© 2017 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 018/17 Über die Möglichkeit des Erwerbs der Georg Lukács Wohnung in Ungarn Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Erwerb der Thomas Mann Villa in Kalifornien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 2 Über die Möglichkeit des Erwerbs der Georg Lukács Wohnung in Ungarn Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Erwerb der Thomas Mann Villa in Kalifornien Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 018/17 Abschluss der Arbeit: 18.04.2017 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erwerb der Thomas Mann Villa in Kalifornien 4 2.1. Hintergrund 4 2.2. Derzeitige Funktion 6 3. Möglicher Erwerb: Georg Lukács Wohnung und Archiv in Ungarn 7 3.1. Hintergrund 7 3.2. Aktueller Stand 8 3.2.1. Wohnung 8 3.2.2. Archivmaterial 9 3.3. Immobilienerwerb: Rechtliche Lage in Ungarn 10 4. Fazit: Gemeinsamkeiten und Unterschiede 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 4 1. Einleitung Sowohl Thomas Mann als bedeutender deutscher Schriftsteller als auch der Ungar Georg Lukács als wegweisender marxistischer Philosoph sind Persönlichkeiten, deren Nachlass und Andenken einen außerordentlichen kulturhistorischen Wert aufweisen. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Kulturgut in Form von ehemaligen Wohnhäusern als Gedenkstätten oder frei zugänglichen und intakten Archiven, bietet dem interessierten (Fach-)Publikum einen besonderen Einblick in die schöpferische Gestaltung und damalige Umgebung. Wie groß das Interesse sein kann, lässt sich besonders anhand öffentlicher Proteste und Petitionen erkennen, wenn bekannt wird, dass der Zugang zu einem Kulturgut im Begriff ist, beeinträchtigt oder unmöglich gemacht zu werden. Gedenkstätten und Erinnerungsorten kommt aus kulturpolitscher Sicht eine besondere Bedeutung zu, da sie eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes sowie dem Leben und Wirken namhafter Persönlichkeiten ermöglichen. Im Folgenden wird ein denkbarer Erwerb der Wohnung samt Archiv von Georg Lukács erörtert. Beleuchtet wird insbesondere die aktuelle Sachlage, die eine wesentliche Voraussetzung für einen möglichen Kauf darstellt. Als Vergleich wird der Erwerb der Thomas Mann Villa in Kalifornien herangezogen. 2. Erwerb der Thomas Mann Villa in Kalifornien 2.1. Hintergrund Nachdem Thomas Mann und seine Familie während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland nach Kalifornien emigrierten, lebten sie von 1942 bis 1952 in ihrem Haus am San Remo Drive in Pacific Palisades in Los Angeles. Dieses Haus stellt seither einen historisch bedeutsamen Ort des Widerstands gegen den Nationalsozialismus dar und diente dem Austausch der dort lebenden deutschen Intellektuellen und Künstler.1 Während seiner Zeit im kalifornischen Exil, verfasste Thomas Mann Werke wie „Doktor Faustus“ und „Joseph, der Ernährer“. Da die bereits in die Jahre gekommene Villa nicht unter Denkmalschutz steht, sollte es Berichten zufolge im Jahre 2016 veräußert werden und auch ein Abriss erschien nicht unwahrscheinlich.2 1 Vgl.: Begründung der Online-Petition v. 26.08.2016 zur Erhaltung der Thomas Mann Villa, online abrufbar unter : https://www.openpetition.de/petition/online/thomas-manns-villa-erhalten-exil-erinnern-demokratischekultur -foerdern-begegnung-ermoeglichen, (Der Stand der Abrufe in dieser Arbeit entspricht dem Abgabedatum). 