© 2017 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 006/17 Das Grundrecht der Religionsfreiheit bei Finanzierung und Lenkung der Religionsgemeinschaft aus dem Ausland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Faktische Schwierigkeiten islamischer Religionsgemeinschaften bei Erlangung des Körperschaftsstatus 8 Auswirkung einer Auslandsfinanzierung auf den Status als Religionsgemeinschaft 9 3.1. Der Begriff der Religionsgemeinschaft 9 3.2. Verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit eines Finanzierungsgesetzes 10 3.3. Gleichbehandlungsgrundsatz 10 3.4. Exkurs: Vereinsverbotsverfahren von Ausländervereinen 11 3.5. Fremdfinanzierung und Fremdsteuerung: Kein Indiz eines fehlenden Religionsbezugs 11 3.6. Fazit 12 Vergleich: Verhältnis katholische Kirche – Vatikanstaat und DITIB – Diyanet 13 4.1. Der Vatikanstaat und die katholische Kirche in Deutschland 13 4.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Verhältnis DITIB – Diyanet 14 4.3. Fazit 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 4 Einleitung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, inwieweit Religionsgesellschaften, die von politisch -religiösen Stellen aus dem Ausland gelenkt und finanziert werden, das Grundrecht auf Religionsfreiheit in Anspruch nehmen können. Daneben wird auf die Frage eingegangen, inwiefern es in diesem Zusammenhang Wesensunterschiede zwischen dem Verhältnis Vatikanstaat und der katholischen Kirche in Deutschland und Diyanet - DITIB gibt. Die Religionsfreiheit auslandsfinanzierter Vereine 2.1. Das Verhältnis zwischen DITIB und Diyanet Seit den Spionage-Vorwürfen1 gegen die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB)2, die umfangreich von der in Ankara ansässigen Religionsbehörde Diyanet finanziell unterstützt und gesteuert wird, wurde das eng verstrickte Konstrukt zwischen diesen beiden Institutionen verstärkt in den Fokus der Medien gerückt3. DITIB koordiniert als bundesweiter Dachverband die religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der in ihr organisierten Vereine und vertritt mittlerweile nach eigenen Angaben4 über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime . Die rund 970 für DITIB tätigen Imame werden in der Türkei ausgebildet und von Diyanet über DITIB in Deutschland eingesetzt5. Bei Diyanet handelt es um die höchste türkische Religionsbehörde , die unmittelbar dem türkischen Ministerpräsidentenamt untersteht und im Haushaltsjahr 2016 über rund 1,8 Milliarden Euro verfügte. Mit diesen Mitteln finanziert sie zum Teil den Bau von Moscheen in Deutschland – prominentestes Beispiel ist die DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld – aber insbesondere auch vollumfänglich die für DITIB in Deutschland predigenden Imame6. Formell organisatorisch ist DITIB als eingetragener Verein nach deutschem Vereinsrecht Diyanet in keiner Form angegliedert, allerdings kann von einer faktischen Unterordnung von DITIB unter 1 Berger, Das Problem Köln, http://www.zeit.de/2017/26/ditib-moschee-koeln-tuerkei, (letzter Zugriff am 17.07.2017). Einigen DITIB-Imamen werde vorgeworfen, im Auftrag der obersten türkischen Religionsbehörde Diyanet in deutschen Moscheegemeinden Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt zu haben . DITIB habe in diesem Zusammenhang bereits eingeräumt, dass tatsächlich Informationen über Anhänger des Predigers Fehullah Gülen an die türkische Regierung geliefert worden seien. Die Bundesanwaltschaft habe Ermittlungen eingeleitet. 2 Sitz in Köln-Ehrenfeld. 3 Siehe bspw. Ehrlicher, Zwischen Politik und Religion, http://www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg /kirchseeonmarkt-schwaben-zwischen-politik-und-religion-1.3588519, (letzter Zugriff am 20.07.2017). 4 http://www.ditib.de/default1.php?id=5&sid=8&lang=de, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 5 Büscher, Kritik an Erdogans türkischen Predigern in Deutschland, https://www.welt.de/politik/deutschland/article 154680761/Kritik-an-Erdogans-tuerkischen-Predigern-in-Deutschland.html, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 6 Röhn, Wie Ankara in Köln Weltpolitik betreibt, https://www.welt.de/politik/deutschland/article154711275/Wie- Ankara-in-Koeln-Weltpolitik-betreibt.html, (letzter Zugriff am 17.07.