© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 018/21 Rechtliche Aspekte des terrestrischen Empfangs und der Kabelweiterverbreitung ausländischer Fernseh- und Rundfunksender im deutschen Grenzgebiet Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 2 Rechtliche Aspekte des terrestrischen Empfangs und der Kabelweiterverbreitung ausländischer Fernseh- und Rundfunksender im deutschen Grenzgebiet Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 018/21 Abschluss der Arbeit: 4. Mai 2021 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Sachverhalt und Fragestellung 4 2. Rechtliche Beurteilung 5 2.1. Lizenzrechtliche Aspekte 5 2.1.1. Anwendbarkeit deutschen Rechts 5 2.1.2. Lizenzrechtliche Grundsätze 6 2.1.3. Kabelglobalvertrag 8 2.2. Verfassungsrechtliche Aspekte 8 3. Fazit 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 4 1. Sachverhalt und Fragestellung Zu prüfen sind die lizenzrechtlichen Aspekte für den terrestrischen Empfang und die Kabelweiterverbreitung ausländischer TV-Sender im deutschen Grenzgebiet. Der Frage liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Am 29. August 2018 hat der Schweizer Bundesrat im Rahmen der Neukonzessionierung der als Verein mit Sitz in Bern organisierten Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG)1, die Trägerin des größten Unternehmens für elektronische Medien in der Schweiz ist, eine Neukonzeption der technischen Verbreitung ihres öffentlich zugänglichen Angebots vorgenommen. Nach den Vorschriften des schweizerischen Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG)2, der Ausführung der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 2007 (RTVV)3 und der Konzession für die SRG SSR vom 29. August 2018 (SRG-Konzession)4 wird der SRG vom Schweizerischen Bundesrat die Konzession erteilt, Radio- und Fernsehprogramme sowie weitere Leistungen im publizistischen Angebot zu veranstalten. In Abstimmung mit der SRG wurde entschieden, deren Rechte und Pflichten zur Verbreitung der TV-Programme über die digitale terrestrische TV-Verbreitung (DVB-T) bis spätestens Ende 2019 zu befristen.5 Am 3. Juni 2019 wurde die Verbreitung von Fernsehprogrammen über DVB-T – wie beschlossen und 2018 angekündigt – eingestellt.6 Deutschen Zuschauern im Grenzgebiet war es bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund des sog. Overspills durch Schweizer DVB-T-Sendemasten im Grenzgebiet möglich, das Programm der SRG zu empfangen. Als Overspill (engl. Überlauf, Überfließen) wird in der Rundfunktechnik die Versorgung eines Bereiches mit Antennensignalen bezeichnet, der eigentlich nicht innerhalb des Versorgungsgebietes (Footprint) liegt, auf den also nicht zielgerichtet eingestrahlt wird.7 Da Funksignale nicht an Grenzen haltmachen, führt eine vollständige Versorgung über DVB-T technisch 1 In den anderen Amtssprachen: SSR (franz.:. Société suisse de radiodiffusion et télévision, ital.: Società svizzera di radiotelevisione, rätoroman.: Societad svizra da radio e televisiun). 2 Systematische Sammlung des schweizerischen Bundesrechts, SR 784.40. Abrufbar unter: https://www.fedlex .admin.ch/eli/cc/2007/150/de. Zuletzt abgerufen – wie alle URL in diesem Sachstand – am 4. Mai 2021. 3 Systematische Sammlung des Bundesrechts, SR 784.401. Abrufbar unter: https://www.fedlex.admin .ch/eli/cc/2007/151/de. 4 Konzession SRG SSR vom 29. August 2018; BBl 2018 5545. Abrufbar unter: https://www.fedlex.admin .ch/eli/fga/2018/2052/de. 5 „Das Recht und die Pflicht der SRG, Fernsehprogramme gemäß nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe a und Absatz 3 über DVB-T zu verbreiten, erlöschen spätestens am 31. Dezember 2019.