© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 020/19 Upload-Filter vor dem Hintergrund der Reform des Urheberrechts in der EU Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/19 Seite 2 Upload-Filter vor dem Hintergrund der Reform des Urheberrechts in der EU Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 020/19 Abschluss der Arbeit: 28. März 2019 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Hintergrund 4 3. Rechtliche Bewertung 5 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/19 Seite 4 1. Vorbemerkung Dieser Sachstand informiert über die Hintergründe und die rechtliche Einordnung der aktuellen Reform des Urheberrechtes im digitalen Binnenmarkt der Europäischen Union. 2. Hintergrund Der „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“1 wird seit Veröffentlichung des Entwurfs kontrovers diskutiert. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, das europäische Urheberrecht EU-weit anzugleichen und an die Erfordernisse der digitalen Gesellschaft anzupassen.2 Die am 26.03.2019 vom EU Parlament gebilligte Reform der EU-Urheberrechtsvorschriften ist ein Kompromiss, der zwischen dem Europäischen Parlament, der Europäische Kommission und dem Rat der Europäischen Union im sogenannten Trilog vereinbart wurde. Kern der Diskussion ist die künftige Haftung für Urheberrechtsverstöße. Zukünftig sollen die Plattformen selbst für die Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer haften.3 Um dies zu verhindern , fordert Artikel 13 die Anbieter dazu auf, selbst nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.4 Diese Leistung soll nach überwiegender Auffassung nur mittels eines sogenannten Upload-Filter erbracht werden können.5 Diese Filter tasten hochgeladene Inhalte ab und vergleichen sie mit einer R eferenzdatenbank, in welcher Fingerprints von Filmen, Sounds und sonstigem hinterlegt sind. Gibt es (wenn auch nur zufällige) Übereinstimmungen von Upload und hinterlegtem Fingerprint, besteht der Verdacht einer Urheberrechtsverletzung . Automatisiert entscheidet der Filter nun, ob der Upload gesperrt, gelöscht 1 Fassung EU-Parlament: EUR-lex: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt; COM/2016/0593 final - 2016/0280 (COD); URL: https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM:2016:0593:FIN (Zugriff: 12.03.2019). Kompromissfassung: Rat der Europäischen Union: Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on Copyright in the Digital Single Market; 2016/0280 (COD); URL: https://data.consilium.europa .eu/doc/document/ST-6637-2019-INIT/en/pdf (Zugriff: 12.03.2019). 2 Jackisch, Samuel: Der Kampf ums Internet. EU-Parlament zu Urheberrecht, in: tagesschau.de; 09.02.2019; URL: https://www.tagesschau.de/ausland/eu-parlament-urheberrecht-101.html (Zugriff: 13.03.02019). 3 Die Haftung der Plattform wird dabei fingiert, da die originäre Urheberrechtsverletzung noch immer beim Nutzer , der den Inhalt hoch lädt, liegt. 4 Erwäggrund 37 a klammert nicht-kommerzielle Projekte wie Online-Enyklopädien, Forschungsdaten, eigene Clouddienste, Open Source-Software-Entwicklungsplattformen und Online Marketplaces aus. Abrufbar unter: https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2018- 0337+0+DOC+XML+V0//DE. 5 Urheberrechtsreform – Artikel 13 und YouTube, Wilde, Beuger, Solmecke, abrufbar unter: https://www.wbslaw .de/urheberrecht/geplante-urheberrechtsreform-zerstoert-artikel-13-wirklich-youtube-78689/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/19 Seite 5 oder einer menschlichen Überprüfungsinstanz zugeführt werden soll. Kritiker6 werfen dieser Technologie vor, fehleranfällig zu sein und tendenziell eher zu viel als zu wenig zu löschen (sog. Overblocking), um eine Haftung zu vermeiden. Eine sichere Unterscheidbarkeit von legalen und illegalen Inhalten könne derzeit nicht gewährleistet werden.7 So können nach aktuellem Stand der Technik, Computerprogramme noch immer keine Ironie oder Satire