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 5 Diyanet gesprochen werden. Dies ergibt sich nicht allein aus der Ausbildung der Imame durch die türkische Religionsbehörde. Der Beirat und der Religionsrat stellen im Organisationsgefüge von DITIB Schlüsselorgane dar. Während der Beirat an allen wichtigen Entscheidungen des Vorstands beteiligt wird, bestimmt der siebenköpfige Religionsrat die Mitglieder der Religionsbeiräte der Landesverbände, das Kontrollgremium jeder Gemeinde7. Beide Gremien werden dabei mit Funktionären von Diyanet bzw. mit aus der Türkei entsandten Imamen besetzt8. 2.2. Problemstellung In der finanziellen, personellen und personell-organisatorischen Abhängigkeit des Vereins DITIB von der staatsnahen Diyanet wird in der Politik mit einer gewissen Besorgnis eine Vermischung von Religionsausübung und Verfolgung politischer Ziele Ankaras in Deutschland gesehen. Unlängst forderte der nordrheinwestfälische Integrationsminister Dr. Joachim Stamp (FDP), MdL, DITIB müsse sich entscheiden, ob sie eine politische Organisation sein möchte oder eine Religionsgemeinschaft . Wenn sie sich von Ankara löse und als Religionsgemeinschaft tätig sei, wäre sie ein Partner9. In diesem Zusammenhang äußerte sich auch der religionspolitische Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Volker Beck, MdB. Es sei aus seiner Sicht hochproblematisch, DITIB in der jetzigen Situation weiter finanziell zu fördern. Durch die Spionageaffäre habe sie eine enge Verbindung zur Diyanet und der türkischen Politik gezeigt10. Bei der Thematik der Fremdfinanzierung und Fremdsteuerung religiöser Einrichtungen handelt es sich nicht um ein ausschließlich deutsch-türkisches Problem11. Allerdings sind die Auswirkungen der Beziehung Diyanet - DITIB gerade in Hinblick auf die Spionagetätigkeiten gegen vermeintliche Gülen12-Anhänger derzeit besonders brisant und auch medienwirksam diskutiert worden . Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage des verfassungsrechtlichen Status nach Art. 4 des Grundgesetzes derartig fremdfinanzierter religiöser Gemeinschaften. 7 Jacobs, Die zwei Gesichter der Ditib, http://www.rp-online.de/politik/deutschland/die-zwei-gesichter-der-ditibeine -analyse-des-islamverbandes-aid-1.6902796, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 8 Ebenda. 9 Neue NRW-Regierung will Islam-Unterricht ausweiten, https://www.welt.de/regionales/nrw/article 166349657/Neue-NRW-Regierung-will-Islam-Unterricht-ausweiten.html, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 10 Berlin finanziert Ditib wieder, http://www.sueddeutsche.de/politik/muslime-in-deutschland-berlin-finanziertditib -wieder-1.3485940, (letzter Zugriff am 20.07.2017). 11 Siehe dazu beispielsweise „Religiöse Organisationen unterstützen Salafisten in Deutschland“, http://www.focus.de/politik/deutschland/saudi-arabien-religioese-organisationen-unterstuetzen-salafisten-indeutschland _id_6343249.html, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 12 Fethullah Gülen, oppositioneller türkischer Prediger, seit zehn Jahren wohnhaft in den USA, wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch in der Türkei 2016 verantwortlich gemacht, http://dtj-online.de/guelen -ich-habe-niemals-einen-putsch-unterstuetzt-85896, (letzter Zugriff am 20.07.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 6 2.3. Definition und Abgrenzung: Kollektive und korporative Religionsfreiheit Garant für die freie Religionsausübung ist das Grundgesetz (GG). Nach Art. 4 GG ist die Glaubens - und Gewissensfreiheit aller religiösen Richtungen festgeschrieben. Der sachliche Schutzbereich der Religionsfreiheit umfasst dabei sowohl die Freiheit, sich eine eigene religiöse Überzeugung zu bilden (forum internum), als auch die Freiheit, seinen Glauben nach außen hin auszuleben (forum externum). Persönlich umfasst der Schutzbereich über Art. 19 Abs. 3 GG neben dem Individuum auch juristische Personen in Form der sog. korporativen Religionsfreiheit13. Abzugrenzen ist die korporative von der kollektiven Religionsfreiheit. Art. 4 GG schützt sowohl das individuelle als auch das kollektive Bekenntnis und die Ausübung des Glaubens. Dabei umfasst die kollektive Religionsfreiheit insbesondere die Freiheit, sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen14. Der Begriff der Religionsgemeinschaft soll dabei weit verstanden werden und bereits dann vorliegen, wenn eine Gruppe von Menschen eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbindet15. Die korporative Religionsfreiheit meint dagegen die Erweiterung des persönlichen Schutzbereiches des Art. 4 GG entsprechend Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen. Auf Grundlage dieser Erweiterung soll die Handlungsfreiheit im Zuge der kollektiven Religionsfreiheit entstandener Religionsgemeinschaften ermöglicht werden16. Dem nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) gewährten Selbstbestimmungsrecht kommt dabei im vorliegenden Kontext besondere Bedeutung zu: Die Religionsgemeinschaften sollen ohne staatliche Mitwirkung ihre eigenen Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten dürfen. Dies gilt insbesondere für die Besetzung ihrer Ämter „als Ausdruck des religiösen Selbstverständnisses“17. 