2 Vgl.: Tagesspiegel, Artikel v. 01.09.2016: „Das große Geisterhaus“, http://www.tagesspiegel.de/kultur/streit-umthomas -mann-villa-das-grosse-geisterhaus/14481122.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 5 Der Göttinger Literaturwissenschaftler und Thomas-Mann-Experte Heinrich Detering führt hierzu an:3 "Ich bin nicht nur besorgt, ich bin entsetzt und empört angesichts der Aussicht, dass dieses Haus abgerissen wird. Man muss sich vorstellen: Thomas Manns Geburtshaus ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Im Buddenbrock-Haus, von dem nur die Fassade erhalten geblieben ist, hat er nie gewohnt. Die Villa in München ist eine Replik. Das Haus in Kilchberg, in dem er seine letzten zwei Lebensjahre verbracht hat, befindet sich im Privatbesitz und ist nicht mehr zugänglich. Dieses ist das einzige Haus, das als ein authentischer Gedenkort in Betracht käme." Für über 13 Millionen Dollar wurde die Villa schließlich im Rahmen eines Bieterverfahrens durch Maklerin Joyce Rey zum Kauf angeboten.4 In der Immobilienanzeige wird darauf hingewiesen , dass sich die Villa zum ersten Mal seit fast 65 Jahren wieder auf dem Markt befinde. Der ehemalige Eigentümer Thomas Mann wird jedoch nicht erwähnt. Zahlreiche Unterstützer setzten sich im August 2016 mithilfe einer Online Petition5, gerichtet an die Bundeskanzlerin, die Kulturstaatsministerin und den Außenminister, für den Erhalt der Thomas Mann Villa ein. Auch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller war einer der Befürworter . Anfang September sprach sich die Kulturstaatsministerin Monika Grütters öffentlich für einen Kauf aus. Die Bundesregierung reagierte schließlich mit einem nachweislichen Kaufinteresse und erhielt ein „erstes Zugriffsrecht“.6 Im September 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland den Zuschlag erhalten und erwarb infolgedessen nach amerikanischem Recht die Villa am 18. November 2016.7 3 Siehe: Das Erste, Artikel v. 22.08.2016: „Weimar unter Palmen: Was wird aus Thomas Manns Villa in Kalifornien ?“, http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/thomas-mann-in-kalifornien-100.html. 4 Siehe: Immobilienanzeige, online abrufbar unter: https://www.coldwellbankerhomes.com/ca/pacific-palisades /1550-san-remo-dr/pid_12136142/. 5 Siehe: Online Petition, a.a.O. 6 Vgl.: Deutschlandradio Kultur, Artikel v. 29.09.2016: „Wie Deutschland den Zuschlag für die Mann-Villa bekam “, http://www.deutschlandradiokultur.de/thomas-mann-haus-in-pacific-palisades-wie-deutschlandden .1895.de.html?dram:article_id=367262. 7 Vgl.: Auswärtiges Amt, Pressemitteilung vom 18.11.2016: „Außenminister Steinmeier begrüßt Erwerb des Thomas Mann-Hauses durch die Bundesrepublik Deutschland“, online abrufbar unter: http://www.auswaertiges -amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2016/161118_Thomas_Mann_Haus.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 6 Begründung zum Erwerb der Villa in der Rede des ehemaligen Bundesministers des Auswärtigen , Dr. Frank-Walter Steinmeier, zum Haushaltsgesetz 2017 vor dem Deutschen Bundestag am 23. November 2016 in Berlin:8 „Das Thomas-Mann-Haus in Los Angeles war während der NS-Herrschaft so etwas wie das Weiße Haus des Exils. Es war die Heimat für viele Deutsche, die gemeinsam für eine bessere Zukunft unseres Landes gestritten haben. Wenn damals in Thomas Manns Villa Künstler und Intellektuelle zusammenkamen, dann wurde, wie wir wissen, leidenschaftlich diskutiert : über Deutschland, über Amerika, über die Wege zu einer offenen Gesellschaft und – das kann man heute vielleicht gar nicht genug betonen – über das, was uns zusammenhält: das gemeinsame transatlantische Wertefundament. Ich bin davon überzeugt: In einer konfliktbeladenen Welt brauchen wir genau solche Räume für den Dialog – erst recht auch wieder mit den USA. Mit solchen Räumen meine ich eben keine Echokammern, in denen wir uns selbst bestätigen. Ich meine Räume, die Platz schaffen für eine ehrliche Auseinandersetzung, für Austausch und Streitgespräch. Solche Räume zu schaffen, in denen wir Verschiedenheiten nicht ignorieren, sondern zum Gegenstand des Gespräches – direkt miteinander und möglichst ohne mediale Verzerrungen und Zuspitzungen – machen, darum geht es, das ist Ziel unserer Auswärtigen Kulturund Bildungspolitik. Auch dafür, dass Sie auch diese dritte, immer wichtiger werdende Säule der Außenpolitik unterstützen, sage ich abschließend meinen herzlichen Dank.“ 2.2. Derzeitige Funktion Zur Stärkung des transatlantischen Dialogs und als Erinnerung an sein Wirken im Exil, soll das ehemalige Wohnhaus von Thomas Mann zu einem deutsch-amerikanischen Kulturzentrum umfunktioniert werden. Zu den zentralen gesellschaftlichen Themen sollen „Identität, Migration und Integration, aber auch Flucht und Exil“ zählen.9 Ferner ist beabsichtigt, Intellektuelle aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und Journalismus als Stipendiaten zu empfangen.10 Die Bundesregierung beauftragte für den Betrieb die Verantwortlichen der Villa Aurora.11 Die Villa Aurora dient selbst als Künstlerresidenz und ist das ehemalige Wohnhaus von Lion und Marta Feuchtwanger , welches knapp zehn Kilometer von der Thomas Mann Villa entfernt ist.12 Des Weiteren 8 Vgl.: Bulletin der Bundesregierung v. 23.11.2016, https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Bulletin /2016/11/138-2-bmaa-bt.html. 9 Vgl.: Auswärtiges Amt, Pressemitteilung vom 18.11.2016: „Außenminister Steinmeier begrüßt Erwerb des Thomas Mann-Hauses durch die Bundesrepublik Deutschland“, a.a.O. 10 Vgl.: BT Drucksacke 18/11550 v. 16.03.2017, Unterrichtung durch die Bundesregierung, 20. Bericht der Bundesregierung Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, „Stärkung des transatlantischen Dialogs“, S. 29, a.a.O. 11 Vgl.: Pressemitteilung der Villa Aurora v. 18.11.2016, online abrufbar unter: https://www.villa-aurora .org/de/eventreader/20161118_Thomas-Mann-Villa.html. 12 Vgl.: BT Drucksacke 18/11550 v. 16.03.2017, Unterrichtung durch die Bundesregierung, 20. Bericht der Bundesregierung Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, „Villa Aurora & Thomas Mann House e. V.“, S. 36. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 7 findet eine Förderung seitens des Auswärtigen Amts und des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien statt. 3. Möglicher Erwerb: Georg Lukács Wohnung und Archiv in Ungarn 3.1. Hintergrund Der marxistische Philosoph jüdischen Glaubens Georg Lukács lebte von 1945 bis zu seinem Tod 1971 in der fünften Etage des Hauses Belgrád rakpart 2 am Donauufer in Budapest.13 Nach seinem Tod im Jahre 1972 wurde seine Wohnung als Archiv genutzt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Bezug zu Deutschland ist nicht nur aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Berlin und Heidelberg zu erkennen, auch prägte er durch seine Studien die Kulturpolitik der frühen DDR.14 Im März 2016 wurde durch die Ungarische Akademie der Wissenschaften (UAW) die Schließung des Lukács-Archivs und