© 2020 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 021/20 Zur Rechtslage bei nicht konsentierten Bildaufnahmen Zivil- und strafrechtliche Implikationen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 2 Zur Rechtslage bei nicht konsentierten Bildaufnahmen Zivil- und strafrechtliche Implikationen Aktenzeichen: WD 10 – 3000 – 021/20 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2020 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport (Ziffern 1-3, 5) WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung (Ziffer 4) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 4 2.1. Sozialsphäre 6 2.2. Privatsphäre 6 3. Zivilrechtliche Implikationen 7 3.1. Recht am eigenen Bild 7 3.2. Einzelfälle 8 3.2.1. Bilder von Teilnehmern an einer Demonstration 8 3.2.2. Ausschnitte von Bildern von Teilnehmern an einer Demonstration 8 3.2.3. Aufnahmen von Personen auf dem Weg zu einer politischen Veranstaltung 8 3.2.4. Aufnahmen von Kraftfahrzeugen 9 3.2.5. Erkennbares Kennzeichen 9 3.2.6. Sonstige identifikationserleichternde Umstände 11 3.3. Anspruchsgegner im Falle der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Abbildung 11 3.3.1. Hersteller einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Aufnahme 11 3.3.2. Betreiber einer Website, auf der eine persönlichkeitsrechtsverletzende Aufnahme gezeigt wird 11 3.3.3. Haftung des Hostproviders 12 3.4. Umfang des zivilrechtlichen Anspruchs 13 3.4.1. Anspruch auf Beseitigung der Störung 13 3.4.2. Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung 13 3.4.3. Anspruch auf Schadensersatz/Schmerzensgeld 13 3.5. Gerichtsstand 13 3.5.1. Innerhalb Deutschlands 13 3.5.2. Innerhalb der Europäischen Union 14 4. Ausgewählte strafrechtliche Implikationen 14 4.1. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, § 201a Strafgesetzbuch (StGB) 14 4.1.1. § 201a Abs. 1 StGB 14 4.1.2. § 201a Abs. 2 StGB 16 4.2. Nötigung, § 240 StGB 17 5. Zusammenfassung 17 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 4 1. Vorbemerkung Im Rahmen politischer Veranstaltungen und Versammlungen kann es dazu kommen, dass Teilnehmer, deren Begleiter oder auch deren Kfz-Kennzeichen von Privatpersonen gegen ihren Willen fotografiert werden. Diese Fotos werden in manchen Fällen dann zusammen mit personenbezogenen Daten wie z.B. dem Namen oder der Adresse veröffentlicht. Die betroffenen Personen haben Anlass zu der Vermutung, dass die Bilder und die personenbezogenen Daten von Privatpersonen „katalogisiert“ werden. Dieser Sachstand befasst sich sowohl unter zivilrechtlichen als auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten mit dieser Problematik. 2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Ein allgemeines Persönlichkeitsrecht ist als eigenständiges Grundrecht nicht in das Grundgesetz aufgenommen worden. Auf der zivilgerichtlichen Rechtsprechung aufbauend entwickelte das Bundesverfassungsgericht das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Rechtsinstitut, das sich aus Art. 2 I GG (der freien Entfaltung) und Art. 1 I GG (der Menschenwürde) ableitet. Das Persönlichkeitsrecht als Grundrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit einer Person vor Eingriffen in ihren Lebens- und Freiheitsbereich. Es ist aber nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern wirkt auch – jenseits der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Spezialregelungen – auf das Verhältnis der Bürger zueinander. Schon 1966 entschied der BGH über die Zulässigkeit von ohne Einverständnis der betroffenen Person durch Dritte gemachten Aufnahmen: „Über eine eigenmächtige Herstellung von Bildnissen trifft das KunstUrhG keine Bestimmungen. Diese ist aber grundsätzlich als eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen. Nur in Ausnahmefällen kann die Erschleichung einer Bildnisherstellung aus überwiegenden Interessen der Allgemeinheit oder eines Einzelnen gestattet sein (vgl. BGHZ 24, 200, 208 – Spätheimkehrer –; Hubmann JZ 1957, 753, 755). Bei der Wort- und Schriftberichterstattung über Personen und ihre Lebensverhältnisse sind die zum Schutz des Persönlichkeitsrechts notwendigen Grenzen anders und weniger eng zu setzen. Hat die Bildberichterstattung infolge der Entwicklung des Fernsehens, der Kinematographie und der Bild-Zeitungen heute eine sehr große Bedeutung erlangt, so darf deshalb der