“, Art. 42 der Konzession SRG SSR vom 29. August 2018; BBl 2018 5545. Abrufbar unter: https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2018/2052/de. 6 SRG SSR Broadcast.ch: DVB-T-Abschaltung am 3. Juni 2019. Abrufbar unter https://www.broadcast.ch/de/news/article/detail/News/dvb-t-abschaltung-am-03-juni-2019/. 7 Siehe dazu Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 9. Auflage, München 2019, § 28, Rn. 1057f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 5 zwingend dazu, dass die Verbreitung der Funksignale über die Grenzen des Sendegebiets hinaus erfolgt, sodass sich mithin regelmäßig ein Overspill ergibt.8 Nachdem die Verbreitung der TV-Programme über DVB-T nun aber eingestellt worden ist, stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine Verbreitung der Schweizer Programme im deutschen Grenzgebiet z.B. durch die Wiederinbetriebnahme Schweizer DVB-T-Sendemasten durch private Unternehmen im Grenzgebiet erneut aufgenommen werden könnte. 2. Rechtliche Beurteilung 2.1. Lizenzrechtliche Aspekte 2.1.1. Anwendbarkeit deutschen Rechts Grundsätzlich ist für die Ausstrahlung terrestrischen Rundfunks das Urheberrecht desjenigen Staates maßgeblich, auf dessen Territorium sich die Sendeanlage befindet.9 Dieses Prinzip gilt nicht für Umgehungstatbestände.10 In dem Sachstand zugrunde liegenden Sachverhalt geht es jedoch nicht um die terrestrische Sendung von Funksignalen aus der Schweiz, sondern konkret um die Einspeisung der Signale in ein Kabelnetz in der Bundesrepublik Deutschland – „…mit ihr werden die Früchte gezogen, an denen der Urheber angemessen zu beteiligen ist.“11 Im vorliegenden Fall der Weiterleitung der Signale nach Einspeisung in ein deutsches Kabelnetz ist deutsches Recht anwendbar. 8 Loewenheim UrhR-HdB/Schwarz/Reber, 3. Auflage 2021, § 21, Rn. 111. 9 OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.06.2000 ¬– 1 U 872/99-217 – Ausstrahlung von Rundfunksendungen ins Ausland –, juris Ls. 1. 10 Anm. Schricker, Gerhard zu: OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.06.2000 ¬– 1 U 872/99-217 – Ausstrahlung von Rundfunksendungen ins Ausland. In: EWiR 2000, 787, 788; Gehrlein, Bestimmungen der nationalen Urheberrechte für Rundfunksendungen. In: MMR 9/2000, XXIII. 11 Anm. Schricker, Gerhard zu: OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.06.2000 ¬– 1 U 872/99-217 – Ausstrahlung von Rundfunk-sendungen ins Ausland. In: EWiR 2000, 787, 788. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 6 2.1.2. Lizenzrechtliche Grundsätze Rundfunksendungen sind als Werke i. S d. § 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG)12 geschützt: „Die zeitgleiche, vollständige und unveränderte (Kabel-) Weiterübertragung der vom sendenden Ursprungsunternehmen ausgestrahlten Sendung an einen Empfängerkreis (mindestens ) außerhalb des Versorgungsbereichs des Ursprungsunternehmens stellt einen Eingriff in das urheberrechtliche Senderecht dar.