© 2016 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 020/16 Der Umgang mit Filmen auf Nitrozellulosebasis im internationalen Vergleich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 2 Der Umgang mit Filmen auf Nitrozellulosebasis im internationalen Vergleich Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 020/16 Abschluss der Arbeit: 18.04.2016 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gesetzliche Grundlagen und Auflagen beim Umgang des Bundesarchivs mit Nitrofilmen 4 1.1. Aufsichtsbehördliche „Auflagen“ des Bundesarchivs 4 1.2. Rechtsgrundlagen beim Umgang mit Nitrofilmen 4 1.2.1. Sprengstoffgesetz 4 1.2.2. Zweite Sprengstoffverordnung 6 1.2.3. Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung, Richtlinien 6 1.2.4. DIN-Norm 15551-3: 2011-2 7 2. Kassationspflicht in Deutschland 8 2.1. Zunächst: Kassationspraxis des Bundesarchivs 8 2.2. Aufsichtsbehördliche Anordnung zum Abbau des Nitrofilmbestands 8 2.3. Gesetzliche Kassationspflichten 9 2.3.1. Kassation und Sprengstoffgesetz bzw. -verordnungen 9 2.3.1.1. Gesetzlicher Erforderlichkeitsvorbehalt 9 2.3.1.2. Sukzessive Kassation erforderlich? 10 2.3.2. Kassation und Gefahrstoffverordnung 11 2.3.3. Kassationspflicht nach DIN 15551-3: 2011-2 12 2.3.4. Der Kassation entgegenstehende Erhaltungspflicht nach dem Bundesarchivgesetz? 12 2.3.5. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Kassation 14 3. Aufbewahrung von Nitrofilmen und Azetatfilmen in Frankreich, Großbritannien, Österreich, Dänemark, Polen, USA und Australien 15 3.1. Gesetzliche bzw. behördliche Kassationspflichten 15 3.2. Kassationspraxis im Ländervergleich 16 3.2.1. Frankreich 16 3.2.2. Großbritannien 16 3.2.3. Österreich 17 3.2.4. Dänemark 17 3.2.5. Polen 18 3.2.6. USA 19 3.2.7. Australien 20 4. Aktueller wissenschaftlicher Kenntnisstand über Gefahren und Risiken bei der Aufbewahrung von Filmen auf Nitrozellulosebasis 20 5. Literatur 20 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 4 1. Gesetzliche Grundlagen und Auflagen beim Umgang des Bundesarchivs mit Nitrofilmen 1.1. Aufsichtsbehördliche „Auflagen“ des Bundesarchivs Es existieren spezifische Nebenbestimmungen des ehemaligen Amts für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Eberswalde. Diese ergingen im Zusammenhang einer unbefristeten Genehmigung auf Grundlage des § 17 SprengG für den Betrieb des Lagers des Bundesarchivs in Dahlwitz- Hoppegarten, die am 8.6.2001 erteilt wurde. Die Nebenbestimmungen sind Gegenstand eines Verwaltungsakts gemäß § 35 VwVfG. Sie entfalten für das Bundesarchiv daher unmittelbare Bindungswirkung . 1.2. Rechtsgrundlagen beim Umgang mit Nitrofilmen Daneben normieren mehrere Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und sonstige Regelwerke Verbote , Einschränkungen und spezifische Verhaltenspflichten den Umgang des Bundesarchivs mit Nitrofilmen. Diese stellen überdies auch die Rechtsgrundlage für die behördliche Aufstellung der genannten Nebenbestimmungen dar. 1.2.1. Sprengstoffgesetz Fraglich ist, inwieweit der Umgang und hier insbesondere die Lagerung von Nitrofilmen durch das Bundesarchiv dem Sprengstoffgesetz unterfällt.1 Nitrofilme enthalten Nitrocellulose (Cellulosenitrat ). Dieser Stoff wird in bestimmten Verarbeitungsstufen gemäß Anlage III (Explosivstoffliste ) zum Sprengstoffgesetz nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 SprengG zwar zu den Explosivstoffen gezählt.2 Allerdings kennzeichnet einen Explosivstoff, dass dieser auch zur Verwendung als Explosivstoff bestimmt ist, vgl. § 1 Abs. 1 SprengG. Dies ist bei Nitrofilm nicht der Fall. Bisweilen wird davon ausgegangen, dass Nitrocellulose unter die Stoffgruppe C fällt und damit als sonstiger explosionsgefährlicher Stoff im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 SprengG einzuordnen ist. Dagegen spricht zwar auf den ersten Blick, dass Anlage III zum SprengG in der geltenden Fassung Nitrocellulose (Cellulosenitrat) offenbar gerade nicht enthält.3 Gleichwohl fällt Nitrocellulose wohl unter die Stoffgruppe C der Bekanntmachung der explosionsgefährlichen Stoffe, da § 2 Abs. 6 S. 1 SprengG bestimmt, dass auch solche Stoffe als sonstige explosionsgefährliche Stoffe anzusehen sind, die vom Bundesministerium des Innern mit Bekanntmachung vom 3. Dezember 1986 (BAnz. Nr. 233a vom 16. Dezember 1986), berichtigt mit Bekanntmachung vom 5. März 1987 (BAnz. Nr. 51 S. 2635 vom 14. März 1987), veröffentlicht worden sind. Denn eben hier scheint Nitrocellulose 1 Vgl. hierzu Hofman, Zur Lagerung, Bearbeitung und Umkopierung von Nitro-Bildnegativen im Bundesarchiv, 2002, http://www.uni-muenster.de/Forum-Bestandserhaltung/konversion/film-hofmann.html. 2 BGBl. I 2005, 1631 ff. 3 Siehe BGBl. I 2002, 3535 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 5 als ein solcher Stoff aufgenommen worden zu sein.4 Nitrocellulose ist damit – unabhängig von der Zweckbestimmung dieses Stoffes – grundsätzlich vom SprengG erfasst. Einschränkungen im Anwendungsbereich des SprengG hinsichtlich einer Verwendung von Nitrocellulose , soweit diese nicht zur Verwendung als Explosivstoff bestimmt ist, normiert allerdings § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Ersten Sprengstoffverordnung (SprengV 1). Hiernach ist das Sprengstoffgesetz nicht anzuwenden auf „den Umgang – ausgenommen das Be- und Verarbeiten, das Wiedergewinnen und das Vernichten – und den Verkehr mit Fertigerzeugnissen, die aus Zellhorn hergestellt sind oder in denen Zellhorn verarbeitet ist, und mit Membranfiltern aus Cellulosenitraten sowie auf die Einfuhr dieser Erzeugnisse; das gleiche gilt für Kine- und Röntgenfilme auf Cellulosenitratbasis mit photographischer Schicht mit der Maßgabe, daß deren Aufbewahrung im Zusammenhang mit der Wiedergewinnung von der Anwendung des Gesetzes nicht ausgenommen ist.