erkennen. Kritiker befürchten daher, dass entsprechende Videos und Texte grundlos für illegale Inhalte gehalten werden.8 Damit gerate nach ihrer Auflassung die freie Meinungsäußerung auch im Internet in Gefahr.9 Insbesondere wird befürchtet, dass die Nutzung von Upload- Filtern der erste Schritt zu einer umfänglichen inhaltlichen Überwachung und Kontrolle von sozialen Netzwerken durch den Staat sein könnte.10 3. Rechtliche Bewertung Die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie soll den „Flickenteppich“ der nationalen Urheberrechtsgesetzgebungen harmonisieren und die inzwischen beinahe 20 Jahre alte InfoSoc-RL11 ersetzen. Der besonders kontroverse Art. 13 stellt das bisherige Haftungsregime von Internet Providern zu dessen Ungunsten um. Bisher profitierten Internetplattformen von einem Providerprivileg, welches die Plattformen mit Nutzerinhalten grundsätzlich von der Haftung für Urheberrechtsverletzungen freistellte. Nach der Devise „notice and take down“ müssen YouTube und Co. bei Urheberrechtsverletzungen bis jetzt nur tätig werden, wenn sie einen entsprechenden Hinweis erhalten. Selbst dann war jedoch keine Haftung zu befürchten, sondern nur die Pflicht, die betrefflichen Inhalte 6 Gegen Upload-Filter hat sich z.B. die Fraktion der FDP gewandt. Vgl. Antrag der Fraktion der FDP, Bekenntnis für Meinungsfreiheit und gegen Upload-Filter, BT-Drs. 19/3002, 27.06.2018, https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/030/1903002.pdf. Ebenso u.a. Bitkom, Mozilla und Wikipedia, vgl. Rixecker, Kim, EU-Urheberrechtreform : Bitkom, Mozilla und Wikipedia protestieren gegen Uploadfilter, t3 News, 13.09.2018, https://t3n.de/news/eu-urheberrechtsreform-bitkom-mozilla-und-wikipedia-protestieren-gegen-uploadfilter- 1109597/. 7 tagesschau.de: Was sind Upload-Filter? #kurzerklärt; 12.09.2018; URL: http://faktenfinder.tagesschau.de/kurzerklaert /upload-filter-101~_origin-871b4cd7-e560-43b5-9cab-43328599032b.html (Zugriff: 13.02.2019). 8 Zajonz, David: Die Angst vor Upload-Filtern. Urheberrecht im Internet, in: tagesschau.de; 06.03.2019; URL: http://www.tagesschau.de/kultur/lefloid-youtube-107.html (Zugriff: 13.03.2019). 9 tagesschau.de: Was sind Upload-Filter? a.a.O. 10 Vgl. Jackisch, Samuel, Der Kampf ums Internet, a.a.O. 11 Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22.06.2001, ABl. EG Nr. L 167/10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/19 Seite 6 zu löschen. So heißt es in dem noch aktuell geltenden Art. 14 der E-Commerce-RL12, dass ein solcher Dienst „nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern […] der Anbieter keine tatsächliche Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Information hat […]“. Art. 15 E-Commerce-RL stellte ferner klar, dass Provider „keine allgemeine Verpflichtung“ haben, „zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen“. Diese Regelungen wurden indes bereits für den Provider YouTube durch die Rechtsprechung verschärft.13 Danach ist eine Haftung des Anbieters zu bejahen, wenn dieser nach Erhalt eines Hinweises nicht genug unternimmt, um einen weiteren Upload des beanstandeten Inhalts zu verhindern. Nach Auffassung der Gerichte sei diese Haftungsverschärfung gerechtfertigt, da es sich nur um eine Überwachungspflicht in spezifischen Fällen handele und eine - bisher rechtswidrige - allgemeine Überwachungspflicht dadurch nicht statuiert würde. Der Wortlaut des neuen Art. 13 geht nun noch weiter und macht Provider für die Urheberrechtsverletzungen seiner Nutzer haftbar. Der Wortlaut der neuen Richtlinie verlangt vom Provider, dass er - Alle Anstrengungen unternimmt, um eine Lizenz des Urhebers zu erhalten, - sämtliche rechtswidrig erlangte Inhalte, von denen er Kenntnis hat, offline zu halten, - zukünftige Rechtsverletzungen gleichen Inhalts zu unterbinden. Der Wortlaut verlangt hingegen nicht die Zwischenschaltung eines Upload Filters14 und gibt somit auch keine Vorgaben zu dessen technischer Ausgestaltung. Art. 13 ist eine technologieneutrale Regelung, die den Providern die nähere Ausgestaltung überlässt. Einzig der Umstand, dass es eine Art der automatisierten Filterung geben muss, ist vor dem Hintergrund der unüberschaubaren Datenmenge, wahrscheinlich.15 Auf rechtliche Bedenken würde die Einführung von Upload-Filtern insbesondere vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Meinungs-und Informationsfreiheit der Bürger und Bürgerinnen 12 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt vom 8. Juni 2000, ABl. EG Nr. L 178 S.1. 