2.4. Unterschiede auf Grundlage der Rechtsform Die kollektive Religionsfreiheit ist nicht in der Form ausgestaltet, dass sie einen Anspruch auf eine bestimmte Rechtsform gewährt. Art. 4 GG soll lediglich gewährleisten, dass mittels einer irgendwie gearteten rechtlichen Existenz eine Befähigung zur Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr besteht18. Dennoch knüpft das Grundgesetz an die Rechtsform der Religionsgemeinschaft den Umfang der ihr eingeräumten Rechte. Auf Grundlage der Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 13 BVerfG, Beschluss vom 4. 10. 1965 - 1 BvR 498/62. 14 BVerfG, Beschluss vom 05-02-1991 - 2 BvR 263/86. 15 BVerfG (1. Senat ), Urteil vom 15.01.2002 - 1 BvR 1783/99. 16 Germann, in: BeckOK GG, Art. 4 GG, Rn. 22. 17 BVerwG, Urt. v. 25.11.2015 – 6 C 21/14. 18 BVerfG, Beschluss vom 05-02-1991 - 2 BvR 263/86. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 7 WRV wird Religionsgemeinschaften wie beispielsweise der katholischen und evangelischen Kirche als Körperschaften des öffentlichen Rechts das Recht gewährt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Dem Staat ist es wegen der Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität nicht erlaubt, die Religionsgemeinschaften als Teil der Verwaltung zu führen. Infolgedessen sind die religiösen Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht nur organisatorisch aus dem Staat ausgelagert, sondern sind gerade kein Teil der öffentlichen Gewalt. Dem Staat ist eine Rechtsaufsicht verwehrt. 2.5. Voraussetzung der Verleihung des Körperschaftsstatus Den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts mitsamt den im Grundgesetz vorgesehen Privilegien erlangt eine religiöse Gemeinschaft, die diesen nicht bereits zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung innehatte, durch Verleihung (sog. „gekorene" Körperschaften19). Einer Religionsgemeinschaft kann allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen der Körperschaftsstatus verliehen werden, insbesondere wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die prognostische Einschätzung stützt, dass sie auch in Zukunft dauerhaft bestehen wird, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV. Allerdings betont das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Anspruch auf den körperschaftlichen Status, dass mit dem Körperschaftsstatus bestimmte hoheitliche Befugnisse übertragen und eine besondere gesellschaftliche Stellung eingeräumt wird, sodass durch die Einflussmöglichkeiten eine erhöhte Gefahr des Missbrauchs der Rechtsform zum Nachteil der Religionsfreiheit der Mitglieder oder zum Nachteil anderer Verfassungsgüter gegeben ist20. Aus dieser Überlegung zieht das Gericht den Schluss, dass eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, rechtstreu sein muss. Sie hat Gewähr dafür zu bieten, dass sie insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben wird21. Sie muss außerdem die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religionsund Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet. Eine darüber hinausgehende Loyalität zum Staat kann dagegen mangels entsprechender verfassungsrechtlicher Bestimmungen nicht verlangt werden. Eine Auslandsfinanzierung stünde unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts einer Erlangung des Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft somit zumindest rein rechtlich nicht entgegen. Im Einzelnen siehe hierzu die Ausführungen im Gliederungspunkt 3. 19 Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes (Mohr Siebeck, Tübingen 2006), S. 308. 20 BVerfG, Urteil vom 19. 12. 2000 - 2 BvR 1500/97. 21 ebenda. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 8 2.6. Faktische Schwierigkeiten islamischer Religionsgemeinschaften bei Erlangung des Körperschaftsstatus Einer muslimischen Religionsgemeinschaft ist die Organisationsform als Körperschaft des öffentlichen Rechts prinzipiell offen, so dass keine Diskriminierung dieser Religionsform in Deutschland vorliegt22. Dennoch bereitet es Schwierigkeiten, die Muslime in dieses System einzubeziehen , da der Islam sich nach seiner Struktur und nach seinem Selbstverständnis kaum als vollgültige Religionsgemeinschaft sieht und organisieren kann. Dies findet seine Ursache im historischtheologischen Bereich23. Organisierte Religionsgemeinschaften wie es bei den christlichen Kirchen üblich ist, spielen im Islam keine Rolle. Das Selbstverständnis dieser Religion basiert auf einer direkten persönlichen Glaubensbeziehung zwischen Allah und dem Gläubigen. Aus diesem Grund gibt es keine Organisationsformen, wie sie bei den christlichen Kirchen geschaffen wurden . Dementsprechend sind von den ca. 4,4 bis 4,7 Millionen Muslime in Deutschland24 daher nur ca. 14 Prozent in religiösen Verbänden oder Gemeinden organisiert25. Die drei größten Gemeinschaften , die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), Köln-Ehrenfeld, die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG), Köln, und der Verband der islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ), Köln – vertreten somit lediglich einen kleinen Teil der in Deutschland lebenden Muslime. Es ist somit nicht möglich, „den Islam“ als Religionsgemeinschaft in Gänze anzuerkennen26 und zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu ernennen. Eine weitere Ursache für diesen Zustand ist die pluralistische Prägung des Islam und die Uneinigkeit der einzelnen Glaubensrichtungen untereinander. Dies verdeutlicht exemplarisch die Stellungnahme des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Köln, der vier große muslimische Dachverbände vertritt27, zur Entscheidung des hessischen Kultusministeriums, der etwa 35.000 22 Deckers, das Grundgesetz setzt den Rahmen, in faz.net vom 27.2.2015. 23 Schmid, Schwieriger Weg zu Gleichstellung, in: Das Parlament vom 13.4.2015. 24 Stichs, Wie viele Muslime leben in Deutschland? - Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015, S. 5, http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen /WorkingPapers/wp71-zahl-muslime-deutschland.pdf?__blob=publicationFile, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 25 Nur jeder siebte Muslim gehört einem islamischen Verband an, http://www.idea.de/gesellschaft/detail/nur-jeder -siebte-muslim-gehoert-einem-islamischen-verband-an-87976.html, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 26 Schmid, aaO. 27 Dazu zählen der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. mit Sitz in Köln (ZMD), DITIB, der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e.V. mit Sitz in Köln (IR) und VIKZ. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 9 Mitglieder zählenden Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), Frankfurt am Main, als erster muslimischer Organisation den Körperschaftsstatus zuzuerkennen. Bei der AMJ handele es sich nach Aussage des KRM "um eine eigenständige Religionsgemeinschaft mit muslimischen Elementen"28. Muslimische Religionsgemeinschaften sind daher nahezu ausschließlich in Form privatrechtlicher Vereine organisiert. Diesen bleiben die Sonderrechte der öffentlich-rechtlichen Körperschaften verwehrt. Allerdings zeigt die Erteilung des Körperschaftstatus für die Islamische Gemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat in Hessen29 und Hamburg30, dass islamischen Religionsgemeinschaften trotz der geschilderten Sachverhalte diese Organisationsform durchaus offen steht. Auswirkung einer Auslandsfinanzierung auf den Status als Religionsgemeinschaft Unabhängig von der Finanzierungsform bzw. –quelle ergibt sich zunächst das Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit unmittelbar und für jede als Religionsgemeinschaft zu qualifizierende Personenmehrheit aus dem Grundgesetz. Eine Gewährung des grundgesetzlichen Schutzes von Art. 4 GG setzt mithin keinen Verleihungsakt oder ähnliches voraus. Entscheidend ist allein, ob eine Religionsgemeinschaft vorliegt. Das im Grundgesetz benutzte Begriffspaar „Religionsgemeinschaft “, Art. 7 Abs. 3 GG, und „Religionsgesellschaft“, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, bezeichnet entgegen des ersten Anscheins dieselbe Sache. Die unterschiedliche Benennung hat allein historische Gründe31. 3.1. Der Begriff der Religionsgemeinschaft Im klassischen Sinne wird unter einer Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG ein Verband verstanden, der die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst32. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings bereits in seinem „Aktion Rumpelkammer“-Beschluss33 den Schutzbereich der korporativen Religionsfreiheit auch auf solche Vereinigungen ausgeweitet, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür sei aber, dass der 28 Erste muslimische Gemeinde erhält Kirchenstatus, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-06/islam -kirche-hessen-koerperschaft, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 29 Ebenda. 30 Hamburg verleiht Körperschaft des öffentlichen Rechts, http://www.islamiq.de/2014/05/28/hamburg-verleihtkoerperschaft -des-oeffentlichen-rechts/, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 31 Pieroth, Görisch, Was ist eine „Religionsgemeinschaft”?, JUS 2002, 937, 938. 32 Anschütz, Die Verfassung des Dt. Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. (1933), Art. 137 Anm. 2. 33 BVerfG (Erster Senat), Beschluss vom 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 „Aktion Rumpelkammer“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 10 Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist.34 Aufgrund der Weite des Schutzbereiches sind somit keine Anhaltspunkte ersichtlich, muslimischen Dachverbänden per se die Berufung auf das Grundrecht der korporativen Religionsfreiheit zu versagen . Aus Art. 140 GG und den dort rezipierten Weimarer Kirchenrechtsartikeln ergibt sich, dass die verfassungsrechtliche Verankerung der Existenz und des selbstbestimmten Wirkens von Religionsgemeinschaften es verbietet, den grundrechtlichen Schutz von der Finanzierung abhängig zu machen. Andernfalls würde dem Staat somit die Möglichkeit gegeben, Religionsgemeinschaften von ihren Geldquellen abzuschneiden und diese faktisch lahmzulegen35. Die Religionsgemeinschaft muss daher grundsätzlich selbst entscheiden dürfen, in welcher Weise sie ihre Finanzverhältnisse gestaltet36. 3.2. Verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit eines Finanzierungsgesetzes Ein die Finanzierung der Religionsgemeinschaften regelndes Gesetz müsste als Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften mithin den verfassungsrechtlichen Schrankenbestimmungen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang bereits der Schrankenvorbehalt des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das Selbstbestimmungsrecht kann nämlich ausweislich des Wortlauts des Art. 137 Abs. 3 WRV nur durch „Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ begrenzt werden. Die Qualifikation des „für alle“ geltenden Gesetzes schließt ein gegen Religionsgemeinschaften gerichtetes Sonderrecht aus. Dies umfasst neben klassischen Sondergesetzen auch Normen, die ihre Adressaten zwar formal gleichbehandeln, aber Religionsgemeinschaften in ihrer Besonderheit anders und härter als „alle“ anderen betreffen37. Ein die Finanzierung von Religionsgemeinschaften bzw. konkret muslimischen Religionsgemeinschaften regelnden Gesetzes wie das österreichische Islamgesetz 38 wäre daher nach deutschem Recht materiell verfassungswidrig. 3.3. Gleichbehandlungsgrundsatz Ein Verbot der Auslandsfinanzierung müsste weiterhin für sämtliche Religionsgemeinschaften greifen und würde daher auch die christliche und jüdische Gemeinschaft einschließen. Jede andere Bestimmung wäre ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein generelles Verbot für alle Religionen sich nur rechtfertigen ließe, wenn 34 Ebenda. 35 Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 4 GG, Rdnr. 106. 36 BVerwG, Urteil vom 27-03-1992 - 7 C 21/90. 37 BVerfG (2. Senat ), Beschluss vom 21.09.1976 - 2 BvR 350/75. 38 Siehe dazu auch ausführlich WD 10 – 3000 – 097/15, Übertragbarkeit des österreichischem Islamgesetzes und des Verbots der Auslandsfinanzierung auf Deutschland. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 11 auch der jüdischen Gemeinde Zuwendungen aus Israel und den Katholiken Geld aus Rom untersagt würde. Dies wäre allerdings gerade nicht wünschenswert, da auch heute dank „ausländischer “ Spenden und Hilfswerke viele katholische Missionare in zahlreichen Ländern der Welt helfen. Es wäre der katholischen Kirche nicht möglich, die Mittel für ihre soziale und pastorale Arbeit im jeweiligen Inland aufzubringen. Diese Hilfe durch die katholische Kirche wäre undenkbar , wenn muslimische Länder eine ähnliche Regelung wie das Verbot der Auslandsfinanzierung für christliche Missionare und ihre Einrichtungen erlassen würden39. 