Deutscher Bundestag Zur Ausgabenstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 10 – 3000/025-13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 2 Zur Ausgabenstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 10 – 3000/025-13 Abschluss der Arbeit: 20. März 2013 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 4 2.1. Rundfunkrat 4 2.2. Verwaltungsrat 5 2.3. Landesrechnungshöfe 5 2.4. Die KEF 5 3. Finanzberichte der Rundfunkanstalten 5 4. Die Ausgabenstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 6 4.1. Erträge 6 4.2. Aufwendungen 7 5. Zur Frage der Transparenzpflichten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten 9 6. Ergebnis 11 7. Quellenverzeichnis 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 4 1. Einleitung Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland wird überwiegend durch die von seinen Nutzern verpflichtend geleisteten Zahlungen in Höhe von jährlich rund 7,5 Milliarden € finanziert und unterliegt daher einer besonderen Legitimierungserwartung. Die kritische Debatte zum Finanzierungssystem für die öffentlich-rechtlichen Sender wird derzeit anlässlich der Umstellung auf den von allen Haushalten oder Betriebsstätten unabhängig von ihrer tatsächlichen Mediennutzung erhobenen Rundfunkbeitrag intensiviert geführt. Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung sollte die Ausgabenstruktur der öffentlichrechtlichen Sender so dargestellt werden, dass vergleichende Aussagen über Aufwendungen für einzelne Sparten wie Kulturprogramme, Filmproduktionen oder Sportübertragungen möglich werden. Dieses Vorhaben stieß auf mehrere Hindernisse, die mit den öffentlich zur Verfügung gestellten Informationen der Rundfunkanstalten zusammen hängen. Diese geben meist keinen genauen und einzelnen Programmsparten zuzuordnenden Aufschluss darüber, wofür bestimmte Mittel aufgewendet wurden. Insbesondere im Sportbereich sind genaue Zahlen zu den Ausgaben für Übertragungsrechte unter Hinweis auf die Wettbewerbssituation, in der sich die Anstalten in diesem Bereich befänden, nicht erhältlich. Vor diesem Hintergrund werden die seit einiger Zeit bereits erhobenen Forderungen nach einer besseren Transparenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich ihrer Mittelverwendung dringlicher geäußert – zum Teil sogar von Rundfunkratsmitgliedern, wie unten näher erläutert wird. Nachfolgend werden zunächst allgemeine Informationen zu der Thematik dargestellt. 2. Die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks1 Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland ist gemäß Artikel 5 Grundgesetz frei und staatsfern zu organisieren. Dennoch wird insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch ein System unterschiedlicher Institutionen vor allem hinsichtlich seiner Verwendung finanzieller Mittel kontrolliert. Dies sind innerhalb der Anstalten die Verwaltungs- und Rundfunkräte sowie von ihnen bestellte Wirtschaftsprüfer2, sowie Landesrechnungshöfe und schließlich die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). 2.1. Rundfunkrat In den Rundfunkräten im Bereich der ARD, der Hörfunkrat des Deutschlandradios und der Fernsehrat des ZDF sind mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen und des staatlichen Bereichs vertreten . Sie sind das höchste Organ in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und sind für die Kontrolle des Programms zuständig, wenn auch hauptsächlich mit nachträglicher Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung von Rundfunkgesetzen oder Programmrichtlinien. Darüber hinaus wirken sie beim Zustandekommen des Haushaltsplans und des Jahresabschlusses der Anstalten 1 Der nachfolgende Abschnitt orientiert sich an der Übersicht in WEGNER 2008. 