© 2019 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 006/19 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Arbeit der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Legitimität des Verfahrens 7 3. Fazit 9 4. Anhang 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 006/19 Seite 4 1. Vorbemerkung Dieser Sachstand informiert über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“, sowie die Rechtsquellen, die Legitimität und die Rechtmäßigkeit des Schlichtungsverfahrens. Das Gremium ist auch unter der Bezeichnung „Limbach-Kommission“, welche auf die erste Vorsitzende, Frau Jutta Limbach, zurückzuführen ist und „Beratende Kommission“ bekannt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Folgenden die Bezeichnung „Beratende Kommission“ verwendet. 2. Beratende Kommission Die Beratende Kommission wurde am 14.07.2003 aufgrund einer „Absprache“ zwischen der Bundesregierung , den Bundesländern und den kommunalen Spitzenverbänden eingerichtet, um von Raubkunst betroffenen Menschen bei der Wiederherstellung rechtmäßiger Eigentumsverhältnisse zu unterstützen. Aktuell besteht sie aus zehn Ehrenamtlichen1, welche juristischen, ethischen, kulturellen oder historischen Sachverstand haben und keine hochrangigen politischen Ämter (mehr) bekleiden. Bisher hat die Kommission 15 Empfehlungen ausgesprochen.2 2.1. Beweggründe für die Einrichtung der Beratenden Kommission Ausgangspunkt für die Gründung der Beratenden Kommission war der Umstand, dass Herausgabeansprüche von NS-Raubkunst heute regelmäßig verjährt sind und der Rechtsweg somit aussichtslos ist.3 Im Dezember 1998 wurden daher auf der „Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art", an der 44 Staaten und zwölf nicht-staatliche Organisationen, insbesondere jüdische Opferverbände, teilnahmen, Leitlinien4 für den Umgang mit nationalsozialistischer Raubkunst beschlossen. Durch die Unterzeichnung erklärten die Teilnehmer ihre Absicht, Kunstwerke , die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, ausfindig zu machen und den rechtmäßigen Eigentümern zuzuführen. Nach Grundsatz Nr. 8 der Washington Principles (Washingtoner Prinzipien) sollen „rasch“ „gerechte und faire Lösungen“ gefunden werden, wobei die Lösung neben der Rückgabe auch in einem Tauschgeschäft, einem nachträglichen Ankauf oder in einer Dauerleihgabe liegen kann.5 Sie enthalten jedoch weder eine rechtlich bindende Verpflichtung, noch begründet sie Individualrückgabeansprüche von Betroffenen. Sie 1 Nähere Informationen zu den Kommissionsmitgliedern unter: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Beratende Kommission/Index.html. 2 Abrufbar unter: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/BeratendeKommission/Empfehlungen/Index.html. 3 Michael Franz, Die Verantwortung dauert an, S. 447. 4 Auch als Washingtoner Erklärung vom 03.12.1998 bezeichnet. 5 Matthias Weller, Gedanken zur Reform der Limbach-Kommission, S. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 006/19 Seite 5 stellen lediglich eine Generalregelung dar, welche in vielen der unterzeichnenden Staaten bereits in verbindliches Recht überführt worden ist.6 In Anknüpfung an die Washingtoner Prinzipien7 wurden in Deutschland am 14. Dezember 1999 eine „Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz" abgegeben.8 Die Erklärung forderte insbesondere Museen auf, in ihren Beständen NS-Raubkunst zu identifizieren. Auch diese gemeinsame Erklärung kodifizierte keinen individuellen und einklagbaren Rückgabeanspruch, sondern eine freiwillige, moralische Selbstverpflichtung der beteiligten Akteure. Am 05.12.2002 gipfelten die Bemühungen der vorangegangenen Erklärungen schließlich in der „Absprache zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Einsetzung einer Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“. 