© 2016 Deutscher Bundestag WD 10 - 3000 - 004/16 Besetzung der Leitungsorgane öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in ausgewählten Staaten der EU Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 2 Besetzung der Leitungsorgane öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in ausgewählten Staaten der EU Aktenzeichen: WD 10 - 3000 - 004/16 Abschluss der Arbeit: 10. Februar 2016 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung – Das neue Mediengesetz in Polen 4 2. Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den EU-Staaten 5 3. Die in Deutschland gültigen Vorgaben 6 4. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Großbritannien 9 5. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Frankreich 11 6. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich 12 7. Die Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den ost- und südosteuropäischen Staaten 12 7.1. Die Situation in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens 13 7.2. Die Situation in Bulgarien 13 8. Schluss 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 4 1. Einleitung – Das neue Mediengesetz in Polen Seit den Parlamentswahlen vom 25. Oktober 2015 in Polen verfügt dort mit der nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zum ersten Mal seit 1989 wieder eine Partei über die absolute Mehrheit im Parlament. Die damit verbundene Macht nutzt die neue Regierung zum Umbau von Justiz und Verwaltung sowie der Medienlandlandschaft. Seit dem 8. Januar 2016 gilt in Polen ein neues Mediengesetz, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, „Telewizja Polska“ (TVP) sowie „Polskie Radio“, de facto der Regierung direkt unterstellt . Die Leitungsorgane der öffentlichen Sendehäuser können vom zuständigen Schatzminister ernannt und jederzeit ohne Angabe von Gründen wieder abberufen werden.1 Feste Amtsperioden sind abgeschafft. Damit sind die Leitungsorgane vom Wohlwollen der Regierung abhängig.2 Die Schutz- und Aufsichtsmöglichkeiten des bisher alles entscheidenden Rundfunkrats KRRiT werden durch das neue Gesetz radikal beschnitten. Die Mitglieder des Rundfunkrats wurden allerdings schon immer von Parlament und Regierung eingesetzt, genossen aber dank ihrer langen Amtszeit von sechs Jahren große Unabhängigkeit und konnten weniger unter Druck gesetzt werden , weil eine Wiederwahl ohnehin nicht zulässig war.3 Auch konnten die Vorstände der Sender nicht einfach von der Regierung eingesetzt werden, sondern ihrer Ernennung musste ein Wettbewerb vorausgehen. Hierbei durften auch gesellschaftliche Kräfte wie die Kollegialorgane der Hochschulen mitreden. Ferner gab es eine festgesetzte Amtszeit von drei Jahren.4 1 Flückiger, Umstrittenes Mediengesetz in Polen, Neue Züricher Zeitung, 05.01.2016, S. 3. 2 So Schuller, Mit System, Polens Nationalkonservative gehen beim Umbau des Staates sorgfältig vor, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2016, S. 8. 3 Kritsch zu Korruptionsskandalen und engen Verbindungen des KRRiT mit der früheren Regierung Milutinović, Fernsehen im ehemaligen Jugoslawien – Die Transformation zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, 2011, S. 61 f, Internetresource. 4 Vgl. Schuller, Mit System, Polens Nationalkonservative gehen beim Umbau des Staates sorgfältig vor, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2016, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 5 2. Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den EU-Staaten In Europa haben sich die Rundfunksysteme in nahezu allen Staaten zu dualen Systemen entwickelt , in denen öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanbieter in unterschiedlicher Trägerschaft nebeneinander existieren.5 Dabei gibt es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den einzelnen Ländern Europas Vielfalt hinsichtlich des Rechtsstatus und der Organisation6 sowie auch der Finanzierung.7 Die Leitungsstruktur der Anbieter öffentlich-rechtlichen Rundfunks ähnelt sich aber in wesentlichen Punkten. „Im Prinzip sind zwei Ebenen relevant: der Generaldirektor/ Generalintendant und der strategische Ausschuss, häufig auch Programmrat genannt. Letzterer besteht im Idealfall aus Vertretern der zivilen Gesellschaft, wird von dieser auch bestimmt und trägt große Verantwortung. Unter anderem ist er mit strategischen Aufgaben wie der