© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 024/21 Regelung der Filmverwertung in Frankreich Sperrfristen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 2 Regelung der Filmverwertung in Frankreich Sperrfristen Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 024/21 Abschluss der Arbeit: 20. April 2021 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Filmförderung und Filmverwertung in Frankreich 5 2.1. Verwertungsfenster 7 2.1.1. DVD, Blu-ray, TVoD 7 2.1.2. Pay-TV-Filmsender 7 2.1.3. Free-TV- und Non-Film-Pay-TV-Sender 8 2.1.4. SVoD 8 2.1.5. Free-VoD 8 3. Vorschläge des Centre National du Cinéma 10 3.1. Verwertungsfenster 10 3.2. Fernsehsender 10 3.3. Rundfunkveranstalter 10 3.4. Verleiher 11 3.5. Aktualisierung 11 3.6. Sukzessives Vorgehen 11 4. Kinoauswertungsfenster in Frankreich und Deutschland 11 5. Ausnahmeregelungen COVID-19 in Frankreich 12 5.1. Notstandsregelungen 12 5.2. Aktuelle Verfahren 13 6. Aussicht 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 4 1. Vorbemerkung Die Filmindustrie ist im Hinblick auf die umfassende Digitalisierung besonders herausgefordert. Das gilt für Produktion, Distribution und damit vor allem für die Verwertung. Das Internet mit Video-on-Demand-Angeboten (VoD) als neuer Vertriebsweg bietet unterschiedliche Geschäftsmodelle . Dazu zählen z. B. Transactional-VoD-Services wie iTunes und Subscription-VoD-Services wie Netflix. Es steht auch in Konkurrenz zu Pay-TV- und Free-TVAngeboten.1 Die Onlineverwertung und On-Demand-Nutzung von audiovisuellen Inhalten ist ein bedeutsamer Trend der Branche .2 Zudem haben die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie seit Anfang 2020 insbesondere mit einer zeitweisen Teil- und vollständigen Schließung von Kinos als Erstverwerter erheblichen Einfluss auf die Vermarktung von Filmen. Die übliche Reihenfolge der Verwertung von Filmen und deren jeweiliger Zeitraum (Auswertungsfenster ) sind gleichermaßen für Filmproduzenten, Kinobetreiber, Verleiher, Videoprogrammanbieter und Onlineplattformen bedeutsam: In Deutschland gelten derzeit für Filme, die nach der bisherigen Fassung des Filmförderungsgesetzes („FFG“)3 gefördert wurden, Sperrfristen nach §§ 53 ff. FFG. Sechs Monate nach der Erstaufführung (Kino) folgt ebenfalls für die Dauer von sechs Monaten die Bildträgerauswertung (HomeVideo: DVD/Blue-ray, Pay-TVals Pay-per-view), danach für sechs Monate die Auswertung durch Bezahlfernsehen (Pay-TV als Pay-per-channel) und anschließend nach 18 Monaten der Erstaufführung die Auswertung durch frei empfangbares Fernsehen und durch unentgeltliche Videoabrufdienste . Eine Verkürzung der Sperrfristen ist möglich (§ 55 FFG).4 Derzeit steht eine Novellierung des FFG an. Dabei geht es auch um eine Anpassung der Regelungen zu den Verwertungsfenstern. Der Deutsche Bundestag hat am 26. März 2021 in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Änderung des Filmförderungsgesetzes5 beraten . 1 Vgl. hierzu z. B. Birkel, Mathias; Castendyk, Oliver und Goldhammer, Klaus, Transformation der Filmwirtschaft , Media Perspektiven 6/2017, S. 342, https://www.ard-werbung.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven /pdf/2017/0617_Birkel_Castendyk.pdf. 2 Vgl. ebd., S. 346 3 Filmförderungsgesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3413), http://www.gesetze-im-internet .de/ffg_2017/FFG.pdf. 4 Vgl. z. B. Goldmedia GmbH Strategy Consulting et al, WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DER FILMINDUST- RIE IN DEUTSCHLAND, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Berlin, Januar 2017, S. 89 f., https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/bedeutung-filmindustrie .pdf?