Deutscher Bundestag Provenienzforschung Zur Rolle von Bundesbehörden und Ministerien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 10 - 3000 - 023/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 2 Provenienzforschung Zur Rolle von Bundesbehörden und Ministerien Verfasserin: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 023/13 Abschluss der Arbeit: 05. März 2013 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung /Begriffsbestimmung 4 1.1. Zur Aktualität der Thematik 4 2. Rechtsgrundlagen und geschichtlicher Hintergrund 6 3. Weitere Behörden und Einrichtungen 8 3.1. Arbeitsstelle für Provenienzforschung 8 3.2. Lost Art Koordinierungsstelle Magdeburg 9 3.3. Central Collecting Point - CCP 9 4. „Lost Art“ und die Rolle von Behörden 10 5. Ausblick 11 6. Literaturverzeichnis 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 4 1. Einleitung /Begriffsbestimmung Die Provenienzforschung beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Recherche und Erschließung der Herkunftsgeschichte von Kunstwerken und Kulturgütern. Hierzu gehört auch die Recherche der jeweils wechselnden Besitzerverhältnisse von Kunstwerken sowie von anderem Kultur -und Archivgut. Ein Großteil dieses Kultur- und Archivguts befindet sich in Museen, Bibliotheken und Archiven, ist aber auch Gegenstand des freien Kunst-und Antiquitätenhandels. Mit den Ergebnissen der Provenienzforschung kann auch der Wert eines Kunstwerks erhöht werden , wenn Nachweise ermittelt wurden, die die Echtheit des Werks belegen. Dies kann im Einzelfall beispielsweise dazu führen, dass eine Behörde, bei der festgestellt wird, dass sich ein Tizian im Original in ihrem Bestand befindet, es vorzieht, diesen an ein Museum abzugeben, da sie keine Möglichkeiten hat, alle für die Erhaltung, Sicherung und Lagerung eines solchen Gemäldes erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Der Bund ist Eigentümer eines umfangreichen Bestandes von Kunstgegenständen. Verwaltet wird dieser Bestand von den einzelnen Ressorts in eigener Verantwortlichkeit. Zu dieser Verantwortlichkeit gehört es auch, Mittel und Maßnahmen für die Provenienzforschung zur Verfügung zu stellen. Wer diese Vermögenswerte unterhält, ist für die Provenienzforschung zuständig. Einen systematischen Gesamtüberblick oder eine zentrale Stelle, die sich einer systematischen Überprüfung aller im Besitz des Bundes befindlichen Kunstgegenstände widmet, gibt es allerdings nicht. 1.1. Zur Aktualität der Thematik Der Verbleib von „Beutekunst“ und die Provenienzforschung sind durch einen kürzlich im Spiegel erschienenen Artikel1 ins öffentliche Interesse gerückt worden. In diesem Artikel heißt es: „Der Bund besitzt rund 20 000 Erbstücke – Gemälde, Plastiken, Möbel, Bücher, Münzen. Allein die 2300 Gemälde haben nach einer Schätzung von 2004 einen Versicherungswert von 60 Millionen Euro. Hunderte weitere lagern in Deutschlands Museen“. Bezugnehmend auf einen Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 1966 führt der Spiegel weiter aus, dass geeignete Kunstwerke an Museen sowie oberste und obere Bundesbehörden der Bundesrepublik ausgeliehen wurden. 600 Gemälde seien an 18 Bundesdienststellen im In- und Ausland gegangen. Der Artikel behauptet allerdings auch, dass der Bund vermittelt habe, das Thema „Restitution“ und „Provenienz“ sei erledigt. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes Dr. Volker Rodekamp reagierte in einem Leserbrief auf diesen Artikel, indem er betonte, dass die Erforschung der Exponate in den Museumssamm- 1 Winter, Steffen, Braune Beute, Der Spiegel, Heft 5, 2013, S. 35-42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 5 lungen eine Kernaufgabe der Museen sei. Auch zu den Zielen der ‚Washingtoner Erklärung‘ würden sich die Präsidenten der beiden Interessensvertretungen der Museen2, Unterzeichner des Leserbriefs , ausdrücklich bekennen. Weiter heißt es in diesem Leserbrief: „Die Darstellung von Herrn Winter, die deutschen Museen seien unwillig und würden sich der Klärung der Provenienz ihrer Sammlungsobjekte verweigern, müssen wir entschieden zurückweisen.