Budgetaufteilung, der politischen Ausrichtung sowie allgemeinen Aktivitäten des Senders oder der Schaffung ethischer Richtlinien beauftragt und fungiert zudem als Kontrollinstanz bezüglich der Arbeit des Generaldirektors , den er darüber hinaus in den meisten Fällen auch ernennt bzw. entlässt. Folglich verfügt er über Steuerungskraft, was letztlich als systematischer Ansatzpunkt einer gesellschaftlichen Steuerung im Hinblick auf besondere gesellschaftliche Ziele betrachtet werden kann. Der Programmrat, dessen Mitgliederzahl von Land zu Land variiert, hat demnach den größten Einfluss auf die aktiven und real tätigen Ebenen innerhalb der Anstalten. So wird in den meisten Ländern der Generaldirektor durch eben diesen Ausschuss gewählt, der dann letztlich die restlichen Führungskräfte auswählt.“8 Staatlicher Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann bei der Besetzung und Zusammensetzung der Leitungsorgane und Überwachungsgremien ansetzen und damit Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen; er kann aber auch über Finanzierungsregelungen erfolgen. Im Folgenden wird die Rechtslage in verschiedenen Ländern der EU daraufhin untersucht, ob sie eine staatliche Einflussnahme auf die Besetzung der Leitungsorgane der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zulässt. 5 Roßnagel/Strothmann, Die duale Rundfunkordnung in Europa, 2004, S. 15 f. 6 Einen Überblick über die Entwicklung der gesamten Medienlandschaft in den Ländern Europas und vieler anderer Staaten gibt das vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg herausgegebene Internationale Handbuch Medien, 2009. Darstellungen der dualen Rundfunkordnungen verschiedener Länder der EU enthalten der Bericht Die öffentlich-rechtliche Rundfunkkultur, 2007, von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, die Untersuchung von Voß, Pluraler Rundfunk in Europa – ein duales System für Europa? 2008, S. 78 – 170 sowie Christl/Süssenbacher (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010. 7 Ausführlich Perten, Rundfunkfinanzierung in Europa, Eine rechtsvergleichende Untersuchung der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Großbritannien, Schweden, Polen, Italien, Spanien und Frankreich, 2014, S. 159 ff. 8 Milutinović, Fernsehen im ehemaligen Jugoslawien – Die Transformation zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, 2011, S. 73, Internetresource. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 6 3. Die in Deutschland gültigen Vorgaben Grundlegende gemeinsame Regelungen für den öffentlich-rechtlichen wie auch für den privaten Rundfunk haben die Länder durch Staatsverträge geschaffen. Seit dem 1. Januar 1992 gilt in allen Bundesländern der „Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland“ in der Fassung des 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 18. Juni 2015.9 Dessen zentraler Bestandteil ist die Novelle des ZDF-Staatsvertrags und der darin enthaltenen Regelungen zur künftigen Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des ZDF. Mit den Änderungen werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, das in seinem Urteil vom 25.3.2014 u.a. mehr Staatsferne in den Gremien des ZDF wie auch in den Gremien der übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verlangt hatte.10 Darüber hinaus haben die Länder die Bereiche des öffentlichen und des privaten Rundfunks in jeweils unterschiedlichen Landesrundfunkgesetzen geregelt, die Aufbau und Funktion der öffentlich -rechtlichen Landesrundfunkanstalten bestimmen.11 Die Organe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind gesetzlich vorgegeben und folgen in allen Bundesländern einem einheitlichen Modell.12 Alle Anstalten verfügen über einen Intendanten , der als zentrales Organ die Geschäfte der Anstalt leitet und die konkrete Programmverantwortung trägt, sowie als interne Aufsichtsgremien einen Rundfunkrat (beim ZDF: Fernsehrat) und einen Verwaltungsrat. Zu den Aufgaben des Rundfunkrats zählen vor allem der Erlass von - allgemein-abstrakt formulierten - Programmrichtlinien, die Überwachung der Einhaltung dieser Richtlinien und der im Staatsvertrag geregelten allgemeinen Programmgrundsätze, die Beratung des Intendanten in Programmfragen sowie die abschließende Genehmigung des Haushaltsplans. Außerdem wählt der Fernsehrat den Intendanten. Die Mitglieder beider Gremien sind an Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. 