2.2. Arbeitsweise und Rechtsgrundlagen Wesentliche Grundlage für die Arbeitsweise der Beratenden Kommission ist die im Jahr 2016 selbstgegebene Verfahrensordnung.9 Darin wird unter anderem festgelegt, dass die Washingtoner Erklärung von 1998 und die Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur „Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts“ von 1999 den Empfehlungsmaßstab bilden. Ziel des Verfahrens ist es, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erzielen. Kann dies nicht erreicht werden, wird zum Zwecke der Streitbeilegung eine Empfehlung ausgesprochen, 6 Vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Raubkunst und Restitution - Washingtoner Erklärung und Limbach-Kommission, WD 10 – 061 – 16, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/491794/42f7ba4d067efd53c4a62a3d8987c037/wd-10-061-16-pdf-data.pdf. 7 Die Washingtoner Prinzipien waren in der Folgezeit mehrfach Gegenstand parlamentarischer Beratung. Vgl. etwaden Antrag „Zehn Jahre Washingtoner Konferenz – Initiative für eine Nachfolgekonferenz in Deutschland“ derFDP-Fraktion vom 23. Januar 2008 (BT-Drs 16/7857, Plenum 21.2.2008, BT-PlPr 16/145, Beschlussempfehlungund Bericht BT-Drs 16/8584, erledigt durch Ablauf der Wahlperiode). Davor hatte der Ausschuss für Kultur undMedien des Deutschen Bundestages auf der Grundlage eines Antrags der Fraktion der FDP „National bedeutsames Kulturgut wirksam schützen“ vom 25. Oktober 2006 (BT-Drs. 16/3137) am 28. März 2007 eine öffentliche Anhörung mit dem Titel „Die Anwendung der Grundsätze der Washingtoner Erklärung in Deutschland und im internationalen Vergleich – Anhörung zu Erfahrungen im Bereich der Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern und der Provenienzforschung“ durchgeführt (Plenum 1.12.2006, BT-PlPr 16/71, Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs 16/7753, erledigt durch Ablauf der Wahlperiode). Gleichzeitig richtete der Beauftragte für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, im Januar 2007 eine Arbeitsgruppe zu Restitutionsfragen ein. Vgl. dazu Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung „Modalitäten für die Rückgabe von NS-Raubkunst werden verbessert“ vom 19. Mai 2008. 8 Die Erklärung findet sich unter: www.lostart.de/Webs/DE/Koordinierungsstelle/GemeinsameErklaerung.html. 9 Abrufbar unter: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/BeratendeKommission/Verfahrensordnung/Index .html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 006/19 Seite 6 die beide Parteien nebst Begründung in schriftlicher Form10 erhalten und welche auch auf der Website11 des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste veröffentlicht wird. Bei der Ermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts berücksichtigt sie demnach die Situation , unter denen es zum Eigentumsverlust des Kulturguts gekommen ist, und die Umstände, unter denen das Kulturgut erworben wurde, insbesondere die Höhe des Kaufpreises. Außerdem werden Recherchen zur Provenienz des infrage stehenden Kunstwerks unternommen. Entsprechend der Funktion der Kommission als ethisch-moralische Instanz, ist sie dabei keinem formellen Recht unterworfen. Auch die anschließenden Empfehlungen des Gremiums basieren allein auf einer ethisch-moralischen Abwägungsentscheidung und sind einer rechtlichen Überprüfung entzogen. Die Kommission wird gebührenfrei tätig, wenn zwei Parteien verschiedener Auffassung bezüglich der Rückgabepflicht von Kulturgütern sind, die während der NS-Diktatur von 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 ihren Eigentümern, insbesondere solchen jüdischen Glaubens, verfolgungsbedingt entzogen wurden. Als zulässiger Antragsteller kommen dabei sowohl die früheren Eigentümer und deren Erben als auch die aktuellen Besitzer des Kulturguts in Betracht. Voraussetzung für das Tätigwerden der Kommission ist das Einverständnis beider Seiten, eine Mediation durch die Kommission durchführen zu lassen und die Zusage, die am Ende des Verfahrens stehende Empfehlung der Kommission befolgen zu wollen. Wird der Fall durch die Kommission angenommen, bestimmt sie einen Berichterstatter, der die Stellungnahmen beider Parteien entgegennimmt und gegebenenfalls Rückfragen stellt. Anders als in einem gerichtlichen Verfahren wird die Gegenseite jedoch nicht über die an die andere Partei gerichteten Fragen informiert. Ob auch eine mündliche Verhandlung stattfindet, liegt im freien Ermessen der Kommission.12 Ebenso ungeregelt ist, wie viele Mitglieder an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen und welche Mitglieder an der Schlussabstimmung beteiligt sein müssen.13 Grundsätzlich stellt sich erst am Tag der Anhörung heraus, welche Kommissionsmitglieder anwesend sind und somit wohl auch an der Abgabe der Empfehlung mitwirken werden.14 Druber geht darüber hinaus davon aus, dass die beratenden Mitglieder während eines Verfahren im geheimen Austausch mit dem Staatsminister für Kultur und Medien stehen. Regelungen zum Umgang mit einer etwaigen Befangenheit der Mitglieder hält die Verfahrensordnung indes nicht bereit. 