gleichzeitige Auflösung bzw. Trennung des Archivmaterials erklärt.15 Der Präsident der UAW Professor Lovász plante indes, den Nachlass von Lukács in die Ungarische Zentralbibliothek (MTA Bibliothek) zu transportieren. Auch könnte nach seiner Ansicht eine Lukács-Bibliothek im Bereich der MTA in Betracht kommen. Als Argument wird angeführt, dass sich die Wohnung in einem schlechten Zustand befindet. Sie könne aus diesem Grund nicht mehr als Archiv genutzt werden. Ferner ist nach seinen Angaben eine Digitalisierung sowohl der Bibliothek als auch der Manuskripte, Briefe und Dokumente beabsichtigt.16 Die ehemaligen Mitarbeiter des Archivs stehen dem Vorhaben des Präsidenten der UAW kritisch gegenüber. Hierzu führt der Vorsitzende der Internationalen Georg Lukács Gesellschaft Rüdiger Dannemann in einem Interview an:17 „Die Fakten sprechen leider eine andere Sprache: Der Mitarbeiterstab des Archivs wurde dezimiert und degradiert, die Arbeitsmöglichkeiten des Archivs wurden stark reduziert. An die Versprechungen der Akademie der Wissenschaften glauben die Betroffenen nicht.“ 13 Vgl.: Der Standard, Artikel v. 14.03.2016: „Lukács-Archiv vor Schließung“, http://derstandard .at/2000032905070/Lukacs-Archiv-vor-Schliessung. 14 Vgl.: Süddeutsche Zeitung, Artikel v. 20.03.2016: „Real obdachlos“, http://www.sueddeutsche.de/kultur/geisteswissenschaften -real-obdachlos-1.2915481. 15 Vgl.: Pressemitteilung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, online abrufbar unter: http://mta.hu/english /press-release-by-the-hungarian-academy-of-sciences-regarding-lukacs-archives-and-library-106306. 16 Vgl.: haGalil, Artikel v. 21.03.2016: „Aus für Lukács-Archiv oder Neubeginn?“, http://www.hagalil .com/2016/03/lukacs-archiv-2/. 17 Siehe: Jungle World, Interview mit Rüdiger Dannemann v. 02.03.2017: „Ein verstärktes Interesse“, http://jungleworld .com/artikel/2017/09/55821.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 8 Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass Anfang 2017 der Budapester Stadtrat auf Antrag der als rechtsextrem angesehenen Partei Jobbik18 die Entfernung seines Denkmals im Szent-István-Park in Budapest beschloss.19 Dies ließ bei den Befürwortern des Erhalts des Lukács- Archivs den Verdacht aufkommen, dass beide Maßnahmen von politischen Motiven geleitet wurden .20 Die Nachricht über die geplante Schließung des Archivs löste in der wissenschaftlichen und künstlerischen Welt starke Proteste aus.21‘22 Als Reaktion haben über 10.000 Unterstützer des Lukács-Archivs eine Online-Petition unterzeichnet.23 Im Herbst 2016 wurde die Internationale-Stiftung-Lukács-Archiv (ISLA) gegründet. Begründer sind die ungarische Philosophin und ehemalige Assistentin von Lukács Ágnes Heller und Professor János Wess von der Universität Pécs in Ungarn. Ziel dieser Stiftung ist es, Verhandlungen mit der UAW zu führen und sich für den Erhalt des Archivs einzusetzen.24 3.2. Aktueller Stand 3.2.1. Wohnung Nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters des Archivs weist die Wohnung eine Größe von 140 Quadratmeter auf und steht im Eigentum der Budapester Bezirksverwaltung. Sie ist ferner Teil eines Gemeinschaftshauses. Der Wert der Wohnung wird auf umgerechnet € 200.000,- geschätzt . Derzeitiger Mieter ist die UAW, welche über einen gültigen Mietvertrag bis 2024 verfügt. Da die Bezirksverwaltung bereits die Mehrzahl der Wohnungen um 1990 veräußert hatte, besteht prinzipiell die Möglichkeit, die Wohnung von Lukács käuflich zu erwerben. Dass die Wohnung 18 Vgl.: http://hvg.hu/itthon/20170125_Jobbikos_javaslatra_lebontjak_Lukacs _Gyorgy_szobrat_a_Szent_Istvan_parkban. 