2 Der Vollständigkeit halber sind auch die Finanzämter zu erwähnen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 5 mit und haben hier in der Regel das Letztentscheidungsrecht3. Vorab werden die Vorlagen von Wirtschaftsprüfern geprüft. 2.2. Verwaltungsrat Für die wirtschaftlich-technische Kontrolle der Sender ist der Verwaltungsrat zuständig und nimmt unmittelbaren Einfluss auf Verwaltung, Finanzen, Technik und Personalpolitik. Neben anderen Zuständigkeiten liegt seine Kernkompetenz in der Prüfung des Haushaltsplans und des Jahresabschlusses sowie in der Überwachung der Geschäftsführung. 2.3. Landesrechnungshöfe Die Landesrechnungshöfe (LRH) sind u.a. für die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung aller Betriebe des jeweiligen Landes, einschließlich öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, zuständig . Geprüft wird die Einhaltung der Vorschriften und Grundsätze zur Haushalts- und Wirtschaftsführung , insbesondere ob Einnahmen und Ausgaben begründet und belegt sind und ob wirtschaftlich und sparsam verfahren wird. Die Rundfunkanstalten sind den LRH gegenüber zur Auskunft verpflichtet, Art und Umfang der Prüfung bestimmen die LRH selbst. Sie haben dabei jedoch die Programmautonomie der Rundfunkanstalten zu achten. 2.4. Die KEF Die KEF hat die Aufgabe, als ein sowohl von den Rundfunkanstalten als auch vom Staat unabhängiges Gremium, unter Beachtung gesetzlicher Vorgaben und der Programmautonomie der Sender, den Finanzbedarf der Anstalten zu ermitteln, und in der Folge die Höhe der Rundfunkgebühr bzw. des -beitrags festzusetzen. Sie ist somit kein Kontrollorgan im eigentlichen Sinne. Grundlage ihrer Prüfung sind die Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten für einen jeweils zweijährigen Zeitraum. Ihre Prüfung ist somit in die Zukunft gerichtet und operiert in der Regel mit Planzahlen, nur bei Entwicklungsstatistiken werden soweit verfügbar Istzahlen verwendet. 3. Finanzberichte der Rundfunkanstalten Die aktuellsten Finanzberichte der Anstalten beziehen sich auf das Jahr 2011. Dies sind für die ARD - Bericht Rundfunkfinanzen 2011 - Bericht Finanzstatistik 2011 für das ZDF - Bericht Haushaltsplan mit Überblick zum Jahresabschluss 2011 und Haushaltsplan 2013 Dieser Beitrag gibt in Textform aus Sicht des ZDF „neben einem Überblick über die wesentlichen Zahlen des Jahresabschlusses 2011 und des Haushaltsplans 2013 auch detaillierte Erläuterungen, wie die finanziellen Mittel des ZDF eingesetzt werden, um den Zu- 3 Ausnahmen sind das ZDF, der MDR und der NDR, wo jeweils die Verwaltungsräte beschlussberechtigt sind und die Rundfunkräte anschließend nur zu genehmigen haben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 6 schauern ein attraktives Programm anzubieten“ (ZDF Bericht 2011: 1). Eine mit den Aufstellungen von ARD und Deutschlandradio vergleichbare tabellarische Übersicht wird nicht angeboten. für das Deutschlandradio - die Ertrags- und Aufwandsrechnung für das Geschäftsjahr 2011 - Konzernlagebericht für die Zeit vom 01.01. bis 31.12. 2011 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung konnten nur öffentlich zugängliche Quellen genutzt werden. Neben den oben aufgeführten Finanzberichten der Anstalten hätte grundsätzlich auch der alle zwei Jahre von der KEF vorgelegte Bericht herangezogen werden können. Hiervon wurde jedoch aus zwei Gründen abgesehen. Erstens operiert der KEF-Bericht wie oben dargelegt mit Planzahlen und betrachtet jeweils mehrjährige Zeiträume. Der zweite und entscheidende Grund bezieht sich auf die Systemumstellung ab dem Jahr 2013. Sie bringt aufgrund der allgemeinen