“ Begründend wird hierzu auf den aktuellen Forschungsstand Bezug genommen: „In den vergangenen Jahren sind - auch dank der Unterstützung der Länder und des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien - gewaltige Anstrengungen unternommen worden, die Herkunft von Museumsobjekten zu klären und mögliche rechtmäßige Eigentümer ausfindig zu machen. Leider zeichnet der Artikel ein unzureichendes Bild der Situation. Die von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte Magdeburger Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, die der Autor aus völlig unverständlichen Gründen bei seinen Recherchen übersehen hat, sowie die Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung haben hierbei zusammen mit den deutschen Museen hervorragende Arbeit geleistet . So hat sich der Restbestand des CCP innerhalb der letzten zehn Jahre von 2.247 auf 1.418 Objekte reduzieren lassen, die Zahl der öffentlichen Einrichtungen, die Rückmeldungen zu der Provenienzthematik geben, hat sich seit 2002 verzwanzigfacht. Weder sind alle rund 6.300 Museen von möglicher Restitution betroffen (so sind beispielsweise davon nur 668 Kunstmuseen) noch wurden bislang nur 84 Nachforschungen anregt. Die vom Autor genannte Zahl von 84 Nachforschungen bezieht sich auf das vergangen Jahr, zwischenzeitlich sind es 99, und bezeichnet lediglich die Anzahl der Projekte, die durch die Arbeitsstelle für Provenienzforschung finanziert wurden und die teilweise ganze Sammlungskonvolute umfassen. Nicht genannt sind die Projekte, die ohne eine solche Drittmittelfinanzierung umgesetzt werden. Auch gibt es nicht nur eine einzige Provenienzforscherin an einem Museum. Provenienzforschung ist selbstverständlicher Bestandteil der alltäglichen Museumsarbeit eines Sammlungskurators und vieler weiterer Museumsmitarbeiter, seien sie nun freiberuflich oder angestellt tätig.“3 Die Einschätzung und Beschreibung, die der Spiegelartikel zur Provenienzforschung liefert, ist angesichts der Arbeit der zuständigen Behörden und Stellen fraglich. So hatte sich allein der Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) wiederholt zu dieser Thematik geäußert. So anlässlich des 13. Jahrestages der am 3. Dezember 1998 verabschiedeten „Washingtoner Erklärung“ zur Suche und Restitution von NS-Raubkunst, als er bekanntgab, dass sich die Mittel für die dezentrale Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ab 2012 von einer Million Euro auf zwei Millionen Euro pro Jahr verdoppeln würden4 2 Dr. Rodekamp für Deutscher Museumsbund e.V und Dr. Weschenfelder für ICOM Deutschland e.V. 3 Leserbrief an die Redaktion des Spiegel vom 31.1.2013, „Das Nazierbe in deutschen Museen“, Artikel von Steffen Winter in Der Spiegel, Ausgabe 5/28.1.13; zur Magdeburger Koordinierungsstelle siehe Punkt 3.2 dieser Arbeit , zum Restbestand des CCP siehe unter Punkt 3.3. 4 Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung Nr. 445 vom 02.12.2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 6 2. Rechtsgrundlagen und geschichtlicher Hintergrund Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen – Vermögensgesetz (VermG)5 bestimmt, dass für das Beitrittsgebiet ein verwaltungsrechtliches Verfahren zur Restitution von zwischen 1933 und 1945 NS-verfolgungsbedingt verlorenen Vermögens stattzufinden habe. Dieses Verfahren genießt Vorrang gegenüber dem freiwilligen Verfahren nach Maßgabe der Erklärung der Washingtoner Konferenz vom Dezember 