© 2020 Deutscher Bundestag WD 10 – 3000 – 001/20 Rechtsverbindlichkeit der Verwendung der deutschen Rechtschreibung in Schulen und anderen Einrichtungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 2 Rechtsverbindlichkeit der Verwendung der deutschen Rechtschreibung in Schulen und anderen Einrichtungen Aktenzeichen: WD 10 – 3000 – 001/20 Abschluss der Arbeit: 27. Februar 2020 Fachbereich: WD 10: Kultur, Medien und Sport Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Verfahren – Schulen 4 2.1. Rat für deutsche Rechtschreibung 4 2.1.1. Zusammensetzung 4 2.1.2. Aufgabe 4 2.2. Kultusministerkonferenz 5 2.3. Kultusministerien der Länder 6 3. Verfahren – Regelungen für den amtlichen Schriftverkehr 6 3.1. Umsetzung auf Bundesebene 6 3.1.1. Amtlicher Schriftverkehr 6 3.1.2. Normsprache 7 3.2. Umsetzung in den Bundesländern 7 3.2.1. Universitäten 8 3.2.2. Kommunen 8 4. Neuere Entwicklungen 9 4.1. Tätigkeit des Rats für deutsche Rechtschreibung hinsichtlich einer alle Geschlechter berücksichtigenden Sprache 9 4.2. Kultusministerkonferenz/Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder 10 4.3. Ausblick 11 5. Abweichungen geschlechtergerechter Sprache von dem amtlichen Regelwerk 11 6. Fazit 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 4 1. Vorbemerkung Der Sachstand stellt das Verfahren dar, das dazu führt, dass bestimmte Schreibweisen rechtsverbindlich werden. Ferner stellt er dar, inwieweit und für wen die so für rechtsverbindlich erklärte Schreibweise gilt. Schließlich gibt er einen Ausblick auf das zu erwartende weitere Verfahren. 2. Verfahren – Schulen Zunächst sei das Verfahren für die Änderung der für Schüler verbindlichen Rechtschreibung dargestellt : 2.1. Rat für deutsche Rechtschreibung Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist die maßgebende Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung und gibt mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus. Es handelt sich dabei um ein zwischenstaatliches Gremium, das die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthographischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiter entwickeln soll.1 2.1.1. Zusammensetzung Dem Rat für deutsche Rechtschreibung gehören 41 Mitglieder aus sieben Staaten und Regionen an. Von diesen stammen 18 aus Deutschland, je neun aus Österreich und der Schweiz und je eines aus dem Fürstentum Liechtenstein, aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und von der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Das Großherzogtum Luxemburg ist mit einem Mitglied ohne Stimmrecht kooptiert. Diese 41 Mitglieder bestimmen ihre Vertreter und entsenden Sie in den Rat. Der Rat tritt mindestens zweimal im Jahr zu einer Plenarsitzung zusammen. Arbeitsgruppen, die die Themenkomplexe Beobachtung des Schreibgebrauchs (AG Korpus, AG Schule) sowie die linguistischen Begleitung (AG Zeichensetzung) betreuen, tagen je nach Erfordernis zwischen den Plenarsitzungen und bereiten diese vor.2 2.1.2. Aufgabe Die Aufgabe des Rats für deutsche Rechtschreibung ergibt sich aus Ziffer 1 des Statuts: 1 Der Rat für deutsche Rechtschreibung – Die maßgebende Instanz für die deutsche Rechtschreibung. https://www.rechtschreibrat.com/der-rat/. [Alle URL in diesem Sachstand wurden zuletzt am 27.02.2020 abgerufen .] 2 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 5 „… Er soll die wichtigsten wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen repräsentieren. Seine Vorschläge erhalten durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen Bindung für Schule und Verwaltung. Dieser Rat hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis von 1996 in der Fassung von 2004) im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln . Hierzu gehören insbesondere die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung, die Klärung von Zweifelsfällen (der Rechtschreibung), die Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache. Diese Vorschläge sind den zuständigen staatlichen Stellen in den regelmäßigen Berichten nach