Rechtsschutz der Einzelperson gegenüber einer von ihr nicht gestatteten Fixierung und Vorführung eines Bildnisses nicht abgebaut werden. Sind durch die Fortschritte der Technik die Möglichkeiten erleichtert worden, heimliche Bildnisaufnahmen herzustellen, sie zu vervielfältigen und einer breiten Öffentlichkeit vorzuführen, so muß besonderer Anlaß bestehen, auf eine Wahrung der vom Recht gesetzten Schranken zu achten und einem Mißbrauch des leichter verletzbar gewordenen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 5 Persönlichkeitsrechts vorzubeugen. Das Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen …“1 1973 fasste das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung die wesentlichen Gesichtspunkte der Abwägung widerstreitender Interessen und Grundrechte zusammen: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht freilich nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz der genannten Grundrechte (vgl. BVerfGE 6, 389 (433); 27, 1 (7); 27, 344 (351); 32, 373 (379); 33, 367 (376 f.); 2 BvR 454/71 B II 1). Wenn der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Sein oder Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens berührt, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts über seinen Privatbereich ergeben, soweit dieser nicht zum unantastbaren innersten Lebensbereich gehört. Ein solcher Sozialbezug kann bei entsprechender Intensität namentlich Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit zulassen - vgl. etwa die Veröffentlichung von Bildern verdächtiger Personen im Interesse der Strafverfolgung (§ 24). Jedoch rechtfertigt weder das staatliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten noch ein anderes öffentliches Interesse von vornherein den Zugriff auf den Persönlichkeitsbereich (vgl. BVerfGE 32, 373 (381); 2 BvR 454/71 B II 5). Vielmehr gebietet der hohe Rang des Rechts auf freie Entfaltung und Achtung der Persönlichkeit, der sich aus der engen Beziehung zum höchsten Wert der Verfassung, der Menschenwürde, ergibt, daß dem aus einem solchen Interesse erforderlich erscheinenden Eingriff ständig das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Korrektiv entgegengehalten wird. Dementsprechend ist durch Güterabwägung im konkreten Fall zu ermitteln, ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalls den Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl. BVerfGE 27, 344 (353 f.); 32, 373 (381); 2 BvR 454/71 B II 5).“2 Durch spezialgesetzliche Regelungen geschützt sind u. a. das in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts fallende Namensrecht (§ 12 BGB), das Recht am eigenen Bild (§§ 22 ff. KunstUrhG3, Personen der Zeitgeschichte), das Urheberrecht (UrhG)4 und 1 BGH, Urteil vom 16. September 1966 – VI ZR 268/64 –, Rn. 46, juris. 2 BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 – 1 BvR 536/72 –, Rn. 45, juris. 3 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 440-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 3 § 31 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist. 4 Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. November 2018 (BGBl. I S. 2014) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 6 personenbezogene Daten nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)5 und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)6. Darüber hinaus genießt das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ denselben Schutz wie die absoluten Rechte (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum).7 Eine Vielzahl strafrechtlicher Vorschriften schützt die Integrität der Persönlichkeit und stellt unter anderem eine Vielzahl von Ehrverletzungen unter Strafe. 2.1. Sozialsphäre Beim Persönlichkeitsrecht lassen sich verschiedene Sphären mit einer unterschiedlichen Schutzintensität unterscheiden: Die Sozialsphäre umfasst den Bereich, innerhalb dessen sich der Einzelne im Kontakt mit anderen entfaltet, insbesondere bei einem Handeln in der Öffentlichkeit. Hier ist ein Schutz nur ausnahmsweise, im Fall eines überwiegenden Persönlichkeitsinteresses gerechtfertigt. 2.2. Privatsphäre Zur Privatsphäre gehört u.a. die Darstellung der Person durch Dritte. Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu fest: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bezieht sich neben anderem auf Darstellungen der Person durch Dritte (vgl. BVerfGE 35, 202 <220>). Der Schutz, den das Grundrecht insoweit vermittelt, wirkt aber nicht im Sinn eines generellen Verfügungsrechts über sämtliche Informationen oder Bewertungen, die Dritte hinsichtlich einer Person äußern. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz vielmehr gegenüber solchen Darstellungen, die das Persönlichkeitsbild des Einzelnen in der Öffentlichkeit verfälschen oder entstellen oder seine Persönlichkeitsentfaltung, etwa durch die von ihr ausgehenden Stigmatisierungsgefahren, erheblich beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 97, 391 <403 f.>“.8 Ebenfalls zur Privatsphäre gehören der häusliche Bereich, der private Besuch einer Gaststätte sowie das nichtöffentlich gesprochene Wort. 5 Bundesdatenschutzgesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097), das durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. 6 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Amtsblatt L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1-88). 7 Duden Recht A-Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf. 3. Aufl. Berlin: Bibliographisches Institut 2015. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. 8 BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. November 1999 – 1 BvR 348/98 –, Rn.34mwN, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 7 Hier erfolgt ein weitgehender Schutz, jedoch ist möglich, dass überwiegende9 Interessen der Allgemeinheit oder Dritter Vorrang vor dem Persönlichkeitsinteresse haben. Den stärksten Schutz erhalten die Intimsphäre und die Geheimsphäre. Das Bundesverfassungsgericht statuiert einen „absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung“10 , der sich mit dem über die Würde des Menschen (Art 1 I GG) geschützten Bereich deckt. Ist dieser betroffen, ist eine Abwägung weder nötig noch zulässig. 3. Zivilrechtliche Implikationen Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet hinsichtlich von Bildnissen in den §§ 22f KunstUrhG eine spezialgesetzliche Ausprägung, bei deren Interpretation die oben genannten Prinzipien zu beachten sind. 3.1. Recht am eigenen Bild Nach § 22 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. In bestimmten, in § 23 Abs. 1 KunstUrhG genannten Fällen dürfen ohne die Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Die Befugnis erstreckt sich nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. 9 BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973 – 2 BvR 454/71 –, Rn.39 mwN, juris. 10 BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 – 2 BvR 1062/87 –, Rn. 15 mwN, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 8 3.2. Einzelfälle 3.2.1. Bilder von Teilnehmern an einer Demonstration Grundsätzlich ist bei Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, nach § 23 Abs. 1 KunstUrhG keine Einwilligung des Abgelichteten erforderlich. Eine Teilnahme an einer Demonstration kann nach Auffassung der Rechtsprechung eine konkludente Einwilligung in eine entsprechende Veröffentlichung von Bildnissen nach § 22 S. 1 KunstUrhG sein. 11 3.2.2. Ausschnitte von Bildern von Teilnehmern an einer Demonstration Das Bundesverfassungsgericht billigte die Annahme der Rechtsprechung, dass eine Teilnahme an einer Demonstration eine konkludente Einwilligung in die Bildnisveröffentlichung nach § 22 S. 1 KunstUrhG sein könne. Grundsätzlich komme es aber darauf an, ob die konkrete Veröffentlichung eines Bildes in einem anderen oder in demselben Zusammenhang als demjenigen, auf den sich die konkludent erteilte Zustimmung in die Bildveröffentlichung erfolgt sei.12 Im Fall eines Ausschnitts aus einem Foto mit mehreren Teilnehmern an einer Demonstration führte das Oberlandesgericht Frankfurt aus: „Ein Bildnis wird nicht gleichsam dadurch zum allgemeinen Gebrauch freigegeben, weil der Abgebildete sich in einem öffentlichen Raum bewegt und weiß, dass dort Fotos gefertigt werden. Denn die Teilnahme an einer öffentlichen Demonstration ist zweckbestimmt. Sie dient der Kundgabe der Überzeugung, die Ziele der Veranstaltung zu teilen und zu unterstützen und dafür mit seiner Person offen einzutreten. Auf andere Zwecke kann dieser Wille nicht übertragen werden.