13 Vgl. etwa: LG Hamburg, Urteil vom 20.04.2012, AZ: 310 O 461/10. 14 Art. 13 I spricht lediglich von „effective content recognition technologies“. Abrufbar unter: https://eur-lex.europa .eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0593&from=DE. 15 Allein auf der Plattform „YouTube“ werden minütlich ungefähr 400 Stunden Videomaterial hochgeladen, Stand 2015, vgl.: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/207321/umfrage/upload-von-videomaterial-bei-youtube -pro-minute-zeitreihe/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/19 Seite 7 nach Art. 5 Grundgesetz16 und Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union17 stoßen . Das Filtern von Inhalten vor der Veröffentlichung könnte ein nicht gerechtfertigter und unverhältnismäßiger Eingriff in vorgenannte Grundrechte darstellen. Dieser Eingriff käme einer Zensur gleich.18 Ob es zu einem solchen Szenario kommt, ist indes fraglich. Plattformen wie YouTube sind auf den Upload von möglichst vielen Nutzen angewiesen, um weiterhin vielfältige Inhalte anbieten zu können. Nur so würde die aktuelle Attraktivität der Plattform bewahrt werden und Werbeeinnahmen weiterhin Gewinne garantieren. Eine intelligente Ausgestaltung des Upload-Filters, der Over-Blocking vermeidet, läge folglich im ureigenen wirtschaftlichen Interesse des Konzerns. Die Androhung einer Haftung könnte zu Innovationen bei den Plattformen führen, sodass am Ende möglicherweise die Urheber besser geschützt sind, ohne dass die Meinungs- und Informationsfreiheit leide.19 Um der Gefahr einer Überforderung kleinerer oder neu etablierter Plattformen entgegenzutreten, werden Anbieter von den Regelungen des Art. 13 befreit, die: - Seit weniger als drei Jahren ihre Dienste anbieten, - weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz vorweisen - und weniger als fünf Millionen Nutzer haben.20 4. Fazit Insgesamt kann eine Folgenabschätzung allein aufgrund der neuen Richtlinie derzeit nicht getroffen werden. Zu ungewiss ist der Umgang der großen Plattformen mit der neuen Rechtslage. Insofern kann noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Google-Suche in den USA und in einem Land der EU dieselben Resultate bringen würde. Auch ist bis zur Einrichtung eines solchen Filters nicht vorhersehbar, wie dieser arbeitet und inwiefern er für den Nutzer sichtbar ist. Im internationalen Vergleich ist eine ähnliche Regelung, die den Schutz des Urheberrechts bezweckt , jedenfalls nicht ersichtlich. **** 16 Grundgesetz vom 23.05.1949, zuletzt geändert am 13.07.2017, (BGBl. I S. 2347). 17 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18.12.2000, ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 391. 18 Deutscher Bundestag, Abgeordnetenantrag vom 27.06.2018, Drs. 19/3002. 19 Der Rechtswissenschaftler Matthias Leistner (LMU-München) meint: „Die gesetzliche Forderung nach geeigneten Maßnahmen zur Sperrung von Inhalten ist nichts fundamental revolutionäres“. Auch Artur Wandtke (Humboldt Universität zu Berlin) glaubt, dass sich an der bestehenden Rechtslage „nicht besonders viel“ ändern wird. Vgl. dazu: Was regelt der strittige Art. 13, Iris Marx, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/euurheberrechtsreform -107.html. 20 Was regelt der strittige Art. 13, Iris Marx, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eu-urheberrechtsreform -107.html.