__blob=publicationFile&v=16. 5 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes, BT-Drs. 19/27515, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/275/1927515.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 5 Vor dem Hintergrund der anstehenden Neufassung des FFG wird im Hinblick auf vergleichbare Regelungen in Frankreich ist zu prüfen, wie die Betroffenen in der französischen Kino- und Filmbranche bei der Vereinbarung von Sperrfristen bzw. der Festlegung von Verwertungsfenstern beteiligt und an gesetzliche Vorgaben gebunden sind. Auch wird untersucht, ob französische Verfahren auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können. 2. Filmförderung und Filmverwertung in Frankreich In Frankreich gibt es eines der umfangreichsten und auch vielfältigsten Filmfördersysteme. Neben direkten finanziellen Fördermechanismen in Form von Subventionen, Zuschüssen oder Darlehen und indirekten Mechanismen wie z. B. Steuerermäßigungen gibt es gesetzlich verankerte Verpflichtungen zur Übertragung und Bereitstellung europäischer und französischer (Film-) Werke im Rundfunk und auf VoD-Plattformen. Frankreich hat europaweit die höchsten Rundfunk - und VoD-Quoten für europäische und französische Werke.6 Das französische Filmgesetz (Code du cinema et de l’image animée)7 enthält maßgebliche Regelungen für die Förderung der Filmwirtschaft und die Verwertung von Filmen. Bei der Verwertung von Kinofilmen in audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf und Fernsehdiensten verweist das Filmgesetz auf Branchenvereinbarungen (accord professionnel), die eine oder mehrere Dienstekategorien umfassen und für alle Beteiligten für allgemeinverbindlich erklärt werden können . Das Gesetz bestimmt zudem, dass Branchenvereinbarung vom Staat verbindlich vorgeschrieben werden können,8 sofern sie von Branchenorganisationen der Filmwirtschaft unterzeichnet wurden. Diese Vereinbarungen können für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren bindend sein.9 Titel III des Filmgesetzes enthält allgemeine Regelungen für die Verwertungsfenster für Kinofilme . Dazu zählen Verwertungen in Form von Tonbildträgern (Artikel L231-1); in audiovisuellen 6 Etteldorf, Christina, Das Recht der Filmförderung im europäischen Vergleich, UFITA.Jg. 83 (2019), S. 499, 501, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2568-9185-2019-2-498/das-recht-der-filmfoerderung-im-europaeischen -vergleich-jahrgang-83-2019-heft-2. 7 Code du cinema et de l’image animée (Filmgesetzbuch), konsolidierte Fassung vom 15. April 2019, https://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do?cidTexte=LEGITEXT00000020908868. 8 Zum Beispiel mit dem Arrêté du 25 janvier 2019 portant extension de l'accord pour le réaménagement de la chronologie des médias du 6 septembre 2018 ensemble son avenant du 21 décembre 2018, https://www.legifrance .gouv.fr/loda/id/JORFTEXT000038109708/. 