3.4. Exkurs: Vereinsverbotsverfahren von Ausländervereinen Dennoch kann der Staat im Einzelfall gegen aus dem Ausland finanzierte und gesteuerte Religionsgemeinschaften tätig werden. Insbesondere ist dies vereinsrechtlich möglich. Die rechtliche Organisation vieler Religionsgemeinschaften als privatrechtlicher Verein unterwirft sie dem als „für alle geltenden Gesetz“ zu qualifizierendes Vereinsgesetz. Dies hat als Konsequenz, dass gegen sie Verbotsverfahren im Sinne des § 3 bzw. § 14 VereinsG angestrebt werden können. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei insbesondere der § 14 Abs. 2 Nr. 4 VereinsG relevant, der ein Verbotsausspruch ermöglicht, soweit Ausländervereine - zu denen unter anderem fremdgesteuerte Religionsgemeinschaften zählen - ihrem Zweck oder ihrer Tätigkeit nach Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützen, befürworten oder hervorrufen sollen. 3.5. Fremdfinanzierung und Fremdsteuerung: Kein Indiz eines fehlenden Religionsbezugs Das verfassungsrechtlich festgesetzte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften steht somit grundsätzlich einer Versagung des Grundrechtsschutzes aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG wegen einer Finanzierung und Lenkung aus dem Ausland entgegen. Allenfalls eine Nichteröffnung des persönlichen Schutzbereiches des Art. 4 Abs. 1, 2 GG wäre denkbar. Dies könnte sich daraus ergeben , dass einer Religionsgemeinschaft der notwendige Religionsbezug fehlt, weil ihr Finanzierungsmodell und ihre Struktur offensichtlich politisch fremdgesteuert sind. Wie das Bundesverfassungsgericht in der bereits zitierten „Rumpelkammer-Entscheidung“40 festgestellt hat, muss der Zweck der Vereinigung gerade auf das Erreichen eines zumindest partiell der Pflege des religiösen Lebens ihrer Mitglieder gerichtet sein. Es muss sich tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und Religionsgemeinschaft 39 Baier, Neue Regeln für den Islam, in: Die Tagespost vom 7.10.2014. 40 BVerfG (Erster Senat), Beschluss vom 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 „Aktion Rumpelkammer“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 12 handeln41. Zwar mag dies auf den ersten Blick in Bezug auf DITIB in Anbetracht der Spitzelvorwürfe 42 fraglich sein und mithin dessen Qualifikation als Religionsgemeinschaft in Frage stellen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein wirtschaftliches, politisches oder kulturelles Engagement den Status einer Religionsgemeinschaft prinzipiell unberührt lässt, solange dieses nicht zum Hauptzweck der Vereinigung wird43. Im Falle der Verfolgung mehrerer Zielsetzungen, sind im Wege einer qualitativen Betrachtung Zwischen- und Endzwecke zu bestimmen, wobei das Religiöse den ausschließlichen Endzweck darstellen muss44. Bezogen auf DITIB sollte es schwierig werden, den primären Zweck nicht in der Förderung des Islams zu sehen. In diesem Fall lässt gerade die enge Verbindung zur Religionsbehörde Diyanet kaum Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei DITIB um einen mit religiöser Motivation agierenden Verein handelt. Dass mitunter politische Ziele der türkischen Regierung als Nebenziel vermeintlich mitverfolgt werden, ist für die Frage des Anspruchs auf Religionsfreiheit nicht schädlich. 3.6. Fazit Das Grundrecht der korporativen Religionsfreiheit steht auch solchen Religionsgemeinschaften uneingeschränkt zu, die aus dem Ausland finanziert und gelenkt werden. Unterschiede im Umfang der sich aus dem Grundrecht ergebenden Rechte resultieren alleinig aus der von der Gemeinschaft geführten Rechtsform. Obgleich muslimische Religionsgemeinschaften fast ausschließlich als privatrechtliche Vereine organisiert sind, besteht für sie grundsätzlich der Anspruch auf Erlangung des körperschaftlichen Status. Eine Regulierung der Finanzierungsformen und Organisationsstruktur auf Grundlage eines Gesetzes wäre unter Berücksichtigung des jeder Religionsgemeinschaft zu gewährenden Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht mit der Verfassung vereinbar. Ein entsprechendes Sondergesetz würde bereits an der Schrankenvoraussetzung des Art. 137 Abs. 3 WRV scheitern. Solang der Hauptzweck der Gemeinschaft religiöser Natur ist, ist ein Ausschluss aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts auf korporative Religionsfreiheit trotz Verfolgung politischer Ziele nicht möglich. 41 BVerfG, Beschluss vom 05-02-1991 - 2 BvR 263/86. 42 Bommarius, Ditib-Imame Behörden ermitteln gegen 20 mutmaßliche türkische Spione, http://www.mzweb .de/politik/ditib-imame-behoerden-ermitteln-gegen-20-mutmassliche-tuerkische-spione-26671452, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 43 Pieroth, Görisch, Was ist eine „Religionsgemeinschaft”?, JUS 2002, 937, 939. 