“ Anzuwenden ist das Sprengstoffgesetz in Bezug auf den Umgang mit Nitrofilmen hiernach jedenfalls insoweit, wie „deren Aufbewahrung im Zusammenhang mit der Wiedergewinnung“ steht. Bisweilen wird unter den Begriff der Wiedergewinnung auch die Aufarbeitung der Filmoriginale – also die Restaurierung der Filminhalte – gefasst.5 Hiergegen spricht, dass der Begriff des Wiedergewinnens in der SprengV 1 einen entsprechenden Begriff des übergeordneten SprengG aufgreift und der Begriff im SprengG auf das Wiedergewinnen explosionsgefährlicher Stoffe als solche bezogen ist, nicht dagegen auf den auf diesem Stoff verkörperten medialen Inhalt. Dies wird etwa mit Blick auf § 7 Abs. 2 S. 1 SprengG deutlich („Wiedergewinnung explosionsgefährlicher Stoffe“). Infolge einer Aufarbeitung der Filmoriginale im Wege der Restaurierung wird wohl regelmäßig gerade keine Nitrocellulose (wieder-)gewonnen, sondern die vorhandene Stoffmenge lediglich erhalten. Hiernach wären die Vorschriften des SprengG in Bezug auf die Archivierung und die gewöhnliche Restaurierung von Nitrofilmen zunächst nicht anwendbar.6 Anderes gilt dagegen, wenn man die Rückausnahme des § 1 Abs. 1 Nr. 4 1. HS SprengV 1, wonach das Be- und Verarbeiten und das Vernichten von Fertigprodukten, die Zellhorn (Nitrocellulose ) enthalten, vom SprenG erfasst sein soll, auch auf den 2. HS bezieht.7 Dafür spricht der Wortlaut, wonach „das gleiche (…) für Kine- und Röntgenfilme auf Cellulosenitratbasis (…)“ gelten soll. Hiernach ist das SprengG auch in Bezug auf das Be- und Verarbeiten, die Wiedergewinnung , das Vernichten von Nitrofilm sowie dessen Aufbewahrung im Zusammenhang mit der 4 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 54; Dienstanweisung des Bundesarchivs v. 4.11.2003, Gesch.-Z. Z 7.5 -03124/1, S. 1. 5 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 53 (54). 6 A.A. Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 53 (54). 7 So Hofmann, Zur Lagerung, Bearbeitung und Umkopierung von Nitro-Bildnegativen im Bundesarchiv, 2002, http://www.uni-muenster.de/Forum-Bestandserhaltung/konversion/film-hofmann.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 6 Wiedergewinnung anwendbar. Demzufolge ergibt sich bereits aus der SprengV 1, dass der Vorgang der Bearbeitung sowie die Vernichtung von Nitrofilmen doch vom SprengG erfasst werden. Der Umgang mit Nitrofilmen im Zusammenhang der Restaurierung und Konservierung ist, da er regelmäßig zu Substanzveränderung am Nitrofilm führt, als Bearbeitung im Sinne des SprengG anzusehen. Auch der innerbetriebliche Transport und die kurzzeitige Lagerung am Arbeitsplatz werden wohl, soweit dies zum Zwecke der Bearbeitung im engeren Sinne erfolgt, vom Begriff der Bearbeitung umfasst sein.8 1.2.2. Zweite Sprengstoffverordnung Gemäß § 1 Abs. 1 der Zweiten Sprengstoffverordnung (SprengV 2) fällt überdies die Aufbewahrung auch von sonstigen explosionsgefährlichen Stoffen unter die SprengV 2. Wie gezeigt, ist Nitrocellulose als sonstiger explosionsgefährlicher Stoff einzuordnen. Ausnahmen für Nitrofilme enthält die SprengV 2 nicht. Damit ist der Anwendungsbereich der SprengV 2 für die Aufbewahrung von Nitrofilmen – auch unabhängig von der Wiedergewinnung von Nitrocellulose, für die bereits § 1 Abs. 1 Nr. 4 SprengV 1 eine Anwendbarkeit des SprengG statuiert – eröffnet. Insoweit statuiert die Verordnung in § 2 iVm. § 1 Abs. 1 etwa allgemeine Aufbewahrungspflichten. 1.2.3. Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung, Richtlinien Brandfördernde bzw. hochentzündliche und giftige Stoffe fallen als gefährliche Stoffe überdies sämtlich unter das Chemikaliengesetz, welches auf Verordnungsebene von der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) als Arbeitsschutzvorschrift eine Konkretisierung erfahren hat. Diese enthält in § 7 Grundpflichten des Arbeitgebers und statuiert in §§ 8-10 GefStoffV spezielle Schutzmaßnahme -Pflichten. Für den Umgang mit Nitrofilmen scheint die Zellhornrichtlinie9 nicht einschlägig zu sein, da sie nur für konventionelles Zellhorn gilt, nicht für Zellhornfilm (=Nitrofilm); ferner scheint sie zwischenzeitlich zurückgezogen worden zu sein.10 Ferner gelten die Sprengstofflagerrichtlinie 30011 bzw. die Sprengstofflagerrichtlinie 36012, die jeweils spezifische Anforderungen an die Bauweise , Einrichtung und den Betrieb von Lagern stellen. 8 Vgl. hierzu https://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtfa/filmtechnik_konservierung _restaurierung/1.pdf. 9 http://www.gaa.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/16497/6_1.pdf. Diese schreibt unter anderem vor, wie die Lage, Beschaffenheit und Einrichtung der Räume sein muss, in denen mit zellhornhaltigem Material gearbeitet wird, wozu Nitrozellulosefilme auch zählen und es enthält Betriebsvorschriften für die Arbeit selbst. 10 Siehe Hofmann/Wiesner, Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken, 5. Aufl. 2015, S. 439. 11 http://www.gaa.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/16497/5_300.pdf. 12 http://www.gaa.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/16497/5_360.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 7 Technische Richtlinien wie die Sprengstofflagerrichtlinien stellen kein unmittelbar bindendes Recht dar, können jedoch eine rechtliche Inkorporation erfahren. Dies ist für Sprengstofflagerrichtlinien gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 SprengV 2 geschehen. Hiernach nämlich sind explosionsgefährliche Stoffe (…) nach den Vorschriften des Anhangs dieser Verordnung und im Übrigen nach dem Stand der Technik, den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik aufzubewahren“. Soweit die Sprengstofflagerrichtlinien also (noch) dem Stand der Technik entsprechen, sind diese unmittelbar bindend . 1.2.4. DIN-Norm 15551-3: 2011-2 Für Zellhornfilm (= Nitrofilm) gilt grundsätzlich die DIN 15551-3. DIN-Normen wirken als private Regelwerke13 – den oben genannten Richtlinien entsprechend – nicht aus sich heraus, sondern ihre „technische Geltung“ setzt voraus, dass die jeweilige DIN-Norm die Qualität einer anerkannten Regel der Technik entspricht. Zudem bedarf es ebenfalls einer rechtlichen Einbeziehung, damit DIN-Normen als anerkannte Regeln der Technik mittelbar Rechtswirkungen entfalten. Das kann erfolgen, indem Gesetze oder Rechtsverordnungen samt ihren Bestandteilen auf die anerkannten Regeln der Technik verweisen, deren vermutete Konkretisierung DIN-Normen sein können .14 Fehlt es daran, bleibt die Norm als technische Verhaltensregel ohne definitive Rechtswirkung . Allenfalls können sie Anhaltspunkte für eine gerichtliche Entscheidung bieten bzw. als „Hilfe für die tatrichterliche Würdigung“ dienen.15 Eine solche Einbeziehung der DIN 15551-3 ist im Sprengstoffrecht an mehreren Stellen möglich. Zum einen im Zusammenhang der allgemeinen Schutzpflichten nach § 24 SprengG, wonach die sprengstoffrechtlich verantwortliche Stelle – hier: das Bundesarchtiv – „die vom Hersteller oder die von einer auf Grund dieses Gesetzes bestimmten Stelle (…) die sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse sowie die allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik anzuwenden“ haben. Speziell in Bezug auf die Aufbewahrung von Nitrofilm erfolgt zudem eine Einbeziehung von technischen Regelwerken durch § 2 Abs. 1 S. 1 SprengV 2, wonach explosionsgefährliche Stoffe (…) nach den Vorschriften des Anhangs dieser Verordnung und im Übrigen nach dem Stand der Technik, den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik aufzubewahren“ sind. Zum dritten normiert § 17 Abs. 3 SprengG, dass die Lagergenehmigung versagt oder (iVm. § 17 Abs. 2 SprengG) inhaltlich beschränkt bzw. mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann, um die allgemein anerkannten Regeln der Technik, (sonstige) öffentlich-rechtliche Vorschriften oder (sonstige) Belange des Arbeitsschutzes zu gewährleisten. Ob die DIN 15551-3 auch inhaltlich den anerkannten Regeln der (Sicherheits-)Technik entsprechen , was die wirksame Einbeziehung voraussetzt (s.o.), kann hier nicht geprüft werden. 