“13 Die Aufgabe des Urheberrechts ist es, den Schöpfer bzw. Urheber eines Werkes gegen eine unbefugte wirtschaftliche Auswertung seiner schöpferischen Leistung und eben auch gegen Verletzungen seiner ideellen Interessen an seinem Werk zu schützen. Dem Urheber eines Werkes soll es also möglich sein, durch die Schaffung seines Werkes einen Verdienst und für die Nutzung des Werkes durch Dritte eine angemessene Vergütung zu erhalten.14 Dem Urheber eines Werks steht hierfür das ausschließliche Recht zur öffentlichen Wiedergabe seines Werks zu (§ 15 Abs. 2 S. 1 UrhG). Dieses umfasst u.a. das Senderecht (§ 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UrhG). Hierunter ist das Recht zu verstehen, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk , Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, § 20 UrhG. Das Senderecht umfasst dabei zudem das Recht zur Kabelweitersendung , also das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden , § 20b Abs. 1 S.1 UrhG.15 Folglich stellt die Ausstrahlung von Rundfunksendungen eine (erlaubnispflichtige) unkörperliche Verwertung des Werkes dar. § 15 Abs. 2 UrhG bestimmt das ausschließliche Recht des Urhebers, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Vor allem vor dem Hintergrund der etwaigen wirtschaftlichen Aspekte des Urheberrechts an einem Werk sind mithin die Verwertungsrechte an diesem von entscheidender Bedeutung. Die Frage nach dem lizenzrechtlichen Rahmen der Zugänglichmachung der von der SRG ausgestrahlten Sendungen im deutschen Grenzgebiet ist also deshalb eine vertragliche. Sie hängt davon ab, über welche Nutzungsrechte die SRG verfügt. Nur solche Rechte kann sie gegebenenfalls deutschen Unternehmen, die Sendungen der SRG in das Kabelnetz einspeisen, auch übertragen. 12 Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2568) geändert worden ist. Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/urhg/BJNR012730965.html. 13 BGH, Urteil vom 4. Juni 1987 – I ZR 117/85 – Kabelfernsehen II. 14 Entwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 23. März 1962, Bundestags-Drucksache IV/270, Begr. S. 27ff., abrufbar https://dipbt.bundestag .de/doc/btd/04/002/0400270.pdf (zuletzt abgerufen am 20. April 2021); vgl. auch §§ 11, 32 Abs. 1 UrhG; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 9. Auflage, München 2019, § 1, Rn. 2ff. 15 BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – I ZR 21/14 – Keine Urhebervergütung für bloßes Bereitstellen von Fernsehgeräten in Hotelzimmern – Königshof. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 7 Konsequenterweise ist daher bei jeder einzelnen Sendung zu überprüfen, wie umfassend die seitens der SRG mit den Urhebern oder Inhabern der Nutzungsrechte durch frei ausgehandelte Verträge sind.16 Lizenzverträge mit grenzüberschreitendem Bezug enthalten daher regelmäßig Klauseln , in denen durch den Overspill-Effekt oder die Kabelweiterleitung ausgelöste Parallelweiterverbreitungen von Garantien der Rechteinhaber ausgenommen werden.17 Gegenstand des Sendeprogrammes der SRG können daher einerseits solche Werke sein, an denen die SRG das Urheberrecht und damit auch die Verwertungsrechte wie beispielsweise das Vervielfältigungs -, Verbreitungs-, Sende- und Vorführrecht innehat, sowie auch solche Werke, für die der SRG ein Nutzungsrecht von Dritten, beispielsweise von fremden Urhebern oder Verwertungsrechteinhabern , eingeräumt worden ist. Hierbei können Nutzungsrechte für einzelne oder mehrere Länder durch den Rechteinhaber vergeben werden, also territorial begrenzt sein. Auch Rechte an Werken machen nicht an Grenzen halt. Für die rechtlichen Folgen einer Urheberrechtsverletzung kommt es aber maßgeblich auf das auf die Verletzungshandlungen anwendbare Recht an. Vom jeweils anwendbaren Recht kann dabei auch das Entstehen und Erlöschen von urheberrechtlichem Schutz sowie damit zusammenhängende Ansprüche bei Verletzungshandlungen abhängen.18 Da davon auszugehen ist, dass die SRG ihrerseits Nutzungsrechte ausschließlich für die Schweiz erwirbt, kann sie die Einspeisung dieser Werke