1998 und der Gemeinsamen Erklärung von 1999.6 Das vom VermG vorgeschriebene Verwaltungsverfahren wird vom Bundesamt für zentrale Dienst und offene Vermögensfragen (BADV) durchgeführt.7 Mit der Unterzeichnung der „Grundsätze der Washingtoner Konferenz (Washington Principles)8 in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden und der „Gemeinsamen Erklärung“9 der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, die im Zusammenhang mit der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington, D.C., 3. Dezember 1998 veröffentlicht wurde, verpflichtet sich der deutsche Staat, verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter zu suchen und den Berechtigten zurück zu geben. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat Handreichungen zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 erlassen.10 Hiernach hat jede Einrichtung eine eigenverantwortliche Entscheidung über adäquate Recherchemöglichkeiten entsprechend ihren spezifischen Bedingungen zu bestimmen. Die Aufgabenstellung wird hier wie folgt zusammengefasst: 5 Vermögensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGB. I S. 205), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23. Mai 2011 (BGBl I S. 920) geändert worden ist. 6 Vgl. die Ausführungen des BADV, abrufbar unter: http://www.badv.bund.de/003_menue_links/e0_ov/d0_provenienz /b20_RUECKGABE/index.html, hier ist auch eine Tabelle der Objekte mit unbekanntem Aufenthaltsort zu finden. Die Handreichungen zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz „ vom Dezember 1999 sind abrufbar unter: http://www.lostart.de/cae/servlet/contentblob /5140/publicationFile/29/Handreichung.pdf. 7 Vgl.: http://www.badv.bund.de/003_menue_links/e0_ov/d0_provenienz/b20_RUECKGABE/index.html. 8 http://www.lostart.de/Webs/DE/Koordinierungsstelle/WashingtonerPrinzipien.html#Start. 9 Die „Gemeinsamer Erklärung“ ist zu finden unter: http://www.lostart.de/nn_41664/Webs/DE/Koordinierungsstelle /GemeinsameErklaerung.html?__nnn=true. 10 Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Handreichungen vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, abrufbar unter: http://www.lostart.de/cae/servlet/contentblob/5140/publication- File/29/Handreichung.pdf. Hier sind auch die Handreichungen zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung , der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999“ abrufbar. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 7 „Die Sammlungen der öffentlichen Hand sollten sich der Verantwortung bewusst sein, zur Auffindung NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter in ihren Beständen beizutragen , indem sie anhand der ihnen zugänglichen Dokumente unter Berücksichtigung des derzeitigen Forschungsstandes derartige bzw. in einer solchen Vermutung stehende Erwerbungen aufspüren, Informationen darüber mit Hilfe der Internet-Webseite www.lostart.de der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (KK) der Öffentlichkeit zugänglich machen sowie gegebenenfalls potenziellen Berechtigten weiterführende Hinweise geben.“11 Einrichtungen, die Provenienzforschung und –recherche betreiben, werden vom BKM gefördert. So die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche, deren Tätigkeit sich bewährt habe, wie es in einer Pressemitteilung vom Dezember 2012 heißt.12 Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat zudem mit der Richtlinie für die Verwaltung des bundeseigenen Kunstbesitzes vom 2. September 200313 Regelungen zur Erfassung, Behandlung und Verwendung der Kunstgegenstände erlassen, um eine einheitliche Vermögensverwaltung zu gewährleisten. Im allgemeinen Teil dieser Richtlinie heißt es, dass die Kunstgegenstände im jeweiligen Ressortvermögen bleiben. Außerdem wird folgende