“13 3.2.3. Aufnahmen von Personen auf dem Weg zu einer politischen Veranstaltung Hier finden diese Kriterien ebenfalls Anwendung. Bei einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an, so z.B. darauf, ob die abgelichteten Personen ein Interesse daran haben, auf dem Weg zur Veranstaltung beachtet zu werden und dies auch – z.B. durch Transparente – kenntlich machen. 11 BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14. September 2010 – 1 BvR 1842/08 –, Rn. 44, juris. 12 Ebd. 13 OLG Frankfurt, Urteil vom 21. April 2016 – 16 U 251/15 –, Rn. 25, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 9 3.2.4. Aufnahmen von Kraftfahrzeugen Gegenstände haben kein allgemeines Persönlichkeitsrecht dennoch könnte durch ihre Ablichtung unter bestimmten Umständen das allgemeine Persönlichkeitsrecht von mit Ihnen in Verbindung stehenden Personen verletzt sein. 3.2.5. Erkennbares Kennzeichen 2007 erklärte das Landgericht Kassel mit folgender Begründung die Veröffentlichung eines Bildes eines Kraftfahrzeuges mit Kennzeichen im Internet in dem ihm vorliegenden Fall für rechtmäßig: „Als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts innerhalb der hier allein als betroffen in Betracht zu ziehenden Privatsphäre ist u. a. das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten anerkannt. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf das sich der Antragssteller beruft, stellt sich als die Befugnis des einzelnen dar, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden. Dieses Recht ist aber nicht schrankenlos gewährleistet. Der einzelne hat keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über “seine” Daten, weil er seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet, in der auch personenbezogene Informationen einen Teil der sozialen Realität darstellen, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (vgl. BGH NJW 1991, 1532; NJW 2004 762). Unter Berücksichtigung des Vorstehenden begründet die Veröffentlichung des Autokennzeichens des Antragstellers in dem konkreten Beitrag des Antragsgegners in dem Internetforum keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Antragstellers, selbst über die Veröffentlichung persönlicher Daten zu entscheiden. Es handelt sich bei einem Kraftfahrzeugkennzeichen um keine sogenannte sensible Information, deren Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit zum Schutze des Kraftfahrzeughalters generell geboten ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Kraftfahrzeugkennzeichen eines Kraftfahrzeughalters zwar nicht für jedermann aus allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen ist, dass aber bei Kenntnis der Person und deren Anschrift die sichtbaren Daten des von dieser Person benutzten Kraftfahrzeuges unschwer ermittelt werden können. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die persönlichen Daten des Antragstellers wie zum Beispiel vollständige Adresse seines Kanzleisitzes, Lebenslauf des Antragstellers und ähnliches ausgeprägt u. a. vom Antragsteller selbst im Internet für jedermann zugänglich veröffentlicht sind. Hinzu kommt, dass das vom Antragsteller gefahrene Kraftfahrzeug, jedenfalls wenn es in der Straße seines Kanzleisitzes abgestellt ist, ihm unschwer zugeordnet werden kann. Liegen demnach die Merkmale, unter anderen das Kraftfahrzeugkennzeichen, die die Zuordnung eines individuellen Kraftfahrzeuges zum Antragsteller ermöglichen, praktisch Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 10 offen zu Tage, hat der Antragsgegner durch seinen Beitrag im Internet nicht rechtswidrig in das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.“ 14 Das Landgericht lässt aber ausdrücklich offen, ob dies auch in dem Fall einer – nicht näher definierten – Schädigungsabsicht derjenigen Person, die die Ablichtung hergestellt und auf einer Website eingestellt hat, gilt: „Etwas anderes könnte dann gelten, wenn die Veröffentlichung gerade des Kfz- Kennzeichens erkennbar darauf abzielte, den Antragssteller hierdurch zu schädigen, oder wenn ein Informationsinteresse der Teilnehmer an dem Internetforum von vornherein gänzlich ausscheiden würden.“15 In seiner „Dashcam“-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof 2018 bezüglich einer automatisierten Informationserhebung durch eine in einem Kraftfahrzeug befestigte Kamera eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung angenommen, „wenn ein erfasstes Kfz-Kennzeichen im Speicher festgehalten wird und ggf. Grundlage weiterer Maßnahmen werden kann … .