in ein deutsches Kabelnetz nicht legitimieren. Auch der Effekt des Overspills kann hierüber nicht hinweghelfen. Dieser Effekt bezeichnet lediglich die Möglichkeit des nicht zielgerichteten Empfangs von Funksignalen über das eigene Versorgungsgebiet hinaus, er legalisiert jedoch keinesfalls eine alternative unberechtigte Einspeisung in fremde Kabelnetze.19 Anders dagegen sieht es bei Sendungen aus, bei denen die SRG Inhaberin der Rechte für die Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland ist. Bei diesen könnte sie die Einspeisung in ein in der Bundesrepublik Deutschland befindliches Kabelnetz gestatten. Ob und inwieweit sie dann dafür den Urhebern Entgelte zahlen muss, richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nach Schweizer Recht. 16 „Ob durch die einem Sendeunternehmen eingeräumten Rechte eine Erschöpfung der Rechte nicht nur für das Versorgungsgebiet, sondern auch für das intendierte Sendegebiet eintritt, hängt im Einzelfall von der Auslegung des die Rechte einräumenden Vertrages ab.“, KG, Urteil vom 18.2.1997 – 5 U 3239/96 – Verletzung von Senderechten durch Einspeisung ins Kabelnetz –, juris Ls. 2. 17 Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz/ Straßer, 5. Auflage 2017, § 48 Lizenzverträge, Rn. 125; vertiefend dazu auch EuGH, Urteil vom 9.12.2020 – C-132/19 P – Groupe Canal+ SA/Kommission. 18 Loewenheim UrhR-HdB/ Walter, 3. Auflage 2021, § 64, Rn. 1. 19 Sie dazu z.B. Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz/ Rojahn/Rektorschek, § 6, Rn. 52f.; auch Dreier/Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, vor § 120, Rn. 1, 31; Zur internationalen Dimension des Immaterialgüterrechts z.B. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 9. Auflage, München 2019, § 26, Rn. 905ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 8 2.1.3. Kabelglobalvertrag Die Einräumung von Kabelverbreitungsrechten wird in Gesamtverträgen zwischen den Rechteinhabern und den Kabelnetzbetreibern durch privatrechtliche Vereinbarungen geregelt. Die Kabelnetzbetreiber erhalten dabei das Recht, terrestrisch gesendete Programme in das Kabelnetz einzuspeisen . Im Gegenzug dazu entrichten diese ein Nutzungsentgelt an die Urheber bzw. Verwertungsgesellschaften .20 Castendyk skizziert die Historie des Kabelglobalvertrags in Deutschland: „Seit 1999 haben die öffentlich-rechtlichen Sender und die privaten Sender (vertreten durch die VG Media) jeweils in getrennten Verhandlungen über einen angemessenen Tarif für die analoge Kabelweiterverbreitung terrestrischer und satellitärer Signale verhandelt. Die Verhandlungen führten schließlich im November 2003 zum Abschluss des sog. „Kabelglobalvertrages neu“. Vertragspartner der Vereinbarung waren öffentlich-rechtliche Fernsehsender und kleineren Privatsender sowie den in der ARGE Kabel zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften.“21 Nach vorliegenden Informationen ist die SRG nicht Vertragspartner des „Kabelglobalvertrages neu“. 2.2. Verfassungsrechtliche Aspekte Ein etwaiger Anspruch gerichtet auf die Wiederinbetriebnahme Schweizer DVB-T-Sendemasten oder die Einspeisung der Signale in fremde Kabelnetze, der sich aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1, Hs. 2 Grundgesetz (GG)22 herleitet, besteht nicht. Bei den Fernsehprogrammen der SRG handelt es sich nicht um eine für die öffentliche Zugänglichkeit bestimmte Informationsquelle, die im staatlichen Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland liegt. Der deutsche Staat verweigert vorliegend auch nicht entgegen einer vertraglichen oder gesetzlichen Pflicht den Zugang zu dieser Informationsquelle. Denn die Informationsfreiheit umfasst zwar ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang zu bestimmten Informationsquellen , dies jedoch nur dann, wenn eine Informationsquelle im staatlichen Verantwortungsbereich liegt und gerade dazu bestimmt ist, der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu sein.23 Mithin ist schon die Eröffnung des Schutzbereiches der Informationsfreiheit für den vorliegenden Fall zu verneinen. 