Zuständigkeit geregelt: „Das Bundesministerium der Finanzen hat alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung seines umfangreichen Kunstbesitzes auf die Oberfinanzdirektion Berlin, Referat V 24, Fasanenstraße 87, 10623 Berlin (im Folgenden »OFD«) und nachfolgend auf das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, DGZ-Ring 12, 13086 Berlin (im Folgenden »BADV«), übertragen. Das BADV unterhält in Berlin ein Depot, in dem Kunstgegenstände gelagert werden. Darüber hinaus übernimmt diese Dienststelle Serviceleistungen für die Obersten Bundesbehörden, in deren Ressortvermögen Kunstgegenstände vorhanden sind. Oberste Bundesbehörden im Sinne dieser Richtlinie sind auch die Verwaltungsbehörden der Verfassungsorgane des Bundes (mit Ausnahme des Deutschen Bundestages) und der Bundesgerichte.“ Dem BADV wurden damit Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung des Kunstbesitzes übertragen. Aufgabenschwerpunkte des Referats A 2 im BADV sind die Verwaltung des im Ressortvermögen des BMF befindlichen Kunstbesitzes, sowie die Verwaltung der Kunstdatenbank „ArtNetBund“. Zugang zu dieser Datenbank sollen alle obersten Bundesbehörden bzw. die diesen nachgeordneten Einrichtungen haben.14 Das Referat B 1 im BADV übernahm die Aufgabe einer erneuten systematischen Untersuchung des Bestandes. 11 http://www.lostart.de/cae/servlet/contentblob/5140/publicationFile/29/Handreichung.pdf. 12 Kulturstaatsminister Bernd Neumann: Dezentrale Suche nach NS-Raubkunst wird verstärkt, Pressemitteilung Nr. 419 vom 5. Dezember 2012. 13 http://www.badv.bund.de/003_menue_links/d0_serviceangebot/kunstverwaltung/richtlinie/index.html. 14 Diese Datenbank ist über das IVBB erreichbar. Im Bundestag hat jedoch lediglich das Referat IO 4 eine Zugangsberechtigung und diese betrifft auch nur den Bestand der vom Bundestag verwalteten Kunstgegenstände. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 8 Im BADV wird auch eine eigene Datenbank zur Provenienzrecherche geführt. Da diese sich jedoch im Aufbau befindet, liefert sie derzeit kein abschließendes Ergebnis. Eine Recherche in der Datenbank des BADV zu den an Bundesministerien oder Bundesbehörden ausgeliehenen Kunstwerken / Kunstwerken mit Standort Bundesministerium/Bundesbehörde führt zu folgendem Ergebnis: Deutsche Parlamentarische Gesellschaft 20 Deutscher Bundestag 1 BADV – Depot bzw. BADV-Berlin 35 Auswärtiges Amt 9 Palais Schaumburg, Bonn 9 Bundesministerium für Finanzen 3 Sozialwerk der Bundesfinanzverwaltung 3 Bundesfinanzhof 1 Zentrum für Transformation der Bundeswehr 1 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben 2 Bundeskartellamt, Bonn 1 Bundesnachrichtendienst 2 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 1 3. Weitere Behörden und Einrichtungen 3.1. Arbeitsstelle für Provenienzforschung Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung ist dem Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz angegliedert. Zu ihren Aufgaben gehört es, Museen, Bibliotheken, Archive und andere öffentlich Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland, die Kulturgut bewahren, bei der Auffindung und Identifizierung von Kulturgütern zu unterstützen, die den rechtmäßigen Eigentümern während der nationalsozialistischen Herrschaft entzogen wurden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 9 „ Aus dem Haushalt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) wurden seit 2008 jährlich Fördermittel in Höhe von zwei Millionen Euro zur Stärkung der Provenienzforschung bereitgestellt. Seit 2012 stehen diese Fördermittel in doppelter Höhe zur Verfügung. Die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung führt das Verfahren zur Vergabe dieser Mittel durch. Die finanzielle Ausstattung und Unterhaltung der Arbeitsstelle wird durch die Kulturstiftung der Länder ermöglicht.