© 2020 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 020/20 Umfang der Institutsgarantie der grundgesetzlich verbürgten Pressefreiheit sowie Zulässigkeit staatlicher Fördermaßnahmen für die Presse Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 2 Umfang der Institutsgarantie der grundgesetzlich verbürgten Pressefreiheit sowie Zulässigkeit staatlicher Fördermaßnahmen für die Presse Aktenzeichen: WD 10 – 3000 – 020/20 Abschluss der Arbeit: 28. April 2020 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gegenstand der Darstellung 4 2. Fördermaßnahmen aufgrund einer Einstufung als „Kritische Infrastruktur“ 4 3. Sonstige Fördermaßnahmen und Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 4 3.1. Begriff der Presse 4 3.2. Grundrechtsträger 5 3.3. Doppelte Bedeutung des Grundrechts der Pressefreiheit 6 3.3.1. Subjektives Abwehrrecht der Grundrechtsträger gegen staatliche Eingriffe 6 3.3.2. Institutsgarantie 6 3.3.3. Pflichten des Staates aufgrund der Institutsgarantie des Grundgesetzes 7 3.3.3.1. Pressespezifische Fusionskontrolle 7 3.3.3.2. Fördermaßnahmen für die Presse 7 3.3.3.2.1. Grundsätzliche Möglichkeit 7 3.3.3.2.2. Neutralitätspflicht des Staates hinsichtlich der Inhalte 7 3.3.3.2.3. Handlungsspielraum des Staates 8 3.3.3.2.4. Abwehrrecht des Empfängers der Fördermaßnahmen gegen inhaltliche Einflussnahme 8 3.3.3.2.5. Kein subjektiver Anspruch auf staatliche Förderung 8 4. Fördermaßnahmen und Staatsfreiheit der Presse 9 5. Umfang der staatlichen Fördermaßnahmen 9 6. Zusammenfassung 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 4 1. Gegenstand der Darstellung Vor dem Hintergrund der durch die Corona-Krise verursachten wirtschaftlichen Beeinträchtigungen von Unternehmen ist im Hinblick auf Unternehmen, die Presseerzeugnisse vertreiben oder gestalten der Umfang der Institutsgarantie der grundgesetzlich verbürgten Pressefreiheit ebenso darzustellen wie mögliche staatliche Fördermaßnahmen für die Presse. Ebenfalls wird untersucht, ob – und ggf. inwieweit – eine Einstufung dieser Unternehmen als „Kritische Infrastruktur“ Ansprüche auf staatliche Fördermaßnahmen begründet. 2. Fördermaßnahmen aufgrund einer Einstufung als „Kritische Infrastruktur“ Eine Verpflichtung des Staates, Personen oder Unternehmen, die Presseerzeugnisse inhaltlich gestalten oder herstellen, aufgrund einer Einstufung als „Kritische Infrastruktur“ zu fördern, ist nicht ersichtlich. 3. Sonstige Fördermaßnahmen und Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 3.1. Begriff der Presse In sachlicher Hinsicht ist der Begriff der Presse weit auszulegen und knüpft klassischerweise an „die Eigenschaft eines Presseerzeugnisses als Druck bzw. als körperliches Verbreitungsmedium an“.1 Umfasst sind jedenfalls Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Plakate, Flugblätter oder Handzettel.2 Nach diesem traditionellen Ansatz umfasst die Pressefreiheit nicht mediale Produkte, die ausschließlich elektronisch verbreitet werden.3 Teilweise wird deshalb die Einbeziehung von Online-Angeboten weiterhin abgelehnt. Diese unterfielen wegen der fehlenden Verkörperung, ebenso wie das World Wide Web, vielmehr der Rundfunkfreiheit.4 Es wird aber auch erwogen, Art. 5 Abs. 1 GG auf die „neuen Medien insgesamt“ zu erstrecken und ein einheitliches, nicht abschließendes Mediengrundrecht zu schaffen.5 1 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 239. 2 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 239. 3 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 247. 4 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn 247 mwN; in diese Richtung etwa BeckOK GG/Schemmer, 42. Ed. 1.12.2019, GG Art. 5 Rn. 43. 5 Vgl. BeckOK GG/Schemmer, 42. Ed. 1.12.2019, GG Art. 5 Rn. 43.1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 5 Dabei wird die klassische Abgrenzung nach der Form der Verkörperung aufgegeben und der Schutzbereich der Pressefreiheit auf Online-Angebote erweitert.6 Aufgrund der hohen Anzahl der Online-Medien und den Online-Auftritten von Tages- und Wochenzeitungen im Internet würde der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit „verglichen mit jenen des traditionellen Fernsehens und Hörfunks überspannt“.7 Vertreter dieses Ansatzes plädieren deshalb dafür, „massenmediale Kommunikation dann unter den Begriff der Presse zu fassen, wenn sie Formen der Allgemeinkommunikation annimmt, die in ihrem Erscheinungsbild der Kommunikation von Text und Bild in den traditionellen Presseerzeugnissen ähnlich ist.