9 Zu den französischen Regelungen vgl. insbesondere Francisco Javier Cabrera Blázquez, Maja Cappello, Gilles Fontaine, Julio Talavera Milla, Sophie Valais, Verwertungsfenster in Europa: eine Frage der Zeit, IRIS Plus 2019-2, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Straßburg, 2019, S.23 ff., https://rm.coe.int/iris-plus- 2019-2-verwertungsfenster-in-europa-eine-frage-der-zeit/1680986357. Im Folgenden abgekürzt: IRIS Plus 2019- 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 6 Mediendiensten auf Abruf (Artikel L232-1) und in Fernsehdiensten (Artikel L233-1). Allgemeine Bestimmungen enthalten Artikel L234-1 und L234-2.10 Auf der Grundlage dieses Rechtsrahmens wurde im Dezember 2018 die Branchenvereinbarung über die Organisation der Verwertungsfenster für Kinofilme vom Kinostart bis zum freien öffentlichen Zugang reformiert und modernisiert. Damit wurde die vorhergehende, mehr als zehn Jahre alte Vereinbarung erneuert, die abgeschlossen worden war, ehe SVoD-Plattformen in der audiovisuellen Landschaft auftauchten. Die Branchenvereinbarung (accord professionnel)11 wurde am 25. Januar 2019 durch Ministerialdekret bestätigt und am 10. Februar 2019 im Amtsblatt veröffentlicht ; an diesem Tag trat sie in Kraft und wurde für drei Jahre branchenweit verbindlich.12 Der Präsident des Centre National du Cinéma et de l'Image animée (CNC) kann im Hinblick auf die Verwertung von Filmen in Kinos Ausnahmeregelungen erteilen. Die Frist darf nicht um mehr als vier Wochen verkürzt werden (Artikel L231-1). Gibt es eine Branchenvereinbarung (accord professionnel) über die Frist für die Nutzung von Kinofilmen durch audiovisuelle Mediendienste , so ist die in dieser Vereinbarung vorgesehene Frist für die Verleger von Dienstleistungen und die Mitglieder der unterzeichnenden Berufsorganisationen verbindlich (Artikel L232-1). Ähnliches gilt für die Verwertung von Kinofilmen durch Fernsehdienste. Falls es Branchenvereinbarungen über Fristen gibt, sind diese für die Verleger von Dienstleistungen und die Mitglieder der unterzeichnenden Berufsorganisationen verbindlich (Artikel L232-1). Die in den Artikeln L. 232-1 und L. 233-1 genannten Branchenvereinbarungen (accord professionnel ) können durch Erlass der zuständigen Behörde des Staates verbindlich gemacht werden, sofern sie von repräsentativen Berufsverbänden des Filmsektors unterzeichnet worden sind. Das gilt für 1. eine oder mehrere berufsständische Organisationen, die für die betreffenden Sektoren repräsentativ sind; 2. eine oder mehrere repräsentative Berufsverbände der betreffenden Sektoren und eine Gruppe von Verlegern von Dienstleistungen, die für eine oder mehrere Dienstleistungskategorien repräsentativ sind; 3. eine Gruppe von Verlegern von Dienstleistungen, die für eine oder mehrere Dienstleistungskategorien repräsentativ sind. 10 Ebd. und Code du cinéma et de l'image animée, Version en vigueur au 20 avril 2021, https://www.legifrance .gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000020908868/. 11 Arrêté du 25 janvier 2019 portant extension de l’accord pour le réaménagement de la chronologie des médias du 6 septembre 2018 ensemble son avenant du 21 décembre 2018, Version consolidée, https://www.legifrance .gouv.fr/affichTexte.do;jsessionid=41564E9F4949FFBA842A5EF0C2CF45B4.tplgfr34s_1?cid- Texte=JORFTEXT000038109708. 12 IRIS Plus 2019-2, S. 23 f. Zur Anpassung der Verwertungsfenster vgl. auch Le Roy, Marc, Nouvelle chronologie des médias : des évolutions trop timides, la revue des médias, 21.12.2018, https://larevuedesmedias.ina.fr/nouvelle -chronologie-des-medias-des-evolutions-trop-timides#footnote1_i1pw305. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 7 Der Erlass kann die Branchenvereinbarung für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren für allgemeinverbindlich erklären. 