Unsicherheit über die konkreten Auswirkungen der neuen Beitragsfinanzierung für den aktuellen Bericht einige Unwägbarkeiten mit sich. Deshalb wurden überwiegend die Finanzberichte der drei Rundfunkanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio verwendet. Nur in Ausnahmefällen flossen Informationen aus dem 18. KEF-Bericht ein. 4. Die Ausgabenstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 4.1. Erträge Die Gesamterträge von ARD und ZDF setzen sich aus den drei Bereichen Teilnehmergebühren / bzw. –beiträge, Werbung und sonstige Erträge zusammen, wobei der weit überwiegende Anteil mit ca. 85 % auf die Teilnehmergebühren4 entfällt. Dem folgen mit ca. 6 % die Werbung und mit ca. 9 % sonstige Erträge. Da beim Deutschlandradio gar keine Werbung stattfindet, liegt dort der Gebührenertrag mit ca. 93 % deutlich höher5. Die sonstigen Erträge liegen hier der vergleichenden Übersicht im KEF-Bericht zufolge bei ca. 7 %.6 4 Für das nachfolgend dargestellte Jahr 2011 galt noch das alte System der Rundfunkgebühr. Gemäß dem für diesen Zeitraum noch maßgeblichen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag in der Fassung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 1.6.2009 gingen die für den Hörfunk herangezogenen Grundgebühren zu 93, 0219 % an die ARD und zu 6,981 % an Deutschlandradio (§ 9 Abs. 1). Die Fernsehgebühren standen mit einem Anteil von 60, 5086 % der ARD und mit 39,4914 % dem ZDF zu (§ 9 Abs. 2). Die Aufteilung in Hörfunk- und Fernsehgebühren entfällt mit dem neuen Rundfunkbeitragssystem ab 2013. 5 Das Deutschlandradio erhält zusätzlich Mittelzuweisungen des Bundes. Diese werden den Erläuterungen der KEF zufolge seit 2010 jedoch nicht mehr als Ertrag gebucht, sondern aufwandsmindernd ausgewiesen. Dadurch steigt dann der prozentuale Anteil der Gebührenertrages (KEF 18: 30). 6 Der Posten „sonstige Erträge“ wird von der KEF nicht erläutert (KEF 18: 29f.). Näheren Aufschluss darüber geben die – allerdings nur von ARD und Deutschlandradio öffentlich zugänglichen - tabellarischen Aufstellungen (Siehe Anlagen 1 und 2). Da dort jedoch zum Teil unterschiedliche Bezeichnungen der Einzelposten verwendet werden, ist eine Vergleichbarkeit der Angaben nicht herzustellen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 7 Erträge 2011 in absoluten Zahlen (Mio. €) ARD ZDF Deutschlandradio Gebühren 5 379, 6 1 741, 8 192, 1 Werbung 345, 5 125, 8 entfällt sonstige7 772, 0 189, 5 16, 7 4.2. Aufwendungen In den vorliegenden Aufwandsaufstellungen der Rundfunkanstalten wurde ebenfalls versucht, die verfügbaren Zahlen der drei Anstalten in einer Tabelle zusammenzuführen. Jedoch bleibt es unsicher , ob die zum Teil unterschiedlich benannten Kategorien tatsächlich vergleichbare Sachverhalte beinhalten. Von den in den Auflistungen von ARD und Deutschlandradio enthaltenen 13 bzw. 14 Aufwendungsarten werden hier die Posten Personal, Programm und Urheber-, Leistungs- und Herstellervergütungen aufgeführt. Der letzte Posten ist allerdings beim ZDF nicht gesondert aufgeführt, sondern vermutlich in den Programmaufwendungen enthalten. Insoweit bleibt die nachfolgende Aufstellung mit Unsicherheiten behaftet. Eine Vergleichbarkeit der Positionen ist nicht gegeben. 7 Hier werden für diese Darstellung nur die als sonstige Erträge bezeichneten Angaben aus den Jahresabschlussberichten der Anstalten aufgeführt. Hinzu kommen noch diverse Erträge aus Beteiligungen, Wertpapieren, Zinsen etc. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 8 Aufwendungsart (in Mio. €) ARD ZDF Deutschlandradio Personal 2 182, 7 375, 7 61, 7 Programm8 849, 19 1 432, 4 4, 3 Urheber-, Leistungs, Herstellervergütung10 1 399, 3 keine Angabe 42, 8 Produktionsbezogene Fremdleistungen 197, 1 Programmverbreitung 246, 3 Die ARD weist daraufhin, dass sich der Aufwand für Programmgemeinschaftsaufgaben und Programmverbreitung sowie Urheberrechtsvergütungen gegenüber dem Vorjahr um insgesamt 16, 3 Mio. € deutlich verringert habe und erklärt dies damit, dass im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr keine großen Sportveranstaltungen stattfanden (ARD 2011: 2). Das ZDF gibt denselben Erklärungsansatz für die Verringerung des „Sendeaufwands“ im Jahr 2011 um 111, 4 Mio. € gegenüber dem Vorjahr. Diese Position sei in der Position Programmaufwendungen enthalten (ZDF 2011: 3). Der höchste Personalkostenanteil der drei Anstalten entfällt auf das Deutschlandradio, relativ dicht gefolgt von der ARD, aber mit weitem Abstand zum ZDF. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass Hörfunk einen wesentlich höheren Personalbedarf hat als Fernsehen, weil es dort fast keine Fremdproduktionen gibt. Beim Fernsehen dagegen dominieren die Programmaufwendungen, vor allem wegen der Fremdproduktionen und der hohen Rechtekosten für Sport und Spielfilme. So kommt die reine Fernsehanstalt ZDF mit dem anteilig geringsten Personalaufwand aus, während die ARD mit Radio und Fernsehen eine Mittelposition einnimmt und die einzige reine Hörfunkanstalt Deutschlandradio in dieser Hinsicht die Schlussposition einnimmt (KEF 18: 28). 8 Hinsichtlich der Programmaufwendungen gibt es große Darstellungsunterschiede zwischen ARD und ZDF. Während das ZDF einen Gesamtposten Programmaufwendungen nennt, aber diesen Posten nicht näher aufschlüsselt , enthält die Finanzstatistik der ARD vier Posten, die unter Programmaufwendungen subsummiert werden könnten: Rechtekosten, Anteil an Programmgemeinschaftsaufgaben und Koproduktionen, produktionseigene Fremdleistungen und Aufwendungen für Programmverbreitung. Verifiziert werden konnte diese Annahme jedoch leider nicht. 9 Dieser Posten heißt bei ARD und Deutschlandradio: Anteil an Produktionsgemeinschaftsaufgaben und Koproduktionen . 10 Hier werden für diese Darstellung nur die als sonstige Erträge bezeichneten Angaben aus den Jahresabschlussberichten der Anstalten aufgeführt. Hinzu kommen noch diverse Erträge aus Beteiligungen, Wertpapieren, Zinsen etc. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 9 Ist es schon schwierig, Inhalt und Umfang der genannten Programmaufwendungen genau zu bestimmen , so ist es anhand der verfügbaren Zahlen gar nicht möglich, die Aufwendungen für bestimmte Programmsparten genauer zu bestimmen, da die Angaben nicht programminhaltlich bezogen differenziert werden. Hinweise hierzu ergeben sich allenfalls aus den Angaben zur „Programmleistung “, die zum Beispiel der Bayerische Rundfunk (BR) in seinem Geschäftsbericht veröffentlicht . Demnach betrug die Programmleistung des BR im Jahr 2011 im Bereich „Kultur und Familie“ 122.942 Minuten, was einem prozentualen Anteil von 11,1 % entspricht. Auch der Bereich „Spiel-Film-Serie“ erreicht mit 11,2 % (123.342 Min.) einen ähnlich hohen Programmanteil , während die Rubrik „Sport und Freizeit“ 2, 4 % (25.976 Min.) abdeckt (BR 2011: 43). Solche Angaben werden jedoch nicht von allen Landesrundfunkanstalten einheitlich veröffentlicht. Jede der neun Länderanstalten gibt ihrem Jahresbericht eine eigene Struktur mit eigenen Kategorien. So lässt sich die Programmleistung für einzelne Programmbereiche beispielsweise aus dem Jahresbericht des Hessischen Rundfunks (HR) nicht herauslesen. Dadurch sind weder ein Vergleich zwischen den programmlichen Schwerpunktsetzungen der einzelnen Länderanstalten noch eine ARD-weite Betrachtung einer solchen Statistik noch ein Vergleich zwischen den drei öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio möglich. 