© 2021 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 005/21 Koloniale Raubkunst Möglichkeiten der Rückabwicklung entwendeter Objekte aus dem kolonialen Kontext Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 005/21 Seite 2 Koloniale Raubkunst Möglichkeiten der Rückabwicklung entwendeter Objekte aus dem kolonialen Kontext Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 005/21 Abschluss der Arbeit: 13. März 2021 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 005/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. bestehender Rechtlicher Rahmen 4 2.1. National 4 2.2. International 6 2.2.1. Washingtoner Prinzipien 6 2.2.2. das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970 (2.1.1.), (umgesetzt in KGSG?) 6 2.2.3. die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995 (2.1.2.), die im Unterschied zum UNESCO-Übereinkommen keines staatlichen Umsetzungsaktes bedarf und unmittelbare Wirkung innerhalb der Vertragsstaaten entfaltet. -> keine Ratifizierung durch Deutschland 6 2.2.4. die Washingtoner Prinzipien von 1998 (2.1.3.) nur in Bezug auf entwendete Kunst im Rahmen des Nationalsozialismus 6 2.2.5. die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker von 2007 (2.1.4.). -> keine eigene Anspruchsgrundlage 6 3. bisherige Praxis 6 4. Ableitung einer Praxis aus Rückabwicklung von NS- Raubkunst? 7 5. Möglichkeiten der Finanzierung 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 005/21 Seite 4 1. Einleitung Immer wieder kommt es zu Rückgabeersuchen in Bezug auf Kunst- und Kulturgüter, die in deutschen Museen ausgestellt werden, aber aus einem kolonialen Kontext stammen, bei dem nicht klar ist, ob eine rechtmäßiger Eigentumswechsel stattgefunden hat. Der Umgang mit diesen Rückgabeersuchen ist meistens schwierig. Nicht nur ist die Zuordnung des in Rede stehenden Kunstgegenstandes kompliziert und die rechtliche Lage unklar, auch die Auseinandersetzung mit der deutschen kolonialen Vergangenheit ist ein unangenehmes Unterfangen , das einen sensiblen Umgang aller Beteiligten erfordert. Die sogenannte Provenienzforschung hat sich genau diesem Thema angenommen und studiert die Herkunftsgeschichte von Kulturgütern. Ist der Schritt der Herkunftsanalyse einmal getan, ergeben sich neue komplexe Schwierigkeiten. So gibt es kaum passende Anspruchsgrundlagen für die Rückgabe entwendeter Kulturgüter, oftmals ist auch nach der Herkunftsermittlung nicht klar, an wen ein Kunstgegenstand zurückgegeben werden soll, zumal die Zuordnung reichlich Konfliktpotenzial mit sich bringt, schließlich gibt es teilweise das Problem, dass im Herkunftsland nicht die notwendige Infrastruktur herrscht, die das Kunstobjekt benötigt, um langlebig erhalten und ausgestellt zu werden. Schließlich gibt es neben der rechtlichen Frage auch moralische Hürden, die es zu bewältigen gibt. (…) 2. bestehender Rechtlicher Rahmen Der rechtliche Rahmen, der sich dem Umgang mit Raubkunst aus der Kolonialzeit widmet ist kaum vorhanden. Im Folgenden sollen dennoch die Eckpunkte der Rechtslandschaft dargestellt werden, in der sich der sich Rückgabegesuche für Kulturgüter mit kolonialem Zusammenhang aktuell befinden. 2.1. National Das Kulturgutschutzgesetz1 (KGSG) enthält in seinem Kapitel 5 (§§ 50 bis 53) Anspruchsgrundlagen für die Rückforderung von Kulturgütern. 1 Gesetz zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetz – KGSG) vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1914) FNA 224- 26; zuletzt geändert durch Art. 40 Zweites Datenschutz-Anpassungs- und UmsetzungsG EU vom 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 005/21 Seite 5 2.1.1. Maßgeblicher Zeitpunkt Namentlich sind das Herausgabeansprüche für EU-Mitgliedsstaaten bei Entwendung eines Kulturgutes nach dem 31. Dezember 1992 (§ 50 KGSG), solche von UNESCO Vertragsstaaten bei Entwendung eines Kulturgutes nach dem … (§ 52 KGSG) und aufgrund von Verstößen gegen die Haager Konvention 2.1.2. Unrechtmäßige Verbringung Weitere Voraussetzung für die Herausgabeansprüche sind die unrechtmäßige Verbringung des Kulturgutes, was den Verstoß gegen die zum Zeitpunkt der Verbringung geltenden Rechtsvorschriften in dem Land betrifft, aus dem der Gegenstand entwendet wurde. 