Ziff. 3.5 vorzulegen und zu begründen. Der Rat kann auf der Grundlage seiner Beobachtungsergebnisse über kleinere Veränderungen des Wörterverzeichnisses entscheiden, die in der Vergangenheit der Entscheidung der Wörterbuchverlage überlassen waren. Dies betrifft nicht größere oder gar Regelveränderungen . Die vom Rat beschlossenen kleineren Veränderungen werden den zuständigen staatlichen Stellen mitgeteilt. Die Geschäftsstelle des Rats veröffentlicht die jeweils gültige Fassung des Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis).3 Der nächste Bericht wird im Jahr 2022 den zuständigen staatlichen Stellen, zu denen in Deutschland die Kultusministerkonferenz gehört, vorgelegt und von diesen voraussichtlich im Jahr 2022 oder 2023 beschlossen. 2.2. Kultusministerkonferenz Die Kultusministerkonferenz der Länder beschließt dann gegebenenfalls, dass die vorgeschlagenen Änderungen in die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung aufgenommen werden sollen. Diese soll dann ihrerseits die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen werden.4 3 Statut des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 17.06.2005 i.d.F. vom 30.03.2015. Abrufbar unter: https://www.rechtschreibrat.com/DOX/statut.pdf. 4 So zum Beispiel: Neuregelung der deutschen Rechtschreibung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom3.3.2006). Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse /2006/2006_03_03-Neuregelung-Rechtschreibung.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 6 2.3. Kultusministerien der Länder Damit Änderungen der Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung für die Schüler an allen Schulen in einem Bundesland verbindlich werden, setzen die Kultusministerien diese per Runderlass an alle Schulen oder Verordnung – sofern nötig5 – um. Dies gilt dann auch für Privatschulen , die Ersatzschulen sind. Damit wird eine mögliche Änderung dann „rechtsverbindlich“ für die Schüler, entfaltet also Wirkung auf Dritte. 3. Verfahren – Regelungen für den amtlichen Schriftverkehr Im Zuge der Rechtschreibreform 1996 wurde das als Anhang der Wiener Absichtserklärung6 vom 1. Juli 1996 beigefügte Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ als amtliche Regelung im Bundesanzeiger7 einschließlich der „Gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung – Wiener Absichtserklärung – vom 1. Juli 1996“ veröffentlicht . 3.1. Umsetzung auf Bundesebene 3.1.1. Amtlicher Schriftverkehr Mit Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 7. Juni 1999 wurde zum 1. August 1999 die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in der im Bundesanzeiger veröffentlichten Fassung in den amtlichen Schriftverkehr eingeführt. Ab diesem Stichtag sollte „für die Anwendung der veränderten Rechtschreibung Sorge getragen werden.“8 5 Das Land Niedersachsen beispielsweise hat in einem Runderlass bestimmt, dass das amtliche Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung in seiner jeweils gültigen Fassung die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen ist. RdErl. d. MK v. 22.8.2018 – 32 – 82101/1 – VORIS 22410. Abrufbar unter: http://www.ndsvoris .de/jportal/?quelle=jlink&query=VVND-224100-MK-20180822-SF&psml=bsvorisprod.psml&max=true. 6 Abrufbar unter: https://www.rechtschreibrat.com/DOX/wiener_erklaerung.pdf. 7 Bundesanzeiger vom 31. Oktober 1996 Nr. 205a. 8 Zitiert nach: Bundesverwaltungsamt – Bundesstelle für Büroorganisation und Bürotechnik – Heft 237, Juli/August 1999 S. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 7 3.1.2. Normsprache In demselben Erlass wurde die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung auch in der Normsprache statuiert.9 3.2. Umsetzung in den Bundesländern Durch Runderlasse oder Beschlüsse wurde die Beachtung des Regelwerks „Deutsche Rechtschreibung , Regeln und Wörterverzeichnis“, verbindlich für den amtlichen Schriftverkehr in den Bundesländern festgelegt. So erging beispielsweise am 25. August 1998 ein Erlass über die „Umstellung der amtlichen Rechtschreibung in der Landesverwaltung des Landes Brandenburg“10. Damit war die Rechtsverbindlichkeit für die Beamten und Angestellten der Länder gegeben. 