“8 Danach soll somit nicht mehr nur auf das gedruckte Wort, sondern vielmehr auf den „Rezeptionsvorgang des Lesens von Texten“ abgestellt werden.9 Sobald ein Online-Medium nicht nur Bilder, sondern lesbare Texte enthält, sei der Schutzbereich der Pressefreiheit eröffnet. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Verfassungsgeber historisch gesehen die neuen Medien, die den traditionellen Presseerzeugnissen nahekommen, aus dem Schutzbereich der Pressefreiheit ausklammern wollte.10 3.2. Grundrechtsträger Grundrechtsträger der Pressefreiheit kann jede natürliche Person sein, „die in nicht nur beiläufiger Weise“ an der Erzeugung oder Verbreitung gedruckter Werke beteiligt ist.11 Die Pressefreiheit steht dabei sowohl den im Pressewesen tätigen Personen (Journalisten, Redakteuren, Herausgebern, Verlegern) als auch Presseunternehmen zu.12 Jede Person, die „Informationen beschafft, sie aufbereitet und sodann unter Nutzung medialer Verbreitungswege einem unbestimmten Personenkreis zugänglich macht, kann sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen“13. Die Pressefreiheit beschränkt sich dabei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „nicht auf die unmittelbar inhaltsbezogenen Pressetätigkeiten, sondern erfaßt im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung auch inhaltsferne Hilfsfunktionen von Presseunternehmen (vgl. BVerfGE 25, 296 (304) - Buchhaltung; BVerfGE 64, 6 So etwa Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 251; vgl. in diese Richtung auch BGH, Urt. v. 14.10.2020 – I ZR 191/08 – AnyDVD = ZUM-RD 2011, 290 Rn. 26. 7 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 251. 8 So etwa Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 251. 9 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 252. 10 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 262. 11 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 218. 12 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 219. 13 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 220. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 6 108 (114 f.)- Anzeigenaufnahme). Im einzelnen kommt es für die Definition des Schutzbereichs darauf an, was notwendige Bedingung des Funktionierens einer freien Presse ist (BVerfGE 66, 116 (134))14“. Auch juristische Personen des Privatrechts können sich auf die Pressefreiheit berufen.15 3.3. Doppelte Bedeutung des Grundrechts der Pressefreiheit Das BVerfG bekräftigt in ständiger Rechtsprechung eine doppelte Bedeutung des Grundrechts der Pressefreiheit.16 3.3.1. Subjektives Abwehrrecht der Grundrechtsträger gegen staatliche Eingriffe Entsprechend der systematischen Stellung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und seinem traditionellen Verständnis als subjektives Grundrecht für die im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen gewährt er zunächst einmal Freiheit gegenüber staatlichem Zwang und sichert den Grundrechtsträger in gewissen Zusammenhängen eine bevorzugte Rechtsstellung.17 Als Abwehrrechte verpflichten die Grundrechte den Staat, in die durch die grundrechtlichen Schutzbereiche gewährten Freiheitsräume des Bürgers nicht einzugreifen. 3.3.2. Institutsgarantie Daneben hat Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch noch eine objektiv-rechtliche Seite: „Sie garantiert das Institut "Freie Presse". Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Freie Gründung von Presseorganen, freier Zugang zu den Presseberufen, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sind prinzipielle Folgerungen daraus; doch ließe sich etwa auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten.“18 14 BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1988 – 1 BvR 1548/82 –, BVerfGE 77, 346-359. Juris Rn. 24. 15 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 229. 16 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 353. 