© 2013 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 005/13 Steuer- und verfassungsrechtliche Fragen zum neuen Rundfunkbeitrag Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 2 Steuer- und verfassungsrechtliche Fragen zum neuen Rundfunkbeitrag Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 005/13 Abschluss der Arbeit: 06.03.2013 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzgebungskompetenz der Länder im Bereich des Rundfunks 6 3. Öffentliche Abgaben: Steuern, Gebühren und Beiträge 7 3.1. Steuern 8 3.2. Gebühren und Beiträge 8 3.3. Sonderabgaben 9 4. Einordnung der bisherigen Rundfunkgebühr in dieses System 9 5. Argumente für eine Einordnung des neuen Rundfunkbeitrags als Steuer 10 6. Zwischenergebnis 12 7. Argumente für eine Einordnung des neuen Rundfunkbeitrags als zulässige Vorzugslast 13 7.1. Zulässige Typisierung – Anforderungen 13 7.2. Ausgestaltung als Beitrag - der Vorteil 16 7.3. Zur Notwendigkeit der Widerlegbarkeit der Nutzungsvermutung 18 8. Ergebnis 19 9. Literaturverzeichnis 21 10. Literatur zum jährlichen Finanzierungsgesamtvolumen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten 25 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 4 1. Einleitung1 Am 1. Januar 2013 ist der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV)2 in Kraft getreten. Zentraler Regelungsgegenstand dieses Staatsvertrages ist ein neuer Rundfunkbeitragsstaatsvertrag3, der eine grundlegende Veränderung der Art der Rundfunkfinanzierung beinhaltet: die bisherige gerätebezogene Rundfunkgebühr wird durch einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag für Wohnungen und Betriebsstätten abgelöst. Dieser Paradigmenwechsel war notwendig geworden, weil die Anknüpfung der Gebührenpflicht an vorhandene Empfangsgeräte angesichts der Verbreitung von neuartigen Empfangsgeräten wie Computern und mobilen Empfangsgeräten wie Tablets und Smartphones und der entstandenen Konvergenz der Medien nicht mehr zeitgemäß erschien.4 Seit dem Inkrafttreten des 1. RStV im Jahr 1970 bildeten die Rundfunkstaatsverträge und der Rundfunkgebührenstaatsvertrag der Länder die rechtliche Grundlage für die Erhebung der Gebühren . Die Gebührenpflicht knüpfte an den Besitz eines Hörfunk- oder Fernsehgerätes an. Für das Bereithalten eines Hörfunkgerätes fiel eine monatliche Grundgebühr und für das Vorhandensein eines Fernsehgerätes eine monatliche Fernsehgebühr an. Dabei kam es auf die tatsächliche Nutzung des Rundfunkempfangsgerätes nicht an. Seit dem 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurden ab 1. Januar 2007 auch internetfähige Rechner als „neuartige Empfangsgeräte“ von der Gebührenpflicht erfasst, allerdings nur mit einer Grundgebühr. Nachdem der Fernsehempfang übers Internet heute praktisch überall problemlos möglich ist, erwies sich der Geräteansatz als nicht mehr zeitgemäß und praktikabel. Hinzu kam, dass ohnehin die politische Forderung bestand , den sogenannten Beauftragtendienst abzuschaffen, der für die Rundfunkanstalten Klärungen an der Wohnungstür durchgeführt hat.5 Auf dieses Instrument kann mit dem neuen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag verzichtet werden. 1 In dieser Arbeit wurden Beiträge von (WD 10) und von (WD 10) genutzt. 2 Fünfzehnter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15./17. 12. 2010, abrufbar von der Seite des Instituts für Urheber- und Medienrecht, http://www.urheberrecht.org/law/normen/rstv/RStV- 15/materialien/RAeStV.php3 (Die Abrufe in dieser Arbeit entsprechen dem Stand des Abgabedatums.) 3 Art. 1 15. RÄStV (Fn. 1). 4 Ausführlicher hierzu Schneider, Axel, Warum der Rundfunkbeitrag keine Haushaltsabgabe ist – und andere Fragen zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, NVwZ 2013, 19 (19). 5 Eicher, Hermann, Von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag, Media Perspektiven 12/2012, 614 (615). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 5 Der neuen Rundfunkabgabe ging eine längere Reformdiskussion voraus.6 Das nun in Kraft getretene Modell beruht in seinen zentralen Punkten auf einem im Auftrag von ARD und ZDF erstellten Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof aus dem Jahr 2010.7 Entscheidend ist danach nicht mehr, ob und welches Rundfunkempfangsgerät bereitgehalten wird. Vielmehr wird die Rundfunkabgabe pro Wohnung bzw. Betriebsstätte erhoben. Bei Betriebsstätten wird dabei ein nach Beschäftigtenzahl gestaffelter Betriebsstättenbeitrag erhoben, sowie ein Beitrag ab dem zweiten betriebszugehörigen Kraftfahrzeug. Hotels, Pensionen und auch Jugendherbergen zahlen eine Abgabe pro Zimmer. Die Erhebung erfolgt auf der Grundlage einer unwiderlegbaren Vermutung der Nutzung. Der Vorschlag für die neue Rundfunkabgabe war seit seinem Bekanntwerden Gegenstand von Kritik. Diese richtet sich dagegen, dass die neue Regelung keine Ausnahmeregelungen enthält, so dass Bürger, die das Angebot nachweislich nicht nutzen, gleichwohl zahlen müssen. Vor allem aber der nicht private Bereich, Unternehmen8 sowie Städte und Gemeinden, sehen sich mit unverhältnismäßigen Steigerungen konfrontiert.9 Bereits vor Inkrafttreten der Regelung hat der Jurist Ermano Geuer eine (zulässige) Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben10 Seit dem Inkrafttreten des 15. RÄStVs folgten weitere Klagen. So hat auch die Drogeriemarktkette Dirk Rossmann Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht.11 6 Hierzu Eicher (Fn. 4), Media Perspektiven 12/2012, 614 (615f); Köster, Julia, Einzug von Rundfunkbeiträgen durch die Finanzämter – eine tragfähige Alternative? Verfassungs- und steuerrechtliche Grenzen einer alternativen Rundfunkfinanzierung am Beispiel des Modells der sogenannten Medienabgabe, ZUM 2012, 946 – 954. 7 Kirchhof, Paul, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Auftrag der ARD, ZDF und D Radio, 2010, http://www.ard.de/intern/standpunkte/-/id=1453944/property=download /nid=8236/g73vou/Kirchhof-Gutachten+zur+Rundfunkfinanzierung.pdf . 