“15 Die Einrichtung der Arbeitsstelle für Provenienzforschung war ein Ergebnis der abschließenden Beratung der von Kulturstaatsminister Bernd Neumann eingerichteten Arbeitsgruppe zu Restitutionsfragen am 13. November 2007. 16 3.2. Lost Art Koordinierungsstelle Magdeburg Die Koordinierungsstelle Magdeburg ist die zentrale deutsche Serviceeinrichtung für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverluste. Sie wird vom Bund und allen Ländern getragen und hat ihren Sitz beim Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg.17 Zu den vielfältigen Aufgaben der Koordinierungsstelle Magdeburg gehört auch das Angebot von Informationsmaterial . In diesem Zusammenhang ist sie Betreiberin der umfangreichsten Datenbank zu dieser Thematik, der Datenbank „LostArt“.18 3.3. Central Collecting Point - CCP Central Collecting Point (CCP) ist die Bezeichnung für eine Sammelstelle für Kunst, die von den amerikanischen Alliierten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den ehemaligen NSDAP- Parteigebäuden in München eingerichtet worden war. Aufgabe war es, Kunstwerke, die im Deutschen Reich oder in den besetzten Gebieten in der Zeit zwischen 1933 und 1945 geraubt, beschlagnahmt oder über den Kunsthandel verkauft worden waren, aus den Sammeldepots zu holen , im CCP zu inventarisieren, um sie anschließend restituieren zu können. Bereits im Herbst 1945 wurde mit der Rückgabe der Objekte in die Herkunftsländer beziehungsweise an Privatpersonen im In- und Ausland begonnen. Bis auf wenige Tausend Objekte konnten schon damals die meisten Kunstwerke zurückgegeben werden, was in der Öffentlichkeit fast nicht bekannt ist.19 Im Juni 2009 startete die Onlineschaltung der Datenbank zum CCP in München. „Die Datenbank ist in Kooperation zwischen dem Deutschen Historischen Museum (DHM), dem Bundesarchiv, dem Bundesministerium der Finanzen (BMF), dem Zuse-Institut Berlin (ZIB), dem Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik, Dienstsitz Berlin (ZIVIT) sowie dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) entstanden. Die Datenbank zum 15 Arbeitsstelle für Provenienzrecherche-forschung, abrufbar unter: http://www.arbeitsstelle-provenienzforschung .de/. 16 Vgl.: http://hv.spk-berlin.de/deutsch/projekte/ArbeitsstelleProvenienzforschung_1.php. 17 Vgl.: http://www.lostart.de/Webs/DE/Koordinierungsstelle/Index.html. 18 Vgl.: http://www.lostart.de/Webs/DE/Start/Index.html. 19 Deutsches Historisches Museum, Datenbank zum „Central Collecting Point München“, http://www.dhm.de/datenbank /ccp/dhm_ccp.php?seite=10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 10 CCP ermöglicht die Recherche nach Kunstwerken in 125.000 digitalisierten Karteikarten mit den dazugehörigen Fotografien.“20 4. „Lost Art“ und die Rolle von Behörden Eine spezielle zentrale Stelle, die für die systematische Überprüfung aller im Besitz des Bundes befindlichen Kunstgegenstände zuständig ist, konnte nicht ermittelt werden, wenngleich insbesondere die Datenbank des BADV umfangreiche und detaillierte Informationen insbesondere auch zur Provenienzrecherche liefert. Das BADV gibt auch eine historische Einordnung der Arbeit des CCP und gibt auf seiner Internetseite Informationen zum Verbleib der infrage stehenden Kunstobjekte: „Nachdem der Central Collecting Point seine Aufgabe aufgenommen hatte, wurde bereits im Herbst 1945 mit der Rückübertragung der im CCP inventarisierten Kunstwerke an die Berechtigten begonnen. Dies erfolgte nach den Grundsätzen der inneren und äußeren Restitution im Rahmen von Wiedergutmachungsverfahren durch die amerikanische Militärregierung . Im September 1949 übergaben die Amerikaner die Verantwortung für die Restitution dieses Bestandes an die deutschen