“16: Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit diese Gedanken zu einer automatisierten Videoüberwachung mit Aufzeichnungsfunktion auch auf digitale Fotografien von Kraftfahrzeugen mit erkennbarem Kennzeichen übertragen werden. Es bleibt ebenfalls offen, ob und inwiefern ein solcher Grundrechtseingriff gerechtfertigt sein könnte. Der Bundesgerichtshof führt auch nicht aus, ob in jedem Fall und in welchem Maße ein 14 Landgericht Kassel, Beschluss vom 10.05.2007 – Az.: 1 T 75/07.Abrufbar unter: https://xn--rabromva .de/veroeffentlichung-von-kfz-kennzeichen-auf-einer-website-verletzt-nicht-das-persoenlichkeitsrecht-desfahrzeuginhabers /. Zuletzt abgerufen am 27. Mai 2020. 15 Landgericht Kassel, Beschluss vom 10.05.2007 – Az.: 1 T 75/07.Abrufbar unter: https://xn--rabromva .de/veroeffentlichung-von-kfz-kennzeichen-auf-einer-website-verletzt-nicht-das-persoenlichkeitsrecht-desfahrzeuginhabers /. Zuletzt abgerufen am 27. Mai 2020. 16 BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, Rn. 41, juris; „Eine Videoüberwachung mit Aufzeichnungsfunktion kann in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 2015 - VI ZR 386/13, NJW 2015, 776 Rn. 9; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534 Rn. 15; vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 26; vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11; vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, NJW 2014, 2276 Rn. 6; vom 16. März 2010 - VI ZR 176/09, VersR 2010, 677 Rn. 11; vgl. BVerfG, NVwZ 2007, 688 ff.; NJW 2009, 3293 f.; BAGE 156, 370 Rn. 23 f.). Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht der informationellen Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden. So kommt es zu einem Eingriff in das Grundrecht, wenn ein erfasstes Kfz-Kennzeichen im Speicher festgehalten wird und ggf. Grundlage weiterer Maßnahmen werden kann (vgl. BVerfGE 120, 378, 399).“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 11 so gespeichertes Foto Grundlage – bisher noch nicht definierter – „weiterer Maßnahmen“17 werden muss, damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch eine Aufnahme des Kennzeichens verletzt wird. 3.2.6. Sonstige identifikationserleichternde Umstände Sonstige identifikationsleichternde Umstände auf dem Bild – zu denken wäre hier z.B. an übel beleumdete Lokale – könnten in Zusammenhang mit der Halteranfrage nach § 39 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder der Bekanntheit des Kennzeichens in einem kleineren Ort einen tieferen Einblick in die Privatsphäre des Halters ermöglichen. Dies obliegt der Beurteilung im Einzelfall. 3.3. Anspruchsgegner im Falle der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Abbildung Anspruchsgegner kann grundsätzlich eine juristische oder eine natürliche Person sein. 3.3.1. Hersteller einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Aufnahme Derjenige, der eine persönlichkeitsrechtsverletzende Aufnahme hergestellt hat, ist als Handlungsstörer primärer Anspruchsgegner. Dazu muss er die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen adäquat verursacht haben. 3.3.2. Betreiber einer Website, auf der eine persönlichkeitsrechtsverletzende Aufnahme gezeigt wird Nach § 7 Telemediengesetz (TMG)18 haftet der Betreiber einer Website für eigene Inhalte in vollem Umfang. Für fremde Inhalte haftet der Seitenbetreiber aber in der Regel nur dann, wenn er sich diese Inhalte zu eigen gemacht hat. Für die Frage, ob es sich bei Informationen um „eigene“ handelt, kommt es allerdings nicht darauf an, ob die Inhalte tatsächlich selbst oder durch Dritte geschaffen wurden. Maßgeblich für die Einordnung als „eigene Information“ im Sinne des TMG ist, ob der Diensteanbieter sie selbst eingestellt hat und bereithält.19 17 BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, Rn. 41, juris. 18 Telemediengesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) geändert worden ist. 19 Roggenkamp/Stadler in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 6. Aufl., Kap. 10 (Stand: 16.04.2019), Rn. 90 mwN. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 12 3.3.3. Haftung des Hostproviders Unter den Voraussetzungen § 7 TMG könnte auch der Hostprovider derjenigen Website, auf der eine persönlichkeitsrechtsverletzende Aufnahme gezeigt wird, zur Löschung derselben verpflichtet sein. Der Bundesgerichtshof hat dafür folgende Voraussetzungen aufgestellt: Die Störerhaftung des Hostproviders bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt eine Verletzung zumutbarer Prüfpflichten durch den Hostprovider voraus.20 Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.21 Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen - ggf. zulässigerweise anonym auftretenden - Nutzers.22 Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags besteht, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist. Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.23 20 BGH, Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10 –, Rn. 22, juris. 21 BGH, Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10 –, Rn. 26, juris. 22 BGH, Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15 –, Rn. 38, juris. 23 BGH, Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10 –, Rn. 27, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 13 3.4. Umfang des zivilrechtlichen Anspruchs 3.4.1. Anspruch auf Beseitigung der Störung Der in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Verletzte hat gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)24 gegenüber dem Anspruchsgegner (Störer) einen Beseitigungsanspruch. Dieser Beseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung einer in der Vergangenheit eingetretenen und noch fortwirkenden Beeinträchtigung gerichtet. Ziel dabei ist die Beseitigung der fortdauernden Störungsquelle.25 Dies kann z.B. durch Vernichtung/Löschung der Abbildung geschehen. 3.4.2. Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung Der in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Verletzte hat gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S 1 BGB gegenüber dem Anspruchsgegner (Störer) einen Unterlassungsanspruch, wenn die Gefahr einer erneuten Rechtsverletzung besteht. 3.4.3. Anspruch auf Schadensersatz/Schmerzensgeld In bestimmten, eng umrissenen Fällen kann die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in schwerwiegenden Fällen oder bei der Verwendung des Bildes zu Werbezwecken zu einem Schadensersatzanspruch nach §§ 823ff, 249ff BGB führen, der ein Verschulden (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) voraussetzt.26 3.5. Gerichtsstand 3.5.1. Innerhalb Deutschlands Nach § 32 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist innerhalb Deutschlands für Klagen aus unerlaubten Handlungen nicht nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohnsitz hat (§ 13 ZPO), sondern auch das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Bei Presseerzeugnissen ist Tatort einmal der Erscheinungsort des Druckwerks (Handlungsort), zum anderen aber auch jeder Ort, an dem dieses verbreitet wird (Erfolgsort).27 24 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 541) geändert worden ist. 25 Ebbing in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1004 BGB, Rn. 64. 26 Ebbing in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1004 BGB, Rn. 82ff. 27 BGH, Urteil vom 19. Dezember 1995 – VI ZR 15/95 –, Rn. 15, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 14 In der Literatur ist es umstritten, ob diese Rechtsprechung auch auf Internetdelikte übertragen werden kann, da diese nicht – wie z.B. Rundfunksendungen – verbreitet, sondern zum Abruf bereitgehalten werden.28 3.5.2. Innerhalb der Europäischen Union Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO29 kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.30 4. Ausgewählte strafrechtliche Implikationen 4.1. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, § 201a Strafgesetzbuch (StGB)31 Die Erstellung und/oder Verbreitung von unautorisierten Bildaufnahmen ist nach dem StGB nur in bestimmten Ausnahmefällen unter Strafe gestellt. 4.1.1. § 201a Abs. 1 StGB So wird nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt (Nr. 1) oder eine durch eine solche Tat hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht (Nr. 3). Die Vorschrift des § 201a Abs. 1 StGB schützt mithin den 28 Klass in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 289 mwN. 29 Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und Rates vom 12.12.2012 (Amtsblatt L 351 vom 20.12.2012, S. 1). In Kraft getreten am 10.1.2015. Zuletzt geändert durch delegierte Verordnung (EU) 2015/281 der Kommission vom 26. November 2014 zur Ersetzung der Anhänge I und II der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 26.11.2014 (ABl. L 54 vom 25.2.2015) m.W.v. 26.2.2015. 