20 Loewenheim UrhR-HdB/ Castendyk, 3. Auflage 2021, § 81, Rn. 333 f. 21 Loewenheim UrhR-HdB/ Castendyk, 3. Auflage 2021, § 81, Rn. 335. 22 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. 23 BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95 – Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 9 Das Kommunikationsgrundrecht der Informationsfreiheit gewährleistet die Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen. Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG enthält dabei auch keine allgemeine Definition des Begriffes der Quellen, sodass hierunter alle Träger von Informationen fallen, wobei auch die Art der Information keine Rolle spielt. Die Informationsfreiheit findet jedoch ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Dazu gehören auch die lizenzrechtlichen Bestimmungen des deutschen UrhG. Dies ist für die betroffenen Fernsehsendungen jedenfalls deshalb relevant, da es sich um Werke im urheberrechtlichen Sinne handelt, deren Rechte zunächst bei der SRG liegen. Schließlich kann über die Zugänglichkeit einer Informationsquelle und vor allem die Modalitäten ihrer Zugänglichmachung jene natürliche oder juristische Person entscheiden, die das entsprechende Bestimmungsrecht hierzu innehat. Im Einzelfall hat die nutzungsberechtigte Person dabei beispielsweise auch (vertragliche) Rechte und Pflichten von Dritten zu wahren. Weder vom Schutzbereich der Informationsfreiheit noch vom Schutzregime der anderen Kommunikationsfreiheiten ist die rechtswidrige Beschaffung von Informationen gedeckt.24 Darüber hinaus gewährt die Informationsfreiheit dem Bürger auch keinen Anspruch gegen Rundfunkveranstalter , bestimmte Verbreitungswege zu nutzen oder die Weiterverbreitung seiner Programme durch (private) Plattformbetreiber möglich zu machen. Es lässt sich hieraus also kein Anspruch auf Informationsverschaffung oder die Eröffnung einer bestimmten Informationsquelle für die deutschen Zuschauer im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet herleiten.25 Verfassungsrechtliche Voraussetzung für den Schutz durch die Informationsfreiheit ist nicht, dass die Informationen, Meinungen oder Tatsachen beinhalten, die dem öffentlichen oder privaten Bereich angehören.26 Der Begriff der Information ist dabei weit zu verstehen und umfasst Mitteilungen aller Art.27 Als Voraussetzung für den Prozess der Meinungsbildung und den daraus entstehenden – und nur so möglichen – Diskurs einer demokratischen Öffentlichkeit steht die Informationsfreiheit selbstständig neben der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1, Hs. 1 GG.28 Durch das Schutzregime des Art. 5 Abs. 1 GG werden die Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs - und Informationsfreiheit als Menschenrechte sowie auch der Kommunikationsprozess an sich gewährleistet, der für die Bildung einer freien individuellen und öffentlichen Meinung notwendig ist und daher eben auch Teil der Grundrechtsausübung ist und sein muss.29 Als allgemein zugänglich sind Informationsquellen dann zu qualifizieren, wenn sie sowohl geeignet als auch dazu bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren 24 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 1984 – 1 BvR 272/81 – Springer/Wallraff = BVerfGE 66, 116 (137) = NJW 1984, 1741. 