9 Dazu hieß es in dem Erlass vom 7. Juni 1999 unter 1.5: „Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ist auch in der Normsprache umzusetzen. Gesetz- und Verordnungsentwürfe sind daher ab dem 1. August 1999 unter Beachtung der Neuregelung zu erstellen und zu verkünden . Dies gilt sowohl für neue Stammgesetze und Stammverordnungen als auch für Gesetze und Verordnungen , durch die bestehende Regelungen geändert werden. Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ist auch bei der Bekanntmachung von Neufassungen von Gesetzen und Verordnungen zu beachten; die Gesetzesoder Verordnungstexte, die neu bekanntgemacht werden, sind unter Berücksichtigung der neuen Regelung zu erstellen. Auch bei anderen Bekanntmachungen in den Verkündungsblättern des Bundes muß die Neuregelung beachtet werden. Die bei der deutschen Rechtschreibung zu beachtenden Regeln sind in dem Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“, das als Beilage zum Bundesanzeiger vom 31. Oktober 1996, Nummer 205a, veröffentlicht ist, enthalten. Im Bereich der Rechtsetzung ist eine einheitliche Schreibweise wünschenswert. Anders als im amtlichen Schriftverkehr wird deshalb in der Normsprache die Verwendung der Varianten festgelegt. Wenn nach der Neuregelung mehrere Schreibweisen eines Wortes zulässig sind, sind in Gesetzen und Verordnungen die bisher gebräuchlichen Varianten zu verwenden. Dies kann aber nicht als eine starre Regelung verstanden werden. Wenn sich im Bereich einer bestimmten Fachsprache, die von den Adressaten eines Gesetzes oder einer Verordnung verwendet wird, eine bestimmte Schreibweise eines Wortes herausgebildet hat oder herausbildet, ist es gerechtfertigt , sich der Schreibweise dieser Fachsprache zu bedienen, um den Erwartungen der Normadressaten zu genügen . Allerdings ist es erforderlich, innerhalb eines Rechtsbereiches die Schreibweise einheitlich zu gebrauchen . Durch die vorstehend genannte Vorgehensweise sind im Bereich der Varianten bei der Normsprache in der Regel keine Anpassungen erforderlich.“ 10 Einführung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung für den dienstlichen Schriftverkehr in der Landesverwaltung Brandenburg vom 25. August 1998. Abl./98, [Nr. 37], S. 790. abrufbar unter: https://bravors.brandenburg .de/de/verwaltungsvorschriften-216497. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 8 3.2.1. Universitäten Universitäten befinden sich in einem Spannungsverhältnis zwischen der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit und der daraus resultierenden Unabhängigkeit, ihrem Selbstverständnis 11 und der Stellung des Lehr- und Verwaltungspersonals als Beamte oder Angestellte des jeweiligen Bundeslandes. Problematisch ist daher, ob sie den Landesvorschriften für den dienstlichen Schriftverkehr unterliegen. So hat zum Beispiel die Universität Leipzig durch die Änderung der Grundordnung das generische Femininum eingeführt12, das der verbindlichen Rechtschreibung widerspricht. 3.2.2. Kommunen Gleichfalls wird hier offengelassen, ob Gemeinden – so wie die Hansestadt Lübeck13 und die Landeshauptstadt Hannover14 – im Rahmen des in Art. 28 Absatz 2 GG gewährten Rechts, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln “ die rechtliche Kompetenz haben, auf lokaler Ebene die Beamten und Angestellten einer Gemeinde durch Dienstanweisung zu der Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache im amtlichen Schriftverkehr zu verpflichten. 