2.1. Verwertungsfenster Nach den französischen Regeln gelten, die im Folgenden dargestellten Verwertungsfenster.13 Die Einhaltung des Rechtsrahmens für Verwertungsfenster ist Voraussetzung für eine öffentliche Förderung in Frankreich.14 2.1.1. DVD, Blu-ray, TVoD Das Verwertungsfenster für DVD, Blu-ray, TVoD beginnt vier Monate nach Kinostart bzw. drei Monate mit Ausnahmegenehmigung des Centre national du cinema et de l’image animée (französischer nationaler Filmfonds, CNC) für Filme, die in den ersten vier Wochen ab Kinostart auf weniger als 100 000 Kinobesuche kommen. 2.1.2. Pay-TV-Filmsender Das erste Verwertungsfenster für Pay-TV-Filmsender (und bestimmte SVoD-Dienste unter spezifischen Bedingungen) beginnt acht Monate nach Kinostart bzw. sechs Monate mit Ausnahmegenehmigung für Filme, die in den ersten vier Wochen ab Kinostart auf weniger als 100 000 Kinobesuche kommen. Um von diesem Fenster zu profitieren, müssen Pay-TV-Filmsender bestimmte Bedingungen erfüllen (Investitionen, Sendezeitquoten für französische und europäische Werke usw.), andernfalls werden die Fenster auf 18 Monate nach Kinostart (bzw. mit Ausnahmegenehmigung 16 Monate) festgesetzt. Ein zweites Verwertungsfenster beginnt 17 Monate nach Kinostart bzw. 15 Monate mit Ausnahmegenehmigung für Filme, die in den ersten vier Wochen ab Kinostart auf weniger als 100 000 Kinobesuche kommen, wenn der betreffende Dienst eine Vereinbarung mit Branchenorganisationen der Filmwirtschaft abgeschlossen hat.15 In allen anderen Fällen verlängert sich die Frist auf 24 Monate (bzw. mit Ausnahmegenehmigung 22 Monate). Dieses zweite Verwertungsfenster gilt auch für SVoD-Dienste, die eine Vereinbarung mit Branchenorganisationen der Filmwirtschaft abgeschlossen und verschiedene Zusagen in Bezug auf Investitionen, Sendezeitquoten für französische und europäische Werke usw. gegeben haben. 13 Hierzu und im Folgenden vgl. IRIS Plus 2019-2, S. 24 f. 14 IRIS Plus 2019-2, S. 25. 15 Die Vereinbarung mit den Branchenorganisationen muss verschiedene Zusagen enthalten, insbesondere eine Zusage zur Verbreitung oder Bereitstellung von europäischen Filmen und Filmen in französischer Sprache, eine finanzielle Zusage des Dienstes auf Basis eines garantierten Mindestbetrags pro Abonnent, die gegebenenfalls auch einen in absoluter Höhe garantierten Investitionsbetrag enthalten kann, eine Investitionsdiversitätsklausel, eine Verpflichtung zur redaktionellen Bearbeitung des Kinofilmangebots des Dienstes oder eine Verpflichtung zur Vorfinanzierung europäischer und französischer Originalwerke (in Bezug auf Investitionen, Sendezeitquoten für französische und europäische Werke usw.), vgl. IRIS Plus 2019-2, Fußnote 51 auf S. 24. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 8 2.1.3. Free-TV- und Non-Film-Pay-TV-Sender Das Verwertungsfenster für Free-TV- und Non-Film-Pay-TV-Sender beginnt 22 Monate nach Kinostart , wenn die Vermarkter 3,2 % ihres Umsatzes in die Koproduktion europäischer Filme investieren (bzw. 20 Monate mit Ausnahmegenehmigung), oder 30 Monate nach Kinostart (bzw. 28 Monate mit Ausnahmegenehmigung). 