44 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 13 Vergleich: Verhältnis katholische Kirche – Vatikanstaat und DITIB – Diyanet Im Folgenden soll nun auf die Frage eingegangen werden, inwiefern im Zusammenhang der Fremdfinanzierung Wesensunterschiede zwischen dem Verhältnis Vatikanstaat und der katholischen Kirche in Deutschland und dem Verhältnis von Diyanet zu DITIB bestehen. Dafür wird zunächst das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und dem Vatikanstaat dargestellt. Sodann erfolgt auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen eine Gegenüberstellung beider Verhältnisse. 4.1. Der Vatikanstaat und die katholische Kirche in Deutschland Der Vatikanstaat wurde 1929 mit den Lateran-Verträgen45 zwischen dem italienischen Staat und dem Heiligen Stuhl gegründet und ist ein souveräner Staat. Er dient dem weltweit als Völkerrechtssubjekt anerkannten Leitungsorgan der katholischen Kirche, dem „Heiligen Stuhl“, als territoriale Basis und garantiert dessen Unabhängigkeit46. Die Finanzierung des Vatikanstaats sichert ein Konstrukt aus Kirchensteuern47, Spenden und privatwirtschaftlichem Handeln48. Eine finanzielle Unterstützung der nationalen Kirchen erfolgt dagegen nicht; diese sind für ihre Finanzierung selbstständig verantwortlich und realisieren diese insbesondere durch die Kirchensteuer und Zuwendungen durch Bund und Länder49 sowie ebenfalls Spenden. Die katholische Kirche in Deutschland stützt sich dabei derzeit auf rund 24,6 Millionen Mitglieder. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist sie in 27 Erzbistümer und Bistümer gegliedert50, wobei die einzelnen Bistümer jeweils von Bischöfen geleitet werden, die alle der Deutschen Bischofskonferenz angehören . Die Bistümer einer Region sind zu einer Kirchenprovinz zusammengefasst und dem Erzbischof und seinem Erzbistum in bestimmten Bereichen rechtlich unterstellt51. 45 Diese Verträge dienten der endgültigen Klärung des Status der Vatikanstadt nach der Auflösung des Kirchenstaats 1870 (sog. Römische Frage), siehe Präambel des Vertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien (Lateranvertrag ) vom 11. Februar 1929, http://www.verfassungen.eu/va/lateranvertrag1929.htm, (letzter Zugriff am 20.07.2017). 46 Gamradt, Der kleinste Staat der Welt, http://www.katholisch.de/kirche/vatikan/der-kleinste-staat-der-welt, (letzter Zugriff am 17.07.2017). 47 Dies umfasst 0,2 Prozent des katholischen Kirchensteueraufkommens in Deutschland, siehe „Viel Geld aus Deutschland“ http://www.focus.de/finanzen/news/vatikan/einnahmen_aid_13407.html, (letzter Zugriff am 18.07.2017). 48 Brandl, Die blühenden Finanzen des Vatikans, http://www.stern.de/wirtschaft/geld/kirche-und-geld-diebluehenden -finanzen-des-vatikans-3271476.html, (letzter Zugriff am 18.07.2017). 49 Das Kreuz mit den Milliarden, http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/wie-viel-geld-besitzen-die-kirchen-daskreuz -mit-den-milliarden/8960364.html, (letzter Zugriff am 18.07.2017). 50 http://www.katholisch.de/kirche/deutschland, (letzter Zugriff am 18.07.2017). 51 Katholische Kirche in Deutschland - ZAHLEN UND FAKTEN 2010/11, S. 8, https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion /Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/Zahlen-Fakten10- 11-de.pdf, (letzter Zugriff 20.07.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 14 Trotz ihrer zivil- und steuerrechtlichen Selbstständigkeit in Deutschland, handelt es sich bei der katholischen Kirche um eine Weltreligion mit dem Papst als Oberhaupt. Dies hat zur Konsequenz , dass dieser aufgrund des „Papst-Primats“ berechtigt ist, abschließend über kircheninterne Streitigkeiten zu entscheiden52. Soweit er von dieser Kompetenz keinen Gebrauch macht, entscheidet die katholische Kirche souverän über ihre eigenen Angelegenheiten. Auf Personalentscheidungen nimmt der Papst nur in Ausnahmefällen Einfluss53, sodass diese grundsätzlich den nationalen Kirchen obliegen54. 4.