13 Waechter, NVwZ 2013, 1251. 14 Motzke, Beck'scher VOB- und Vergaberechts-Kommentar, 3. Auflage 2014, VOB Teil C Rn. 11. 15 Kothe, in: Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 3. Auflage 2012, § 13 Rn. 16. mwN. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 8 2. Kassationspflicht in Deutschland 2.1. Zunächst: Kassationspraxis des Bundesarchivs Unter Kassation im Archivwesen versteht man die Vernichtung von Unterlagen und Materialien, die von den Archivaren als nicht mehr archivwürdig eingestuft werden.16 Das Bundesarchiv verfolgt die Praxis, Filme auf Cellulosenitratbasis, die bereits umkopiert wurden, in der Regel zu vernichten.17 Gleiches gilt für Nitrofilme, die inhaltlich als nicht archivwürdig angesehen werden .18 Das Bundesarchiv nimmt in seiner Anweisung für archivarische Tätigkeit (6.4) spezifische Nitrofilme jedoch von der Kassationspflicht auch nach erfolgter Umkopierung aus. Zwingend ausgenommen sind Unikate aus der Frühzeit der Kinematografie aus der Produktionszeit bis zur Einführung der Filmzensur durch das Deutsche Reich im Jahr 1920, alle Vorläufer der Dreischichten -Farbfilmtechnik sowie alle Vorläufer der Lichttontechnik, die nicht der genormten 35mm- Lichttontechnik entsprechen. Im Einzelfall ausgenommen können Filme mit Virage- oder Tonungstechniken werden, soweit diese Techniken verwendet wurden, um eine besondere dramaturgische Wirkung zu erzielen sowie Originalnegative von Filmen mit besonderer historischer oder filmhistorischer Bedeutung. 2.2. Aufsichtsbehördliche Anordnung zum Abbau des Nitrofilmbestands Die Verpflichtung zur Kassation des Bundesarchivs in Deutschland für Nitrofilme leitet sich insbesondere aus Nebenbestimmungen zur Lagergenehmigung des ehemaligen Amts für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik in Eberswalde19 ab. Demnach steht die unbefristete sprengstoffrechtliche Betriebsgenehmigung des Archivs, die auf Grundlage des § 17 SprengG erteilt wurde, unter dem Vorbehalt der ständigen Reduzierung der Nitrobestände.20 Dies verpflichtet das Bundesarchiv dazu, den Bestand des Archivs langfristig abzubauen.21 Diese Anordnung gründete auf einer gutachterlichen Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung vom 5.2.2001, einer brandschutzrechtlichen Stellungnahme sowie der oben genannten Sprengstofflagerrichtlinie 360. § 17 Abs. 3 SprengG sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, Lagergenehmigungen mit Nebenbestimmungen zu versehen: 16 Vgl. http://www.fernuni-hagen.de/universitaetsarchiv/service/kassation. 17 Siehe Bundesarchiv, Anweisung für die archivarische Tätigkeit (Stand: 8.2.2000); vgl. auch Alt, Kassieren und blamieren, 2015 https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/kassieren-und-blamieren. 18 Bundesarchiv, Anweisung für die archivarische Tätigkeit, Ziff. 1.2 (Stand: 8.2.2000). 19 Mit Wirkung vom 27.1.2016 ist die Zuständigkeit auf das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) übergegangen. 20 Bundeskanzleramt, Nr. 283, S. 2. 21 BT-Drs. 17/6834, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/068/1706834.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 9 „Die Genehmigung kann inhaltlich beschränkt, unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in Absatz 2 genannten Anforderungen sicherzustellen. Die nachträgliche Beifügung, Änderung und Ergänzung von Auflagen ist zulässig.“ In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass auch rechtswidrige, bestandskräftige Verwaltungsakte rechtswirksam sind, § 43 Abs. 1, 2 VwVfG. Selbst wenn sich die behördliche Anordnung gegenüber dem Bundesarchiv also als rechtswidrig darstellen sollte, entfaltete diese gegenüber dem Bundesarchiv also weiterhin Bindungswirkung. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn die Grenze zur Nichtigkeit (§§ 43, Abs. 3, 44 VwVfG) überschritten wäre. Allerdings besteht im Falle der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts die Gefahr erfolgreichen Widerspruchs bzw. Anfechtung des entsprechenden Bescheids bzw. deren Rücknahme von Behördenseite . 2.3. Gesetzliche Kassationspflichten Gleichwohl sollen die Rechtsgrundlagen einerseits im Hinblick auf etwaige unmittelbar wirkende gesetzliche Kassationspflichten, anderseits mit Blick auf dortige behördliche Ermächtigungsgrundlagen zur Aufstellung einer Kassationspflicht untersucht werden. Der Umfang gesetzlicher Ermächtigung behördlichen Einschreitens bestimmt auch darüber, ob die behördliche Auflage rechtswidrig oder gar nichtig – also unwirksam – ist. 2.3.1. Kassation und Sprengstoffgesetz bzw. -verordnungen Das Sprengstoffgesetz und die Sprengstoffverordnungen enthalten keine spezifische gesetzliche Verpflichtung zur Vernichtung von Nitrofilmen.22 2.3.1.1. Gesetzlicher Erforderlichkeitsvorbehalt Allerdings normiert etwa § 24 SprengG, dass verantwortlichen Personen bei dem Umgang und dem Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen Beschäftigte und Dritte vor Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter zu schützen haben, soweit die Art des Umgangs oder des Verkehrs dies zulässt. Gemäß § 32 Abs. 1 SprengG kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen zur Durchführung des § 24 und der auf Grund des § 25 oder § 29 erlassenen Rechtsverordnungen zu treffen sind. Dabei können auch Anordnungen getroffen werden, die über die auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 oder § 29 gestellten Anforderungen hinausgehen , soweit dies zum Schutze von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. Von dieser Ermächtigung umfasst sind nicht nur behördliche Maßnahmen , die der Umsetzung konkreter Verhaltenspflichten – wie etwa der allgemeinen Aufbewahrungspflicht nach § 2 SprengV 2 – bezwecken, sondern auch solche, die allgemein der Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter dienen. 