5. Zur Frage der Transparenzpflichten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Mit der Einführung des neuen Finanzierungssystems seit Beginn des Jahres 2013 sind die Nachfragen nach der genauen Verwendung der Gebühren- bzw. Beitragszahlungen an die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten intensiver geworden. Aufgrund der Schwierigkeit, detaillierte Angaben zu erhalten, wird von einigen Seiten der Vorwurf mangelnder Transparenz erhoben. Gerade die Umstellung des Finanzierungssystem auf eine öffentliche Abgabe verstärke allerdings die „Transparenzpflichten“ der öffentlichen-rechtlichen Anstalten, wie der Verfassungsrechtler PAUL KIRCHHOF betont: „Jeder Beitragsschuldner hat einen Anspruch darauf, zu wissen, was mit seinem Geld geschieht, welche Sendung für welche Summen gekauft und produziert wird.“ Dieser Informationsanspruch betreffe den „Einfluss des Geldes auf das öffentlich-rechtliche System“. Daher sollte es bei Nachfragen nach Gagen von Moderatoren laut KIRCHHOF keine Rolle spielen, ob diese bei dem Sender fest angestellt seien oder nicht: „Alle Zahlungen, die Mitwirkende an einer Sendung befangen machen könnten, (sollten) offen gelegt werden.“ (KIRCHHOF 2013). Dies ist bislang nicht der Fall, denn offizielle Angaben über die Höhe der Entgelte im Rahmen eines entsprechenden Stellenplans der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind öffentlich nicht verfügbar. Zwar gibt es pauschale Angaben, aber keine stellenbezogenen Einzelangaben. So werden Stellenplanübersichten mit Angabe der Anzahl der jeweiligen Besoldungs- oder Vergütungs - bzw. Entgeltgruppen weder in den KEF - Berichten noch in den Geschäfts- bzw. Jahresberichten der Rundfunkanstalten veröffentlicht, wie es sonst in den öffentlich zugänglichen Haushaltsplänen von Einrichtungen des öffentlich-rechtlichen Bereichs üblich ist.11 Zwar gilt für den öffentlichen Bereich insgesamt seit dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) am 1. Januar 2006 eine erhöhte Pflicht zur Transparenz. Diese gelte grundsätzlich auch für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die einer Feststellung des Bundesgerichtshofes 11 Vgl. z.B. Freistaat Sachsen, Haushaltsplan 2011/2012, abrufbar unter http://www.finanzen.sachsen.de/download/2011_2012_GP.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 10 zufolge „Aufgaben öffentlicher Verwaltung“ wahrnehmen, wie der Rechtswissenschaftler FRIED- RICH SCHOCH darlegt. In der Praxis jedoch laufen ihm zufolge diese Transparenzpflichten aus mehreren Gründen „weitgehend leer“. Die Bundesländer haben das IFG in unterschiedlicher Weise umgesetzt: nicht alle haben auf Länderebene ein eigenes IFG geschaffen und andere, wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz, haben auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bezogen eine „gesetzliche Privilegierung“ aufgenommen, die die Anstalten vom Geltungsbereich des Gesetzes ausnimmt (SCHOCH 2013: 4). In Nordrhein-Westfalen dagegen wurde das WDR-Gesetz im Jahr 2009 so geändert, dass der Geltungsbereich des IFG die Rundfunkanstalt einbezieht (SCHOCH 2013: 4). Die somit von der Anstalt übernommenen erhöhten Transparenzpflichten führten auch dazu, dass das Gesetz seit 2009 die Veröffentlichung der Bezüge der Geschäftsleitung (Intendantin und Direktoren) verbindlich vorschreibt (§ 41 Abs. 4 WDR-Gesetz). In Umsetzung dieser Vorgabe veröffentlichte der WDR im August 2010 als erster öffentlich-rechtlicher Sender die Höhe der Bezüge von Intendantin Monika Piel. Nach und nach folgten diesem Beispiel auch die meisten der anderen Landesrundfunkanstalten wie auch das ZDF. Nur vom Hessischen Rundfunk und vom Deutschlandradio sind hierzu bislang keine Zahlen bekannt (DIE WELT 2010). Dennoch teilen die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Einschätzung, dass hinsichtlich der Gehälter für ihre festen und freien Mitarbeiter ein Informationsanspruch der Öffentlichkeit bestehe, generell bislang nicht. Nach Ansicht des Justiziars beim NDR Werner Hahn, müsse man „unterscheiden zwischen der Transparenz im Einzelnen und der Transparenz des Systems.