25 BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99 – n-tv –, juris Rn. 69f. 26 Dreier Grundgesetz-Kommentar/ Schulze-Fielitz, 3. Aufl. 2013, Art. 5 GG, Rn. 77. 27 BeckOK/ Schemmer, 46. Ed. 15. Februar 2021, Art. 5 GG, Rn. 25. 28 BVerfG, Beschluss vom 3. Oktober 1969 – 1 BvR 46/65.– Leipziger Volkszeitung = BVerfGE 27, 71-88. 29 BVerfG, Urteil vom 16. Juni 1981 – 1 BvL 89/78 – Drittes Rundfunkurteil. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 10 Personenkreis, Informationen zu verschaffen.30 Als Beispiele hierfür sind insbesondere die Massenkommunikationsmittel der Presse, des Rundfunks und Films anzuführen, mithin also auch – wie vorliegend – Fernsehsendungen.31 Erfasst sind dabei ebenfalls ausländische Informationsquellen , da das Grundgesetz nicht zwischen in- und ausländischen Informationsquellen unterscheidet .32 Folglich sind auch solche ausländischen Rundfunkprogramme grundsätzlich als allgemein zugänglich zu qualifizieren, deren Empfang auf dem Bundesgebiet möglich ist.33 Hängt die Empfangbarkeit von bestimmten (technischen) Anlagen ab, kann sich der von der Informationsfreiheit gewährleistete Grundrechtsschutz dabei auch auf die Herstellung dieser technischen Voraussetzungen bzw. die Beschaffung und Nutzung der Anlagen erstrecken. Ansonsten würde der Schutz schließlich dort leerlaufen, wo der Zugang zu bestimmten Informationsquellen bestimmte technische Mittel erfordert, die nicht nutzbar oder zugänglich sind.34 Bis zur Einstellung der Verbreitung von Fernsehprogrammen über DVB-T durch die SRG war ein Empfang der betroffenen Informationsquellen in Form der Schweizer Fernsehprogramme auf dem Bundesgebiet wegen des unbeabsichtigten, aber bis dahin technisch nicht vermeidbaren, Overspills möglich. Die Zugänglichkeit der Informationsquellen beruhte vorliegend auf realen, technisch unvermeidbaren Umständen, weshalb grundsätzlich in Frage steht, ob hierin überhaupt eine allgemeine Zugänglichkeit im informationsfreiheitlichen Sinne zu sehen sein kann, da die Informationsquellen vorliegend schließlich eben nicht für die Zuschauer im Grenzgebiet bestimmt waren, sondern von diesen nur zufällig empfangbar waren. Eine Entscheidung über die (grund-)rechtliche Einordnung der Informationsquellen kann hier jedoch dahinstehen, weil die Programme nach der Einstellung der Verbreitung von Fernsehprogrammen über DVB-T durch die SRG heute nicht mehr über den Effekt des Overspills im Grenzgebiet empfangbar sind. Empfangsfreiheit ist zwar durch Art. 5 Abs. 1 S.1 GG und Art. 10 Abs. 1 S.1 EMRK35 gewährleistet , der Empfang eines Senders setzt dabei jedoch voraus, dass der Rundfunkveranstalter die öffentliche und allgemeine Empfangsmöglichkeit überhaupt eröffnet. Ob und inwieweit die SRG aus lizenzrechtlichen Gründen jedoch den Empfang der Programme ermöglicht und ermöglichen darf, hängt von den Rechten ab, die sie vertraglich von den Nutzungsrechteinhabern erworben hat. 30 BVerfG, Beschluss vom 3. Oktober 1969 – 1 BvR 46/65 – Leipziger Volkszeitung = BVerfGE 27, 71-88. 31 BVerfG, Beschluss vom 27. März 1973 – 2 BvR 684/72 – Maßnahme in der Untersuchungshaft, Untersuchungshaft = BVerfGE 35, 307. 32 BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1994 – 1 BvR 1687/92 – Parabolantenne I = BVerfGE 90, 27-39 (32) = NJW 1994, 1147; NJW-RR 2005, 661. 