22 Vgl. insgesamt Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 10 Dieser Vorbehalt der Erforderlichkeit gilt auch für die Rechtmäßigkeit von Nebenbestimmungen im Rahmen behördlicher Erlaubnisse bzw. Genehmigungen: Gemäß § 10 S. 1 bzw. § 27 Abs. 2 S. 1 SprengG können diese mit Nebenbestimmungen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter gegen die jeweiligen Gefahren zu schützen. Gleiches gilt für die behördliche Ermächtigung zur Aufstellung von Nebenbestimmungen nach § 17 Abs. 3 S. 1 iVm. Abs. 2 SprengG im Zusammenhang der Lagergenehmigung. 2.3.1.2. Sukzessive Kassation erforderlich? Die im Zusammenhang der Lagergenehmigung ergangenen behördlichen Anordnungen gegenüber dem Bundesarchiv sind nach alldem von der Ermächtigungsnorm nach § 17 Abs. 3 S. 1 SprengG gedeckt, soweit die Nebenbestimmungen zum Schutz der genannten Rechtsgüter tatsächlich erforderlich sind. Nitrofilm ist besonders leicht entflammbar und bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen selbstentzündlich:23 Neue Nitratfilme entzünden sich ab ca. 130 °C, ältere bereits ab 38 - 41 °C; die Verbrennung erfolgt schnell und annähernd explosionsartig.24 Ab wann sich ein alter Film entzündet, lässt sich dabei kaum vorhersagen;25 Filme, die jahrelang in gutem Zustand waren, können offenbar innerhalb kurzer Zeit und ohne unmittelbar erkennbare Ursache unbrauchbar werden.26 Nitrofilm brennt ohne Sauerstoff und ist daher kaum löschbar.27 Tests haben ergeben, dass 2,5 Tonnen brennender Nitrofilm Flammen produziert, die mehr als 50 Meter groß werden und das brennende Filmmaterial dabei über ein großes Areal verteilt wird.28 In der Vergangenheit ist es bereits zu Archivbränden von erheblichem Ausmaß gekommen.29 Daneben setzt Nitrocellulose im Rahmen der Zersetzung toxische Stoffe (u.a. Stickstoffoxid, Stickstoffdioxid) frei, wobei der Zersetzungsprozess von Nitrofilmen schon unmittelbar nach der Herstellung beginnt, da die chemische Stabilität von Cellulosenitrat relativ gering ist.30 Er kann 23 Hofmann, Zur Lagerung, Bearbeitung und Umkopierung von Nitro-Bildnegativen im Bundesarchiv, 2002. 24 Michler, Langzeitarchivierung von Nitratfilmen, 2002, S. 10. 25 Schmundt, Der Spiegel 6/2012, 132. 26 A.1 DIN 15551-3: 2011-02, abgedruckt in: Hofmann/Wiesner, Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken, 3. Aufl. 2011, S. 442. 27 Health & Safety Executive, The dangers of cellulose nitrate film; Bundearchiv, Anweisung für die archivarische Tätigkeit (6.4). 28 Nissen, Securing The National Film Heritage / Film And Preservation History, S. 2. 29 Siehe https://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtfa/filmtechnik_konservierung_restaurierung /mitt16.pdf. 30 Siehe A.1 DIN 15551-3: 2011-02, abgedruckt in: Hofmann/Wiesner, Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken , 3. Aufl. 2011, S. 442. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 11 durch optimale Lagerungsbedingungen verlangsamt, nicht aber verhindert werden. Die nitrosen Gase beschleunigen mit zunehmender Konzentration die Auflösung des Materials. Sie sind schwerer als Luft und sinken daher zu Boden.31 Sie wirken auf den Menschen etwa fünfmal so toxisch wie Kohlenmonoxid und ungefähr zweimal so giftig wie Schwefelwasserstoff. Sie zählen zu den Lungengiften, höhere Konzentrationen führen zum sofortigen Erstickungstod. Mit der Feuchtigkeit der Schleimhaut bilden die Gase salpetrige Säure und Salpetersäure, in dessen Folge es zu Reiz- und Ätzwirkungen kommt.32 Hiernach erscheint es gut vertretbar, den sukzessiven Abbau des Nitrofilmbestandes zum Schutze des Lebens, der Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter für erforderlich zu erachten. Nach anderer Auffassung folgt aus der Explosivität der Nitrofilme lediglich eine abstrakt -latente, nicht dagegen eine konkrete Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der Mitarbeiter des Bundesarchivs.33 Hiernach könnte man dazu neigen, die Erforderlichkeit der Maßnahmen zu verneinen. Folgt man erstgenannter Einschätzung, so ist die behördliche Anordnung des sukzessiven Abbaus der Nitrobestände gegenüber dem Bundesarchiv nicht nur wirksam, sondern auch rechtmäßig. 2.3.2. Kassation und Gefahrstoffverordnung § 7 Abs. 4 GefStoffV enthält Grundpflichten des Arbeitgebers hinsichtlich der Tätigkeit mit Gefahrstoffen : „Der Arbeitgeber hat Gefährdungen der Gesundheit und der Sicherheit der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen auszuschließen. Ist dies nicht möglich, hat er sie auf ein Minimum zu reduzieren.“ § 8 Abs. 1 Nr. 6 GefStoffV normiert überdies eine Schutzpflicht des Arbeitgebers dahingehend, die am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge zu begrenzen, welche für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist. Ferner statuiert § 11 Abs. 2 GefStoffV gegenüber dem Arbeitgeber die Pflicht, Maßnahmen zur Vermeidung von Brand- und Explosionsgefährdungen nach folgender Rangfolge zu ergreifen: „1. gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können, sind zu vermeiden, 2. Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, sind zu vermeiden, 3. schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten und anderer Personen sind so weit wie möglich zu verringern.“ Das Bundesarchiv ist als Arbeitgeber an die genannten Bestimmungen gebunden. Auch aus der GefStoffV lässt sich zwar keine generelle gesetzliche Kassationspflicht ableiten. Demgegenüber 31 Bundesarchiv, Fachinformation, https://www.bundesarchiv.de/fachinformationen/01009/. 32 Zu allem Michler, Langzeitarchivierung von Nitratfilmen, 2002, S. 10 mwN. 33 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 56. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 12 lässt sich den Bestimmungen sehr wohl das gesetzliche Prinzip entnehmen, die Menge an Gefahrstoffen und entsprechenden Explosionsgefahren auf ein Maß zu verringern, wie es zum Zweck der betrieblichen Tätigkeit unvermeidbar ist. Die Kassationspraxis des Bundesarchivs mag hierzu einen Beitrag leisten. Überdies kann die zuständige Behörde nach § 19 GefStoffV im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die der Hersteller, Inverkehrbringer oder Arbeitgeber zu ergreifen hat, um die entsprechenden Pflichten zu erfüllen; dabei kann sie insbesondere anordnen, dass der Arbeitgeber „1. die zur Bekämpfung besonderer Gefahren notwendigen Maßnahmen ergreifen muss, 2. festzustellen hat, ob und in welchem Umfang eine vermutete Gefahr tatsächlich besteht und welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Gefahr ergriffen werden müssen, 3. die Arbeit, bei der die Beschäftigten gefährdet sind, einstellen zu lassen hat, wenn der Arbeitgeber die zur Bekämpfung der Gefahr angeordneten notwendigen Maßnahmen nicht unverzüglich oder nicht innerhalb der gesetzten Frist ergreift.