17 BVerfG, Urteil vom 05. August 1966 – 1 BvR 586/62 –, BVerfGE 20, 162-230 [175]. Juris Rn. 38. Spiegel-Urteil. 18 BVerfG, Urteil vom 05. August 1966 – 1 BvR 586/62 –, BVerfGE 20, 162-230 [175]. Juris Rn. 38. Spiegel-Urteil.. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 7 Es soll sichergestellt werden, dass die „Funktionsbedingungen“ einer freien Presse gewährleistet sind und die Presseangehörigen ihren Tätigkeiten nachgehen können.19 Ziel der Schutzpflichten dabei ist die Vielfaltssicherung, also die Gewährleistung der Meinungsvielfalt im Pressewesen.20 3.3.3. Pflichten des Staates aufgrund der Institutsgarantie des Grundgesetzes 3.3.3.1. Pressespezifische Fusionskontrolle Die Garantie des Instituts der freien Presse beinhaltet nach der Rechtsprechung des BVerfG u.a. die Pflicht des Staates, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen können. Eine Konzentration und der Aufbau marktbeherrschender Stellungen im Bereich der Presse stellen nämlich Beschränkungen der freien Presse dar. 21 3.3.3.2. Fördermaßnahmen für die Presse Den Rahmen für mögliche Subventionen für die Presse hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 6. Juni 1989 vorgegeben. 3.3.3.2.1. Grundsätzliche Möglichkeit Grundsätzlich kann danach der Staat – auch ausgewählte – Presseerzeugnisse subventionieren: „Entscheidungen über Pressesubventionen können für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlich sein, wenn mit der staatlichen Leistung entweder eine erhebliche Gefahr für die Staatsfreiheit und Kritikbereitschaft der Presse einhergeht oder wenn ohne eine solche Leistung die Aufrechterhaltung eines freiheitlichen Pressewesens nicht mehr gewährleistet ist. Es sind jedoch auch Subventionen möglich, bei denen derartige Gefahren nicht bestehen.“22 3.3.3.2.2. Neutralitätspflicht des Staates hinsichtlich der Inhalte Wenn der Staat aber Fördermaßnahmen für die Presse ergreift, muss gewährleistet sein, dass er auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse keinen Einfluss nimmt und durch diese Fördermaßnahmen keine Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt eintreten: „Staatliche Förderungen dürfen bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründet im Förderungsbereich für den 19 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 347. 20 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 367. 21 Maunz/Dürig/Grabenwarter, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 C. Rn. 364. 22 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 727/84 –, BVerfGE 80, 124-137. Juris Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 8 Staat vielmehr eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet.23“ 3.3.3.2.3. Handlungsspielraum des Staates Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Staat bei der Förderung von Grundrechten – hier also durch Gewährung von Fördermaßnahmen – einen weiteren Handlungsspielraum als bei der Einschränkung von Grundrechten. Deshalb hat er ein Auswahlermessen und muss nicht alle Presseerzeugnisse gleichermaßen fördern. Er darf seine Förderung allerdings nicht daran ausrichten, ob die Presseerzeugnisse genehm sind oder nicht. Die Förderung muss sich ausschließlich an meinungsneutralen Kriterien ausrichten.24 3.3.3.2.4. Abwehrrecht des Empfängers der Fördermaßnahmen gegen inhaltliche Einflussnahme Die Unabhängigkeit der Presse wird auch dadurch gewahrt, dass der Empfänger der Fördermaßnahmen ein Recht hat, staatliche Einflussnahmen auf den Inhalt abzuwehren. Das Bundesverfassungsgericht stellt dazu fest: „Dieser Neutralitätspflicht des Staates entspricht auf seiten des Trägers der Pressefreiheit ein subjektives Abwehrrecht gegen die mit staatlichen Förderungsmaßnahmen etwa verbundenen inhaltslenkenden Wirkungen sowie ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.25“ 3.3.3.2.5. Kein subjektiver Anspruch auf staatliche Förderung In dieser Entscheidung bekräftigte das Bundesverfassungsgericht zwar die Institutsgarantie der freien Presse, leitete aber daraus keinen subjektiven Anspruch auf staatliche Förderung ab: „In dieser Eigenschaft erlegt das Grundrecht dem Staat eine Schutzpflicht für die Presse auf und bindet ihn bei allen Maßnahmen, die er zur Förderung der Presse ergreift. Daraus folgt allerdings für den einzelnen Träger der Pressefreiheit noch kein grundrechtlicher Anspruch auf staatliche Förderung.