30 BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – Az. VI ZR 217/08. In: CR 2012, 525-529. 31 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. März 2020 (BGBl. I S. 431) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 15 höchstpersönlichen Lebens- und Geheimbereich gegen unbefugte Bildaufnahmen.32 Unabhängig vom Vorliegen weiterer Tatbestandsvoraussetzungen kann die unbefugte Abbildung einer anderen Person daher erst dann strafbar sein, wenn durch die Herstellung oder die Übertragung der Bildaufnahme zugleich auch der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt wird.33 Wann dies gegeben ist, unterliegt der Auslegung im Einzelfall.34 Nach der Gesetzesbegründung zu § 201a Abs. 1 StGB soll zur einschränkenden Bestimmung des Begriffs des höchstpersönlichen Lebens- und Geheimbereichs jedoch insoweit eine Orientierung an der Definition der „Intimsphäre“ vorgenommen werden: „Der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs beschränkt den Straftatbestand auf den Bereich privater Lebensgestaltung, in dem eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und dem Schutzinteresse des Einzelnen, wie sie bei einem Eingriff in den sonstigen persönlichen Lebensbereich erforderlich ist, nicht stattfindet. Der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs kann sich inhaltlich an dem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwendeten und in der zivilrechtlichen Rechtsprechung näher ausgeformten Begriff der Intimsphäre orientieren. Danach sind der Intimsphäre vor allem, aber nicht nur die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität zuzuordnen. Eine abschließende Aufzählung, welche Lebensbereiche zu dieser absolut geschützten Intimsphäre gehören, hat die Rechtsprechung bisher nicht entwickelt. Die Intimsphäre umfasst grundsätzlich die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen sowie die Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, beispielsweise Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben sowie Nacktaufnahmen.“35 Die durch die unerlaubte Anfertigung von Bildaufnahmen erfolgende bloße Verletzung der Privatsphäre und des einfachen persönlichen Lebensbereichs verwirklichen den Tatbestand des § 201a StGB hingegen nicht.36 Da die Anfahrt sowie die Teilnahme an einer Veranstaltung in aller Regel nicht dem Bereich der Intimsphäre unterfallen, sondern vielmehr allgemeine soziale Handlungen darstellen, welche vor allem dem Bereich der Privat- und Sozialsphäre zuzuordnen sind, ist eine Strafbarkeit nach § 201a Abs. 1 StGB daher ohne das Hinzutreten ganz besonderer Umstände des Einzelfalls kaum denkbar. 32 Vgl. BT-Drs. 15/2466, S. 1; BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015, Az.: 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 201 StGB, Rn. 1. 33 Vgl. Graf, in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 201a StGB, Rn. 45. 34 Vgl. zur Übersicht etwa Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, §201a StGB, Rn. 1 mwN. 35 Vgl. BT-Drs. 15/2466, S. 5. 36 Vgl. Heuchemer, in: BeckOK StGB, 45. Edition, Stand Februar 2020, § 201a StGB, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 16 4.1.2. § 201a Abs. 2 StGB Nach § 201a Abs. 2 StGB wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Erforderlich ist mithin, dass die Bildaufnahme aufgrund ihrer Darstellung im Einzelfall geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden.37 Die Beurteilung, ob und wann dies im Einzelfall gegeben ist, ist dabei nur sehr eingeschränkt objektiv zu treffen und wird vielfach von der subjektiven Einschätzung des Betrachters überlagert.38 Auch die in der Gesetzesbegründung getroffene Aussage, dass für eine Bewertung insoweit auf einen durchschnittlichen Betrachter abzustellen sei,39 genügt nicht für eine abschließende Bewertung. Es bedarf daher einer restriktiven Auslegung der Vorschrift, die sich an den zum Ehrschutz getroffenen Erwägungen orientiert.40 Es sei daher insbesondere darauf abzustellen, ob die Bildaufnahme im konkreten Einzelfall dazu geeignet ist, das Opfer verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.41 Hierzu bedürfe es einer objektiven Betrachtung, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalles wie etwa persönliche Verhältnisse, soziale