“ Ob derartige behördliche Anordnungen gegenüber dem Bundesarchiv getroffen wurden, ist allerdings nicht ersichtlich. 2.3.3. Kassationspflicht nach DIN 15551-3: 2011-2 In Ziff. 8 DIN 15551-3: 2011-2 (Lagerung) heißt es: „Alle für die Lagerung vorgesehenen Zellhornfilme müssen auf ihre Lagerfähigkeit (…) geprüft und gereinigt werden. Spätestens wenn Anzeichen für eine beginnende Selbstzersetzung vorliegen, sind die Filme nicht zur weiteren Lagerung geeignet. Solche Filme sind umgehend auf Sicherheitsfilm zu kopieren und anschließend zu vernichten. Die Selbstzersetzung lässt sich nicht aufhalten. (…)“ Entscheidende Bedeutung kommt hier dem Begriff „spätestens“ zu. Die Kassationspflicht aktiviert sich erst dann, wenn die Filme nicht zur weiteren Lagerung geeignet sind. Dies soll „spätestens “ dann der Fall sein, wenn Anzeichen für eine beginnende Selbstzersetzung vorliegen. Aus dem Umstand, dass der Zeitpunkt, ab dem das Nitrofilm-Material zur Lagerung nicht mehr geeignet ist, damit nur annäherungsweise umschrieben wird, lässt sich entnehmen, dass der archivierenden Stelle vor dem Zeitpunkt beginnender Selbstzersetzung ein eigener Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Geeignetheit zur Lagerung eingeräumt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt statuiert Ziff. 8 DIN 15551-3: 2011-2 dementsprechend wohl keine definitive Kassationspflicht. Die Frage, ob diese Vorschrift als technisches Regelwerk tatsächlich bindend ist (s.o.), ist mithin insoweit unbeachtlich. 2.3.4. Der Kassation entgegenstehende Erhaltungspflicht nach dem Bundesarchivgesetz? Auf der anderen Seite existieren Rechtsnormen, die der gegenwärtigen Kassationspraxis entgegenstehen könnten. So heißt es in § 1 des Bundesarchivgesetzes: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 13 „Das Archivgut des Bundes ist durch das Bundesarchiv auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten.“ Dieser gesetzliche Auftrag des Bundesarchivs steht in gewisser Spannung zur derzeitigen Kassationshandhabung. Bisweilen wird konstatiert, dass die Kassation weder die dauerhafte Sicherung der Nitrofilme gewährleiste, noch der wissenschaftlichen Verwertbarkeit diene; vielmehr werde durch die Vernichtung jegliche Forschungsgrundlage entzogen.34 Dem Einwand, dass der Inhalt des Filmträgers vor der Kassation – bis auf nicht archivwürdige Ausnahmen – auf einen digitalen Datenträger kopiert werden, wird entgegengehalten, dass nicht alle Informationen, insbesondere nicht Spuren und Nutzungen, durch den Kopiervorgang übertragen werden könnten. Ferner seien die unkopierbaren Informationen von Filmträger zu Filmträger unterschiedlich, was jeden Nitro-Filmträger zu einem Unikat werden lasse.35 Dem lässt sich einerseits entgegenhalten, dass es technisch durchaus möglich und in Ansehung der einschlägigen Anweisungen des Bundesarchivs auch geboten erscheint, nicht lediglich einen von mehreren Filmträgern mit demselben Film zu digitalisieren, um sodann gleich alle Versionen der vorhandenen Nitro-Filmträger desselben Films kassieren zu können . Vielmehr bezieht sich das Digitalisierungsgebot im Rahmen der Kassation unterschiedslos auf jeden Filmträger, sodass wohl auch die filmträgerspezifischen Besonderheiten , soweit sie sich aus dem Filminhalt ergeben, im Digitalisat erhalten bleiben. Hiernach bleibt allein offen, ob auch die sich aus der spezifischen Materialität und Abspieltechnik eines Filmträgers ergebende Möglichkeit sinnlich-historischer Erfahrung des Films ein archivwürdiger Wert darstellt. Mit anderen Worten, ob sich der Begriff des Archivguts nach § 1 BArchivG ebenfalls auf das zeitgenössische Trägermedium bezieht und sich nicht in dessen Inhalt erschöpft. Dies wird grundsätzlich zu bejahen sein.36 Andererseits kann bezweifelt werden, ob diesem Zweck nur und erst dann genüge getan ist, wenn tatsächlich jedes der noch existenten ca. 70.000 Nitro-Filmträger37 erhalten bleibt, oder ob es zur Erhaltung der Möglichkeit sinnlicher Erfahrung von Materialität und Abspieltechnik bereits ausreicht, einen Teil vorhandener Originalträgermedien zu erhalten. Auch wenn man davon ausgeht, dass der in § 2 BArchivG enthaltene Erhaltungspflicht grundsätzlich das Prinzip zu entnehmen ist, alle vorhandenen Trägermedien zu erhalten und zu archivieren, dann ist die Frage, ob die Erhaltungspflicht in § 2 BArchivG der Kassationspraxis tatsächlich entgegensteht, noch nicht beantwortet. Es entspricht durchaus dem rechtlichen Normalfall, dass Normbefehle eines Gesetzes von entgegenstehenden Normbefehlen eines anderen Gesetzes überlagert und bisweilen verdrängt werden. Umfang und 34 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 56. 35 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 57. 36 Vgl. auch Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 54: „Der Erhalt des Originalmaterials ist für sich genommen von Wert“. 37 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 53. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 14 Reichweite verwaltungsrechtlicher Handlungsgebote stehen unter dem Vorbehalt, nicht weiter zu reichen, als dadurch nicht speziellere Normbefehle verletzt würden. Dies ergibt sich aus dem lex specialis-Grundsatz. Demgemäß hört das Gebot der Sicherung, Nutzbarmachung und Verwertung nach § 2 BArchiv G dort auf, wo spezielleres Fachrecht den Umgang mit dem Archivgut beschränkt oder gänzlich untersagt. Insofern wirken sich sowohl die sprengstoffrechtlichen als auch die gefahrstoffrechtlichen Bestimmungen auf die bundesarchivgesetzliche Erhaltungspflicht dahingehend aus, dass sie diese wenn nicht (partiell) verdrängen, dann zumindest im Rahmen der Auslegung eine entsprechenden Restriktion des Tatbestandes des § 2 BArchivG gebieten. Soweit die Kassationspraxis zur Umsetzung sprengstoff- bzw. gefahrstoffrechtlicher Vorgaben und Auflagen erfolgt, steht die Erhaltungspflicht nach § 2 BArchivG der Kassationspraxis nach alldem nicht entgegen. Erst recht führt sie nicht zur Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit der aufsichtsbehördlichen Auflagen. 2.3.5. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Kassation Sowohl die Aufsichtsbehörde als auch das Bundesarchiv sind als öffentlich-rechtliche Körperschaften grundrechtsverpflichtet. Daher steht die Frage im Raum, ob einerseits die Kassationspraxis des Bundesarchivs, andererseits die aufsichtsbehördliche Anordnung der sukzessiven Kassation gegen Grundrechte Dritter verstößt und also rechtswidrig ist. Auf die Rechtswirksamkeit und Bindungswirkung des aufsichtsbehördlichen Bescheids hätte dies, wie bereits dargelegt, zunächst keine Auswirkung, sofern sich der Bescheid nicht aus diesem Grund als nichtig erweist. Bisweilen wird vertreten, aufgrund des Schutzgehalts der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) dürfe die Kassation von Nitrofilmträgern durch das Bundesarchiv allenfalls die Ausnahme , keinesfalls aber die Regel darstellen. Der entgegenstehende Belang der körperlichen Unversehrtheit der Mitarbeiter des Bundesarchivs müsse, da insoweit lediglich eine abstrakte Gefahr gegeben sei, hinter Art. 5 Abs. 3 GG zurückstehen.38 Ferner führe die Kassation zu einer faktischen Beeinträchtigung der Eigentumspositionen Dritter (Art. 14 Abs. 1 GG); auch hier sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgrund des Regel-Ausnahme-Prinzip der Kassationspraxis nur teilweise [sic!] gewahrt.39 Außerdem verstoße die Kassationspraxis gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG. Ein vergleichbarer Sachverhalt wird in der Behandlung denkmalgeschützter Gegenstände gesehen. Diese Vergleichbarkeit führe dazu, dass eine von den Grundzügen des Denkmalschutzes abweichende Kassationspraxis 38 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 56 f., 60. 39 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 57 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 15 nicht gerechtfertigt sei; die Erhaltung der Nitrofilmträger sei dem Bundesarchiv insbesondere auch zumutbar.40 Schließlich liege ein ungerechtfertigter Eingriff in die Informationsfreiheit Dritter vor, da die Befürchtung der Kassation am Original nach Filmkopierung den Kopierwilligen davor abhalte, eine Kopie durchzuführen.41 Dem lassen sich sicher durchschlagende Argumente entgegenhalten. Ferner ist darauf hinzuweisen , dass selbst ein ungerechtfertigter Grundrechtseingriff nicht automatisch zur Nichtigkeit des entsprechenden Verwaltungsakts führt.42 3. Aufbewahrung von Nitrofilmen und Azetatfilmen in Frankreich, Großbritannien, Österreich , Dänemark, Polen, USA und Australien 3.1. Gesetzliche bzw. behördliche Kassationspflichten In Frankreich, Großbritannien, Österreich, Dänemark, Polen, USA und Australien sind die Archive , soweit ersichtlich, keinen generellen gesetzlichen oder behördlichen Kassationspflichten ausgesetzt. Eine umfassende Darstellung gefahrenabwehrrechtlicher Einschränkungen im Umgang mit Nitrofilm in den einzelnen Ländern würde den Rahmen dieses Sachstands sprengen. Beispielhaft sei für die USA die Vorgaben für den Umgang mit Nitrofilmen der National Fire Protection Association (NFPA) hingewiesen; Beschränkungen etwa in Bezug auf die maximal zulässige Archivmenge enthalten diese nicht: „(…) Director’s Order #58: Structural Fire Management, nitrate film in NPS collections must be housed according to the standards prescribed by the National Fire Protection Association (NFPA), most notably NFPA 40: Standard for the Storage and Handling of Cellulose Nitrate Film, as well as according to any relevant state and local regulations. In addition to other requirements, NFPA 40 specifies that: • Nitrate film collections in excess of 25 lbs. must be stored in approved cabinets or vaults. • Nitrate film storage cabinets with a capacity of 50 lbs. or more must be vented to the outside of the building. • Nitrate film storage cabinets with a capacity of 75 lbs. or more must be equipped with at least one automatic fire sprinkler head. •Nitrate film collections in excess of 750 lbs. must be stored in approved vaults. • New vaults must be equipped with a wet pipe fire suppression system. (…).”43 40 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 59 f. 41 Bullinger, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht?, 2011, S. 60. 42 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 103. 43 Siehe https://www.nps.gov/museum/publications/conserveogram/02-22.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 16 In Australien wird Ntrozellulose vom Australian Dangerous Goods Code 7.4/ADG als Dangerous Good klassifiziert; insoweit werden spezifische Vorgaben an Lagerung und Transport von Nitrozellulose -Material aufgestellt. Weitere Vorgaben enthält ACT Dangerous Substances Act 2004. Gesetzliche Kassationspflichten lassen sich beiden Gesetzen nicht entnehmen. 3.2. Kassationspraxis im Ländervergleich Im Folgenden wird auf die allgemeine Aufbewahrungs-, Konservierungs- und etwaige Kassationspraxis ausgewählter Archive in den genannten Ländern eingegangen. 3.2.1. Frankreich Die Cinémathèque francaise setzt in ihrer Archivierungspraxis darauf, Filme grundsätzlich auf dem Originalfilmträger zu erhalten; Sicherungskopien und Digitalisate treten insofern lediglich hinzu: “Nitrate-based films (for which no other item has been located in other archives) are systematically backed up onto safety films, and the nitrate original is conserved in special purpose-built storage at the CNC-French Film Archives. (…) Within reason, it is important to keep a record of the film’s characteristics, since many of these characteristics will disappear when the film is duplicated. (…) La Cinémathèque française tries whenever possible to apply the principle of reversibility: it should remain possible to go back later to the original item, whether through new duplication procedures, or advances in historical research . Any modifications should thus be recorded for future reference. (…) La Cinémathèque française is also studying the possibility of digitising items from its collections for conservation purposes as well as for digital screenings (high-definition digitisation ).”44 3.2.2. Großbritannien Das British Film Institute setzt in seiner Archivierungspraxis nur dann auf (digitale) Kopien mit anschließender Kassation des Originals, wenn letzteres irreversibel beschädigt ist: “For reprographic media our preference is to preserve the most original material we hold for as long as possible. We will generally only copy materials for access purposes, to a quality standard and on a format suitable for the access need. In some cases, this means that new intermediate materials will also be made, and it may make sense to generate new preservation copies at the same time, to provide insurance against loss of the original materials . If deterioration or damage cannot be addressed through remedial work or has advanced to a point that renders the material inaccessible or threatens loss we will attempt to preserve the content by making copies—and may then destroy the original. 