2.1.4. SVoD Für SVoD (ohne Vereinbarung mit Branchenorganisationen) beginnt das Verwertungsfenster 30 Monate nach Kinostart (bzw. 28 Monate bei Filmen mit weniger als 100 000 Kinobesuchen), wenn der betreffende Dienst zustimmt, die französische und europäische Filmwirtschaft zu unterstützen , indem er Produktions-16 und Katalogquoten17 erfüllt, die sogenannte „Videosteuer“ an das CNC zahlt und eine Vereinbarung mit dem Conseil supérieur de l'audiovisuel (CSA) unterzeichnet . Weiterhin gilt ein Verwertungsfenster von 17 Monaten nach Kinostart (bzw. 15 Monate bei Filmen mit weniger als 100 000 Kinobesuchen) bei original französischen Spielfilmen mit einem Budget von weniger als 1,5 Mio. EUR, wenn die Verwertungsrechte an dem betreffenden Werk Gegenstand eines Vorschlags zum Erwerb von allen Diensteanbietern mit einem Fenster von weniger als 22 Monaten oder mehr waren, der bis zum Ende des Fensters für die Exklusivverwertung im Kino nicht zu einem Kauf oder Vorabkauf im Rahmen dieses Fensters geführt hat, obwohl diese Rechte vertraglich verfügbar waren. Schließlich beginnt ein Verwertungsfenster 36 Monate nach Kinostart bzw. 34 Monate mit Ausnahmegenehmigung für Filme mit weniger als 100 000 Kinobesuchen. 2.1.5. Free-VoD Das Verwertungsfenster für Free-VoD (z. B. YouTube) beginnt 44 Monate nach Kinostart (bzw. mit Ausnahme-genehmigung 42 Monate). 16 Produktionsquoten :21 % des Umsatzes für europäische Werke und 17 % für Werke in französischer Originalsprache , wovon Dienste mit einem jährlichen Nettoumsatz von über EUR 50 Mio. 25 % in den Rechteerwerb oder in Koproduktionen investieren müssen. Vgl. IRIS Plus 2019-2, S. 25. 17 Katalogquoten. 60 % europäische Werke und 40 % original französische Werke. Vgl. IRIS Plus 2019-2, S. 25. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 9 Übersicht über die wichtigsten Verwertungsfenster in Frankreich18 18 Entnommen aus IRIS Plus 2019-2, S. 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 10 3. Vorschläge des Centre National du Cinéma In einem Bericht von 2018 für die französische Regierung über die private Finanzierung der Produktion und Verbreitung von Kinospielfilmen und audiovisuellen Werken19 gab der Präsident des Centre National du Cinéma Dominique Boutonnat angesichts der Herausbildung neuer Konsumverhalten einige Empfehlungen zur Aktualisierung der Regelungen für die Verwertungsfenster in Frankreich und zur Überprüfung der Vorgaben für die Investitionsverpflichtungen der Rundfunkveranstalter. Diese Vorschläge sind in das französische Regelungswerk eingeflossen. Im Folgenden werden die grundsätzlichen Orientierungen des Berichts für die französischen Regulierungsanpassungen dargestellt. 3.1. Verwertungsfenster In dem Bericht20 wird als langfristiges Ziel vorgeschlagen, dass Verwertungsfenster für jeden einzelnen Film vertraglich zwischen Produzent und Verleiher ausgehandelt werden, wobei jedoch einige gesetzliche Garantien bestehen bleiben sollen. Er empfiehlt, das Gesetz solle weiterhin den Zeitraum für die exklusive Kinoverwertung festlegen, und regt einige Entwicklungen hinsichtlich der praktischen Umsetzung dieses Ziels durch Vertragsverhandlungen an. 3.2. Fernsehsender Weiter schlägt das CNC vor, dass sich die Fernsehsender (les chaînes de télévision) mehr für das Kino interessieren sollten, indem sie stärker zu „Kunden“ werden, was insbesondere bedeuten würde, die Sperrfristen für die Ausstrahlung von Filmen im Fernsehen zu überprüfen, die aufgrund einer Veränderung des Konsumverhaltens (VoD) veraltet seien.21 3.3. Rundfunkveranstalter CNC schlägt eine neue Definition der Finanzierungsverpflichtungen der Rundfunkveranstalter für die Produktion von Kinospielfilmen und audiovisuellen Werken vor, die sich sowohl auf das Interesse der Rundfunkveranstalter an der Produktion als auch auf das Interesse privater Investoren an einer Wertsteigerung