13 Zu den Aufgaben des Verwaltungsrats gehört insbesondere die Überwachung der geschäftlichen Tätigkeit des Intendanten. Er beschließt über den Dienstvertrag mit dem Intendanten sowie den 9 Text des 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 18. Juni 2015 abrufbar über https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail _text?anw_nr=6&vd_id=15412&ver=8&val=15412&sg=0&menu=1&vd_back=N (Das Datum der Abrufe in dieser Arbeit entspricht dem Abgabedatum). 10 BVerfG, Urteil vom 25. März 2014, BVerfGE 136, 9-68 (ZDF-Gremien). 11 Fechner, Medienrecht, 16. Auflage 2015, 10. Kapitel: Rundfunkrecht, Rn. 174. 12 Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, S. 152 Rn. 66. 13 Fechner, Medienrecht, 16. Auflage 2015, 10. Kapitel: Rundfunkrecht, Rn. 181 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 7 vom Intendanten aufgestellten Haushaltsplan und erlässt die Finanzordnung. Mit Zustimmung des Fernsehrats kann der Verwaltungsrat den Intendanten auch entlassen. Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks. Durch die pluralistische Zusammensetzung des Kontrollorgans aus Vertretern aller gesellschaftlich relevanten Gruppen, die in den Rundfunkgesetzen im Einzelnen bestimmt sind, soll die in der Gesellschaft bestehende Meinungsvielfalt zum Ausdruck kommen und gesichert werden. Wegen dieser Zusammensetzung der Rundfunkräte wird die Organisation öffentlich-rechtlichen Rundfunks als „binnenplural“ bezeichnet.14 Auch Mitglieder aus Regierung und Parlament können dem Rundfunkrat angehören. Eine politische Instrumentalisierung des Rundfunks muss jedoch dadurch verhindert werden, dass staatliche und staatsnahe Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss in den Gremien erlangen können .15 Seit seinem ersten Rundfunkurteil16 hat das Bundesverfassungsgericht stets die Notwendigkeit staatsferner Rundfunkorganisation betont, aber erst in seinem letzten, dem 14. Rundfunkurteil 17, dezidiert dazu Stellung genommen, wie eine staatsferne Besetzung in den Gremien sichergestellt wird. Anlass für dieses Verfahren war 2009 der Einfluss des Hessischen Ministerpräsidenten Koch (CDU) in dem von der Union dominierten ZDF-Verwaltungsrat auf die Nicht-Verlängerung des Vertrages mit dem damaligen ZDF-Chefredakteur Brender. Das Bundesverfassungsgericht legt in dieser Entscheidung eine eindeutige numerische Obergrenze für die staatlichen und staatsnahen Vertreter fest. Ihr Anteil darf in den Gremien Fernsehrat und Verwaltungsrat und in deren Ausschüssen ein Drittel auf keinen Fall übersteigen.18 Um zu bestimmen, wer im Sinne dieser Anteilsbegrenzung als staatliches und staatsnahes Mitglied zu gelten hat, muss eine funktionale Betrachtungsweise angelegt werden.19 Maßgeblich ist hierfür, ob es sich um eine Person handelt, die staatlich-politische Entscheidungsmacht innehat oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat steht.20 Danach sind neben den Mitgliedern einer Regierung, politischen Beamten, Wahlbeamten in Leitungsfunktion , wie insbesondere Bürgermeister oder Landräte, und Personen, die als Vertreter 14 Hesse, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2003, S. 158 Rn. 78. 15 So BVerfG, Urteil vom 25. März 2014, zitiert nach Juris, Rn. 43 ff. 16 BVerfG, Entscheidung vom 28. Februar 1961,BVerfGE 12, 205 – 264 (Deutschland-Fernsehen). 17 BVerfG, Urteil vom 25. März 2014; eine Übersicht über die Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet sich bei Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck´scher Onlinekommentar Informations- und Medienrecht , Art. 5 GG Rn. 58 ff. 18 So Dörr, Staatsferne und Vielfalt, Anmerkungen zum ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Medienkorrespondenz , http://www.medienkorrespondenz.de/leitartikel/artikel/staatsferne-und-vielfalt.html. S. 6; BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 51 ff. 19 BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 57. 20 So BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 58. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 8 der Kommunen in die Aufsichtsgremien bestellt werden, auch solche Mitglieder der Aufsichtsgremien als staatsnah einzustufen, die von politischen Parteien entsandt werden, da diese sich unweigerlich in staatlich-politischen Entscheidungszusammenhängen bewegen würden und in den demokratischen Wettbewerb um Amt und Mandat eingebunden seien.21 Auch bei den übrigen Mitgliedern der Aufsichtsgremien, der Gesellschaftsbank, muss die Zusammensetzung staatsfern und vielfältig ausgestaltet werden. Weder bei der Auswahl noch bei der Bestellung der staatsfernen Mitglieder dürfen Regierungsmitglieder oder sonstige Vertreter der Exekutive einen bestimmenden Einfluss haben.22 Der Gesetzgeber muss ferner Inkompatibilitätsregelungen schaffen, die sicherstellen, dass die als staatsferne Mitglieder in die Aufsichtsgremien zu berufenden Personen auch persönlich in hinreichender Distanz zu staatlich-politischen Entscheidungszusammenhängen stehen. Auszuschließen von einer Bestellung für die Gesellschaftsbank sind danach neben Regierungsmitgliedern, Parlamentariern, politischen Beamten oder Wahlbeamten in Leitungsfunktionen auch solche Personen, die in herausgehobener Funktion für eine politische Partei Verantwortung tragen. Die konkrete Festlegung, wann eine Person eine herausgehobene Stellung in einer politischen Partei innehabe, obliege zwar dem Gesetzgeber; das Bundesverfassungsgericht weist aber darauf hin, dass es denkbar ist, auf Ämter oberhalb der Kreis- oder Bezirksebene abzustellen. Zu denken sei ferner an eine Statuierung von Karenzzeiten .23 Die Regelungen zur Auswahl und Bestellung der staatsfernen Mitglieder müssen sich erkennbar an dem Ziel der Vielfaltsicherung ausrichten. Hierbei ist den Gefahren einer Dominanz von Mehrheitsperspektiven und einer Versteinerung der Zusammensetzung der Gremien entgegenzuwirken .24 Erforderlich ist, dass die Mitglieder hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung weisungsfrei gestellt werden und nur aus wichtigem Grund abberufen werden dürfen.25 Schließlich verlangt das Bundesverfassungsgericht, dass der Gesetzgeber Regelungen schafft, die für die Arbeit der Aufsichtsgremien ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisten.26 21 Dörr, Staatsferne und Vielfalt, Anmerkungen zum ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Medienkorrespondenz , http://www.medienkorrespondenz.de/leitartikel/artikel/staatsferne-und-vielfalt.html, S. 7; BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 59 ff. 22 BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 64 ff. 23 Vgl. zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 75 ff; Dörr, Staatsferne und Vielfalt, Anmerkungen zum ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Medienkorrespondenz, http://www.medienkorrespondenz .de/leitartikel/artikel/staatsferne-und-vielfalt.html, S. 8. 24 BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 68, 71 ff 25 So BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 80, 81. 26 BVerfG, Urteil vom 25.3.2014, zitiert nach Juris, Rn. 82 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 9 Die in § 31 Abs. 1 BVerfGG verankerte Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen umfasst auch ihre tragenden Gründe. Daher sind die dargestellten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine verfassungskonforme Regelung der Zusammensetzung der Gremien für alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten maßgebend. Bei der Novellierung des ZDF-Staatsvertrages wurde den Vorgaben umfassend Rechnung getragen . Der Staatsblock des 60 Mitglieder zählenden Fernsehrats besteht aus 16 Ländervertretern, zwei Vertretern des Bundes und zwei der kommunalen Spitzenverbände (§ 21 Abs. 1 Buchstabe a – c ZDF-StV). Die Parteien verlieren ihr Entsenderecht komplett. Vorschriften zur Inkompatibilität stellen sicher, dass staatliche und staatsnahe Mitglieder auch nicht über den Gesellschaftsblock ins Gremium gelangen können und sehen eine Karenzzeit von 18 Monaten vor (§ 19a Abs. 3 und 5 ZDF-StV). Auch beim Verwaltungsrat ist der Anteil staatlicher Mitglieder auf ein Drittel begrenzt. Die staatlichen und staatsnahen Mitglieder des Fernsehrates sind nicht wählbar (§ 24 Abs. 1 Buchstabe b ZDF-StV). Bei den Rundfunkanstalten der ARD gewährleisten nahezu alle Rechtsgrundlagen die nötige staatsferne Besetzung mit einem Drittel Mitglieder für die Staatsbank zu zwei Dritteln Mitglieder für die Gesellschaftsbank. Wo dies nicht der Fall ist, liegt das an den Vertretern der Städte-, Landkreis- und Gemeindetagen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nunmehr der Staatsbank zugerechnet werden müssen. Kein Gesetz gewährleistet die nötige Staatsferne bei der Besetzung der Verwaltungsräte, für die die Drittel-Grenze gleichermaßen festgelegt wurde. Die Gesetze lassen dabei aber Raum für eine verfassungskonforme Anwendung. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass die rechtlichen Vorgaben in Deutschland einen bestimmenden Einfluss des Staates auf die Besetzung der Leitungsorgane öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten auszuschließen geeignet sind. 4. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Großbritannien 1921 gegründet, ist die British Broadcasting Corporation (BBC) die weltweite größte gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und gilt als Musterbeispiel eines unabhängigen öffentlichen Senders.27 Rechtsgrundlage bildet die Royal Charter, die alle zehn Jahre erneuert wird.28 Das britische Pendant zum deutschen Rundfunkrat/Fernsehrat war seit 1927 der Board of Govenors. Mit einer umfassenden Verwaltungsreform der BBC wurde 2007 eine strikte Trennung zwischen Unternehmensführung und Aufsicht angestrebt. Der Board of Governance wurde durch den BBC Trust (Aufgaben der Selbstregulierung, Kontrolle über die Tätigkeit des Executive Board, Wahrnehmung öffentlicher Interessen) und das Executive Board (Leitung des operativen 27 Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 202. 28 Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 202. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 10 Geschäfts) ersetzt.29 Die Geschäftsführung obliegt nun allein dem BBC Executive Board, das gegenüber dem Trust rechenschaftspflichtig ist.30 BBC Trust ist der Rundfunkrat der britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Die zwölf Mitglieder des Trusts werden von Ministern der Regierung vorgeschlagen und durch die Krone ernannt. Dem vorgelagert ist ein Auswahlverfahren, in dem die Kandidaten vor eine Kommission geladen werden, die aus einem Vertreter des Ministeriums für Kultur, Medien und Sport, dem Vorsitzenden des BBC Trust und einem unabhängigen Gutachter besteht.31 Nach einem persönlichen Gespräch werden geeignete Kandidaten an die Regierung empfohlen. Bei der Auswahl der Mitglieder kann die Regierung grundsätzlich frei entscheiden. Die Unabhängigkeit der Kandidaten ist ein wichtiger Faktor für ihre Ernennung. So vertritt kein einziges Mitglied parteipolitische Interessen und auch keine speziellen gesellschaftlichen Interessen. Allein die vier Trust-Mitglieder , die eine Art Regionalvertreter darstellen, vertreten allgemein die Interessen der Teilstaaten. Kenntnisse der Medienlandschaft werden allerdings vorausgesetzt und auf unterschiedliche Ausbildungen und Berufserfahrungen Wert gelegt.32 Obwohl die britische Regierung das Vorschlagsrecht hat, scheint es in der Praxis noch nicht zu parteiischen Einflussnahmen gekommen zu sein.33 Die Rechtslage schließt staatlichen Einfluss jedoch nicht verlässlich aus. Dazu könnte ferner beitragen, dass die Regierung durch Rechtsverordnung (Order in Council) dazu befugt ist, die Amtszeit der Trust-Mitglieder auch vorzeitig zu beenden.34 Das BBC Executive Board ist als Vorstand der BBC für das operative Geschäft zuständig und trägt die wirtschaftliche Verantwortung. Der Vorstand setzt sich aus zehn geschäftsführenden Mitgliedern und sechs externen nicht geschäftsführenden Mitgliedern zusammen, denen eine Aufsichtsfunktion zukommt. Der Vorstandvorsitzende ist zugleich Generaldirektor der BBC und wird vom BBC Trust ernannt. Die übrigen geschäftsführenden Mitglieder werden auf Vorschlag eines internen Nominierungsausschusses vom Vorstand selbst ernannt. Nicht geschäftsführende Mitglieder müssen zudem vom Trust bewilligt werden.35 29 Jahn, Drei-Stufen-Test und plurale Rundfunkaufsicht. Zur Unabhängigkeit und Effizienz der Gremienarbeit, in: Schriften zum Informations,- Telekommunikations- und Medienrecht, Band 45, Münster 2011, S. 200. 30 Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 202 f. 31 Bettels-Schwabbauer, Kaum zu trennen - Medien und Politik, erschienen am 22.10.2013 in EJO-European Journalism Observatory, abrufbar unter: http://de.ejo-online.eu/medienpolitik/kaum-trennen-medien-und-politik. 32 Vgl. Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 203. 