44 La cinematheque francaise, Heritage Values, S. 17 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 17 Where it is no longer feasible to maintain playback equipment – thereby posing a serious risk that the content will become unreadable – we may migrate works to a new format or medium. We will aim to ensure that the new format matches the quality of the original and preserves its essential features (such as aspect ratio).”45 3.2.3. Österreich Eine Kassationspraxis der beiden großen österreichischen Archive besteht nicht, vielmehr setzt man auf eine technisch optimierte konventionelle Bewahrung bestehender Nitrofilmbestände; Möglichkeiten der Digitalisierung wird insoweit tendenziell zurückhaltend gegenüber gestanden: „Am 28. September 2010 wurde vom Filmarchiv Austria das neue Nitrofilmdepot in Laxenburg (Preservation Center) eröffnet (…). Dieser Neubau ermöglicht eine noch bessere Sicherung der Nitrofilmbestände (…). Die Reproduktion auf neuen Speichermedien stellt derzeit noch keine nachhaltige Sicherungsstrategie für das filmische Erbe dar. Neue Speichermedien spielen in der Arbeit des Filmarchiv Austria wie auch des Österreichischen Filmmuseums jedoch im Hinblick auf die Vereinfachung der Zugänglichkeit und Benützung eine wesentliche Rolle. (…)Gefährdete Bestände werden restauriert und/oder umkopiert , und zwar in den jeweiligen Originalformaten. Ausnahmen sind obsolete Formate wie 8mm- oder 9,5mm-Film, die auf digitale oder andere analoge Formate umkopiert werden , um wieder verfügbar zu sein. (…) Das Filmmuseum forciert Maßnahmen zur Erhaltung der hinterlegten Kinofilme - allerdings (gemäß dem FIAF Code of Ethics und der eigenen Auffassung) in ihren jeweiligen originalen Formaten und nicht auf neuen Speichermedien digitaler Natur.“46 3.2.4. Dänemark Auch das Danish Film Institute kennt eine Kassationspraxis offenbar nicht. Nitrofilme werden weiterhin stets auf dem Originalträgermedium archiviert. Der Digitalisierung von Nitrofilmen wird einerseits aus ökonomischen, andererseits aus dem Grund befürchteter Verschlechterung der Filmqualität skeptisch gegenübergestanden. lediglich in Fällen ernsthafter Zersetzung kommt eine Vernichtung des Originals in Betracht. „The first 50 years of the Danish film heritage are now saved: The Danish Film Institute's (DFI) large collection of historically invaluable nitrate films has finally found a cool home, providing the best possible conditions for the fragile and combustible material. (…) The all-too-frequent scandalous stories over the past many years of the slow destruction of the 45 BFI Collection Policy vom 16.11.2011, S. 27. 46 Antwort Österreich auf den Fragebogen über die Umsetzung der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 zum Filmerbe und zur Wettbewerbsfähigkeit der einschlägigen Industriezweige , Ref. Ares(2013)3627500 - 03/12/2013, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 18 Danish film heritage, not to mention the ever-present hazards of fire and explosion, should now be buried once and for all.”47 “Digital storage media and the equipment for playing them back are in constant change. As a result, moving pictures have to be transferred to new storage media or formats at least once every 10 years – unlike analogue films which have had standardised playback equipment for a century and, in the case of well-preserved nitrate films, are expected to last another 100 years or more. Moreover, the sheer amount of information in today’s motion pictures makes it unreasonably costly and complex to preserve films as media-independent bits and bytes. (…) Apart from the economics of digitalisation and preserving digital media, today we know there is no alternative to preserving the originals. (…) The original is best, since every new duplicate lowers the image quality. Moreover, the original is a unique object that, in its physical form, contains information of value to research and to later duplication and restoration. Hence, for aesthetic, historical and quality reasons, it’s essential to preserve the original medium.”48 3.2.5. Polen Polens Filmoteka Narodowa (National Film Archive) sieht dagegen umfassende Chancen der Digitalisierung von Nitrofilmen. Im Rahmen eines u.a. von der EU geförderten Digitalisierungsprojekts , an dem die Filmoteka Narodowa beteiligt war, wurde hiervon in Bezug auf bedeutsame Filme Gebrauch gemacht. Aus der entsprechenden Projektbeschreibung geht indes nicht hervor, inwieweit die originalen Nitrofilmträger anschließend vernichtet worden sind. Rückschlüsse in Bezug darauf, dass von der konventionelle Archivierungspraxis von Nitrofilmen zunehmend abgewichen wird, lässt dies also nicht zu. “Once its decomposition process begins, it cannot be stopped. Therefore, the only solution is to copy the image. The traditional method of optical copying onto a new tape is extremely difficult due to considerable shrinkage and depleted perforation. Such a procedure may prove to be ineffective in the case of a badly worn and decomposing nitro tape, since all defects are copied too. Apart from that, optically copied films cannot be reconstructed digitally or converted into other formats. This is why the digitalisation offers the best solution (…). By saving the maximum amount of information about the image, we protect the authenticity of a film material in its digital form. In particular, it must be done with nitro tapes which are unlikely to be ever digitalised or copied again due to their progressive degradation. The films covered by the project are to be scanned at the 4K standard resolution and images are to be encoded in the DPX format - a loss-free format that makes it possible to record large amounts of information on optical density, with the characteristics of the source film base being well preserved.”49 47 Siehe http://www.dfi.dk/service/english/news-and-publications/news/archives/new-nitrate-archive-opens.aspx. 48 Nissen, Securing The National Film Heritage / Film And Preservation History, S. 2. 49 http://www.nitrofilm.pl/strona/lang:en/digitalizacja.