2.1.3. Weitere Voraussetzungen Für den Anspruch aus § 50 KGSG muss der in Rede stehende Kulturgegenstand ein nationales Kulturgut im Sinne des Artikels 36 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union2 (AEUV) darstellen. Der Herausgabeanspruch aus § 51 KGSK besteht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, wenn die Verbringung unter Verstoß gegen EU-Verordnungen erfolgt ist. Das betrifft die die VO (EG) 1210/2003 betreffend den Irak sowie die VO (EU) Nr. 36/2012 betreffend Syrien.3 Kulturgüterschutzgesetz (Kapitel 5; §§ 50 ff.) Anspruchsvoraussetzungen P Stichtage liegen erst kurz zurück P Verjährung -> aber § 55 KGSG, Abs. 1 lautet: (1) Rückgabeansprüche unterliegen nicht der Verjährung, wenn sie auf die Rückgabe von Kulturgut gerichtet sind, das 1. zu öffentlichen Sammlungen nach Artikel 2 Nummer 8 der Richtlinie 2014/60/EU gehört oder 2. in einem Bestandsverzeichnis kirchlicher oder anderer religiöser Einrichtungen in den Mitgliedstaaten aufgeführt ist, in denen es nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegt. 2 3 Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 233. EL Oktober 2020, KGSG § 51 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 005/21 Seite 6 Die Ansprüche nach Satz 1 erlöschen 75 Jahre nach ihrem Entstehen. Ein Anspruch erlischt nicht nach Satz 2, wenn der ersuchende Mitgliedstaat in seinem Recht bestimmt, dass solche Rückgabeansprüche nicht erlöschen. Erste Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten der Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, der Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder und der kommunalen Spitzenverbände Stand: 13.03.2019; insbesondere Kapitel: Rückführung, Artikel 7 bis 10 (rechtliche Relevanz davon?) -> keine rechtliche Bindung 2.2. International International gibt es einige (rechtlich unverbindliche) Abkommen, die den Kulturgutschutz regeln : 2.2.1. Washingtoner Prinzipien 2.2.2. das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970 (2.1.1.), (umgesetzt in KGSG?) 2.2.3. die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995 (2.1.2.), die im Unterschied zum UNESCO-Übereinkommen keines staatlichen Umsetzungsaktes bedarf und unmittelbare Wirkung innerhalb der Vertragsstaaten entfaltet. -> keine Ratifizierung durch Deutschland 2.2.4. die Washingtoner Prinzipien von 1998 (2.1.3.) nur in Bezug auf entwendete Kunst im Rahmen des Nationalsozialismus 2.2.5. die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker von 2007 (2.1.4.). -> keine eigene Anspruchsgrundlage 3. bisherige Praxis und Finanzierung Die Aufarbeitung der Herkunftsgeschichte von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten findet hauptsächlich durch die Museen statt. (Provenienzforschung) Die aktuelle Praxis der Museen setzt in erster Linie auf eine kritische Auseinandersetzung und Aufklärung innerhalb ihrer Ausstellungen mit Kulturgütern mit einer kolonialen Vergangenheit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 005/21 Seite 7 4. Ableitung einer Praxis aus Rückabwicklung von NS-Raubkunst? Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten Hintergrund: Objekte, die aus ehemaligen Kolonien stammen und aus heutiger Sicht unrechtmäßig erworben worden sind Entzugszeitraum/Untersuchungsgegenstand: uneindeutig, für deutsche Kolonien 1884– 1918/19 Handlungsgrundlage für mögliche Restitutionen: Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten (Deutscher Museumsbund e. V.) (Landschaftsverband Rheinland, LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, Museumsberatung, Provenienzforschung in NRW: Informationen und Empfehlungen für eine systematische, flächendeckende und nachhaltige Provenienzforschung) 5. Möglichkeiten der Finanzierung 7. Wurde dieser Geschäftsstelle und damit der Beratenden Kommission ein eigenes Budget zur Verfügung gestellt, und wenn ja, wie hoch ist dieses? Personal- und Sachkosten der Geschäftsstelle der Beratenden Kommission wer-den aus dem Haushalt des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste gedeckt. Zusätzlich werden der Beratenden Kommission von der BKM gesonderte Mittel nach Bedarf zur Verfügung gestellt, z. B. für die Erstattung von Reisekosten und Sitzungsentschädigungen ihrer Mitglieder (siehe Antwort zu Frage 9) oder externe Gutachten . Die Höhe des Budgets ist bedarfsabhängig; der Ansatz im jeweiligen Wirtschaftsplan des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste kann dementsprechend verstärkt werden. (BT Drs 19/26788) ****