“ Er halte „die KEF-Berichte oder die Jahresabschlüsse der einzelnen Anstalten für genauso gut verständlich , wie Jahresabschlüsse von Privatunternehmen, schränkt jedoch ein, dass „die Verständlichkeit (..) sicher ein Problem (ist). Es bedarf schon eines gewissen Fachwissens, um diese Berichte analysieren zu können.“ Das bringe „leider die Komplexität von wirtschaftlichen Vorgängen mit sich.“ Dennoch bestätigt Hahn für den NDR, dass dieser beabsichtige, in Zukunft „noch transparenter “ und „noch verständlicher“ zu werden (ZAPP 2013). Derzeit erhalten Journalisten bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf konkrete Fragen nach den Ausgaben für einzelne Programmsparten oder Formate wie die Bundesliga oder bestimmte Unterhaltungssendungen noch Antworten wie die von ZAPP zitierte aus der ZDF- Pressestelle: „Wie das ZDF seinen Teil der Rundfunkgebühren einsetzt, können Zuschauer im TV, im Internet, auf dem Smartphone oder auf dem Tablet sehen.“ (ZAPP 2013). Hinsichtlich der Kontrolle ihrer Haushaltsführung verweisen die Anstalten auf die insoweit zuständigen Gremien Verwaltungsrat und Rundfunkrat. Der bereits zitierten Sendung des Magazins ZAPP zufolge gibt es jedoch auch aus den Reihen einiger Rundfunkräte Kritik an den Informationen, die sie von den Sendern erhalten.12 Ein kontroverser Fall ereignete sich beim WDR, wo die Intendantin dem Rundfunkrat die Einsicht in Verträge eines Tochterunternehmens verweigerte, das eine bekannte Unterhaltungssendung produziert hatte. Das Hauptargument lautete, dass diese Sendung nicht durch Gebührenmittel, sondern aus Werbeeinnahmen produziert worden sei und der Rundfunkrat deshalb keinen Anspruch aus Vertragseinsicht habe (SCHOCH 2013: 7). Ein weiterer Bereich, zu dem die Sender grundsätzlich keine detaillierten Auskünfte erteilen, sind die Sportrechte. So 12 In dem Beitrag kommt die für die CDU in den WDR-Rundfunkrat entsandte Andrea Verpoorten. Auch ihr wurde offenbar vom WDR die erbetene Einsicht in Verträge, die mit Spitzenmoderatoren verhandelt wurden, vorenthalten (ZAPP 2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 11 zitiert die NDR-Sendung ZAPP die Antwort der ARD-Pressestelle auf eine Anfrage zur Höhe der für die nächsten vier Jahre an die Deutsche Fußball-Liga gezahlten Beträge für Sportübertragungsrechte : „Über den Sportrechte-Etat der ARD geben wir generell keine Auskunft, da er hochsensible Daten enthält. Schließlich befinden wir uns im Wettbewerb mit anderen Anbietern.“ (ZAPP 2013). Erworben und verwaltet werden die Sportrechte für beide öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF über deren gemeinsames Tochterunternehmen SportA13. 