Behörden. Nachdem die Verwaltung zunächst dem Bayerischen Ministerpräsidenten und bald darauf dem deutschen Bundeskanzler übertragen worden war, wurde 1951 ein Sonderreferat "Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt" (TVK) eingerichtet. Dieses übernahm im Februar 1952 die Restbestände der ehemaligen Collecting Points in München und Wiesbaden und restituierte weitere Kunstwerke. Zehn Jahre später kam es zur Auflösung der TVK. Die bis zu diesem Zeitpunkt noch verbliebenen Objekte wurden 1963 an den Bundesschatzminister übertragen und seither von dessen nachgeordneter Behörde - anfangs war es die Oberfinanzdirektion (OFD) München - verwaltet. Hierbei handelt es sich um den Restbestand an Kunst aus dem Besitz des Deutschen Reiches, der durch die TVK weder in der inneren noch in der äußeren Restitution an die Berechtigten zurückgegeben werden konnte. Parteivermögen der NSDAP ist hierbei nicht eingeschlossen. Ende 1964 berief der Bundesschatzminister eine Sachverständigen -Kommission ein, die über die Museumswürdigkeit der Kunstwerke entschied. Aufgrund ihrer Empfehlung gelangten mehr als 580 Gemälde und 1200 Graphiken als kostenlose Dauerleihgaben an 102 deutsche Museen, die sich zur sachgemäßen Pflege der Kunstwerke verpflichtet haben. Ein weiterer Teil dieses Kunstbestandes ist an Ministerien und deren nachgeordneten Behörden verliehen. Die zeitweise nicht ausgeliehenen Objekte werden im Kunstdepot des BADV aufbewahrt. Für sie werden aktiv neue Leihnehmer gesucht, um die Werke öffentlich zeigen zu können.“21 Die Kunstwerke, die zur „lost art“ zu zählen sind, wurden demnach an deutsche Ministerien und nachgeordnete Behörden verliehen. Sie befinden sich damit nach wie vor im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Anders als im Falle von Museen und Archiven, werden Behörden andererseits im Laufe der Zeit umorganisiert, sie verlagern ihren Standort, neue Behörden werden geschaffen . Man könnte die Frage stellen, ob sichergestellt ist, dass der Verbleib von Kunstwerken 20 http://www.badv.bund.de/003_menue_links/e0_ov/d0_provenienz/CCP.html. 21 http://www.badv.bund.de/003_menue_links/e0_ov/d0_provenienz/CCP.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 11 nach Behörden- und Standortwechseln ordnungsgemäß nachgewiesen wird. Zu dieser Fragestellung wurden verschiedene Stellen kontaktiert, die eine Übermittlung entsprechender Informationen zugesagt hatten. Sobald diese vorliegen, kann die Darstellung entsprechend erweitert werden . Zu sämtlichen Kunstgegenständen, die sich im Besitz von Privatpersonen befanden, gibt es keine Nachweise. 5. Ausblick Wie oben dargestellt, gibt es eine Reihe von Institutionen auf Bunds-und Landesebene, die mit dem Thema Provenienzforschung befasst sind. Unterschiedliche Datenbanken stehen als Instrument für diese Institutionen zur Verfügung. Eine Verbundlösung könnte jedoch die Ergebnisse der Recherche erhöhen und wird deshalb als ein wirkungsvolles Forschungsinstrument gefordert (Gerlach/Prölß 2012, 20). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 023/13 Seite 12 6. Literaturverzeichnis ENDERLEIN, ANGELIKA, FLACKE, MONIKA, Die Datenbank des „Central Collecting Point München“, im Internet abrufbar über die Homepage des Deutschen Historischen Museums unter „Einleitung pdf“ http://www.dhm.de/datenbank/ccp/prj_dhm_ccp/ccp_einleitung_de.pdf. GERLACH, ANNETTE, PRÖLß, PETER 2012, Forschung-Verbunddatenbank „Provenienzforschung“, Bibliotheksdienst 46. Jg. H.1, S. 15 – 21. KÖNIG, HARALD, 12 Jahre Provenienzrecherche zu den bundeseigenen Kunstwerden aus früherem Reichsbesitz – eine Zwischenbilanz, abrufbar über die Homepage des BADV unter: http://www.badv.bund.de/003_menue_links/e0_ov/d0_provenienz/b1_aufsaetze/e0_provenienzrecherche .pdf.