Stellung, Beruf, Alter, sachlicher Kontext usw. der abgebildeten Person einzubeziehen seien.42 Ausweislich des Wortlauts müsse die Eignung zur Schädigung dabei zudem allein aus der Bildaufnahme resultieren; es genüge nicht, dass das Ansehen erst durch die Art und Weise des Zugänglichmachens geschädigt werden könne.43 Angesichts der Gleichstellung mit dem Strafrahmen des § 201 Abs. 1 StGB müsse es sich zudem um einen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs vergleichbaren Schweregrad handeln.44 Sobald es sich allerdings um Personen des öffentlichen Lebens oder sonstige Prominente handele, welche im Internet oder sozialen Netzwerken ggf. auch selbst Abbildungen einstellen und teilen würden, die sie in fragwürdigen Situationen zeigen, müsse dies auch in die Gesamtschau mit einfließen.45 Noch problematischer sei eine Beurteilung im Einzelfall, wenn im Zusammenhang mit einer 37 Vgl. Graf, in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 201a StGB, Rn. 68. 38 Vgl. Graf, in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 201a StGB, Rn. 71. 39 Vgl. BT-Drs. 18/2954, S. 37. 40 Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 201 StGB, Rn. 38. 41 Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 201 StGB, Rn. 39. 42 Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 201 StGB, Rn. 40. 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 201 StGB, Rn. 41. 45 Vgl. Graf, in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 201a StGB, Rn. 72. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 17 bestimmten Aufnahme vom Verbreitenden beispielsweise ein künstlerischer Zusammenhang geltend gemacht würde.46 4.2. Nötigung, § 240 StGB Nach § 240 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich Betroffene von unautorisierten Bildaufnahmen sowie einer drohenden Veröffentlichung mitunter hiervon derart erheblich gestört und beeinträchtigt fühlen, dass sie aus bloßer Besorgnis hierüber etwaig anstehende Termine oder Veranstaltungen nur noch ungern besuchen. Gleichwohl dürfte dies unter dem Gesichtspunkt der Nötigung wohl in der Praxis kaum von strafrechtlicher Relevanz sein. Zum einen ist eine Gewalteinwirkung, also zumindest eine gewisse körperliche Kraftentfaltung des Täters sowie eine daraus resultierende Einwirkung auf das Opfer47 im bloßen Akt des unautorisierten Fotografierens bzw. des Veröffentlichens solcher Aufnahmen nicht zu erkennen. Zum anderen dürfte hierin auch keine (konkludente) Drohung im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB liegen. Eine Drohung erfordert nach der ganz vorherrschenden Auffassung zumindest das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende einen Einfluss zu haben vorgibt.48 Ein Übel ist dabei etwas Unangenehmes, etwas Nachteiliges und den Umständen nach zu Vermeidendes, was dazu geeignet ist, das Opfer zu dem vom Täter gewollten Verhalten zu bestimmen.49 Unautorisierte Bildaufnahmen können heute nahezu überall und in Sekundenschnelle erstellt werden, gleichgültig ob sich der hiervon Betroffene im öffentlichen oder im privaten Raum bewegt. Aus einem hieraus für den Einzelnen gegebenenfalls resultierenden Unbehagen auf eine mögliche Verwirklichung des § 240 Abs. 1 StGB zu schließen, erscheint ohne das Hinzutreten ganz besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zulässig. 5. Zusammenfassung Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist hinsichtlich des Rechts am eigenen Bild in den §§ 22f KunstUrhG spezialgesetzlich konkretisiert. Gegen eine Verletzung des allgemeinen 46 Vgl. ebd. 47 Vgl. Valerius, in: BeckOK StGB, 46. Edition, Stand Mai 2020, § 240 StGB, Rn. 6 mwN. 48 Vgl. etwa Sinn, in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 240 StGB, Rn. 69 mwN.; Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 240 StGB, Rn. 30. 49 Vgl. Sinn, in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 240 StGB, Rn. 71; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 240 StGB, Rn. 13 mwN. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 021/20 Seite 18 Persönlichkeitsrechts kann zivilrechtlich mittels eines Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S 1 BGB vorgegangen werden. Die Erstellung und/oder Verbreitung von unautorisierten Bildaufnahmen ist nach dem StGB nur in bestimmten, eng umrissenen Ausnahmefällen unter Strafe gestellt. ****