33 So Müller, Ökonomischer und staatlicher Einfluss auf die Medien in Europa, Drei Länderbeispiele, Vorgänge Heft 4/2010, S. 50, Internetresource; ebenso Prosser, in: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkkultur, Herausgegeben von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (2007), S. 112., 34 Vgl. Art. 16 Royal Charter; Jahn, Drei-Stufen-Test und plurale Rundfunkaufsicht. Zur Unabhängigkeit und Effizienz der Gremienarbeit, in: Schriften zum Informations,- Telekommunikations- und Medienrecht, 2011, S. 204. 35 So Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 205. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 11 5. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Frankreich Der Rundfunk in Frankreich war lange Zeit von einem staatlichen Monopol geprägt, was bis heute angesichts großer staatlicher Eingriffe in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachwirkt. Erst ab 1974 wurde der Rundfunk in Frankreich allmählich von der staatlichen Kontrolle gelöst und liberalisiert.36 Im Jahr 1986 wurde die Holding France Télévisions SA (FTV) geschaffen, die alle öffentlich-rechtlichen Sender in einer Aktiengesellschaft vereinigt und zu 100 Prozent dem Staat gehört.37 Jeder Sender hat einen Verwaltungsrat, der die strategische Ausrichtung und Programmplanung festlegt sowie die Geschäftsführung und Einhaltung der Gesetze überprüft.38 Die gemeinsame Regulierungsbehörde CSA (Conseil Supérieur de l`Audivisuel) hat die Aufgabe, öffentlich-rechtliche und private Sender zu kontrollieren. Der Verwaltungsrat besteht aus dem Geschäftsführer und 14 weiteren Mitgliedern: zwei Abgeordneten des Parlaments, fünf Repräsentanten des Staates, fünf unabhängigen Personen, die von der Regulierungsbehörde CSA aufgrund ihrer Kompetenz bestimmt werden, und zwei Personalvertretern . Der Staatsblock umfasst damit die Hälfte der Sitze. Der Präsident des Verwaltungsrats ist zugleich Generaldirektor von FTV. Er vertritt die Gesellschaft nach außen und bestimmt die Mitglieder der Geschäftsführung. Unter Präsident Sarkozy wurde 2009 eine Gesetzesreform verabschiedet, nach der der Generaldirektor vom französischen Staatspräsidenten mit Zustimmung der CSA auf fünf Jahre ernannt wurde. 2013 wurde dieses Gesetz revidiert; seither werden die Senderchefs wieder von der Aufsichtsbehörde CSA berufen. Aber auch die Besetzung der CSA beruht auf politischen Entscheidungen. Seine neun Mitglieder werden für eine Dauer von sechs Jahren zu jeweils einem Drittel vom Staatspräsidenten, vom Vorsitzenden des Senats und vom Vorsitzenden der Bundesversammlung ernannt.39 Und der Präsident der CSA wird vom Präsidenten der Republik ernannt.40 36 So Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 244. 37 Christl/Süssenbacher, (Hrsg.), Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa, 2010, S. 244. 38 Zum Ganzen Marcangelo-Leos, in: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkkultur, Herausgegeben von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (2007), S. 95. 39 Delcros, IRIS Merlin, Frankreich Der Conseil Supérieur de l'Audiovisuel feiert sein zehnjähriges Bestehen, 1999. 40 Weigel, Einflussnahme mit Tradition, In Frankreich schaut der Staat bei Hörfunk und Fernsehen genau hin, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Januar 2016; kritisch zum Einfluss der Politik auch Marcangelo-Leos, in: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkkultur, Herausgegeben von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (2007), S. 98 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 12 Mit den für Deutschland gültigen Anforderungen an die Gewährleistung von Staatsferne (s. o. unter 3.) sind diese rechtlichen Strukturen nicht vereinbar. 6. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen ORF ist das ORF-Gesetz vom 5. Juni 2001, das die vormalige öffentlich-rechtliche Anstalt in eine Stiftung sui generis mit eigener Rechtspersönlichkeit überführt. Stiftungszweck ist die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Der ORF betreibt drei landesweit und neun bundeslandweit empfangbare Hörfunkprogramme sowie zwei landesweit empfangbare Fernsehprogramme. Oberstes Gremium des ORF ist der Stiftungsrat, dessen 35 Mitglieder für die Dauer von vier Jahren entsendet werden. Mandatsträger politischer Parteien dürfen dem Stiftungsrat nicht angehören . Der Einfluss der Politik ergibt sich jedoch aus dem Modus der Entsendung der Mitglieder: neun Mitglieder von der Bundesregierung, je ein Mitglied von den neun Bundesländern, sechs vom Publikumsrat, fünf vom Zentralbetriebsrat des ORF. Sechs Mitglieder entsendet die Bundesregierung „unter Bedachtnahme“ auf die Vorschläge der im Nationalrat vertretenen politischen Parteien.41 Ähnlich einem Aufsichtsrat entscheidet der Stiftungsrat über die Bestellung und Abberufung des Generaldirektors (für die Dauer von fünf Jahren), der Landesdirektoren sowie über andere wichtige Personalbesetzungen. Neben dem Stiftungsrat vertritt ein Publikumsrat die Interessen der Hörer und Seher.42 7. Die Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den ost- und südosteuropäischen Staaten In den postsozialistischen Staaten Ost- und Südosteuropas übten die westeuropäischen Modelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach 1990 großen Einfluss auf die Reformen aus. In den meisten Fällen kam es zu einer Aufteilung in einen privaten Sektor und einen vom Staat unabhängigen öffentlich-rechtlichen Bereich. Der Grad der Unabhängigkeit wurde jedoch unterschiedlich ausgelegt und jede Legislative schuf eigene Rahmenbedingungen, die den Unabhängigkeitsgrad definierten. Folglich gibt es heute in diesem Punkt zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern.43 41 Vgl. Steinmaurer, in: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Internationales Handbuch Medien, 2009, S. 511. 42 Steinmaurer, ebenda. 43 So Milutinović, Fernsehen im ehemaligen Jugoslawien – Die Transformation zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk , 2011, S. 60 f, Internetresource. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 13 7.1. Die Situation in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens Obwohl alle sieben Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens (Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Mazedonien und Kosovo) in ihren Verfassungen, einschließlich der Mediengesetzgebung, in großen Teilen europäischen Standards entsprechen, gibt und gab es noch immer indirekte oder direkte Versuche der Regierungen, den eigenen Einfluss auf die jeweilige öffentlich-rechtliche Anstalt zu vergrößern. Meistens geschieht dies durch die personelle Besetzung der Kontrollorgane, aber auch durch die Bestimmung der Höhe der Rundfunkgebühren. Zu den Zeiten der kommunistischen Diktaturen bestimmte die Staatsmacht, was im jeweiligen Land publiziert wurde. Und auch heute noch üben die politischen Parteien Druck auf die Chefredakteure und Intendanten aus.44 In allen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens gibt es ein offiziell unabhängiges Organ, das mit der Aufsicht und Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunksektors und seiner Anstalten betraut ist.45 Ebenso verfügen alle genannten Länder über verfassungsrechtliche Garantien der Pressefreiheit ; die Umsetzung dieser schlägt aber meist noch fehl.46 Ähnlich sieht es mit den Regulierungsinstanzen aus, die unterschiedlich ausgearbeitet sind. Unterschiede gibt es hierbei vor allem bei dem Grad staatlichen Einflusses auf die Aufsichtsinstanz. Personell bewegt sich die Zahl der einzelnen Gremien zwischen fünf (Montenegro) und neun (Serbien und Mazedonien) Personen. Die Unterschiede zeigen sich aber bei der Auswahl der Personen . Während in Bosnien-Herzegowina und Kroatien alle sieben Personen von staatlicher Hand gewählt werden, überlässt man in Mazedonien und Slowenien die Auswahl nicht-staatlichen Vertretern. In Serbien hat der Staat noch auf 50% der Mandatsträger direkten Einfluss, im Kosovo auf 43%.47 7.2. Die Situation in Bulgarien Rechtsgrundlage für den Rundfunk in Bulgarien bildet das „Gesetz für die elektronischen Medien “, das 1998 verabschiedet und 2001 grundlegend novelliert wurde und sich an den europäischen Modellen orientiert.48 Es erfasst öffentlich-rechtliche und private Rundfunkveranstalter. 44 So Bogavac, „Journalisten unter Druck in Südosteuropa“, Deutsche Welle vom 03.05.2013, abrufbar unter: http://www.dw.com/de/journalisten-unter-druck-in-s%C3%BCdosteuropa/a-16784280. 45 Milutinovic, Fernsehen im ehemaligen Jugoslawien – die Transformation zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, 2011, S. 385, Internetresource. 