11 S. dazu z.B.: Mayer, Franz: Von der Rechtsnatur der Universität. Regensburg, 11.11.1967. Abrufbar unter: https://portal.uni-regensburg.de/235/1/235%29%20ubr17723.pdf. S. 14f: „Anders als die Gemeinde oder einer der üblichen unterstaatlichen Verbände ist daher die Universität nicht lediglich eine Sonderform mittelbarer Staatsverwaltung. Ihre Verwaltungsaufgaben sind, so mannigfaltig und umfassend sie auch sein mögen, im Ergebnis doch nur Zubehör zum Grundanliegen Wissenschaftspflege und insgesamt, im Gegensatz wiederum zur Gemeinde, in der Gesamtschau des Gemeinwesens doch nur sehr spezieller und partieller Natur. Schon aus der Sozialfunktion der Universität ergibt sich somit, daß ihre Autonomie nicht nur der Quantität, sondern insbesondere auch der Qualität nach eine andere zu sein hat, als die sonstiger unterstaatlicher Verbände. Die Wissenschaftspflege bedarf eigener Gesetze, die im Grunde genommen sie sich nur selbst geben kann.“ S. 34: „Die Universität ist nicht Teil der Verwaltungsorganisation des Staates, nicht eine einem Ministerium nachgeordnete Staatsbehörde, sondern eine unter Staatsaufsicht stehende akademische Behörde.... Der Staat hat die Obhut über die Universität, d. h. ihm obliegen die kostspieligen Obhuts- und Pflegepflichten; er hat die Verantwortung für den Apparat, d. h. für ihre Sachmittel und ihre innere Verwaltungsorganisation." 12 Grundordnung der Universität Leipzig vom 6. August 2013. Abrufbar unter: https://stura.uni-leipzig.de/sites /stura.uni-leipzig.de/files/dokumente/2016/12/grundordnung_ul_130806.pdf. 13 Leitfaden für eine gendersensible Sprache bei der Hansestadt Lübeck. Stand: Dezember 2019. Abrufbar unter: https://luebeck.de/gender. 14 Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache. Stand Februar 2019. Abrufbar unter: https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Verwaltungen-Kommunen/Die-Verwaltung-der-Landeshauptstadt -Hannover/Gleichstellungsbeauf%C2%ADtragte-der-Landeshauptstadt-Hannover/Aktuelles/Neue- Regelung-f%C3%BCr-geschlechtergerechte-Sprache. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 9 4. Neuere Entwicklungen 4.1. Tätigkeit des Rats für deutsche Rechtschreibung hinsichtlich einer alle Geschlechter berücksichtigenden Sprache In dem Papier „Bericht und Vorschläge der AG ‚Geschlechtergerechte Schreibung‘ zur Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung am 16.11.2018 – revidierte Fassung aufgrund des Beschlusses des Rats vom 16.11.2018“15 wird die Diskussion um eine geschlechtergerechte(re) Sprache prägnant mit der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 201716 in Verbindung gebracht: „Die deutsche Bundesregierung hat am 15.08.2018 der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen und einen Gesetzentwurf zur Änderung des Personenstandsgesetzes verabschiedet: Danach kann im Geburtenregister neben „männlich“ und „weiblich“ künftig auf eine Geschlechtsangabe verzichtet oder auch die Bezeichnung „divers “ eingetragen werden, sofern die Person weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Der Gesetzentwurf verzichtet ausdrücklich auf weitergehende sprachliche Anpassungen. Der Rat kommt vor dem Hintergrund dieser juristischen Situation zu der Entscheidung, dass die generelle Frage der Art und Weise der Verschriftlichung eines „dritten Geschlechts“ für den Rat nicht im Vordergrund stehen kann, weil er dazu keine normgebende Kompetenz hat. Entsprechend der Aufgabenbeschreibung im Statut des Rats, auf der Grundlage der Beobachtung des Schreibgebrauchs Empfehlungen zu geben, liegt es allerdings nahe, bei der Beobachtung gendergerechter Schreibung Empfehlungen nicht nur in Bezug auf Formen der Kennzeichnung von Maskulin und Feminin zu erarbeiten, sondern ggf. auch weitere Geschlechter einzubeziehen.“ Am 16. November 2018 gab der Rat für deutsche Rechtschreibung „Empfehlungen zur ‚geschlechtergerechten Schreibung‘ ab: 17 „Der Rat für deutsche Rechtschreibung stellt fest, dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll.“ In diesem Zusammenhang stellte der Rat für deutsche Rechtschreibung sechs Kriterien als Grundlage für „geschlechtergerechte Schreibung“ auf: 15 Abrufbar unter: https://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_2018-11-28_anlage_3_bericht_ag_geschlechterger _schreibung.pdf. 16 Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 – Az. BvR 2019/16. 17 Rat für deutsche Rechtschreibung. Empfehlungen zur „geschlechtergerechteren Schreibung“. Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 16. November 2018. Abrufbar unter: https://www.rechtschreibrat .com/DOX/rfdr_PM_2018-11-16_Geschlechtergerechte_Schreibung.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 10 „Geschlechtergerechte Texte sollen sachlich korrekt sein, verständlich und lesbar sein, vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen), Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten, übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen, für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen. Dabei ist jeweils auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Funktionen von Texten zu achten .“ Der Rat wird auch weiterhin hierzu Analysen zum Schreibgebrauch in verschiedenen Medien und Gruppen von Schreibenden vornehmen. 4.2. Kultusministerkonferenz/Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und - minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder Am 15./16. Juni 2016 beschloss die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder „Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung“. Am 6. Oktober 2016 beschloss auch die Kultusministerkonferenz diese Leitlinien.18 Darin heißt es unter anderem: „Sowohl einzelne fachübergreifende Bildungsziele als auch der außerunterrichtliche Bereich des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags sind aus der Geschlechterperspektive zu reflektieren und zu bearbeiten. So sollen prinzipiell reflektierte Lernsituationen geschaffen werden, die geeignet sind, in Anerkennung der Gleichwertigkeit in der Verschiedenheit die bestehenden Rollenmuster aufzubrechen und zu erweitern. Zur Intensivierung und Verstetigung bieten sich Beispiele guter Praxis an in Bezug auf 18 Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.10.2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und –minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 15./16.06.2016. Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_10_06-Geschlechtersensible -schulische_Bildung.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 10 – 3000 – 001/20 Seite 11 Sprache (d. h. mündliche und schriftliche Kommunikation im Unterricht und in außerunterrichtlichen Kontexten beachtet geschlechtersensible Formulierungen); …“19 4.3. Ausblick Der nächste Schritt zu einer verbindlichen geschlechtergerechten Sprache könnte der Bericht des Rats der deutschen Rechtschreibung 2022 und eine mögliche Akzeptanz durch die Kultusministerkonferenz sein. 5. Abweichungen geschlechtergerechter Sprache von dem amtlichen Regelwerk Da die Diskussion um eine möglichst geschlechtergerechte Sprache derzeit noch nicht abgeschlossen ist, gibt es sehr viele unterschiedliche Vorschläge, um einen nach Meinung der Initiatoren möglichst geschlechtergerechte Sprache zu erreichen. Ein Überblick über viele Lösungsansätze findet sich im Anhang des Papiers „Bericht und Vorschläge der AG ‚Geschlechtergerechte Schreibung‘ zur Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung am 16.11.2018 – revidierte Fassung aufgrund des Beschlusses des Rats vom 16.11.2018“20. Deshalb kann auch nicht dargestellt werden, ob und inwieweit „die“ geschlechtergerechte Sprache mit den rechtlich verbindlichen Regelungen der deutschen Rechtschreibung kollidiert. 6. Fazit 1. Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung ist die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen. Dies gilt auch für Privatschulen. Daher ist es nicht wahrscheinlich , dass eine davon abweichende Rechtschreibung an deutschen Schulen gelehrt oder praktiziert wird. Anderslautende Informationen liegen nicht vor. 2. Beamte und Angestellte des Bundes und der Länder haben im amtlichen Schriftverkehr das Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ zu beachten. 3. Das Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ ist auch für die Normsprache verbindlich. **** 19 Ebenda, S. 8. 20 Abrufbar unter: https://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_2018-11-28_anlage_3_bericht_ag_geschlechterger _schreibung.pdf.