der verschiedenen Verwertungsfenster auswirken könnte. Dem Bericht zufolge ist es unerlässlich, sich die Vorteile vor Augen zu führen, die sich für Produzenten und Rundfunkveranstalter gleichermaßen und auch für VoD-Plattformen ergeben, wenn sie statt einer zurzeit hauptsächlich auf Vorabkäufen basierenden Verpflichtung (wozu teilweise auch 19 Boutonnat, D., Rapport sur le financement privé de la production et de la distribution cinématographiques et audiovisuelles, Dezember 2018, http://www.culture.gouv.fr/Espace-documentation/Rapports/Rapport-sur-lefinancement -prive-de-la-production-et-de-la-distribution-cinematographiques-et-audiovisuelles. 20 Ebd. und IRIS Plus 2019-2, S. 26. 21 Ebd. und Boutonannat, a.a.O, S. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 11 Produzentenanteile gehören) einer Vorgabe unterliegen, die sich eher am Rechteerwerb orientiert .22 3.4. Verleiher Im CNC-Bericht wird empfohlen, dass der Verleiher in Absprache mit dem Produzenten in der Lage sein sollte, die beste Verwertungsstrategie für die verschiedenen Fenster zu beurteilen, sobald der Film fertiggestellt ist, ohne dass unbedingt ein Kinostart erforderlich ist. Die Inhaber der Rechte an dem Werk sollten dem Bericht zufolge in der Lage sein, jedes Verwertungsfenster auf das tatsächliche Potenzial des betreffenden Films zu optimieren, indem sie entscheiden, ob sie auf einen Kinostart verweisen oder nicht, indem sie die Möglichkeit „gleitender“ Fenster offenlassen oder nicht vorab gekaufte Fenster weiterverkaufen.23 3.5. Aktualisierung Darüber hinaus, so der Bericht weiter, sollte die kontinuierliche Aktualisierung der Verwertungsfenster dem „zweiten Leben“ der Filme mehr Bedeutung verleihen, ebenso der Verbesserung der Kataloge, denn diese seien das Kapital der Unternehmen – ein Kapital, das bisher zu wenig genutzt werde. Würde der Wert der in den Werkkatalogen repräsentierten Kulturgüter steigen, könnten durch ihre langfristige Nutzung Einnahmen generiert werden, die wiederum in die Entwicklungsphase und den Finanzierungsplan für weitere Werke reinvestiert werden könnten.24 3.6. Sukzessives Vorgehen Schließlich wird empfohlen, diese Vorschläge schrittweise zu organisieren und eine Strategie zu definieren und in Phasen über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren umzusetzen. Daneben sollten branchenübergreifende Verhandlungen über das Thema geführt werden.25 4. Kinoauswertungsfenster in Frankreich und Deutschland Das Kinoauswertungsfenster ist von zentraler Bedeutung für die nachfolgenden Verwertungsstufen . Die Erstaufführung von Filmen ist in Frankreich wie in Deutschland bisher Standard. In Deutschland ist das Kinoauswertungsfenster auf einen Zeitraum von vier Monaten festgesetzt. Die Empfehlungen der Studien für eine optimale Länge des Kinoauswertungsfensters variieren zwischen 2,8 bis 4,25 Monaten. Sie liegen damit unter den bisher vom FFG grundsätzlich gefor- 22 Ebd. und Boutonannat, a.a.O, S. 38. 23 Ebd. 24 Ebd. 25 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 12 derten sechs Monaten, die allerdings nur für von der Filmförderungsanstalt geförderte Filme gelten .26 Diese Empfehlungen wurden aber zeitlich vor den Maßnahmen zur Eindämmung der CO- VID-19-Pandemie getroffen. 5. Ausnahmeregelungen COVID-19 in Frankreich Wie eingangs ausgeführt haben die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie mit der zeitweisen teilweisen und vollständigen Schließung von Kinos als Erstverwerter erheblichen Einfluss auf die Verwertung von Filmen. Der Kinostart ist immerhin der zentrale Bezugspunkt für alle nachgelagerten Verwertungen. 