8 Wirtschaft klagt gegen neuen Rundfunkbeitrag, Redaktion MMR-Aktuell 2013, 341502; Heise online, Einzelhändler prüfen Klage gegen Rundfunkbeitrag, 11.01.2013, http://www.heise.de/newsticker/meldung/Einzelhaendler -pruefen-Klage-gegen-Rundfunkbeitrag-1781465.html 9 z. B. Nachwuchssorgen, Kitas gegen den Rundfunkbeitrag, FAZ vom 13.02.2013, S. 31; 10 Redaktion MMR-Aktuell, „Eine Wohnung, ein Beitrag.“ – Überlegungen zur Popularklage gegen die neuen Rundfunkbeiträge, MMR-Aktuell 2012, 335995. 11 Redaktion MMR-Aktuell, Rossmann wehrt sich gegen neue Rundfunkbeitragsregelung, MMR-Aktuell 2013, 341479. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 6 Am 26. Januar 2013 machte der Handelsverband Deutschland (HDE), die Spitzenorganisation des deutschen Einzelhandels12, bekannt, dass ein in seinem Auftrag erstelltes Gutachten des Verfassungsrechtlers Christoph Degenhart13 zu dem Schluss kommt, dass der neue Rundfunkbeitrag nicht verfassungskonform sei14: Die Kritiker und Kläger rügen, dass der neue Rundfunkbeitrag in der Sache kein Beitrag, sondern eine Steuer sei. Für eine solche Steuer fehle den Ländern die Kompetenz, weswegen der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag formell verfassungswidrig sei.15 2. Gesetzgebungskompetenz der Länder im Bereich des Rundfunks Die Gesetzgebungskompetenz für den Rundfunk ist den Ländern durch Art. 30 GG zugewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Pflicht des Gesetzgebers , „durch materielle, prozedurale und organisatorische Vorkehrungen sicher zu stellen, dass die Gebührenfestsetzung die Rundfunkfreiheit nicht gefährdet und dazu beiträgt, dass die Rundfunkanstalten durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ihren Funktionsauftrag erfüllen können.“16 Für Abgaben, die keine Steuern sind, beurteilt sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln der Art.70  ff. GG17, so dass sich die Gesetzgebungskompetenz der Länder für Rundfunkbeiträge und Gebühren aus ihrer insofern bestehenden Sachkompetenz ergibt. Eine Kompetenz zur Steuererhebung kann sich nur aus der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 105 ff. GG) ergeben. Eine Rundfunksteuer ist in der Finanzverfassung nach Art. 104a ff GG aber weder ausdrücklich vorgesehen noch unter einen Steuertypus zu subsumieren.18 Auch eine 12 Internetauftritt http://www.einzelhandel.de/ 13 Degenhart, Christoph, Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder, 2013, Gutachten, nicht veröffentlicht, Kurzfassung abrufbar unter http://www.einzelhandel.de/index .php/presse/aktuellemeldungen/item/122225-gutachten-rundfunkbeitrag-verfassungswidrig.html 14 HDE, Presseerklärung vom 26.01.2013, Gutachten: GEZ-Reform verfassungswidrig, http://www.einzelhandel .de/index.php/presse/aktuellemeldungen/item/122225-gutachten-rundfunkbeitrag-verfassungswidrig.html 15 So Degenhart, Gutachten, Kurzfassung (Fn. 12), S. 8. 16 BVerfGE 119, 181 (220ff). 17 Pahlke, in: Pahlke, Armin; Koenig, Ulrich (Hrsg.), Abgabenordnung, Kommentar, 2. Auflage 2009, § 3 Rn. 33. 18 Vgl. Schneider (Fn. 3), NVwZ 2013, 19 ( 20). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 7 Steuerertragskompetenz ist den Rundfunkanstalten - anders als den öffentlich-rechtlichen Kirchen (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) - nicht zugewiesen.19 Entsprechende Kompetenzen könnten gemäß Art. 79 Abs. 2 GG nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat eingeführt werden. Eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über Steuern und staatliche Haushalte würde jedoch mit dem Gebot der Staatsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kollidieren .20 Der Vorschlag, die Staatsfreiheit durch eine „Vorabreservierung“ der Rundfunkfinanzen im Staatshaushalt herzustellen21, würde aber zu einem Konflikt mit der Budgethoheit des Parlaments führen, dem die Kontrolle über die vereinnahmten Steuern nicht – auch nicht partiell – entzogen werden darf.22 Vor dem Hintergrund der bundesstaatlichen Finanzverfassung bedarf es einer strikten Abgrenzung von Steuern und anderen Finanzierungsabgaben. Für die formelle Rechtmäßigkeit der neuen Rundfunkabgabe ist es daher entscheidend, ob sie als Vorzugslast (Gebühr bzw. Beitrag) oder Steuer (Gemeinlast) einzuordnen ist. Handelt es sie um eine Steuer, ist sie mangels Kompetenz der Länder bereits formell verfassungswidrig und nichtig. 3. Öffentliche Abgaben: Steuern, Gebühren und Beiträge Ob eine öffentliche Abgabe als Steuer (Gemeinlast) zu qualifizieren ist oder eine Vorzugslast darstellt , ist allein aufgrund ihres materiellen Inhalts und nicht ihrer Bezeichnung zu bestimmen.23 Unter dem Oberbegriff der öffentlichen Abgaben versteht man, „nicht rückzahlbare Geldleistungen, die ein öffentliches Gemeinwesen von natürlichen und juristischen Personen kraft öffentlichen Rechts zwangsweise (hoheitlich) fordert. Dazu gehören einerseits die Steuern, einschließlich der Zölle, andererseits die Beiträge und Gebühren, die auch als Entgeltabgaben bezeichnet werden, da sie im Unterschied zu den Steuern als Gegenleistung für spezielle öffentliche Leistungen erhoben werden.“24 19 Schneider (Fn. 3), NVwZ 2013, 19 ( 20). 20 Hesse, Albrecht, Rundfunkrecht, Die Organisation des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 2003, 4. Kap. Rn. 150; 21 So Waldhoff, Verfassungsrechtliche Fragen einer Steuer-/Haushaltsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, AfP 2011, 1 (8 f). 22 Köster (Fn. 5), NVwZ 2012, 946 (947 f); Schneider (Fn. 3), NVwz 2013, 19 (20). 23 Pahlke/Koenig (Fn. 16), § 3 Rn. 33. 24 So die Definition in Munzinger Online/Duden – Recht A – Z (06.02.