19 Vgl.: Mitteilung der Stadt Budapest v. 25.01.2017 (letzter Absatz), http://budapest.hu/Lapok/2017/fovarosi-kozgyules -veglegesitettek-az-olimpiai-helyszinjavaslatot.aspx. 20 Vgl.: Jüdische Allgemeine, Artikel v. 02.02.2017: „Ungarn entsorgt die Erinnerung“, http://www.juedische-allgemeine .de/article/view/id/27696. 21 Dannemann, Rüdiger, Lukács 2016, Jahrbuch der Internationalen Georg Lukács Gesellschaft 2016, S. 8, Leseprobe online aufrufbar unter: http://www.aisthesis.de/WebRoot/Store20/Shops/63645342/MediaGallery/leseproben /9783849811969.pdf. 22 Vgl.: Tendance Coatesy: “Protest Against Closing Down the Lukács Archive”, https://tendancecoatesy.wordpress .com/2016/03/19/protest-against-closing-down-the-lukacs-archive/. 23 Vgl.: Online Petition gegen Schließung des Lukács-Archivs, https://www.petitionen24.com/tiltakozunk_a_lukacs _archivum_bezaratasa_ellen. 24 Schriftliche Mitteilung des ehemaligen Archiv-Mitarbeiters Miklós Mesterházi vom 03.04.2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 9 aktuell zum Kauf angeboten wurde, ist jedoch nicht bekannt. Des Weiteren wird ein Vorkaufsrecht seitens der UAW als Mieter vermutet. Die Wohnung steht nicht unter Denkmalschutz.25 Sie soll sich ferner in einem renovierungsbedürftigen Zustand befinden, sie sei jedoch weiterhin grundsätzlich zur Aufbewahrung und Zurverfügungstellung des Archivmaterials geeignet. Maßnahmen wie das Installieren einer Klimaanlage und die Erweiterung feuersicherer Schränke seien jedoch notwendig. In den letzten Verhandlungsgesprächen zwischen der ISLA und der UAW, habe sich letztere überraschend von einem Abtransport der Materialien distanziert. Zwar habe die UAW nicht vor, selbst eine Gedenkstätte zu errichten. Sie erkläre sich jedoch bereit, für die Mietzahlungen weiterhin aufzukommen, falls jemand dieses Vorhaben umsetzen möchte. Etwaige Renovierungskosten würden von der UAW jedoch nicht übernommen. Auch die weitere Finanzierung der Arbeit des Archivs (Personal, technische Ausrüstung, etc.) ist nicht weiter geklärt.26 3.2.2. Archivmaterial Nach neuesten Erkenntnissen27 ist das gesamte Archivmaterial (Manuskripte, Korrespondenz), die Bibliothek (inkl. Zeitschriften) und die gesammelten Dokumentationen (Zeitungsausschnitte, Dissertationen, Bildmaterial, etc.) intakt und befinden sich noch in der Lukács-Wohnung.28 Des Weiteren wies ein ehemaliger Archiv-Mitarbeiter daraufhin, dass die Bibliothek von Lukács als Sammlung geschützt sei. Zur Eigentumslage können folgende Angaben gemacht werden:29 die Bibliothek von Lukács wurde dem Philosophischen Institut der UAW unter der Bedingung vermacht, dass diese als Einheit aufbewahrt wird Seine Handschriftensammlung steht nach dem Tod von Lukács im Eigentum der Bibliothek der UAW Bestände wie etwa die Korrespondenz der Frau von Lukács, welche nicht in seinem Testament erwähnt worden ist, steht nicht im Eigentum der UAW Die Tagebücher des Schriftstellers Sándor Vajda wurden beispielsweise ebenfalls dem Lukács-Archiv vermacht und stehen somit auch nicht im Eigentum der UAW 25 Ebenda. 26 Schriftliche Mitteilung des ehemaligen Archiv-Mitarbeiters Miklós Mesterházi vom 03.04.2017. 27 Stand: April 2017 28 Schriftliche Mitteilung des Vorsitzenden der Internationalen Georg Lukacs Gesellschaft Rüdiger Dannemann vom 31.03.2017. 