hat der öffentlichrechtliche Rundfunk eine relativ sichere Zukunft vor sich. Die Bedeutung des öffentlich -rechtlichen Rundfunks für den demokratischen Prozess ist in der breiten Öffentlichkeit relativ unumstritten. Der immer stärker werdende Wettbewerb um Einschaltquoten , bei dem auch die Öffentlich-Rechtlichen mithalten müssen, könnte jedoch zu einer immer niedrigeren Qualität der Inhalte führen. Das Bundesverfassungsgericht hätte die Chance, in dem bevorstehenden Prozess den Grundversorgungsauftrag neu und den technischen Möglichkeiten angepasst zu definieren. Es besteht nämlich Einheit darüber , dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht von den neuen Technologien abgeschnitten werden darf. Durch eine Neudefinierung ihres Auftrags könnten die öffentlich -rechtlichen Anstalten auch eine zunehmende Deregulierung des Medienmarktes verkraften. Denn trotz teilweiser Liberalisierung der Werbevorschriften bliebe der inhaltliche Anspruch im Sinne des Rundfunksauftags bestehen. Insgesamt auf Regulierung zu verzichten, wie von einigen Unternehmen gefordert, wird sich jedoch nicht durchsetzen. Eine interne (Rundfunkräte) und externe (KEK) Regulierung ist auch weiterhin vonnöten, wenn die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt gewahrt bleiben soll. - 35 - 4. Literaturverzeichnis Altendorfer, Otto (2001). Das Mediensystem der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden : Westdeutscher Verlag ARD; ZDF (2001). Mitteilung der Kommission über die Anwendung des Beihilferechts auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Gemeinsame Stellungnahme von ARD und ZDF. Online im Internet: http://www.ard.de/- /id=155902/property=download/ksn8dg/index.pdf Betz, Jürgen (1989). Die EG-Fernsehrichtlinie – ein Schritt zum europäischen Fernsehen? Media Perspektiven, 11, 677-688. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2006). 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