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 8 3.1. Steuern Nach der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) sind Steuern „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“ Steuern bilden die wichtigste Form der öffentlichen Abgaben. Sie werden ohne Rücksicht auf eine individuell zurechenbare, besondere Gegenleistung erhoben. Die Steuer ist dem Betroffenen damit „voraussetzungslos“ auferlegt, das heißt unabhängig davon, ob und in welchem Maße das besteuernde Gemeinwesen dem Steuerpflichtigen eine „Gegenleistung“ gewährt.25 Das Merkmal der Gegenleistungsunabhängigkeit dient in erster Linie der Abgrenzung zu den sog. Vorzugslasten , den Gebühren und Beiträgen.26 Entscheidend für das Vorliegen einer Steuer im (verfassungs-) -rechtlichen Sinne – im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu einer anderweitigen Abgabe – ist ihr materieller Gehalt, nicht ihre Bezeichnung.27 3.2. Gebühren und Beiträge Vorzugslasten als Oberbegriff für Gebühren und Beiträge verfolgen zwar wie die Steuer einen Finanzierungszweck ; im Gegensatz zur Steuer aber sind sie eine Gegenleistung für eine individuelle und konkrete staatliche Leistung und durch diese Ausgleichsfunktion legitimiert.28 Eine Gebühr ist ein Entgelt für eine erbrachte individuell zurechenbare öffentliche Leistung zur Deckung der durch die Leistungserbringung entstandenen Kosten.29 25 So Pahlke/Koenig (Fn. 16), § 3 Rn. 18 m. w. Nachw. 26 Pahlke/Koenig (Fn. 16), § 3 Rn. 18. 27 Pahlke/Koenig (Fn. 16), § 3 Rn. 5. 28 Pahlke/Koenig (Fn. 16), § 3 Rn. 39. 29 Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 3 Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 9 Beiträge sind Geldleistungen, die zur Deckung eines hoheitlichen Aufwands von demjenigen erhoben werden, der infolge der den Aufwand verursachenden Maßnahmen einen besonderen Vorteil erlangt;30 anders als bei der Gebühr knüpft der Beitrag jedoch nicht an eine tatsächliche, sondern nur an eine mögliche Inanspruchnahme der Einrichtung an.31 Die Gegenleistungsabhängigkeit ist damit im Vergleich zur Gebühr gelockert.32 Es gibt zwar keine abschließende Bemessungsprinzipien für Gebühren in der Verfassung. Allerdings geben das Gleichheitsgebot nach Art. 3 GG und das Übermaßverbot gewisse Orientierungen .33 Das Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip sind zulässig. Das heißt, dass sich die Höhe der geforderten Abgaben nach dem Wert der Leistung bzw. der Deckung der Kosten für die erbrachte Leistung bzw. dem hypothetischen Vorteil orientiert. 3.3. Sonderabgaben Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang noch die Sonderabgaben. Ihr Aufkommen fließt nicht in den allgemeinen Haushalt ein, und ihnen steht keine Leistung gegenüber, die individuell in Anspruch genommen wird oder genommen werden kann. Im Unterschied zur Steuer werden Sonderabgaben nur von bestimmten Gruppen wegen ihrer speziellen Verantwortlichkeit für die jeweilige besondere Finanzaufgabe erhoben; sie sind gekennzeichnet durch die Kriterien der Gruppenhomogenität und der besonderen Sachverantwortung. Ihr Aufkommen fließt regelmäßig in einen Sonderfonds außerhalb des Haushaltsplans.34 Sie sind als „seltene Ausnahme“ verfassungsrechtlich nur in engen Grenzen zulässig.35 Als Beispiel zur Verdeutlichung wäre die Abwasserabgabe zu erwähnen. Sie wird von denjenigen verlangt, die Abwasser in Gewässer einleiten und soll zum Erhalt und zur Verbesserung der Gewässergüte verwendet werden. 4. Einordnung der bisherigen Rundfunkgebühr in dieses System Die rechtsdogmatische Einordnung der bisher erhobenen Rundfunkgebühr ist seit jeher umstritten . Einigkeit besteht aber wohl hinsichtlich ihres Entgeltcharakters und ihrer Qualifizierung als öffentlich-rechtliche Abgabe, die für die Möglichkeit des Empfangs von Rundfunksendungen, also der „Benutzung“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als einer der Inanspruchnahme durch 30 Gersch, in: Klein (Fn. 28), § 3 Rn. 20. 31 So Libertus, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 13 RStV Rn. 15; vgl. auch die Legaldefinition für kommunale Beiträge in § 8 Abs. 2 Satz 2 Kommunalabgabengesetz NRW. 32 Ausführlich zu den Unterschieden Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 36 ff. 33 Vgl. hierzu Kirchhof, Ferdinand, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechst, 2. Auflg., Heidelberg 2001, S. 110 ff. 34 Pahlke/Koenig (Fn. 16), § 3 Rn. 35. 35 BVerfGE 101, 141 (147); 108, 186 (217). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 10 jedermann eröffneten Veranstaltung erhoben wird.36 So knüpfte § 13 Abs. 2 RStV, § 1 Abs. 2 Satz 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) in der bis Ende 2012 geltenden Fassung die Gebührenpflicht an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts und nicht an dessen tatsächliche Nutzung. Die wohl herrschende Meinung ging daher von einer Anstaltsnutzungsgebühr mit Beitragscharakter aus.37 Durch Art. 3 15. RÄStV wird in § 13 RStV der Begriff der Gebühr durch den des Beitrags ersetzt. § 13 Abs. 2 RStV wird ersatzlos gestrichen. Anknüpfungspunkt für die Leistungspflicht ist nun nicht mehr das Bereithalten eines Gerätes, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) im privaten Bereich die Wohnung und im nicht-privaten Bereich gemäß § 5 Abs. 1 RBStV die Betriebsstätte. 5. Argumente für eine Einordnung des neuen Rundfunkbeitrags als Steuer Die bisherige gerätebezogene Rundfunkgebühr war durch beitragsartige Elemente gekennzeichnet weil sie an den Teilnehmerstatus gekoppelt war, der durch das Bereithalten des Empfangsgeräts begründet wurde. Aufgrund der Ablösung vom Kriterium der Teilnehmereigenschaft handelt es sich nun nach Auffassung von Degenhart nicht mehr um eine Vorzugslast, denn diese setze individuelle oder individualisierbare Vorteile voraus. Die Beitragspflicht gründe sich nunmehr auf die bloße Inhaberschaft von „Raumeinheiten“. Die Möglichkeit, dort Rundfunk zu empfangen, stelle keinen individualisierbaren Vorteil dar, der diesen Raumeinheiten zugeordnet werden könnte, wie dies etwa bei klassischen Erscheinungsformen grundstücksbezogener Beiträge der Fall sei. Aufgrund des Fehlens eines individualisierbaren Vorteils sei die Abgabe eine Gemeinlast und damit eine Steuer. Sie sei eine Steuer, die auf „Raumeinheiten“ erhoben werde, vergleichbar einer grundstücksbezogenen Steuer.38 So argumentiert auch Geuer: „Beiträge wären Geldleistungen, die zur vollen oder teilweisen Deckung des Aufwands einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage von denjenigen erhoben werden , denen die Herstellung, Anschaffung oder der Bestand der Einrichtung oder Anlage besondere Vorteile gewährt. Da der Rundfunkbeitrag aber gerade nicht ans Empfangsgerät anknüpft, es also auf die Vorteilsgewährung gar nicht ankommt, liegen im abgabenrechtlichen Sinne auch keine solchen vor. (...) Ein „Beitrag“, der jeden trifft, ist aber nicht mehr individualisierbar.