29 Schriftliche Mitteilung des ehemaligen Archiv-Mitarbeiters Miklós Mesterházi vom 03.04.2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 10 3.3. Immobilienerwerb: Rechtliche Lage in Ungarn Das Europäische Recht (Rom I) und die IPR-Verordnung geben vor, dass auf einen Immobilienvertrag das Recht zur Anwendung kommt, welches zuvor von den Parteien bestimmt worden ist. Ohne eine derartige Vereinbarung ist das Recht des Landes anzuwenden, in dessen Staatsgebiet sich die Immobilie befindet.30 Des Weiteren herrscht in Ungarn grundsätzlich Vertragsfreiheit.31 Ein Kaufvertrag über eine Immobilie muss dem Schrifterfordernis des § 365 Abs. 3 des ungarischen Zivilgesetzbuches (ZGB) genügen.32 Wohnungseigentum stellt gemäß § 149 ZGB eine besondere Form des Miteigentums dar, wobei näheres das ungarische Wohnungseigentumsgesetz regelt.33 Während Wohnungen oder Geschäftsräume als Teile eines Gebäudes gesondert dem jeweiligen Eigentümer zuzuordnen sind, stehen die übrigen Einrichtungen und Anlagen, welche für Bestand und Unterhaltung des Hauses notwendig sind oder dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, im Miteigentum der Wohnungseigentümer. Hierzu zählt auch das Grundstück selbst. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Ungarn das Grundstück und das auf dem Grundstück befindliche Gebäude unterschiedliche Eigentumsgegenstände darstellen und somit das Eigentum an diesen auseinanderfallen kann.34 In Ungarn können ferner gesetzliche und vertragliche Vorkaufsrechte vorliegen. Ein vertragliches Vorkaufsrecht kann ins Grundbuch eingetragen werden. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht ist beispielsweise bei einem Miteigentümer gemäß § 45 Abs. 2 ZGB vorgesehen.35 Bei historisch oder kulturell bedeutsamen Gebäuden steht grundsätzlich dem ungarischen Staat ein Vorkaufsrecht zu.36 Der Verkauf eines Gebäudes oder einer Wohnung führt nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses („Kauf bricht nicht Miete“).37 30 Vgl.: Frank/Wachter, Handbuch Immobilienrecht in Europa, 2. Auflage, Abschnitt: Ungarn, bearbeitet von Gáspár/Winkler, S. 189, R. 189. 31 Vgl.: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest, Merkblatt zum Erwerb von Immobilien in Ungarn, http://www.budapest.diplo.de/contentblob/1384764/Daten/4307976/MB_Immobilienerwerb.pdf. 32 Vgl.: Frank/Wachter, Handbuch Immobilienrecht in Europa, 2. Auflage, Abschnitt: Ungarn, bearbeitet von Gáspár/Winkler, S. 1771, Rn. 190. 33 Vgl.: Ebenda, S. 1762, R. 120. 34 Vgl.: Ebenda, S. 1762, R. 120. 35 Vgl.: Ebenda, S. 1773, R. 199. 36 Vgl.: Caston Compact, International Law & Business Information, Immobilienerwerb in Ungarn, online abrufbar unter: http://www.recht-concret.de/uploads/media/CC-292_Immobilienerwerb_in_Ungarn.pdf. 37 Vgl.: Caston Compact, International Law & Business Information, Immobilienerwerb in Ungarn, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 11 Staatsbürger und juristische Personen der EU-Mitgliedsstaaten können ohne Einschränkungen und genehmigungsfrei Immobilien erwerben.38 4. Fazit: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Als Gemeinsamkeit kann zunächst angeführt werden, dass in beiden Fällen ein besonderes Interesse am Erhalt der Erinnerungsstätten besteht, welches von Protesten und Petitionen untermauert wurde. Zwar verfügt die Wohnung von Lukács nicht über die beachtliche Größe von knapp 500 Quadratmeter der Thomas Mann Villa in Kalifornien, dennoch kann sie durchaus als kulturelles Dokumentationszentrum