“26 Martini ordnet die staatliche Schutzpflicht für die Presse in die Medienlandschaft insgesamt ein und sieht eine Finanzierungsgarantie, die einem subjektiven Anspruch auf staatliche Förderung entspricht, nur als Ultima Ratio an: „Daraus erwächst eine staatliche Schutzpflicht, jedoch keine mit der Ausstattung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten strukturell vergleichbare Finanzierungsgarantie. 23 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 727/84 –, BVerfGE 80, 124-137. Juris Rn. 28. 24 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 727/84 –, BVerfGE 80, 124-137. Juris Rn. 29. 25 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 727/84 –, BVerfGE 80, 124-137. Juris Rn. 28. 26 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 727/84 –, BVerfGE 80, 124-137. Juris Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 9 Die Bedeutung der Presse im Konglomerat meinungsbildender Faktoren gebietet es auch nicht, ihr eine solche Garantie zuzuerkennen – jedenfalls solange der Bestand und die Funktionsfähigkeit des freiheitlichen Pressewesens als Institut insgesamt nicht ins Wanken gerät.27 4. Fördermaßnahmen und Staatsfreiheit der Presse Das Bundesverfassungsgericht hat die Staatsfreiheit der Presse folgendermaßen definiert: „Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf.28“ Zu diskutieren wäre hier, ob und – ggf. inwieweit – in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation eine existenzsichernde staatliche Beteiligung an einem Presseunternehmen zu rechtfertigen wäre. 5. Umfang der staatlichen Fördermaßnahmen Da es für Presseunternehmen – s.o. – keine verfassungsrechtlich gebotene staatliche Finanzierungsgarantie gibt, obliegt es dem Ermessen des Gesetzgebers, Fördermaßnahmen im Rahmen der obigen Grundsätze hinsichtlich der Höhe und des Umfangs auszugestalten. 6. Staatliche Fördermaßnahmen: Corona-Soforthilfe Die Bundesregierung hat Corona-Soforthilfen in Höhe von insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro für Solo-Selbständige und kleine Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Folge von Corona beschlossen. 6.1. Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige Es besteht Einvernehmen zwischen Bund und Ländern, dass dieses Programm auch Freiberuflern offensteht. Die Bundesregierung leistet finanzielle Soforthilfe in Form von Zuschüssen zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Antragsteller und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen. 27 Martini, Mario: Die Presseförderung im Fadenkreuz des Unionsrechts. In: EuZW 2015, 821ff [825]. 28 BVerfG, Urteil vom 05. August 1966 – 1 BvR 586/62 –, BVerfGE 20, 162-230 [174]. Juris Rn. 37. Spiegel-Urteil. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 10 Liquiditätsengpässe sind nur dann gegeben, wenn der Antragsteller durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z.B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen. Ein Liquiditätsengpass ist also nicht gegeben, wenn die Einnahmen z.B. eines Schauspielers wegbrechen und er deshalb seinen privaten Lebensunterhalt (z.B. Miete für die Privatwohnung, sonstige Lebenshaltungskosten) nicht mehr bestritten werden können. Solo-Selbständige – also Selbständige ohne Beschäftigte, Einzelkünstler etc. – und Kleinstunternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten danach bis 9.000 Euro Einmalzahlung für drei Monate. Bei bis zu zehn Beschäftigten fließen bis 15.000 Euro Einmalzahlung für drei Monate. Darüber hinaus stellen einzelne Bundesländer auch Zuschüsse (also keine Darlehen!) für größere Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten zur Verfügung. Für das Bundesprogramm „Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige“ stellt der Bund die Mittel bereit und gibt die Mindestvoraussetzungen vor. Die Umsetzung und Auszahlung erfolgt aber durch die Bundesländer, die das Bundesprogramm auch durch Landes- Hilfsprogramme ergänzen können. Eine Kumulierung des Soforthilfeprogramms des Bundes mit einem Landeshilfsprogramm ist grundsätzlich zulässig, im Ergebnis darf aber keine Überkompensation erfolgen. Je nach Ausgestaltung des Landes-Hilfsprogramms wird die Landessoforthilfe auf die Bundessoforthilfe angerechnet. Beantragung erfolgt in jedem Fall über die Bewilligungsstelle des Landes. Die Abwicklung soll elektronisch über die Länder beziehungsweise Kommunen erfolgen.29 29 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Kurzfakten zum Corona-Soforthilfe-Programm des Bundes – Stand 30. März 2020. Abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/kurzfakten-coronasoforthilfen .pdf?