“39 Auf die neuen Rundfunkbeiträge passe somit die Definition der Steuer in § 3 AO. Sie seien daher 36 So Libertus, in: Hahn/Vesting (Fn. 30), § 13 RStV Rn. 12. 37 So Libertus, in: Hahn/Vesting (Fn. 30), § 13 RStV Rn. 14; zum Ganzen auch Hesse (Fn. 19), 4. Kap. Rn. 131 f. 38 Vgl. Degenhart, Gutachten, Kurzfassung (Fn. 14), II. 2.; Hervorhebungen durch die Verfasserin. 39 Zitiert nach Redaktion MMR- Aktuell (Fn. 9), MMR-Aktuell 2012, 335995. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 11 Zwecksteuern zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für deren Erlass den Ländern die Kompetenz fehle.40 Auch in einem früheren, im Auftrag des Autovermieters Sixt AG erstellten Gutachten,41 begründet Degenhart seine verfassungsrechtlichen Bedenken u. a. mit der „vollständige(n) Entkoppelung von Beitragspflicht und Rundfunkteilnahme“ durch das neue Finanzierungsmodell.42 Es beruhe auf der gesetzlichen Vermutung, dass in jedem Haushalt das Rundfunk- und Fernsehprogramm genutzt werde. Insoweit bewege sich der Gesetzgeber zwar im Rahmen zulässiger Typisierung , wie sie bei massentypischen Vorgängen sachgerecht sei.43 Verfassungsrechtliche Zweifel ergäben sich jedoch aufgrund der unwiderlegbar vermuteten Nutzung des Rundfunkangebots. Dies werfe die Frage auf, ob hier die Grenzen zulässiger Typisierung gewahrt seien.44 Gesetzgeberische Typisierung setze voraus, dass die mit ihr einhergehende Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte eine im Verhältnis zur Gesamtzahl der Betroffenen verhältnismäßig kleine Anzahl von Fällen betreffe. Wenn jedoch bereits die Begünstigung durch eine „medienbedingte oder mediengestützte Informationskultur“45 den für die Vorzugslast erforderlichen Vorteil begründen solle, so werde fraglich, ob hier noch von einem beitragsmäßig abzugeltenden individuellen Vorteil bzw. Gruppenvorteil ausgegangen werden könne. Im Rahmen einer Beitragsfinanzierung sei jedoch zu fordern, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit grundsätzlich gewahrt bleibe. Dem Abgabenschuldner dürfe daher der Einwand nicht abgeschnitten werden , er höre nicht Radio und sehe nicht fern. Denn dann würde die wie immer bezeichnete Abgabe zur Sonderabgabe bzw. zur Zwecksteuer mutieren.46 Auf noch deutlich schwächerer Grundlage stehe die Vermutung der Rundfunknutzung aber bei der Empfangsgemeinschaft innerhalb einer Betriebsstätte.47 40 Geuer (Fn. 37), MMR-Aktuell 2012, 335995. 41 Degenhart, Christoph, Verfassungsrechtliche Zweifelsfragen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, ZUM 2011, 193 (200). 42 Degenhart (Fn. 39), ZUM 2011, 193 ( 194). 43 Degenhart (Fn. 39) ZUM 2011, 193 ( 196), Hervorhebungen durch die Verfasserin). 44 Degenhart (Fn. 39) ZUM 2011, 193 ( 196), Hervorhebungen durch die Verfasserin). 45 So Kirchhof, Gutachten (Fn. 6), S. 61. 46 So bereits Degenhart, Christoph, Rechtsfragen einer Neuordnung der Rundfunkgebühr, ZUM 2009, 373 (382). 47 Degenhart (Fn. 39) ZUM 2011, 193 ( 196). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 12 Auch Dittmann ist der Auffassung, dass eine Abgabepflicht, die ausschließlich die Innehabung eines Haushaltes bzw. einer Betriebsstätte voraussetzt48, nicht mehr an die tatsächliche oder potenzielle Inanspruchnahme einer Gegenleistung durch die „Gesamtveranstaltung Rundfunk“ gebunden ist. Ihre Geräteunabhängigkeit entziehe sie einer Qualifikation als Gebühr oder Beitrag.49 Diese Einschätzung teilen auch Jarass50 und Hasse51. Kernpunkt der Kritik an dem neuen Rundfunkbeitrag ist, dass durch die Anknüpfung der Beitragspflicht an Wohnungen und Betriebsstätten das für die Vorzugslasten wesentliche Prinzip der Gegenseitigkeit nicht gewahrt werde. Zur Wahrung dieses Prinzips dürfe dem Abgabenschuldner der Einwand nicht abgeschnitten werden, er höre nicht Radio und sehe nicht fern. Mit der Unwiderlegbarkeit der Nutzungsvermutung habe der Gesetzgeber den Rahmen zulässiger gesetzgeberischer Typisierung verlassen.52 6. Zwischenergebnis Folgte man der dargestellten Auffassung, dass der neue Rundfunkbeitrag eine Steuer ist, wären die Rundfunkstaatsverträge der Länder, die diese Abgabe regeln, wegen Fehlens der gesetzgeberischen Kompetenz als formell verfassungswidrig und damit nichtig anzusehen. Auch als Sonderabgabe könnte die normierte Abgabenpflicht nicht aufrechterhalten werden, da es an den hierfür erforderlichen Kriterien der besonderen Sachverantwortung und der Gruppenhomogenität fehlt53 48 Dittmann, Armin, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch eine Medienabgabe, Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe, Rechtsgutachten erstattet im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio, 2009, S. 16, f. 49 Dittmann (Fn. 46), S. 29. 50 Jarass, Hans D., Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Rundfunkgebühr, Rechtswissenschaftliches Gutachten , Mai 2007, abrufbar unter http://www.ard.de/intern/standpunkte/-/id=1925224/property=download /nid=8236/1jpt4xn/Jarass,+Verfassungsrechtliche+Fragen+einer+Reform+der+Rundfunkgeb %C3%BChr.pdf.pdf, S. 42 am Ende. 51 Hasse, Arne, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Bestand und Alternativen, 2005, S. 250. 52 So Degenhart (Fn. 39), ZUM 2011, 193 (197); Degenhart, Gutachten, Kurzfassung (Fn. 12), III.; auch Münch, Ingo von, Verhindert diese TV-Gebühr!, Focus vom 05. 12. 2012, S. 136. 53 Degenhart (Fn. 39), ZUM 2011, 193 (197). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 13 7. Argumente für eine Einordnung des neuen Rundfunkbeitrags als zulässige Vorzugslast Die rechtlichen Grundlagen für die Ausgestaltung des neuen Rundfunkbeitrags und seine Einordnung in das System der landesrechtlich zu regelnden Vorzugslasten hat Kirchhof in seinem bereits erwähnten Gutachten dargelegt.54 Die Einstufung als Beitrag setzt voraus, dass die Abgabenschuldner als Gegenleistung für ihre Beitragslast einen individualisierten Vorteil erlangen. Dieser Vorteil kann hier in der grundsätzlichen Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkempfangs gesehen werden.55 Das war auch schon bei der bisherigen Rundfunkgebühr so. Während aber nach bisher geltendem Recht der Besitz eines zum Rundfunkempfang geeigneten Gerätes die Nutzungsvermutung begründete, gilt nun die weitreichendere, ebenfalls unwiderlegbare Vermutung , dass in jeder Wohnung und in jeder Betriebsstätte Rundfunkempfang stattfindet. In diesem vermuteten Vorteil liegt die Gegenleistung für den Beitrag. Im Unterschied zur früheren Rundfunkgebühr , die an das Vorhandensein eines Empfangsgerätes anknüpfte, ist die neue Abgabe geräteunabhängig . Die Argumentation, überhaupt kein Gerät zu besitzen, führt daher nicht zur „Verschonung“ vor finanzieller Belastung. Einziges Kriterium zur Auslösung der Abgabepflicht bildet die Inhaberschaft einer Wohnung oder Betriebsstätte.56 Der Gesetzgeber muss bei der Wahl dieser Anknüpfungspunkte für die Abgabe die Grenzen zulässiger Typisierung gewahrt haben. 7.1. Zulässige Typisierung – Anforderungen Die Anknüpfung der Leistungspflicht an Wohnungen und Betriebsstätten vergrößert die mögliche Diskrepanz zwischen vermuteter und tatsächlicher Inanspruchnahme gegenüber der bisherigen Anknüpfung an das Empfangsgerät.57 Dennoch wird ganz überwiegend davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber sich bei der Wahl des Anknüpfungspunktes an der in diesen Räumen vermuteten Rundfunknutzung im Rahmen zulässiger Typisierung gehalten hat. Der Beitrag muss wegen der Vielzahl der Schuldner, der Häufigkeit seiner Erhebung und der Geringfügigkeit des jeweils erhobenen Beitrags einfach und praktikabel ausgestaltet werden. Das verfassungsrechtlich anerkannte Instrument für die Praktikabilität von Abgaben- und insbesondere von Steuergesetzen in Massenvorgängen ist die Typisierung.58 Entscheidend ist danach, ob der Konnex zwischen dem Innehaben einer Raumeinheit, Wohnung oder Betriebsstätte, und der dort gegebenen Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Rundfunkinhalte zu konsumieren, so evident ist, das daran eine generelle Beitragspflicht geknüpft werden kann. Dieser Zusammenhang lässt sich mit der „jederzeit beobachtbare(n) und statistisch belegbare(n) Lebenswirklichkeit (begründen), dass in der großen Mehrzahl aller Wohnungen, Betriebsstätten 54 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6). 55 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6), S. 46. 56 Vgl. Wagner, Eva Ellen, Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr, 2011, S. 174, 190. 57 So Wagner, (Fn. 54), S. 198. 58 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 53 mwN. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 14 und nicht privat genutzten Kraftfahrzeugen Rundfunkempfang möglich ist und auch tatsächlich stattfindet.“59 Es gilt als statistisch gesichert, dass nur in einer verschwindend geringen Anzahl von Wohnungen kein Rundfunkkonsum stattfindet oder stattfinden könnte. Das ergibt sich bereits daraus, dass nur vier Prozent der Haushalte nicht mit einem Fernsehgerät ausgestattet sind. Denkbar ist aber, dass dann zumindest ein Radio oder internetfähiger PC vorhanden sind, so dass Wagner von nur 1 bis 2 Prozent Wohnungen ausgeht, in denen kein Rundfunkempfang stattfindet.60 Dieser Einschätzung kann man folgen. Zur Geräteausstattung (Radio/Fernsehgeräte/PC) in Betrieben liegen keine statistischen Daten vor.61 Nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes nutzten im Jahr 2012 aber 86 Prozent der Unternehmen Computer.62 Hinzu kommen in unbekannter Anzahl Radios; Fernsehgeräte sind in Betrieben wohl eher weniger zu finden. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 RBStV wird jeder Betriebsstätte ein beitragsfreies Kraftfahrzeug zugerechnet, das in aller Regel ein Autoradio hat. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass Umfang und Intensität des Rundfunkkonsums in Betrieben geringer ausfallen, als in Privatwohnungen.63 „Für diese Problematik partieller Ungleichbehandlung von Abgabenschuldnern in Massenvorgängen des Wirtschaftslebens hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zum Steuerrecht Auslegungsmaßstäbe entwickelt. Hiernach ist der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch dann noch gewahrt, wenn Gründe der Praktikabilität es verlangen, dass der Gesetzgeber Sachverhalte, an die er dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpft, so typisiert, dass dabei Besonderheiten des einzelnen Falls, gegebenenfalls auch ganzer Gruppen, vernachlässigt werden. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der abgabenrechtlichen Belastung stehen.“64 59 Bosman, Wieland, Paradigmenwechsel in der Rundfunkfinanzierung: Von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag , K + R 2012, 5 (9). 60 So zum Ganzen Wagner, (Fn. 54), S. 199 mit Nachweisen. 61 Statistisches Bundesamt, Daum, Mareike, Auskunft per E-Mail vom 13. 02. 2013. 62 Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten, Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen, 2012, S. 14. 63 So Wagner (Fn. 54), S. 200 f; zustimmend Bosman, Wieland, Paradigmenwechsel in der Rundfunkfinanzierung: Von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag, K + R 2012, 5 (9). 