6. Ergebnis Wie die vorangegangene Untersuchung gezeigt hat, ist es auf der Basis der bislang öffentlich zugänglich gemachten Informationen kaum möglich, Aussagen über die Ausgabenstruktur der öffentlich -rechtlichen Rundfunkanstalten zu treffen – insbesondere dann nicht, wenn Detailinformationen wie Aufwendungen für bestimmte Programmsparten, Mitarbeitervergütungen oder Sportrechte angefragt werden. Vor diesem Hintergrund sehen sich die Sender in jüngster Zeit vermehrt öffentlicher Kritik ausgesetzt. Forderungen nach einem verbesserten Auskunftsverhalten der Rundfunkanstalten ergeben sich nicht nur als Folge der seit Januar 2013 auf das Beitragssystem umgestellten Rundfunkfinanzierung. Sie erhalten ihren Nachdruck auch aus einer insgesamt deutlich gestiegenen gesellschaftlichen Erwartung von transparenten Strukturen im öffentlichen Bereich. In Bezug auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist die Aussage wohl zutreffend, dass sich an dieser Frage mit entscheiden wird, ob sie ihr Ansehen und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit in Zukunft wieder werden steigern können. Dies ist auch den Sendeanstalten bewusst und es gibt einige Hinweise darauf, dass es in nächster Zukunft hierzu Reaktionen bzw. Änderungsvorschläge geben wird14. Das bleibt abzuwarten. ( ) 13 Nähere Informationen dazu online unter: http://www.sporta.de/de/index.html (19.03.2013). 14 Entsprechend äußerte sich neben dem oben zitierten Justiziar des NDR Werner Hahn auch ZDF-Intendant Bellut in der Sendung „Über Gebühr? Der neue Rundfunkbeitrag“, die am 25.02.2013 in der Reihe 45 Minuten des NDR ausgestrahlt wurde. Online verfügbar unter: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/hintergrund/rundfunkbeitrag199.html (20.03.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 – 3000/025-13 Seite 12 7. Quellenverzeichnis ARD 2011a. ARD. Rundfunkfinanzen 2011. Online verfügbar unter: http://www.ard.de/intern/finanzen/-/id=2216176/property=download/nid=8214/1s49bfc/ARD- Finanzbericht+2011.pdf (13.3.2013). ARD 2011b. ARD. Finanzstatistik 2011. Online verfügbar unter: http://www.ard.de/intern/finanzen/- /id=2179110/property=download/nid=8214/h8dgt6/index.pdf (14.3.2013). ZDF 2011. ZDF. Haushaltsplan. Online verfügbar unter: http://www.zdf.de/Haushaltsplan- 26499856.html (13.3.2013). DRADIO 2011. DEUTSCHLANDRADIO. Ertrags- und Aufwandsrechnung für das Geschäftsjahr 2011. Online verfügbar unter: http://www.dradio.de/download/182376/ (13.3.2013). KEF 18 (2011). Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. 18. KEF- Bericht. Mainz: Dezember 2011. Online verfügbar unter: http://www.kefonline .de/inhalte/bericht18/kef_18bericht.pdf (13.3.2013). BR (2011). Geschäftsbericht des Bayerischen Rundfunks 2011. München: 10.7.2012. Online verfügbar unter: http://www.br.de/unternehmen/inhalt/organisation/2011- geschaeftsbericht100.html (15.3.2013). HR (2011). Hessischer Rundfunk. Jahresbericht 2011. Online verfügbar unter: http://www.hronli - ne.de/website/derhr/home/download.jsp?key=standard_document_45205133&row=0&rubrik=31 444 (15.03.2013). NDR (2013). Rundfunkbeitrag – Wo bleibt die Transparenz? Online-Beitrag zu einem Beitrag in der Sendung ZAPP des NDR-Fernsehens, gesendet am 09.01.2013. http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/medien_politik_wirtschaft/rundfunkbeitrag149.ht ml (13.03.2013). KIRCHHOF (2013). „Der Rundfunkbeitrag ist wie eine Kurtaxe“. Interview mit Paul Kirchhof vom 19.01.2013. In. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Online verfügbar unter: http://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/paul-kirchhof-im-gespraech-derrundfunkbeitrag -ist-wie-eine-kurtaxe-12030778.html (14.03.2013). SCHOCH, FRIEDRICH (2013). Keine Auskunft. Transparenzdefizite im System von ARD und ZDF. In: epd medien Nr 5 (01.02.2013), S. 3 – 8. WEGNER, HORST (2008). Die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In: PUK Dossier, Beilage zu politik & kultur September-Oktober 2008, S. 7. Online verfügbar unter: http://www.kulturrat.de/dossiers/oe-r-r-dossier.pdf (13.03.2013). WELT, DIE (2010). BR-Intendant verdient 310.000 Euro im Jahr. In: Die Welt vom 20.08.2010.