33 BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1994 – 1 BvR 1687/92 – Parabolantenne I = BVerfGE 90, 27-39 (32) = NJW 1994, 1147; NJW-RR 2005, 661. 34 BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1994 – 1 BvR 1687/92 – Parabolantenne I = BVerfGE 90, 27-39 (32) = NJW 1994, 1147; NJW-RR 2005, 661. 35 EMRK - Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ) vom 04.11.1950, zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 14 vom 13.5.2004 m.W.v. 1.6.2010, https://www.echr.coe.int/documents/convention_deu.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 018/21 Seite 11 3. Fazit Durch die fortschreitende Digitalisierung und der damit einhergehenden stetigen Verbesserung der Sende- und Empfangstechnik nimmt die Anzahl der Gebiete ab, in die ein Signal „überschwappt “, da Signale gezielter gesendet werden können als zuvor. Die Aufrechterhaltung der kulturellen Vielfalt der Sendeinhalte im Grenzgebiet erfordert daher zusätzliche (freiwillige) vertragliche Vereinbarungen zwischen den betreffenden Nutzungsrechteinhabern ; denn nur diese können darüber entscheiden, ob und inwieweit der Bestimmungskreis der Empfänger erweitert werden soll. Möglich ist daher durchaus, dass ein deutscher Kabelnetzbetreiber mit einem Unternehmen kooperiert , das einen grenznahen DVB-T-Sendemast auf schweizerischem Gebiet – unter Wahrung der rechtlichen Voraussetzungen nach schweizerischem Recht wie beispielsweise notwendiger Lizenzen und Genehmigungen – reaktiviert, sodass technisch auch wieder ein Overspill entsteht. Ob das Antennensignal, das dann zusätzlich in das grenznahe deutsche Kabelnetz eingespeist werden würde, rechtlich überhaupt als Overspill zu beurteilen wäre, steht jedenfalls deshalb in Frage, weil es dann jedenfalls an der ursprünglichen Zufälligkeit der Empfangbarkeit fehlen würde, da der Sendemast schließlich zielgerichtet wieder in Betrieb genommen werden würde, ohne dass die Sendeinfrastruktur der SRG auf den Betrieb des Sendemastes angewiesen wäre. Welcher Rahmen dieser Kooperation sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich gegeben werden würde, ist wiederum eine privatvertragliche (Gestaltungs-)Frage. Da die Einspeisung in das Kabelnetz jedoch grundsätzlich eine urheberrechtliche Nutzungshandlung darstellt,36 bedarf die Verbreitung im Kabelnetz einer Einigung mit den Nutzungsrechteinhabern . In der Praxis schließen die Rechteinhaber mit den Kabelnetzbetreibern hinsichtlich terrestrisch verbreiteter Programme Gesamtverträge über die Kabelweiterleitungsrechte, wobei gegen bestimmte Entgelte die Befugnis zur Weiterübertragung eingeräumt wird.37 Aufgrund von Vorschriften des Schweizer Urheberechtes handhabt die SRG diese Situation praktisch mit Duldungserklärungen. Hierbei handelt es sich um einseitige Erklärungen der SRG gegenüber Verteilergesellschaften, wobei diese sich im Gegenzug an Regelungen zu Schwarzblenden bei bestimmten von Lizenzrechten nicht umfassten und urheberrechtlich nicht freigegebenen Programmen halten. **** 36 „Die zeitgleiche, vollständige und unveränderte (Kabel-)Weiterübertragung der vom Sendeunternehmen ausgestrahlten Sendung in sogenannte ‘Overspillgebiete‘ stellt einen Eingriff in das urheberrechtliche Senderecht dar.“, KG, Urteil vom 18.2.1997 – 5 U 3239/96 – Verletzung von Senderechten durch Einspeisung ins Kabelnetz –, juris Ls. 1. 37 Loewenheim UrhR-HdB/ Castendyk, 3. Auflage 2021, § 81, Rn. 333; vgl. auch zum „Kabelglobalvertrag“ und „Kabelglobalvertrag neu“ Loewenheim UrhR-HdB/ Castendyk, § 81, Rn. 335ff.