64 So Bosman (Fn. 57), K + R 2012, 5 (9) mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVErfGs; ausführlich hierzu Kirchhof, Gutachten (Fn. 6), S. 53 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 15 Die Rechtsprechung hält im Rahmen dieser gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis Abweichungsquoten von 7,565 und 1066 Prozent für zulässig.67 Erfahrungsgemäß kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Betriebsstätten, in denen weder PC noch andere Empfangsgeräte vorhanden sind, unter der als zulässig angesehenen Abweichungsmenge von 10 Prozent liegen. Damit könnte der Anknüpfungspunkt für die Pflichtigkeit auch für Betriebsstätten nicht zu beanstanden .68 Der im Fall der Betriebsstätten vergleichsweise geringeren tatsächlichen Rundfunknutzung wird zudem dadurch Rechnung getragen, dass „mehr als 90 % aller Betriebsstätten mit lediglich einem Drittel (0 bis 8 Beschäftigte) bzw. einem Rundfunkbeitrag (9 bis 19 Beschäftigte) belastet werden“ und zusätzlich noch pro Betriebstätte ein ihr zugeordnetes Kraftfahrzeug beitragsfrei ist.69 Dennoch sollte im Zusammenhang zulässiger Ungleichbehandlung auf die Entwicklung des Konsums des Angebots öffentlich-rechtlicher Sender seit Zulassung des Wettbewerbs eingegangen werden. Wenn im Rahmen der Typisierung die oben genannten Abweichungsquoten von 7,5% und 10% als zulässig gelten, dann müsste dies vor diesem Hintergrund gewichtet werden: Die Mehrheit70 der fernsehkonsumierenden Rundfunkteilnehmer (57%) ausgedrückt in Marktanteilen 71 und etwa knapp die Hälfte der hörfunkkonsumierenden Rundfunkteilnehmer (47%) ebenfalls ausgedrückt in Marktanteilen72 nutzen das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen 65 BverfGE 17, 1 (25). 66 BVerwGE 68, 36 (389. 67 Wagner (Fn. 54), S. 200. 68 Zweifel äußert Degenhart (Fn. 39), ZUM 2011, 193 (197). 69 Bosman (Fn. 57), K + R 2012, 5 (9). 70 Den Zusammenhang von Rundfunkteilnehmer und Marktanteil kann man hinterfragen. Dennoch gibt er eine gewisse Vorstellung über die Bedeutung von Konkurrenzangeboten im Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Angebot. 71 Es handelt sich hierbei um die Summe der Marktanteile aller öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Die einzelnen Werte stammen von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (agf). Danach belegten die ersten vier Plätze in 2012 das ZDF und ARD Dritte jeweils mit 12,6%, RTL und ARD Das Erste mit jeweils 12,3% Marktanteil. Laut agf gibt der Marktanteil den relativen Anteil der Sehdauer einer Sendung/eines Werbeblocks/eines bestimmten Zeitintervalls an der Gesamtsehdauer aller Programme zum jeweiligen Zeitintervall an. Vgl. agf Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung, Marktanteile, abrufbar unter http://www.agf.de/daten/zuschauermarkt /marktanteile. [Stand: 22.02.2013]. 72 Der Marktanteil öffentlich-rechtlicher Hörfunksender soll sich 2012in Deutschland bei 52,9% bewegt haben. Nach einer europaweiten Statistik liegt der öffentlich-rechtliche Hörfunkmarktanteil im Jahr 2010 im Durchschnitt bei 37,1 %, wobei in er sich in den letzten 10 Jahren stetig verringert hat. In Deutschland gab es 2012 insgesamt 370 Hörfunksender, von denen 62 öffentlich-rechtlicher Art waren. Das entspricht 16,75% der Gesamtzahl aller Hörfunksender. In 1987 lag der zahlenmäßige Anteil öffentlich-rechtlicher noch bei 81,8% mit 36 Sendern bei einer Gesamtzahl von 44. Vgl. zu Statistiken für deutsche Verhältnisse statista, Entwicklung der Anzahl der öffentlich-rechtlichen und privaten Radiosender in Deutschland von 1987 bis 2012, abrufbar unter http://de.statista.com/statistik/daten/studie/36329/umfrage/radiosender-anzahl-oeffentlich-rechtliche-und-private -seit-1987/ [Stand: 25.02.2013] und AS&S (ARD-Werbung SALES & SERVICES GmbH), ma 2012 Radio I, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 16 Rundfunks nicht. Hier stellt sich die Frage, ob und wie in der gegenwärtigen Situation der kontinuierliche Rückgang der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots adäquat im Kriterium der zulässigen Spielräume für Ungleichbehandlung berücksichtigt werden muss. Im kontinuierlichen Rückgang dieses Konsums seit Zulassung privater Sendeanstalten wird auch eine sich zuspitzende Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesehen.73 Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht vor 14 Jahren im bei einem ganz anderen Nutzungsverhalten die Auffassung vertrat, dass die Zulässigkeit des Privatfunks davon abhänge, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk funktionstüchtig sei. „Auch der ausschließliche Konsum von Leistungen privater Sender entbinde nicht von der Gebührenpflicht.“74 7.2. Ausgestaltung als Beitrag - der Vorteil Beitragstypisch ist es, die Leistungspflicht an die Möglichkeit der Nutzung eines Vorteils zu knüpfen. Kirchhof nennt in seinem Gutachten als mögliche Nutzungsvorteile die „Wirkung der Rundfunkprogramme als allgemein zugängliche Quelle individuellen und öffentlichen Wissens, Meinens, Erlebens und Freizeitgestaltens“ sowie die vermutete individuelle Nutzung der Programme .75 Er geht dabei davon aus, dass beide Rechtfertigungsgründe selbstständig tragen und den Belastungsgrund nur unterschiedlich akzentuieren.76 Es erscheint jedoch fraglich, ob der Vorteilsbezug des Beitrags so weit ausgedehnt werden darf, wie es der erstgenannte Belastungsgrund der allgemein zugänglichen Quelle bedeuten würde. abrufbar unter http://www.ard-werbung.de/fileadmin/downloads/forschung/Radioforschung/2012_I_Basics_final _neu.pdf [Stand: 25.02.2013]. Zur Statistik europäischer Marktverhältnisse vgl. Radio Woche DE, EBU-Studie : Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und neue Medienplattformen abrufbar unter http://www.radiowoche .de/meldungen/1/10656/ebu-studieoeffentlich-rechtlicher-rundfunk-und-neue-medienplattformen/ [Stand: 25.02.2013] und EBU - OPERATING EUROVISION AND EURORADIO, Public Radio an new Media Platforms 2011, abrufbar unter http://www.ebu.ch/CMSimages/en/MONTAGE__WEB_Executive_summ_SIS_Radio _2011_A4_tcm6-72187.pdf [Stand: 25.02.2013]. 73 Vgl. z.B. Wolf, Stefan, Wie verzichtbar ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch Digitalisierung, Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln, Heft 238, Köln, im Dezember 2007, S. 97, abrufbar unter http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&ved=0CDIQFj AA&url=http%3A%2F%2Fwww.rundfunk-institut.uni-koeln.de%2Finstitut %2Fpdfs%2F23807.pdf&ei=Zh0uUcnHFory4QSckYDwDQ&usg=AFQjCNGmDexf7yuJhKjZ_huUZkMuek HsbQ&sig2=T_xU2Tvm4CjujPPB_Lqp0A [Stand: 27.02.2013]. 