5.1. Notstandsregelungen Das Centre National du Cinéma (CNC), das die die Förderung der französischen Filmindustrie betreut, hat schon im März 2020 eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen angekündigt. Mit dem Notgesetz zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie (LOI n° 2020-290 du 23 mars 2020 d'urgence pour faire face à l'épidémie de covid-19 (1)27 wurden auch Ausnahmeregelungen zu den Verwertungsfenstern festgelegt (Art. 17)28 . Nachdem Kinos aus Pandemiegründen nicht oder nur teilweise geöffnet werden können, wurde die direkte Verwertung von Filmen im Fernsehen erlaubt.29 Produzenten und Vertreiber dürfen Filme über VoD vermarkten, bei Wegfall der Beiträge an das CNC zur Finanzierung von Kinos. Das Verwertungsfenster vor dem Vertrieb über 26 Goldmedia GmbH Strategy Consulting et al, WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DER FILMINDUSTRIE IN DEUTSCHLAND, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Berlin, Januar 2017, Fn 109, S. 91, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/bedeutung-filmindustrie .pdf?__blob=publicationFile&v=16. 27 LOI n° 2020-290 du 23 mars 2020 d'urgence pour faire face à l'épidémie de covid-19 (1), https://www.legifrance .gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000041746313. 28 Article 17: „A titre exceptionnel, le délai d'exploitation prévu à l'article L. 231-1 du code du cinéma et de l'image animée ainsi que les délais fixés par accord professionnel dans les conditions mentionnées aux articles L. 232-1 et L. 233-1 du même code peuvent être réduits par décision du président du Centre national du cinéma et de l'image animée en ce qui concerne les œuvres cinématographiques qui faisaient encore l'objet d'une exploitation en salles de spectacles cinématographiques au 14 mars 2020.“ 29 Vgl. Azzemou, Sam, Les nouveaux films ciné pourront sortir en France directement en VOD et en streaming. Phonandroid, 02.04.2021, https://www.phonandroid.com/les-nouveaux-films-cine-pourront-sortir-directementen -vod-et-en-streaming.html; auch Thomson, Stuart, France’s CNC extends relaxation of movies-on-VOD rules, Digital TV Europe, 03.04.2020, https://www.digitaltveurope.com/2020/04/03/frances-cnc-extends-relaxation-ofmovies -on-vod-rules/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 13 VoD wurde verkürzt.30 Darüber hinaus gibt es einen aktuellen Förderplan des CNC zur Unterstützung der Filmbranche in Zeiten der Pandemie.31 Hierzu gibt es auch einen Beschluss zur Änderung der Kino- und Filmförderung (Délibération n° 2021/CA/07 du 31 mars 2021 modifiant le règlement général des aides financières du Centre national du cinéma et de l'image animée).32 5.2. Aktuelle Verfahren Derzeit wird in Frankreich angestrebt, die Verwertungssperrfristen mit der Zielsetzung einer Beschleunigung der Vermarktung weiter zu verkürzen.33 Dies ist mit dem Dekret Nr. 2021-73 vom 26 Januar 202134 vorgesehen. Kinobetreibende (filières du cinéma) und die Filmindustrie (l’audiovisuel ) sind aufgefordert, bis zum 31. März 2021 eine Vereinbarung über die Dauer der Darbietung von Werken in Kinos (délais de diffusion des œuvres sorties en salles) zu treffen.35 Auf der Grundlage dieser Vereinbarung36 soll ein neues Dekret bis spätestens zum 1. Juli 2021 erlassen werden. 