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 19 3.2.6. USA Die Library of Congress scheint eine Digitalisierung ihres Nitrofilmbestands zu verfolgen. Ausgenommen von der Digitalisierung sind nur Nitrofilm-Negative und -Positive, die sich bereits in einem schlechten Zustand befinden. Wie sich aus der Digitalisierungs-Handreichung ergibt, bezweckt deren Verschonung aber offenbar gerade den Schutz vor weiterer Zerstörung des Originalfilmträgers : “In keeping with the goals of preservation and access at the Library of Congress, original collection materials are digitized for a variety of reasons, including for online exhibitions and for the online catalog. (…) Some items require more involved and expensive repair, or are so fragile that they cannot be easily stabilized. For these items, Preservation specialists must discuss treatment options with the curator of the collection. Some examples of materials that may be excluded from digitization are: (…) Deteriorated cellulose nitrate or acetate film negatives and positives.”50 Das George Eastman Museum unterhält ein modernes Nitrofilmarchiv mit annähernd acht Millionen Metern Nitrofilm.51 Darüber hinaus veranstaltet es seit 2015 die „Nitrate Picture Show“, ein Festival, bei dem auch Originalnitratfilme („vintage nitrate prints“) öffentlich vorgeführt werden .52 Der “Film Preservation Guide” der National Film Preservation Foundation, welcher sich an Bibliotheken , Museen und Archive richtet,53 hat eine detaillierte Handreichung zur Umkopierung von altem Filmmaterial herausgegeben. Es wird empfohlen, neben den Surrogaten einen sog. preservation master für zukünftige Kopien vorzuhalten, um den Originalfilmträger vor Beanspruchung zu schützen. Es soll also auch die Quelle, also der Originalfilmträger, erhalten bleiben:: “Film preservation is an investment in the future. Ideally, it involves creating both a surrogate for public use and one or more masters through which new copies can be made without returning to the source. The masters can take different forms—negative/positive, optical /magnetic, analog/digital—depending on the format, characteristics, and generation of the film original. Protecting the original by creating new film masters is the gold standard in film preservation, but the process is time-consuming, exacting, and expensive. (…) Because of the cost, this process may only be feasible at present for films of singular research value that are thought to represent the best surviving copy (…). The preservation masters guarantee that film content is safeguarded and that the original will be shielded from unnecessary handling. (…) If a viewing copy is damaged, a new one can be made from the preservation elements without subjecting the source to additional wear and tear. Once duplicated on film, the original can be returned to cold storage. Short of film-to-film duplication, there are 50 https://www.loc.gov/preservation/care/scan.html. 51 https://eastman.org/film-preservation. 52 https://eastman.org/nitrate-picture-show. 53 http://www.filmpreservation.com/preservation-basics/the-film-preservation-guide. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 20 significant steps that repositories can take to make the film accessible as part of their conservation strategy. These involve making video access copies and using cold storage strategically to buy time for the film original (…).” 3.2.7. Australien Auch sofern die National Collection (digitale) Kopien von Nitrofilmen anfertigt, werden die Nitrofilm -Originale grundsätzlich aufbewahrt. Nur dann, wenn signifikante und irreversible Beschädigungen des Filmträgers bestehen oder wenn das Archiv eine bessere Kopie des Films erreicht hat, soll auch eine Vernichtung des originalen Nitrofilm-Trägers infrage kommen. In allen anderen Fällen wird der Originalfilmträger aber bewahrt: “The original material is retained after copies are made. This is done in recognition that future technologies are likely to be developed that will enable improved recovery of original audiovisual content over that which is currently available. It is recognised that some carriers will reach a point of severe decomposition beyond any conceivable means of recovery , at which point they will be disposed of. Carriers, sounds and moving images or technology may be retained for purposes such as collection artefacts or as items for research . Subject to curatorial decision, carriers originally held for preservation purposes may also be disposed of where better copies make their way into the National Collection and where they can fulfill the role for a particular preservation status.”54 4. Aktueller wissenschaftlicher Kenntnisstand über Gefahren und Risiken bei der Aufbewahrung von Filmen auf Nitrozellulosebasis Für die Antwort wird auf die Darstellung der Gefahren und Risiken unter 2.3.1.2 (S. 10 f.) verwiesen . Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die die Assotiation of Moving Image Archivits offenbar darüber diskutiert, ob Nitrofilm möglicherweise – anders als bisher geglaubt leichter – weniger leicht entflammbar wird, je mehr es sich zersetzt.55 5. Literatur Alt, Dirk, Kassieren und blamieren, in: der Freitag, Ausgabe 31/15, S. 19, abrufbar unter: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/kassieren-und-blamieren. Bullinger, Winfried, Sprengstoff im Bundesarchiv – Rechtliches zum Umgang mit Nitrofilmen, in: Klimpel (Hrsg.), Bewegte Bilder – starres Recht? Das Filmerbe und seine rechtlichen Rahmenbedingungen , 2011. 54 NFSA Collection Policy, August 2005, S. 20 f. 55 Siehe Horak, Nitrate Stories, 15. November 2013, abrufbar unter: https://www.cinema.ucla.edu/blogs/archivalspaces /2013/11/15/nitrate-stories. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 020/16 Seite 21 Hofman, Rainer, Zur Lagerung, Bearbeitung und Umkopierung von Nitro-Bildnegativen im Bundesarchiv , 2002, abrufbar unter: http://www.uni-muenster.de/Forum-Bestandserhaltung/konversion /film-hofmann.html. Hofmann, Rainer/Wiesner, Hans-Jörg, Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken, 5. Aufl. 2015. Waechter, Kay, Der Umgang mit privaten Normen (DIN etc.) am Beispiel des Baurechts, NVwZ 2013, S. 1251 ff. Englert, Klaus/Katzenbach, Rolf/Motzke, Gerd, Beck'scher VOB- und Vergaberechts-Kommentar, 3. Auflage 2014. Johlen, Heribert/Oerder, Michael, MAH Verwaltungsrecht, 3. Auflage 2012. Michler, Ronald, Langzeitarchivierung von Nitratfilmen, 2002. Schmundt, Hilmar, Feuerwerk im Archiv, Der Spiegel 6/2012, 132. Health & Safety Executive, The dangers of cellulose nitrate film, 2013. Nissen, Dan, Securing The National Film Heritage / Film And Preservation History. Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael, Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2014. La cinematheque francaise, Heritage Values.