74 BVerfG 1 BvR 1013/99 75 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 59. 76 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 60. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 17 Kirchhof spricht hierbei von einem strukturellen Vorteil für jedermann.77 Eine so begründete Vorzugslast nähert sich allerdings deutlich dem Wesen einer Steuer.78 Wagner führt hierzu aus: „Der Vorteil eines funktionierenden Rundfunksystems kommt dem gesamten demokratischen Gemeinwesen zu Gute, welches dann auch die Finanzierung übernehmen sollte. Es handelt sich damit um eine Gemeinlast. Für die Finanzierung von Gemeinlasten wiederum hat die grundgesetzliche Finanzverfassung das Instrument der Steuer vorgesehen. (….) Ein Beitragsmodell, das seinen Gegenleistungsbezug so weit ausdehnt, dass ein struktureller Vorteil, der mittelbar jedem Bewohner der Bundesrepublik zu gute kommt, für die Begründung einer Finanzierungsverantwortlichkeit ausreicht, ist materiell nicht mehr von einer Steuer abzugrenzen.“79 Es ist Wagner darin zuzustimmen, nur den von Kirchhof aufgeführten weiteren möglichen Anknüpfungspunkt gelten zu lassen, das Entgelt für die vermutete individuelle Nutzung der öffentlich -rechtlichen Programme.80 Für die meisten Menschen, die tatsächlich in der Wohnung oder Betriebsstätte inklusive zugehöriger Kraftfahrzeuge das Rundfunkangebot in Anspruch nehmen, liegt ein unmittelbarer Vorteil vor. Diejenigen, die das Angebot nicht akut in Anspruch nehmen, erhalten aber die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Leistung, die sich auch als ein unmittelbarer Vorteil darstellt, was für die Einordnung als Beitrag ausreicht.81 Der Rundfunkbeitrag kann daher zu Recht an die grundsätzlich bestehende Möglichkeit anknüpfen, innerhalb der abgabepflichtigen Raumeinheiten Wohnung und Betriebsstätte mit den dort üblicherweise vorhandenen Rundfunkgeräten Rundfunk zu empfangen.82 Dass die von diesem Angebot Begünstigten weitgehend mit der Allgemeinheit identisch sind, steht der Einordnung als Beitrag nicht entgegen , da die betroffenen Gruppen durch die Zuordnung zu den erfassten Raumeinheiten hinreichend eingegrenzt sind.83 Allerdings stellt sich im Zusammenhang mit den Erwägungen der Möglichkeit, der Vermutung und der tatsächlichen individuellen Nutzung eines Vorteils aus dem Angebot des öffentlichrechtlichen Rundfunks, wie dieser öffentlich-rechtliche Vorteil zu bewerten ist und in welchem Verhältnis er zur Beitragshöhe und den multiplen Anknüpfungspunkten für seine Erhebung 77 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 59. 78 So Wagner (Fn. 54), S. 203; auch Degenhart (Fn. 39), ZUM 2011, 193 (196); v. Münch (Fn. 50), der zu bedenken gibt, dass mit diesem Argument auch die privaten Rundfunksender und Printmedien Anspruch auf Finanzierung per Beitrag hätten. 79 So Wagner (Fn. 54), S. 203f. 80 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 59. 81 So Wagner (Fn. 54), S. 202; vgl. auch Eicher (Fn. 4), Media Perspektiven 12/2012, 614 (617). 82 Schneider (Fn. 3), NVwZ 2013, 19 (22). 83 Vgl. Schneider (Fn. 3), NVwZ 2013, 19 (22). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 18 steht. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund eines weltweiten Konkurrenzangebots, das flächendeckend auch im Beitragsgebiet z. B. über Satellit und Internet genutzt werden kann. 7.3. Zur Notwendigkeit der Widerlegbarkeit der Nutzungsvermutung Der Einwand von Münchs und Degenharts, um das Prinzip der Gegenseitigkeit zu wahren, müsse zur Widerlegung der Beitragspflicht der Nachweis möglich bleiben, man nutze den Rundfunk nicht84, kann angesichts des Anknüpfungspunktes der Nutzungsmöglichkeit ebenso wenig durchschlagen , wie unter dem alten Rundfunk-Beitrag die Einlassung, ein empfangsbereites Gerät werde nicht genutzt. Die potentielle Nutzbarkeit des Vorteils bleibt hier wie dort gegeben.85 Um die notwendige Gegenleistungsbezogenheit des Rundfunkbeitrags zu gewährleisten, hielt auch Kirchhof es in seinem Gutachten für notwendig, einen Ausnahmevorbehalt für die Pflichtigkeit vorzusehen für die Fälle, in denen ein Empfang des Angebots nicht möglich ist.86 Wagner will hierzu die Fälle rechnen, in denen eine Wohnung oder Betriebsstätte für eine nicht nur vorübergehende Zeit nicht bewohnt bzw. nicht genutzt werde, denn Bezugspunkt sei ja der Mensch und die Gruppe von Menschen, die an diesen Orten üblicherweise Rundfunk nutzten.87 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die objektive Möglichkeit der Rundfunknutzung auch in leer stehenden Wohnungen und Betrieben besteht, der Vorteil also auch in diesen Fällen gegeben ist. Die notwendige Typisierungsbefugnis erlaubt es dem Gesetzgeber, solche zahlenmäßig nicht beachtlichen Fälle unberücksichtigt zu lassen. Kirchhof denkt als Situation, in der die Regelvermutung widerlegbar sein sollte an Orte, an denen der Empfang objektiv nicht möglich sei, wie z. B. bei einer Alpenhütte im Funkloch auf den Bergen.88 Derartige Fälle objektiver Unmöglichkeit des Empfangs erscheinen zunehmend theoretisch. So weist Bosman darauf hin, dass es tatsächlich keinen bewohnten Ort in Deutschland geben dürfte, der nicht durch eine der Rundfunkverbreitungstechniken Satellit, Kabel, Terrestrik (DVB-T), IPTV/DSL oder Internet erreichbar wäre.89 Theoretische Einzelfälle objektiv fehlender Nutzungs- 84 v. Münch (Fn. 50); Degenhart (Fn. 39), ZUM 2011, 193 (196 f). 85 Vgl. auch Bosman (Fn. 57), K + R 2012, 5 (9). 86 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 61 f. 87 Wagner (Fn. 54), S. 202 f, 257. 88 Kirchhof, Gutachten (Fn. 6) S. 61 f.; auch Wagner: technisch ausgeschlossen (Fn. 54), S. 202. 89 Bosman (Fn. 57), K + R 2012, 5 (9 Fn. 42); Schneider (Fn. 3), NVwZ 2013, 19 (22). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 19 möglichkeit können das für die Einstufung als Beitrag notwendige Konzept der Gegenleistungsbezogenheit nicht zum Scheitern bringen. Der Gesetzgeber war daher nicht dazu verpflichtet, einen Ausnahmetatbestand für diese Fälle vorzusehen, um die Beitragseigenschaft zu gewährleisten. Nicht theoretisch sind jedoch die Fälle, in denen sich gleichzeitige Nutzungen des öffentlichrechtlichen Angebots an unterschiedlichen Orten ausschließen: z. B. in Haupt- und Nebenwohnungen . 90 Eines der zentralen Ziele der Abgabenumstellung war die Einführung einer gerechteren Erhebungsform, was die Akzeptanz der neuen Regelung in der Bevölkerung stärken sollte. Vorrangig sollte die Quote der sogenannten Schwarzhörer und –seher gesenkt werden. Diese Vorstellung knüpft aber unmittelbar an den individuellen tatsächlichen und nicht potentiellen Konsum des öffentlich-rechtlichen Angebots, für den kein individueller Beitrag entrichtet wird. Ob sich die Akzeptanz mit der Einführung multipler Anknüpfungspunkte für die Beitragserhebung bei stetig abnehmenden Konsum des öffentlich-rechtlichen Angebots erhöht, ist fraglich. 8. Ergebnis Mit dem Anknüpfen an die Möglichkeit des Rundfunkempfangs in Wohnungen und Betrieben kann die Gegenleistungsbezogenheit der neuen Rundfunkabgabe begründet werden. Sie stellt danach einen Beitrag und keine Steuer dar. Die Regelungskompetenz lag daher bei den Ländern. Der Beitrag ist formell rechtmäßig. Dennoch ergeben sich aus der Diskussion über die Umstellung der Abgabenform eine Reihe von Fragen, die einen großen Reformbedarf91 im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem offen legen. Selbst der Autor92 des Gutachtens zur Einführung des neuen Rundfunkbeitrags sieht als Konsequenz des neuen Beitrags eine gesteigerte Transparenzpflicht mit Offenlegung der Produktions- 90 In Frankreich wurde die Einführung einer Rundfunkgebühr für die Zweitwohnung erwogen, aber zurückgestellt. Sie sollte zur Gegenfinanzierung bei der der schrittweisen Einführung eines Werbeverbots für öffentlich-rechtliche Sender beitragen. Vgl. Breunig, Christian, Werbeverbot in Frankreich auf dem Rückzug, in: Media Perspektiven , 1/2013, S. 15 (13-20). Eine Beschwerde des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer, die auch auf die Problematik der Erhebung auf eine Zweitwohnung in einem Wochenendhaus abstellte, wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Begründung den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht entsprochen habe. Vgl. hierzu epd medien, Verband scheitert in Karlsruhe gegen Rundfunkbeitrag, Nr. 7, 15.02.2013, S. 8; zum Wortlaut der Beschwerde, in der ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG vorgebracht wurde, vgl. Verband Deutscher Grundstücksnutzer, Bundesverfassungsgericht nimmt weitere VDGN-Beschwerde gegen neuen Rundfunkbeitrag zur Bearbeitung an, 03.01.2013, http://www.vdgn.de/news-single/article/bundesverfassungsgericht-nimmt-weitere-vdgn-beschwerde-gegenneuen -rundfunkbeitrag-zur-bearbeitung-a/ [Stand: 25.02.2013]. 91 Vgl. dazu z.B. Siebenhaar, Hans-Peter, Die Nimmersatten - Die Wahrheit über das System ARD und ZDF, Eichborn Verlag 2012; ders., „ARD und ZDF sind zu einem Rundfunkstaat im Staat verkommen“, Deutsche-Wirtschaft -Nachrichten vom 22.11.2012, abrufbar unter http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2012/11/20/siebenhaar -ard-und-zdf-sind-zu-einem-rundfunkstaat-im-staat-verkommen [Stand: 28.02.2013]. 92 Paul Kirchhof: „Jeder Beitragsschuldner hat einen Anspruch darauf, zu wissen, was mit seinem Geld geschieht, welche Sendung für welche Summen gekauft und produziert wird.“ und „Der Informationsanspruch betrifft den Einfluss des Geldes auf das öffentlich-rechtliche System. Daher sollten alle Zahlungen, die Mitwirkende an einer Sendung befangen machen könnten, offengelegt werden. Dabei sollte keine Rolle spielen, wie die Person Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 20 und Personalkosten. Außerdem hält er es im Rahmen der Unabhängigkeit für erforderlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Einnahmen aus der Werbung ganz verzichtet. Zu den weiteren Problembereichen zählen insbesondere: Die wettbewerbliche Relevanz eines mit einer Zwangsabgabe finanzierten Angebots (Marktverzerrung bei privaten Sendern und journalistischen Printmedien); steter Rückgang der Zahl der Nutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebots; die Verhältnismäßigkeit von Nutzen der öffentlich -rechtlichen Leistung und Höhe der Zwangsabgabe; der Umfang des gesetzlichen Auftrags und seine tatsächliche Ausgestaltung – auch in Abgrenzung zum Angebot privater Sender; das außergewöhnlich große Finanzvolumen im Vergleich zu ausländischen öffentlich-rechtlichen Sendern, welches als unüberbietbare monopolartige Einkaufsmacht auch zu Verzerrungen auf nachgelagerten Märkten führt; die Intransparenz93 der Mittelverwendung insbesondere bei Personal - und Sachaufwand und Mängel bei der internen Finanzkontrolle. arbeitsrechtlich im Sender eingegliedert ist.“ Vgl. Paul Kirchhof im Gespräch mit Melanie Aman, „Der Rundfunkbeitrag ist wie eine Kurtaxe", FAZ, 19.01.2013, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/rechtsteuern /paul-kirchhof-im-gespraech-der-rundfunkbeitrag-ist-wie-eine-kurtaxe-12030778.html. [Stand: 05.03.2013]. 93 Einen aktuellen umfassenden Überblick über Transparenzdefizite bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gibt Schoch, Friedrich, Keine Auskunft – Transparenzdefizite im System von ARD und ZDF, in: epd medien, 01.02.2013, S 3-8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 005/13 Seite 21 9. Literaturverzeichnis Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (agf), Marktanteile, abrufbar unter http://www.agf.de/daten /zuschauermarkt/marktanteile [Stand: 22.02.2013]. AS&S (ARD-Werbung SALES & SERVICES GmbH), ma 2012 Radio I, abrufbar unter http://www.ard-werbung.de/fileadmin/downloads/forschung/Radioforschung/2012_I_Basics _final_neu.pdf [Stand: 25.02.2013]. 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