__blob=publicationFile&v=12. Zu den einzelnen Voraussetzungen: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Corona Soforthilfe für Kleinunternehmen und Soloselbständige – FAQs. Abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/C-D/corona-soforthilfe-fuer-kleinunternehmen-undsoloselbstaendige -faq.pdf?__blob=publicationFile&v=6. Diese und alle anderen URL wurden zuletzt am 14. April 2020 abgerufen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 11 Kultur- und Medienschaffende, die über keinen Liquiditätsengpass im Sinne des Gesetzes verfügen, sondern „lediglich“ ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, haben – wie andere Menschen auch – einen erleichterten Zugang zur Grundsicherung30 durch das sogenannte „Sozialschutz-Paket“. Bei Antragstellung zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. Juni 2020 gilt nunmehr Folgendes: Die Berücksichtigung des Vermögens des Antragstellers wird bei Neuantragstellung befristet ausgesetzt, wenn der Antragsteller erklärt, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden sei. Auch Folgeanträge werden ohne weitere Ermittlung bewilligt. Die Ausgaben für Wohnung und Heizung werden in den ersten sechs Monaten ohne weitere Prüfung in tatsächlicher Höhe anerkannt, um einen erzwungenen Umzug des Antragstellers zu vermeiden.31 6.2. Corona-Soforthilfen für größere Unternehmen Schließlich können größere Unternehmen auch einen Soforthilfe-Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau erhalten, um einen Liquiditätsengpass zu vermeiden: Der Kredit steht mittelständischen Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten zur Verfügung, die mindestens seit 1. Januar 2019 am Markt aktiv gewesen sind. Das Kreditvolumen pro Unternehmen beträgt bis zu 25 Prozent des Gesamtumsatzes im Jahr 2019, maximal 800.000 Euro für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl über 50 Mitarbeitern, maximal 500.000 Euro für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von bis zu 50. Die Bank erhält eine Haftungsfreistellung in Höhe von 100 Prozent durch die KfW, abgesichert durch eine Garantie des Bundes.32 30 Mit dem Begriff Grundsicherung wird eine staatliche Sozialleistung für arbeitsuchende Menschen bezeichnet. Sie soll ihnen dabei helfen, ihren Lebensunterhalt zu decken, wenn die eigenen Mittel dafür nicht ausreichen. Informationen der Bundesanstalt für Arbeit abrufbar unter: https://www.arbeitsagentur.de/lexikon/grundsicherung. 31 Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 7. April 2020: Das Sozialschutz-Paket – erleichterter Zugang zu Sozialleistungen. Abrufbar unter: https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/sozialschutzpaket .html#doc866034bodyText10. 32 Eine Übersicht findet sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Abrufbar unter: https://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KUK/Redaktion/DE/Meldungen/2020/2020-03-12-coronavirusbmwi -hilfen.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 020/20 Seite 12 7. Zusammenfassung Ein Rechtsanspruch von Presseunternehmen auf staatliche Fördermaßnahmen besteht – auch bei einer Einstufung als „Kritische Infrastruktur“ – grundsätzlich nicht. Der Staat kann Presseunternehmen nach eigenem Ermessen fördern. Dabei ist er der Inhaltsneutralität verpflichtet. Grundsätzlich müssen Presseunternehmen nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatwirtschaftlichen Organisationsformen geführt werden. Die öffentliche Gewalt darf in den Wettbewerb der staatsfreien Presseunternehmen untereinander grundsätzlich weder inhaltlich noch wirtschaftlich eingreifen. ****