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Verhältnis DITIB – Diyanet Bei einer Gegenüberstellung beider Verhältnisse wird schnell deutlich, dass wesentliche Unterschiede in der Organisation und den Strukturen bestehen. Zwar ist beiden grundsätzlich gemein, dass das Verhältnis von einer Über-Unterordnung geprägt ist. Allerdings ist dieses in der Praxis unterschiedlich stark ausgebildet, sodass die ähnliche Prägung keinesfalls eine vergleichbare Gestaltung des Verhältnisses zur Folge hat. Obgleich bei religiösen Themen omnipräsent, ist zumindest der politische Einfluss des Vatikanstaats respektive des Papstes auf die Bistümer in Deutschland eher gering und faktisch auf Ausnahmefälle beschränkt. Die Einflussnahme von Diyanet auf das Handeln von DITIB hingegen ist aufgrund der umfassenden Präsenz von Diyanet-Vertretern in den Führungsorganen von DITIB der Regelfall und nicht auf religiöse Themen begrenzt. Es sind kaum Entscheidungen denkbar, die ohne eine Mitsprache Ankaras getroffen werden. Neben dem Umfang der Einflussnahme unterscheidet sich bei beiden Institutionen ebenfalls deren Zielrichtung. Während Eingriffe des Vatikanstaats in der Regel losgelöst von staatlichen Einzelinteressen und vielmehr aus kircheninternen Motiven erfolgen, wurde spätestens durch den teilweise bereits eingeräumten Vorwurf der Ausspionierung vermeintlicher Gülen-Anhänger durch die Imame von DITIB55 deutlich, dass Diyanet DITIB in Deutschland für politische Zwecke gebraucht. Zentrale Unterschiede zeigen sich ebenfalls auf organisatorischer Ebene. Ungeachtet des Papst- Primats ist die katholische Kirche in Deutschland organisatorisch und finanziell unabhängig vom Vatikanstaat, wohingegen sich das Verhältnis DITIB – Diyanet als eine faktische Angliederung von DITIB an die türkische Religionsbehörde darstellt, die dem türkischen Ministerpräsidentenamt unmittelbar unterstellt ist. Hinzu kommt, dass die Finanzierungsmodelle sogar gegenläufig 52 Was ist der Heilige Stuhl?, http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/was-ist-der-heilige-stuhl, (letzter Zugriff am 18.07.2017). 53 So beispielsweise im Fall des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst, siehe dazu Wensierski, Papst- Beschluss zu Tebartz-van Elst - Der Herr hat's genommen, http://www.spiegel.de/panorama/papst-enscheidungzu -tebartz-van-elst-verunsicherung-in-limburg-a-929525.html, (letzter Zugriff am 18.07.2017). 54 Die Wahl eines Bischofs gilt allerdings erst dann als rechtmäßig, wenn sie vom Papst bestätigt wird, siehe Codex des Kanonischen Rechtes, Can. 377 § 1. 55 Ditib-Spionage: Bundesanwaltschaft ermittelt im türkischen Islamverband, http://www.focus.de/politik /deutschland/ditib-spionage-bundesanwaltschaft-ermittelt-im-tuerkischen-islamverband_id_6513652.html, (letzter Zugriff am 27. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 006/17 Seite 15 sind. Anstatt Zahlungen zu erhalten, ist die katholische Kirche in Deutschland zu einer anteiligen Abgabe der eingezogenen Kirchensteuer an den Vatikanstaat verpflichtet56. Eine Fremdfinanzierung liegt daher gerade nicht vor. Darüber hinaus hat die besondere völkerrechtliche Situation des Vatikanstaats und die sich aus ihr ergebenden, grundlegenden Unterschiedlichkeit der Handlungsmotive zu denen von Diyanet zur Folge, dass es sich letztlich um dem Wesen nach völlig unterschiedliche Institutionen handelt . Der Vatikanstaat hat im Gegensatz zu Diyanet keine innenpolitischen Interessen, die mittels der katholischen Kirche in Deutschland umgesetzt werden müssten. Unter Berücksichtigung des Zweckes der völkerrechtlichen Souveränität des Vatikanstaates – als territoriale Basis des Heiligen Stuhls dessen Unabhängigkeit zu garantieren – konzentrieren sich die politischen Aktivitäten des Vatikanstaates auf das eigene Staatsgebiet. Dies schließt selbstverständlich ein mitunter auch politisch motiviertes Handeln des Papstes außerhalb der Grenzen des Vatikanstaates nicht aus. Allerdings fehlt bei diesem regelmäßig der unmittelbare Bezug zur eigenen politischen Situation des Vatikanstaats oder des Heiligen Stuhls. 4.3. Fazit Im Zusammenhang der Fremdfinanzierung und Fremdsteuerung religiöser Gemeinschaften zeigen sich erhebliche Wesensunterschiede zwischen dem Verhältnis Vatikanstaat – katholische Kirche in Deutschland und dem Verhältnis Diyanet – DITIB. Neben dem in der Praxis sehr unterschiedlich gestalteten Über-Unterordnungsverhältnis zeichnet sich die Beziehung zwischen dem Vatikanstaat und der katholischen Kirche in Deutschland durch eine gänzlich andere Zielrichtung der Koordinierung und Interessenlage aus. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den besonderen Eigenheiten des Vatikanstaats als souveräner Staat und dem daraus resultierenden, weitestgehenden Fehlen von staatlichen Einzelinteressen. **** 56 Viel Geld aus Deutschland, http://www.focus.de/finanzen/news/vatikan/einnahmen_aid_13407.html, (letzter Zugriff am 18.07.2017).