dienen, um einen Einblick in das Leben und Wirken des Philosophen zu ermöglichen. Bei der Thomas Mann Villa wurde ferner im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages die Bewilligung von Mitteln in Höhe von fast € 15.000.000,- für Renovierungs- und Umbaumaßnahmen beantragt. Diese seien notwendig, um die Villa als Stipendiaten-Residenz nutzen zu können. Der Erwerb der Villa wurde zudem aus dem allgemeinen Liegenschaftserwerbstitel finanziert.39 Wie hoch die Kosten für die Renovierung der Lukács-Wohnung sein werden, ist noch nicht bekannt . Auch ist in finanzieller Hinsicht zu beachten, dass die Unterhaltung und der Betrieb des Lukács-Archivs in der Wohnung gewährleistet werden müsste. Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen der Thomas Mann Villa kam es mit den Anwohnern im Pacific Palisades in Los Angeles zu Gesprächen, da diese sich aufgrund von zukünftig höheren Besucherzahlen hätten gestört fühlen können.40 Auch bei dem Erwerb der Lukács-Wohnung müssten die Rechte der Wohnungseigentümer und Mieter beachtet werden. Da die Lukács-Wohnung jedoch bereits seit Jahrzehnten als Archiv genutzt worden ist, dürften Streitigkeiten nicht unmittelbar zu erwarten sein. Hinsichtlich der Eigentumseigenschaft können zudem folgende Angaben gemacht werden: Die Thomas Mann Villa befand sich Berichten zufolge vor dem Verkauf im Privatbesitz und somit im Eigentum einer natürlichen Person.41 Die Lukács Wohnung steht im Eigentum der Budapester Bezirksverwaltung als juristische Person. Als entscheidender Unterschied lässt sich schließlich anführen, dass die Thomas Mann Villa in Kalifornien öffentlich zum Kauf angeboten und somit der Bundesrepublik Deutschland ein Erwerb erheblich erleichtert wurde. Darauf lässt auch das erste Zugriffsrecht schließen. 38 Vgl.: Frank/Wachter, Handbuch Immobilienrecht in Europa, 2. Auflage, Abschnitt: Ungarn, bearbeitet von Gáspár/Winkler, S. 1781, R. 265. 39 Vgl.: BT Drucksache 18/9826: Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss), S. 11. 40 Vgl.: Süddeutsche Zeitung, Artikel v. 18.11.2016: „Bundesrepublik kauft Thomas-Mann-Villa in Los Angeles“, http://www.sueddeutsche.de/kultur/thomas-mann-bundesrepublik-kauft-thomas-mann-villa-in-los-angeles- 1.3254025. 41 Vgl.: 3sat, Artikel v. 18.11.2016: „Bundesrepublik kauft Exil-Villa von Thomas Mann in Kalifornien“, https://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/news/189941/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 018/17 Seite 12 Im Fall der Lukács Wohnung samt Archiv ist die Lage als komplizierter zu bewerten. Zwar erscheint ein Erwerb seiner ehemaligen Wohnung grundsätzlich realisierbar, jedoch ist zu vermuten , dass dieser aufgrund des Mietvertrages der UAW zum aktuellen Zeitpunkt erschwert wird. Das Archivmaterial hingegen befindet sich überwiegend im Eigentum der UAW. Eine vertragliche Einigung mit der UAW ist somit notwendig. Wie oben dargestellt könnte auch der ungarische Staat vorkaufsberechtigt sein. Mit diesem und mit anderen möglichen Vorkaufsberechtigten oder Beteiligten wären somit Absprachen erforderlich . Hierzu zählen insbesondere: - der Eigentümer der Wohnung (Budapester Bezirksverwaltung) - der Mieter der Wohnung (UAW) - die Eigentümer des Lukács-Archivs (Philosophisches Institut und Bibliothek der UAW) - die weiteren Wohnungseigentümer und Mieter in dem Gemeinschaftshaus - ggf. Eigentümer des Grundstücks (evtl. Bezirksverwaltung, Wohnungseigentümer oder andere Eigentümer). ****