30 Ebd. 31 CNC, Plan de relance des filières du cinéma et de l’audiovisuel, 12.04.2021, https://www.cnc.fr/professionnels /actualites/plan-de-relance-des-filieres-du-cinema-et-de-laudiovisuel_1319933 und Lemercier, Fabien, Un plan de relance tous azimuts pour le cinéma français, Cineuropa, 25.09.2020, https://cineuropa .org/fr/newsdetail/393026/. 32 Délibération n° 2021/CA/07 du 31 mars 2021 modifiant le règlement général des aides financières du Centre national du cinéma et de l'image animée, https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/article _jo/JORFARTI000043336230. 33 Vgl. zur Interessenlage bei der Verkürzung der jeweiligen Vermarktungswartefristen und der französischen Filmförderung im Allgemeinen Cluzel, Jean, L'efficacité des aides publiques en faveur du cinéma français, RAP- PORT D'INFORMATION 11 (98-99), 1ère partie - OFFICE PARLEMENTAIRE D'ÉVALUATION DES POLI- TIQUES PUBLIQUES, Sénat, https://www.senat.fr/rap/r98-011/r98-011_mono.html. auch Riahi, Karine und Brunet, Julien, Le Covid-19, une nouvelle fenêtre pour la chronologie des médias ?, Écran total, 2020, https://ecran -total.fr/2020/04/16/le-covid-19-une-nouvelle-fenetre-pour-la-chronologie-des-medias/. 34 Décret n° 2021-73 du 26 janvier 2021 fixant le délai prévu à l'article 28 de l'ordonnance n° 2020-1642 du 21 décembre 2020 pour la conclusion d'un nouvel accord rendu obligatoire portant sur les délais applicables aux différents modes d'exploitation des œuvres cinématographiques, https://www.legifrance .gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000043059857. 35 Vgl. La nouvelle chronologie des médias attendue pour fin mars, Boxoffice 28.01.2021, https://www.boxofficepro.fr/la-nouvelle-chronologie-des-medias-attendue-pour-fin-mars/. 36 Zum vorgeshenen Beitrag der Internet-Plattformen wie Netflix, Amazon Prime Video oder auch Disney zur Finanzierung der französischen Kultur und zur Verkürzung der Zeitspannen bis zur Verwertung von Filmen, vgl. z. B. Alcarez, Marina, Le gouvernement modifie le décret précisant les obligations de Netflix et consorts, Les Echos, 18.12.2020, https://www.lesechos.fr/tech-medias/medias/le-gouvernement-modifie-le-decret-precisantles -obligations-de-netflix-et-consorts-1275478. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 024/21 Seite 14 6. Aussicht Auch wenn derzeit in Frankreich noch Sonderregelungen im Zuge der Bekämpfung der Pandemie gelten und neue Regelungen zu den Verwertungsfenster zwischen den Beteiligten noch auszuhandeln sind, so bleiben aus Sicht des Präsidenten des Centre National du Cinéma die Kinos der privilegierte Ort für die Erstvorstellung eines Werkes.37 Rahmenbedingungen und Förderkulisse unterscheiden sich erheblich in Frankreich und Deutschland. Branchenvereinbarungen (accord professionnel) nach französischem Vorbild zwischen den Beteiligten, die Grundlage für gesetzliche Vorgaben sind, könnten in die Überlegungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Deutschland einfließen. Festzuhalten ist der oft verkündete Wunsch einer Flexibilisierung der jeweiligen Verwertungsfenster mit dem Ziel einer Beschleunigung der Filmverwertung auf allen Stufen. **** 37 „Dominique Boutonnat, son président [Centre National du Cinéma}, réaffirme que ‚‘la salle demeure le lieu privilégié pour découvrir une oeuvre‘.“ Vgl. Escudié, Jean Noël, Le CNC prépare discrètement la réouverture des salles de cinéma, Localtis, 09.04.2021, https://www.banquedesterritoires.fr/le-cnc-prepare-discretement-la-reouverture -des-salles-de-cinemas.