10 In den ersten Verfahren ist die Begründung der Empfehlungen noch sehr knapp ausgefallen. Inzwischen ist sie regelmäßig länger und substantieller und damit auf dem Niveau europäischer Nachbarstaaten, vgl. Matthias Weller, Gedanken zur Reform der Limbach-Kommission, S. 42. 11 Abrufbar unter: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Start/Index.html. 12 Matthias Druber, Die „Beratende Kommission“, in: Eine Debatte ohne Ende? – Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, S. 184 f. 13 Ebd., S. 185. 14 Ebd., S. 185. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 006/19 Seite 7 Bezüglich der rechtlichen Qualität der Empfehlungen des Gremiums und seines Status stellt das VG Magdeburg15 fest, dass die Kommission die Rolle eines Mediators übernimmt und weder eine beratende Funktion gegenüber der Verwaltung ausübt noch Verwaltungsentscheidungen vorbereitet . Wenngleich die Kommission staatlicherseits einberufen wurde, sei sie keine Behörde im Sinne des § 1 IV VwVfG16. Auch haben die Empfehlungen der Kommission nicht die Qualität eines Verwaltungsakts17, sie tritt „vollkommen unabhängig“ auf und agiert als „reines Beratungsgremium “.18 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg handele es sich bei der Rechtsnatur der Kommission um ein „Mischgebilde“, das weder seiner Organisation, noch seiner Funktion nach dem Bund, den Ländern oder den Kommunen eindeutig zugeordnet werden kann. Jedenfalls sei die Kommission keine „Bundeseinrichtung (...), die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben “ wahrnimmt. 2.3. Legitimität des Verfahrens Zunächst könnte man erwarten, dass die Anforderungen an die Legitimität des Verfahrens vor dem Hintergrund der fehlenden rechtlichen Bindungskraft von Empfehlungen, nicht allzu hoch sein dürften. Schließlich verpflichten sich beide Parteien vor Verfahrensbeginn, das Votum der Kommission zu akzeptieren, sodass eine Bevormundung nicht zu befürchten sein dürfte. Dennoch stellt das Gremium, auch wegen dessen professioneller Besetzung, eine moralische Instanz dar, die in der Öffentlichkeit auftritt und geeignet ist, Gerechtigkeitsmaßstäbe zu setzen. Insofern kommt den Empfehlungen der Kommission, wenn auch keine rechtliche, doch eine faktische Bedeutung zu. Folglich ist zu prüfen, ob die Verfahrensordnung eine hinreichend legitime Arbeitsgrundlage bildet. Kritiker halten es für problematisch, dass sich die Kommission bei ihren Empfehlungen nicht an vorangegangenen Entscheidungen orientieren muss und dies auch nicht tut, sondern in jedem Fall scheinbar neue Gerechtigkeitsmaßstäbe setzten würde.19 Eine kontinuierliche Empfehlungspraxis würde dagegen das Vertrauen in den Spruchkörper erhöhen und dessen Authentizität in der Bevölkerung stärken. Folglich könnte ein kohärenteres Entscheidungsmuster die Legitimität späterer Entscheidungen erhöhen.20 Der Anspruch der Kommission, moralische Wegweisungen 15 VG Magdeburg, Urteil vom 31.03.2015 - 6 A 81/15. 16 Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.05.1976 (BGBl. I S. 102). 17 Vgl. zum Begriff des Verwaltungsakts § 35 VwVfG. 18 VG Magdeburg, Urteil vom 31.03.2015 - 6 A 81/15, Rdnr 14. 19 Matthias Druber, Die „Beratende Kommission“, in: Eine Debatte ohne Ende? – Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, S. 186. 20 Vlg. dazu: Grotkamp, Kontinuitäten II Ständige Rechtsprechung, abrufbar unter: https://www.jura.uni-frankfurt .de/72133491/Das-historische-Argument-im-Zivilrecht-6.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 006/19 Seite 8 zu geben, wird nach Auffassung Drubers21 außerdem dadurch entwertet, dass die Empfehlungsbegründungen weder stringent noch ausführlich genug sind, um in der Gesellschaft Akzeptanz zu finden. Auch der Umstand, dass der Bundesgerichtshof in dem Fall „Plakatsammlung Sachs“22 entgegen der Empfehlung der Kommission23 urteilte und in seiner Urteilsbegründung nicht einmal auf die Erwägungen der Kommission einging, deutet auf eine geringe Anerkennung des Gremiums hin.24 Die wenig stringente Empfehlungspraxis ist indes nicht auf eine Norm der Verfahrensordnung zurückzuführen. Möglicherweise könnten gegen § 5 IV Verfahrensordnung Einwände erhoben werden. Danach erfolgen die Beratung und Abstimmung des Gremiums (insbesondere Abstimmungsverhalten und Abstimmungsergebnisse) unter Ausschluss der Öffentlichkeit und strikt vertraulich. Die Vertraulichkeit bei der Entscheidungsfindung wird mit dem Bedürfnis der ehrenamtlichen Kommissionsmitglieder nach Schutz der Privatsphäre begründet. Bei den Mitgliedern