46 Presse-Information der Konrad-Adenauer-Stiftung, „Ranking zur Pressefreiheit in Südosteuropa: Albanien legt stark zu, Bulgarien rutscht weiter ab“, KAS vom 12.02.14, abrufbar unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_36846- 544-1-30.pdf?140304160413. 47 Milutinovic, Fernsehen im ehemaligen Jugoslawien – die Transformation zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, 2011, S. 387 ff, Internetresource. 48 Milev, in: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Internationales Handbuch Medien, 2009, S. 234. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 14 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter (Bulgarisches Nationalradio, BNR, und Bulgarisches Nationalfernsehen, BNT) sind juristische Personen, deren Eigentümer der bulgarische Staat ist.49 Leitungsorgane von BNR und BNT sind ihre jeweiligen Vorstände und Generaldirektoren. Ihre Tätigkeit wird von der Medienregulierungsbehörde, dem Rat für die elektronischen Medien CEM, überwacht und kontrolliert. Der CEM wählt und entlässt die Generaldirektoren und bestätigt auf Vorschlag der Generaldirektoren die Vorstandsmitglieder von BNR und BNT.50 Der Vorstand besteht aus fünf Mitgliedern, die vom Generaldirektor nominiert und von der Regulierungsbehörde CEM ernannt werden. Die Amtszeit der Vorstände beträgt drei Jahre.51 Der Generaldirektor wird von der Medienregulierungsbehörde CEM gewählt. Die Medienregulierungsbehörde, der CEM, wurde gemäß dem Rundfunkgesetz als unabhängiges spezielles Regulierungsorgan eingesetzt, um für die Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter sowie für das öffentliche Interesse zu garantieren. Der Rat besteht aus neun Mitgliedern, von denen fünf von der Nationalversammlung gewählt und vier vom Präsidenten der Republik ernannt werden.52 Obgleich die Generaldirektoren nur ausnahmsweise vor Ablauf ihrer ohnehin kurzen Amtszeit entlassen werden können, dies mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen ist und die Entscheidung gerichtlich überprüft werden kann, hatte in den Jahren bis 2007 keiner der Generaldirektoren seine volle Amtszeit leisten können. Daraus wurde geschlossen, dass die Leitungsorgane öffentlich -rechtlicher Rundfunkveranstalter immer noch äußeren Einflüssen ausgesetzt sind.53 Daran wird sich kaum etwas geändert haben. Nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung glauben nur noch 17 Prozent der Menschen in Bulgarien an die Unabhängigkeit der Medien. Nach dem Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen im Jahr 2015 liegt Bulgarien auf Platz 106 weltweit und ist das Schlusslicht der EU in Sachen Pressefreiheit weit hinter Ungarn (Platz 65) und Polen (Platz 18).54 49 Ognyanova, in: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkkultur, Herausgegeben von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (2007), S. 21, 23. 50 Ognyanova, ebenda, S. 23. 51 Ognyanova, ebenda, S. 25. 52 So Ognyanova, ebenda, S. 26. 53 Ognyanova, ebenda, S. 24. 54 Ebner, Bulgariens Medien: Frei, aber nicht unabhängig, NDR Artikel vom 10.06.15, abrufbar unter: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Bulgariens-Medien-frei-aber-nicht-unabhaengig,bulgarien 326.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 - 3000 - 004/16 Seite 15 8. Schluss Eine so strikte formale Begrenzung staatlichen Einflusses auf die Besetzung der Leitungsorgane öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten wie in Deutschland findet sich in den beispielhaft untersuchten Ländern der EU nicht. Es ist umgekehrt nicht ungewöhnlich, dass die Regierungen über die Besetzung der Leitungsorgane öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten entscheiden. Sogar bei der stets als vorbildlich dargestellten BBC in Großbritannien schließt die gegebene Rechtslage politischen Einfluss der Exekutive nicht aus. Dass es hier gleichwohl nicht zu unzulässiger politscher Einflussnahme kommt, während diese beispielsweise auch in Deutschland immer wieder beklagt wird, scheint daher eher eine Frage der politischen Kultur des Landes als der gesetzlichen Grundlagen zu sein.55 55 Vgl. z. B. Hanfeld, So fern und doch so nah, Was öffentlich-rechtliche Sender und Politik verbindet, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.1.2016, S. 11; v. Bebenburg, Linke sieht „Kungelei“ im HR-Rundfunkrat, Frankfurter Rundschau, 15. 1. 2016, S. 34.