handelt es sich um angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die für die Wissenschaft von besonderer Bedeutung sind oder waren. Gerade aufgrund ihrer Verdienste für die Gesellschaft wird ihnen die moralisch-ethische Bewertung von Fragen zur NS-Raubkunst zugetraut. Die Offenlegung persönlichen Abstimmungsverhaltens einzelner Mitglieder, könnte eine unbefangene Bewertung gefährden und die Mitglieder in unangemessenem Maße in der Öffentlichkeit bloß stellen. Auch ist ein berechtigtes gesteigertes öffentliches Interesse an einem transparenteren Verfahren nicht ersichtlich . Aus der Sicht einiger Kritiker25 stellt das Erfordernis der beiderseitigen Antragsstellung aus § 3 I Verfahrensordnung eine unnötige Zugangsvoraussetzung dar und ist die Ursache für die bisher vergleichsweise geringe Anzahl an Verfahren. Nach Auffassung von Franz26 geht diese Kritik jedoch ins Leere, da die Kommission bewusst als Mediatoren-Gremium eingerichtet wurde. Dem würde es widersprechen, wenn eine Partei gegen ihren Willen in ein Verfahren hineingezogen würde. Außerdem wäre eine einseitige Anrufung nur dann zweckmäßig, wenn die Empfehlung auch rechtsverbindlich wäre. Der früherer Staatsminister Neumann führte aus, dass „gerade weil die Kommission kein Gericht ist und nicht einseitig angerufen werden kann, […] sie in der Lage 21 Matthias Druber, Die „Beratende Kommission“, in: Eine Debatte ohne Ende? – Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, S. 187. 22 BGH, Urteil vom 16. 3. 2012 – V ZR 279/10. 23 Empfehlung abrufbar unter: https://www.kulturgutverluste.de/Content/06_Kommission/DE/Empfehlungen/07- 01-25-Empfehlung-der-Beratenden-Kommission-im-Fall-Sachs-DHM.pdf?__blob=publicationFile&v=6. 24 Matthias Druber, Die „Beratende Kommission“, in: Eine Debatte ohne Ende? – Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, S. 187. 25 So plädiert beispielsweise Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, für eine einseitige Antragstellung. Abrufbar unter: http://www.preussischer-kulturbesitz.de/fileadmin/user_upload /documents/presse/news/2015/151128_Provenienzforschung_Rede-P-final-korr.pdf. ; So auch Bernhard Maaz, Direktor der Bayrischen Staatsgemäldesammlungen: https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-nsraubkunst -komplizierte-umstaende-im-fall.691.de.html?dram:article_id=438727. 26 Michael Franz, Die Verantwortung dauert an, S. 456. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 006/19 Seite 9 [ist], Empfehlungen auszusprechen, die unabhängig von juristischen Detailfragen moralisch begründet […] sind“.27 In diesem Zusammenhang ist auf § 1 II Verfahrensordnung hinzuweisen, der als Empfehlungsmaßstab eine moralisch-ethische Begründung erlaubt. Würde anstelle dessen nur positives Recht als Empfehlungsgrundlage in Betracht kommen, würde dies die Sonderstellung der Kommission gegenüber staatlichen Gerichten beseitigen und somit ihre Daseinsberechtigung entfallen. Die einvernehmliche Verfahrensaufnahme und der moralisch-ethische Empfehlungsmaßstab , der auch in der Washingtoner Erklärung festgelegt ist, verleihen der Kommission ihren eigenständigen Charakter und grenzen sie von der Judikative ab. Unabhängig von der Frage der Zweckmäßigkeit des § 3 I Verfahrensordnung besteht somit kein Anlass an dessen Rechtmäßigkeit zu zweifeln. Überdies würde die Schaffung der Möglichkeit der einseitigen Anrufung im Konflikt mit Art. 92 Grundgesetz28 stehen, wonach die rechtsprechende Gewalt allein den Richtern vorbehalten ist.29 3. Fazit Die Beratende Kommission ist in ihrem rechtlichen Status als „Mischgebilde“ einzigartig. Der Maßstab ihrer rechtlichen Überprüfung ist gerichtlich noch nicht vorgegeben. Die vorliegende Untersuchung erkennt auch keine Verletzung von Verfassungsrecht. Bezüglich der Legitimität der Verfahrensordnung bestehen im Ergebnis keine Zweifel. 4. Anhang Im Zusammenhang mit der Arbeit der Beratenden Kommission sei darauf verwiesen, dass auf folgender Website der Deutsche Museumsbund den „Leitfaden Provenienzforschung und Restitution “ veröffentlicht hat: //www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2017/04/2014-leitfaden-provenienzforschung-fgnaturwissenschaftliche -museen.pdf **** 27 Zitat abgedruckt in: Michael Franz, Die Verantwortung dauert an, S. 457. 28 Grundgesetz vom 23.05.2949, (BGBl. S. 1). 29 So auch Kahmann, Parzingers Vorschlag. Wird die Verfahrensordnung der „Limbach-Kommission“ noch einmal geändert werden? in: ZOV 01/2017, S. 13.